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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Die Wiedereroberung (Nicht: Rück~, es geht nur voran!)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 23.01.2008 20:30
von headprint • 135 Beiträge
Wer jetzt staubtrockene Nacherzählungen parapolitischer Pamphlete
erwartete, muß sich enttäuscht aus dem thread schleichen, solche
Trocken-Schweinereien biete ich nicht. Dafür wären die sites der
Parteien evtl. ganz gut geeignet¹.

Die Wiedereroberung ist eine kleine - von diversen Bemerkungen unter-
brochene - Erzählung über die Ereignisse einer Wiederbegegnung, oder
wie mich ein Zufall brutal ausbremste,um mich kurz darauf enorm zu
beschleunigen und das ohne eine neue, unbekannte Zutat. Ganz im Gegen-
teil, ich kannte Alles auswendig, obwohl ich mir niemals ein Wort dazu
aufgeschrieben hatte.
Es war also so, daß bis vor ein paar Tagen ein etwa 18 Jahre altes tape,
früher auch Audio-Kassette genannt, als Erinnerungsstütze für dieses
Stückchen Straßenliteratur diente, das mir im Winter 90/)1, während
insgesamt 20.000 Kilometern Fahrten auf meist sehr winterlichen Straßen,
in den Genpool einging und es wurde mir nie langweilig. jetzt kann das
tape seinen Weg weitergehen, zerfallen, die Schräubchen können raus
springen, irgendwelche Federn brechen, Risse auf der Kunststoffhülle
wachsen und das Band kann vollends knicken und schrumpeln.. und sich
spiralig verdrehen, wie eine Wendeltreppe die in das Unten führt..
a spiral staircase leading down..

Seit ich das als Musik auf modernem Träger zur Verfügung habe, habe
ich die alten Lieder in sehr kurzer Zeit etwa so oft gehört wie in
den drei Jahren zuvor zusammen. Ich bin froh, daß es nicht nach einer
langen Trennung dazu kam, ich hätte mich sofort der midlife crisis
verdächtigt oder wäre ganz entwöhnt den inzwischen ungewohnten Rhythmen
erlegen, hätte sie nicht mehr ausgehalten, wäre durchgedreht, oder hät-
te das Spektakel abrupt beendet, oder mich in revolutionssoziale Phantas-
magorien gesteigert, kurz: irgendeinen Scheiß, older than dirt.
Dafür ist in dieser Zeit kein Platz, in etwa also genau so, wie es
immer schon war: wer träumen will soll Cat Stevens² und so hören, wer
sein eigenen Tuen antreiben will, soll zu massiveren Mitteln greifen,
die werden zwar auch oft zum Träumen ge~ und mißbraucht, aber wer eini-
germaßen English versteht, dem mag das bei der Musik von
Hell's Kitchen::: If You Can't Take The Heat..
nicht so recht gelingen, wie bei gewißen Produkten von Instant-Punk
-Bands, die über die Jahre und Jahrzehnte im Dienste der immer kurz
bevorstehenden anarchischen Revolution in Ehren ergrauten und im
Übrigen seit wenigstens den frühen 19-90er Jahren Grauen verbreiten.
Das liegt daran, daß Hell's Kitchen keine Band ist, die solche
Erwartungen bedient... war.

MancheR mag sich nun ins schreibgerötete Fäustchen lachen: Ach ja,
erwischt! Das ist ein Promo-Artikel für eine Band, die schon seit
Jahrzehnten nicht mehr existiert. Doch vollkommen falsch, das ist
eine notwendige Abhandlung über Musik, die auch nach fast 20 Jahren,
nach Änderung eigentlich sämtlicher Lebensbedingungen der auslaufenden
80er Jahre immer noch gehört, verstanden und assoziiert-like-feck wer-
den kann. Wer schwache Ohren hat oder zu Herzrhythmusstörungen neigt,
dem rate ich davon ab danach zu suchen. Allen Anderen wünsche ich viel
Spaß dabei und laßt Euch nicht von dem ganzen Mist, der erscheint, wenn
ihr den Bandnamen in eine Suchmaschine eingebt, ablenken.
Jedoch, setze ich hinzu, ist es keine sehr textlastige Musik, das muß ich
hier deutlich hervorheben, zudem ist die Musik nicht ganz so artig und
überschaubar, wie man es sich gerne denkt wenn man Heavy Metal liest. Wer
bisher ohne diese Musik gelebt hat, kann gerne so weiter machen, wer kann
schon sagen, ob es einen Unterschied macht?

