HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
|
Ich sah diese beiden jungen Deutschen, die mit ihrem gemieteten Wohnwagen an die griechischen Strände Chalkidikis fuhren. Sie brauchten Stunden, um nach einem Handbuch ihre Angel zusammenzusetzen, während sie dabei auf Asphalt vor ihrem Fahrzeug knieten, knapp einen Meter weit entfernt vom Sandstrand. Dann stellten sie neben den Badetüchern der anderen ihre Klappstühle auf; er warf die Rute aus, sie klappte ihr Buch auf und saß steif und stumm daneben, ohne einmal aufzublicken, wo vor ihr das türkisfarbige und glasklare Meer funkelte und im Hintergrund die antiken Ruinen Toronis lagen, gegründet im 7. Jahrhundert v. Chr. von den Chalkiden, die aus Evoia kamen, wo zeitweise Athener gegen Spartaner kämpften und am Ende der Hafen in feurigen Flammen versank, wie jetzt auch, als die rot brennende Gigantensonne am Horizont verdampfte und die Welt in ein besänftigendes Inferno tauchte, unter dem die alten Ruinensteine wie eine Illusion nach und nach verblassten.
So ohne ein einziges Wort zu wechseln, blieben sie beieinander, über mehrere Stunden, während die Strandbesucher kamen, lachten, schwammen, sich den neuesten Tratsch erzählten, sich am Bauch kratzten und wieder gingen, sie, die kaum älter als Zwanzig sein konnten, beide attraktiv und stylisch modern, und ich fragte mich, wie ihr Leben wohl in schicker Dreizimmerwohnung mit Ausblick auf den Rhein, auf einen Park oder den Hamburger Hafen war. Früher, in jungen Jahren, war ich neidisch auf so manches Fenster, hinter dem ich den Glanz hoher Regale erahnte, sofort belebt von einer Fantasie melodisch jazziger oder klassischer Hintergrundsklãnge, als ich noch kämpfte und studierte und mich nach etwas sehnte, das in Andeutungen von einem eigenen Leben erzählte.
All das habe ich mittlerweile in eine neue Welt versetzt und selbst verwirklicht, doch es hat auch einiges gekostet, fast das verlorene Selbst. Und gerade darum sah ich in der Steifigkeit beider den innigen Wunsch auffunkeln, die kurze Zeit des Urlaubs als Auszeit zu nutzen, auch wenn sie sich von dem, was sie gewohnt waren, inmitten der mediterranen Atmosphäre noch nicht vollständig lösen konnten.
Art & Vibration