Wenn ich jetzt diesen letzten, kleinen Abschnitt schreibe, denke ich schon
darüber nach, ob ich auch bei den LeserInnen dieses neuen Dingens hier das
Ziel erreicht habe, den Titel satt gefüllt zu haben, ohne wirklich auf die
Natur der Wiedereroberung eingegangen zu sein. *Handbewegung mach*

Hey, halt, das tape hat auch noch Aufnahmen drauf dieser Split-EP von VOID,
also: es muß noch aus halten.

____________
¹) Weiß einer was aus der site der Jungen Liberalen geworden ist, die
der heutige Meister der Liberalilalu-stigkeit damals gerade noch so verant-
wortete? Zur Erinnerung: sie hieß: 'Lieber bekifft ficken als besoffen Auto
fahren
'. Das ging zwar nicht so sehr in die Tiefe, wie andere spektakuläre
Aktionen Liberaler, aber dafür gab es auch keine häßlichen Flecken.. naja.. kaum.

²Der Name fiel mir gerade ein, früher habe gewiße Songs von dem Musiker immer
damit assoziert, daß um die Ecke eine reale Bedrohung - nicht durch den Warschauer
Pakt oder Nachrüstungsbeschlüsse, nein: durch Kräutertee, der gerade fertig ist,
ziemlich fertig sogar, lauert und ich, durch die Mächte der bürgerlichen Sitzrevolution
in diese artige Statigkeit gezogen werde könnte, Teile meiner Jugend mit theoretischen
Verhinderungsgründen zu verschwenden und von irgendwelchen feuchtäugigen Wesen
angehimmelt oder auch verdammt zu werden. Körperöffnung!! Geh fort!

*sssscrrreeeeaaaaach!!!*
zuletzt bearbeitet 23.01.2008 22:52 | nach oben springen

#2

RE: Die Wiedereroberung (Nicht: Rück~, es geht nur voran!)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 23.01.2008 22:43
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Es überkommt einen meistens erst nach langer Zeit, besonders, wenn man die Leben öfter wechselt, was heißt, aus dem einen steigt und ein anderes beginnt, dass man nach alten Musikeindrücken greift. Erst, wenn man das letzte Leben völlig überwunden hat (mit all seinen Ereignissen, Begegnungen und Erfahrungen) ist man in der Lage, sich aus einer anderen Perspektive dieser alten Musik zu nähern. Ich finde, dabei erwacht schlagartig das Gefühl für die jeweilige Stimmung, die Erinnerung an die Menschen und Dinge, die mit diesen Musikeindrücken verschmolzen sind. Schalte ich alte Musik ein, wandelt sich der Raum aus dem Jetzt in etwas Gewesenes. Das ist für mich manchmal ziemlich beeindruckend.

Der Punk von heute ist irgendwie schläfrig geworden. Vor etwa sechs Jahren habe ich mir mal die Freude gemacht und mich mit einem Bier zwischen die Buntköpfigen gesetzt, voller Spannung, in welcher Form sich das Anarchiedenken einer anderen Generation äußert, natürlich um es mit dem meiner Jugenderinnerungen zu vergleichen. So saßen wir dann auf alten Wolldecken irgendwo zwischen hastenden Füßen, und ich lenkte das Gespräch auf das Punkerdasein, was daran gelebt, mit welcher Musik hier kompensiert werde. Mit einigem Bedauern musste ich dann leider feststellen, dass hier die Überzeugungen zwischen gereichten Weinkartons, geweiteten Pupillen und dem freudig und laut gekreischten Ausruf: Ich will fi...en! versickerten. Die Musik war einfach laut und ohne Hintergrund. Nach etwa einer Stunde verließ ich die schwankende Runde und konnte mir den Gedanken nicht verkneifen, dass eine "Rebellion" immer zeitabhängig ist, immer neu und frisch und radikal aus dem Boden tauchen muss, um einen Sinn zu haben, um den Menschen, die dieser Richtung folgen, Kraft und Stärke zu verleihen. Hier wurde nur noch eine alte Tradition lau aufgewärmt, beibehalten mit dem einen oder anderen verbrauchten Altpunk, der seine rebellischen Gedanken längst gegen den geheimen Wunsch nach einem warmen Bett vertauscht hat.
Diese Gedanken kamen mir, als ich las:
... wie bei gewißen Produkten von Instant-Punk
-Bands, die über die Jahre und Jahrzehnte im Dienste der immer kurz
bevorstehenden anarchischen Revolution in Ehren ergrauten und im
Übrigen seit wenigstens den frühen 19-90er Jahren Grauen verbreiten.




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 23.01.2008 22:49 | nach oben springen

#3

RE: Die Wiedereroberung (Nicht: Rück~, es geht nur voran!)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 24.01.2008 07:14
von Salin • 511 Beiträge

Punk aus dem Med.-Markt - das ist mehr als nur seltsam.
Ähnlich den Kunstmarkt-Avantgarden.
zuletzt bearbeitet 24.01.2008 07:17 | nach oben springen

#4

RE: Die Wiedereroberung (Nicht: Rück~, es geht nur voran!)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 24.01.2008 07:15
von Moulin • 395 Beiträge

In Antwort auf:
Zitate Headprint
¹) Weiß einer was aus der site der Jungen Liberalen geworden ist, die
der heutige Meister der Liberalilalu-stigkeit damals gerade noch so verant-
wortete? Zur Erinnerung: sie hieß: 'Lieber bekifft ficken als besoffen Auto
fahren'





Na, die sind jetzt 'Straight Edge'. Zumindest was die Liberalität angeht...

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#5

Das Heilmittel

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 26.01.2008 21:59
von headprint • 135 Beiträge
Während Punks also auf mit Flugbenzin getränkten Wolldecken
ihre starkwortigen Sätze von sich geben und Asche in die
Kanister schnippen, Punk aus dem Verbrauchermarkt eine
zweifelhafte Sache ist und die Liberalen ihren Sinn für
Späße verloren haben, so kurz vor der angedachten Kleinen
Koalition; das Alles in Folge der Wiedereroberung, die ich
immer noch nicht viel näher einsätzig - besser als aussätzig -
beschreiben will, als so: das Deschawü eines bestimmten Ge-
fühls beim Hören eines bestimmten Lieds.
Während das also so kreiste und mäanderte, bin ich nicht
stehen geblieben, sondern gelaufen. Dabei mußte ich vor Allem
in den letztvergangenen 9½ Wochen feststellen, daß mir moderne
Autoscheinwerfer direkt in die Augen fahren. Es ist ungefähr
wie wenn man neugierig in einen Flakscheinwerfer guckt, nur daß
man nicht guckt, die Autos sind beweglich, ihre Scheinwerfer
scheinen die Augen der Fußgänger zu suchen, Hügel erleichtern
ihnen das Finden.
Die erste Frage, Eingebung, ist zweifellos: "Bin ich nachtblind?"
Wer aber nicht nachtblöd ist, wird sofort den neuen Zustand mit
dem vorherigen abgleichen und herausfinden, daß das wohl nicht
der Fall ist, jedenfalls dann nicht wenn er vorher ausreichend
gut seine Umgebung erkennen konnte, was eigentlich immer geht,
außer es ist so stockfinster, daß man wirklich die Hand vor Augen
nicht mehr sehen kann - Abenteuer, phantasieanregend.
Jedenfalls ist das, durch das starke Verkehrsaufkommen in der Vor-
ladenschlußzeit, eine nervende Erfahrung, die sich häuft. So ist
es etwas sinnlos nach philosophischen Ansätzen zur Lösung zu su-
chen, außer sie beinhalten das zielgenaue Schleudern scharfkantiger
Steine, was aber an sich keine Lösung darstellen kann: für jedes
getroffene Auto werden flugs zwei neue angemeldet, die dann wütend
auf den Straßen neben meinen Wegen patroullieren würden.
Ich weigere mich auch eine Sonnenbrille aufzusetzen - es gibt schon
zuviele Leute, die anscheinend ohne ersichtlichen Grund zu ungewöhn-
lichen Zeiten Sonnenbrillen tragen und so den Eindruck erzeugen,
sie seien nicht ganz dicht. (Was auf eine bestimmte Prozentzahl Al-
ler, die das tuen durchaus zutrifft, die anderen sind Schweißer oder
bekifft.)
Das Lied der Cramps ::: 'Sunglasses after dark' ist nett zu hören,
doch für mich trägt es keine Aufforderung heran dies auch zu tuen.
Heute als ich in vollem Bewegungsdrang eilenden Schrittes ins tief
dunkle Tal stürzte, hat mich ein besonders fieser Strahl getroffen,
wahrscheinlich extra den Kofferraum mit Sandsäcken gefüllt, jeden-
falls über eine längere Strecke und damit auch Zeit, wurde ich ge-
blendet und beinahe kam ich vom Weg ab. Das ist für einen Fußgänger,
auch einen der über ausreichende Reserven verfügt, eine heikle Sache.
Ich beschloss nach einem Heilmittel zu suchen. Nachdem ich meinen
Rucksack gut gefüllt hatte und wieder in die arbiträre Diskothek der
tanzenden Straßenbäume eintauchte, war ich auf erneute Blendungen
gefasst. Das ist jetzt kein polyphemisches Agieren, was ich hier be-
treibe, es ist Erfahrung, en bloc gewachsen und kryptonpoliert.

Doch siehe: es blieb aus.

Den einzigen Grund, den ich mir, bei sogar überdurchschnittlichem
Autoverkehr und den Blendlockungen Dunkelheit und Samstagabend,
vorstellen kann, hat mit dem Stück Butter zu tuen, das in der
Brusttasche meiner Regenjacke lagerte (um zu verhindern, daß
es von den schweren Massen im Rucksack deformiert wurde). Sonst
war Alles so wie es in den 9½ Wochen zuvor auch war: dunkel und
plötzlich zu hell, dann zu dunkel, kurz, dann wieder wie es sein
soll und schon kam das nächste Auto galoppiert.
Auch wenn der Butterpreis wieder etwas zurückgenommen wurde, ist
es nicht so, daß ich bei jedem Fuß-Einkauf nach Sonnenuntergang
ein Stück Butter kaufe, deswegen wird eine längere Untersuchung
nötig sein, um herauszufinden, ob ich ein Heilmittel gefunden habe.
Bleibt dran, ich rechne Ende 2009 mit einem ersten Zwischenergebnis.

(Ach: das Heilmittel ist klar, jetzt, solange kein Gegenbeweis..
die Maladie ist nicht die unerfragte Trübung der Kontraste, son-
dern das Auto und seine moderne Weiterweiterweiterentwicklung.)

*sssscrrreeeeaaaaach!!!*
zuletzt bearbeitet 27.01.2008 11:21 | nach oben springen

#6

Wiedereroberung ::: Der Sonnta.. -- e d i t e d --

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 27.01.2008 12:22
von headprint • 135 Beiträge

Der Sonntagsbeitrag (Vorsicht!! Feuilleton !!!)

Doch es bleibt nicht bei einem reinen Gefühl durch das
zuvorderst als äußerst passiv erscheinende Zuhören und
das - im Hintergrund - dazugehörige Abrattern von Asso-
ziationen; ebenso kann es nicht genug sein, sich mit den
reinen Zweckgängen zufrieden zu geben, es muß die Kür her,
der Ausdruck des Wollens.
Ich möchte betonen, daß ich hier keinen Wert auf das Kanten
lege, es ist weder sinnvoll noch anstrebsam zu einem genau
festgelegten Zeitpunkt - der sich durch das unbarmherzige
Ticken der Uhren findet - an einem bestimmten Ort zu sein,
es ist zu blöde sich anzugewöhnen seine Bewegungen Maschinen
anzupassen und, wie ein aufgezogener Philosoph, nach ge-
nau vorhersagbaren Mustern durch z.B. Monte del Rei zu
stolpern.
Liebe LeserInnen seht mir diesen kritischen Nebenweg
nach, falls ihr euch zu sehr brüskieret fühlen solltet. Kritik,
reine Vernunft und persönliches Empfinden/ Handeln passen
nicht immer sofort unter einen Hut, Ich mußte länger suchen,
bis ich einen fand. (Bitte! Ich schrieb nicht: "Sogar ich mu..",
"Selbstverständlich gelang es mir nach nur unbedeutend
längerer Suc..
" und auch nicht: "Es ist ein Zeichen von nur
vorgegebener Suche,wenn mensch nicht..
")

Ich mußte nicht wirklich suchen, denn ich fand, aber es wäre zu komplex hier,
an nur einem Sonntag erklären zu wollen, wie es sich damit verhält und warum
ich hier PA-mäßig trotzdem das Wort 'suchen' benutze. Jedenfalls habe ich den
Hut nun frisch gebürstet und mach mich, nach einer weiteren, überschaubaren, ge-
schätzten Anzahl von hier applizierten characters auf, um mir die Sicht zu drehen.

Es gibt einen bekannten Spruch, der nur zu wahr ausdrückt, was tatsächlich
meist so ist: Der Spitzweg ist das Ziel!

Auf zum Sonntagsspaziergang, die eigene Welt von Außen-Innen nach Innen-Außen
kehren, störende Lichter aushebeln mit Stock und Hut¹. Die Nachläufer sind nur
gedacht, sie haben andere Pläne, so kann ich Wege wagen und - im Fall - mich
bei mir selbst beschweren und nach dem Sehen, was ich dacht' oder dem Nicht.Sehen
desselben zurückkehren und unter Umständen diesen Beitrag erweitern. Mal sehen.

________Dear Edith___________

Ich wuchs auf diesem Spaziergang, denn ich verließ den Weg und unter meinen
Sohlen häufte sich die Erde. Als ich dann mal Leute in clownbunter Kleidung
traf, die mit ihren Fahrrädern unterwegs waren, war ich schon etwa drei Meter
45 hoch - das war mir fast unangenehm, denn ein Beobachter aus der Ferne hät-
te nichts Anderes feststellen können, als das dort drüben ein Treffen von cir-
censischen Gestalten stattfände.
Ich kehrte richtig auf den Weg zurück und versuchte den zähen Grund abzuschütteln,
das gelang - aber nicht sehr gut, nur so lala. Ich sah so Einiges, ich sah Einiges
anders und Vieles neu und auch viel Neues. Beinahe vier lohnende Stunden und es hat
nicht mal geregnet. (Frost wäre schön gewesen, dann müßte ich nicht den zähen Dreck
aus dem Profil kratzen.)

___________
¹) Stock kommt nicht mit, stört gerade nur, wiegt und der Grund ist
nicht so glatt als daß er mehr nützte, denn er wöge, trüge ich ihn.

*sssscrrreeeeaaaaach!!!*
zuletzt bearbeitet 27.01.2008 21:29 | nach oben springen

#7

Der Schnick. (Faasenachd isch rum.)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 05.02.2008 19:33
von headprint • 135 Beiträge

Ich habe die letzten Tage, Wochen - mir kommt es vor wie
Monate - versucht ein Buch zu lesen.
Anfangs ging es noch ganz flott, ich war gespannt auf
die Dramatisierung, das hochschrauben, hoch schreiben
der verschiedenen Stränge, die die Autorin eingeführt
hatte. Dann nach etwas mehr als 100 Seiten kamen mir
erste wirklich zweifel, gedacht, daß ich mich irre,
aber schließlich leselte ich an dem Buch rum, las
immer langsamer, versuchte etwas hinein zu lesen, was
nicht hineingeschrieben wurde. Es kam mir bei Seite
2650 nochmals seltsam vor. (Das heißt natürlich Sei-
te 250, haha..)
Es spielte im ländlichen England von 1936 und ich hatte
schon einige Fehler gesammelt, so wurde einmal 1918 mit
1914 verwechselt, zudem die Okupation von Österreich durch
das Dritte Reich ganz offensichtlich - ohne es auszusprechen
allerdings - von 1938 nach etwa 1935 verlegt, zudem wurden
einige Charaktere gefälscht, bei allen hingeworfenen zeit-
lichen Hinweisen waren einige Verhaltensweisen einfach daneben,
auch wenn man berücksichtigen will, daß dort viele Figuren auf
wohlbekanntem Terrain spielen.
Der Hammer aber: als ich es heute zuklappte, sah ich, daß es
von der Bibliothek mit dem label 'Familie' versehen war.. ich
dachte die ganze Zeit ich läse einen Krimi, wunderte mich schon
(nun bei Seite 300nochwas) schon 200 Seiten, wann denn die Poli-
zei gerufen wird - haha..
Ich kann mir nach dieser Lektüre direkt die Verfilmung vorstellen,
und wie pittoresk die englische Vorkriegs-Mürbedität abgefeiert
wird in wunderbaren Bildern, basierend auf diesem Landhaus-Büchlein,
das ernsthaft so tut als wolle es irgendwas aus dem Jahre 1936 zum
leser bringen, in Wirklichkeit jedoch versucht, dem Leser zu erlau-
ben in ein imaginäres, selbst gemachtes 1936 zu verschwinden.
Durchhalte-Roman, Eskapisten-Kacke, Schnick ohne Schnack.

So kann es passieren, wenn man nicht genau guckt, oder einem Buch
zuviel Vertrauensvorschuß gibt.

Um dieses üble erlesene Erleben gleich amAnfang eines Jahres auszu-
gleichen, dachte ich mir, wäre es eine gute Idee ein paar oberfläch-
lich unterhaltende Reißer zu lesen, die im Vergleich zu diesem Buch
zwar ebenso tief gehen, aber das gekonnt und die Handlung vorantreiben
ohne sich in selbstgestellten Fallen zu fangen, dem erfahrenen Leser
genug weiße Flecken auf den Seiten lassen, daß er das Notwendige hin-
zufügen kann oder Fehler, je nach dem.
Das stand ich heute vor den Regalen und meine Augen sirrten und surrten
über die Rücken, dann über die Werbetexte und ach: diesmal war ich wohl
zu aufmerksam, fand solches nicht wirklich, das was ich fand verwarf ich,
zu hohl zu schablonenhaft, zuviel CIAFBI-Fernsehversatzstücke, zu brutal,
zu lächerlich, zu langweilig, zu dünn, zu uninteressante Thematik (mehr-
mals). Nichts! Nur Schrott! Naja, King/ Straub 'Der Talisman', habe ich
schon gelesen, erst im Original, dann auf Deutsch, nochmal was von King
lesen, das halten die Maschinen nicht aus, die 80er sind vorbei, liebe
Lesefreunde, und ich will des Nachts schlafen. (Nebenbei sind King's Din-
ger wirklich so: durch das Lesen seiner Bücher verringert sich selbstver-
ständlich die Lust mehr zu lesen. Wer in kurzer Zeit etliche verschlungen
hat, hat genug davon.. Sättigung reicht 20 Jahre (bisher))

Aber es wäre das falsche board, der falsche thread, würde ich hier über
Bücher sprechenwollen: ich spreche über das Lesen. Nein, ich spreche über
die Betrachtung des Lesens... Nein, ich spreche über die Betrachtungen
neben dem Lesen her, die vielleicht damit zusammen hängen oder aber derje-
nige, der da liest, zieht einen solchen Schluß, wobei es immer nicht ganz
klar ist, ob das wirkich zusammen hängt oder zusammen gehängt wird.

Aus den bisherigen Zeilen ziehe ich den Schluß - das ist nicht neu -, daß
man nicht über 200 Seiten auf die Polizei warten soll, denn das ist ein weit
größeres Verbrechen, als eine auf ihre Handlung festgeschriebene Polizei
aufklären könnte.
Weiter wende ich ich erneut und für immer davon ab Bücher für mich suchen zu
wollen - finden, der Rest ist Zeitverschwendung. (Bücher suche ich schon, doch
das meist für eine mir äußerst nahe stehende Person, was Sinn macht, irgendwie
ja, schon, gell?)

Man könnte, wollte man das, auch davon sprechen, daß ich mich literarisch abge-
härtet habe, mich mit kalt geschriebenen Geldzeilen übergossen habe, während die
Person, die das schrieb wahrscheinlich weitere Schnicke heruntersudelt und sich
dabei aus populären Erinnerungskalendern und zufälligen Internet-Funden mit Zeit-
kolorit eindeckt. Solche Bücher sollten in Extra-Abteilungen gehortet werden, dann
würde ich viel Zeit sparen, die ich wunderbar in das Lesen schnell gefundener Echt-
bücher investieren würde.

Zum Abschluß: kommt euch das Wort 'literarisch' nicht auch total übel an? Ich muß
immer daran denken, daß, wenn ich das benutze, ich auch 'Literarier' benutzen
müßte, was bei der bisweiligen elitären Abgehobenheit so mancher Schweinedenker
nicht ganz vom ausgestreckten rechten Arm geschoben werden kann, dort unter die
Manschette, klar. Das war jetzt pämagogisch wuchtvoll - wenn ein Komiker den letzten
Absatz klaut ohne mir was zu zahlen, kann er schonmal das Haus beleihen, für die An-
waltskosten.


*sssscrrreeeeaaaaach!!!*
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#8

RE: Der Schnick. (Faasenachd isch rum.)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 05.02.2008 20:55
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Grundsätzlich gibt es in einer solchen Situation nur zwei Entscheidungen zu treffen:
Entweder, man schreibt selbst das Buch der Bücher, um endlich den gesamten Inhalt seines Denkens (und vor allen Dingen: seines Wissens) herauszulassen, besonders, wenn schon in Büchern zu oft durchgekaut und nicht mehr überraschend, von "Erstaunen zu Erstaunen" in "Vereinfachung zu Vereinfachung" und letztendlich zu gähnender Langweile geraten, wenn also das Buch nichts mehr hergibt, als die Zeit, die damit zerfließt und die Fehler, die man entdeckt, um sich darüber zu ärgern, weil man es besser weiß (es wäre lustig gewesen, wenn du nach all dem tatsächlich 2650 Seiten gelesen hättest, bevor das Buch endlich sein ganzes Wesen entfaltet hätte! ), um eben dieses ganze Wissen endlich aus dem Kopf, aus dem Geist zu leeren, denn einmal niedergeschrieben, schafft es Platz für neue Ideen, neues Denken (hoffentlich), doch zumindest bewirkt es ein kleines Vergessen, denn was weggeschrieben wurde, liegt nur noch im Hinterkopf oder im Unbewussten, das hier allerdings bewusstseinsfähig ist. Man stößt nur nicht mehr all zu oft darauf und ist mit dem Blick ins Buch wieder großzügiger, weil man damit erneut auffrischt. Oder, man sucht sich ein völlig neues, unbekanntes Gebiet des Lesens (falls in all den Jahren eine Lücke überhaupt noch erspürbar ist), also richtet sich möglicherweise gar gegen den eigenen Geschmack.



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 05.02.2008 21:14 | nach oben springen

#9

RE: Der Schnick. (Faasenachd isch rum.)

in Die Zeiten sind, waren, werden sein: so und so 14.10.2008 23:45
von headprint • 135 Beiträge

Den Beitragstitel lasse ich mal so durchgehen.

Oder aber, liebe Taxine, es ist Herbst nämlich,
mal sehen wohin die Bootschaft auf dem Meer der
Buchstaben steuern kann, wenn Jeder und Jede mit
der eigenen Tastatur rudert.

Auch wenn mir eigentlich die Zeit dazu fehlt..
oder vielleicht deswegen? Weil mir eigentlich die
Zeit dazu fehlt??


*sssscrrreeeeaaaaach!!!*
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