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"Die Jüdin von Toledo" (dtsch. 1955 unter dem Titel "Spanische Ballade")
Mit Lion Feuchtwangers Roman „Die Jüdin von Toledo“ gehen wir zurück in die Geschichte, in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, als Alfonso VIII. König von Kasilien war. Doch bevor wir in diese Zeit rücken, erzählt Feuchtwanger uns die Vorgeschichte, wie die Moslems nach Spanien gekommen sind, dort herrschen und wie gut es den Unterworfenen, den Christen und den Juden, unter des moslemischen Herrschaft geht. Moslemische Gelehrte übersetzen die Evangelien ins Arabische. „Den zahlreichen Juden, die von den christlichen Westgoten unter strenges Ausnahmerecht gestellt worden waren, räumten sie bürgerliche Gleichheit ein“. Die Juden haben damals in Spanien eine glückliche Zeit, sie stellen in dem Kalifenstaat sogar höhere Beamte, Minister und Leibärzte, sie gründen Fabriken, treiben Handel bis über die Meere hinweg, entwickeln philosophische Systeme und und und...Kurzgefasst lässt sich sagen, damals entwicklt sich in Spanien eine Hochkultur, in der Christen, Juden und Moslems friedlich in hoher kultureller Blüte zusammenleben. Doch hält das nicht ewig. Über dreihundert Jahre später wird dieses friedliche Miteinander zerstört. Es kommt die Zeit der Kreuzzüge und im Norden Spaniens ziehen sich christliche Westgoten zurück und bilden „kleine unabhängige Grafschaften“, daraus sich schließlich das Königreich Kastilien entfaltet.
Spanien ist gespalten. Alfonso VIII. führt im Norden, in Toledo, ein christliches Reich, der Süden Spaniens mit Sevilla als Hauptsitz ist den Moslems überlassen. Offiziell ist im moslemischen Süden den Juden der Aufenthalt verboten. Die Juden, die in Sevilla bleiben, schützen sich, indem sie sich offiziell zum moslemischen Glauben bekennen, pflegen im Untergrund aber ihre jüdischen Gebräuche und Gebetshäuser. So lebt auch der reiche jüdische Kaufmann Ibrahim in Sevilla offiziell als Moslem, wird aber ins christliche Kastlilien berufen, um dort als Minister (Escrivano) das wirtschaftlich angeschlagene Kastilien wieder zum Wohlstand zu führen, und da er dort wieder als Jude leben kann, nennt er sich wieder so, wie er geboren war: Jehuda Ibn Esra.
Als christlicher Ritter fühlt sich Alfonso zum Kreuzzug getrieben, er ist aber an einem achtjährigen Friedensvertrag mit dem Emir von Sevilla gebunden. Der diplomatischen Kunst Jehudas ist es zu verdanken, dass Alfonso lange Zeit vom Krieg ferngehalten, stattdessen der wirtschaftliche Aufschwung angekurbelt wird.
In dem Roman spielt eine gewisse innere Dramatik eine große Rolle, hier wird gerungen mit Gewissensentscheidungen. Das hat mir sehr gefallen, weil wir auf dieser Ebene auch mal von den chronischen Ereignissen wegkommen und menschliche Seiten hervorgekehrt werden. Vor allem wird das religiöse Gewissen ins Zentrum gerückt. Der im multikulturellem Raum aufgewachsene muslimische Gelehrte Musa, Jehudas Freund und Berater, hat kein Problem damit, wenn er über den Propheten Jesaja sagt: „Das war ein großer Dichter, vielleicht ein größerer als der Prophet Mohammed und der Prophet der Christen.“ Man mag ihm eine gewisse Laxheit des Glaubens ansehen zu wollen, wie das im Roman auch getan wird, aber er ist doch viel mehr. Er tritt im Roman als großer weiser Mann auf, ein Mann, der in den Philosophien der damaligen Welt zu Hause ist, egal ob sie aus dem Judentum oder aus dem Islam kommen. Er verkörpert noch die kulturelle Einheit, die mal in Spanien alltäglich war. Die religiösen Gewissenskämpfe setzen mit Jehudas Kindern ein, der schönen Raquel, die zu Alfonsos Nebenfrau wird, der ihr das Haus „La Galiana“ schenkt, durch sie, er, Alfonso, seine Frau Doña Leonor vergisst, wie auch schon ein Dichter sagt: „Der König verliebte sich heftig in eine Jüdin, die den Namen Fermosa, die Schöne, trug, und er vergaß sein Weib.“(Alfonso el Sabio, Crónica General, um 1270). Und dann ist da noch der Sohn Alazar, der sich zum Ritter bilden lässt und sich von Jeduha, dem diese Angelegenheit so ziemlich plagt, immer mehr entfernt. Doch kehren wir zu Raquel zurück, die im Roman eine wesentliche Rolle spielt. Allmorgendlich betet sie die Eingangssure des Korans, macht sich aber Gedanken, ob sie, sich zum Propheten bekennend, „überhaupt in dem Großen Buch der Juden lesen“ dürfe, wo doch im siebenten Verse geschrieben steht „Allah möge seine Gläubigen fernhalten vom Wege derer, denen er zürne.“ Das Problem, was Lion Feuchtwanger hier anspricht, ist die Assimilation von Religionen, bei der in diesem Beispiel die jüdische Zugehörigkeit fast vergessen wird. Wenn man den Gelehrten Musa anschaut, möge man auch daran denken, aber bei Jehuda ist das nicht möglich, denn der überaus kluge Jehuda Ibn Isra, möchte unter keinen Umständen, dass sich seine jüdische Tochter zum Christentum bekennt, wie Alfonso das fordert. In Wahrheit hebt sich wie am es am Beispiel der großen Liebe zwischen Alfonso und Raquel vorgeführt wird, die Liebe über alle Glaubensdifferenzen. Ich glaube, dieses wollte Feuchtwanger uns sagen.
Die ganzen für mich sehr komplexen Verhältnisse zwischen Aragon und Kastilien lasse ich hiermal weg. Letztendlich sind es aber doch die menschlichen Seiten, die den Roman für mich unvergesslich machen. Durch Doña Leonor wird Alfonso doch in den Krieg getrieben, der für Alfonso ein „Heiliger Krieg“ ist, aber der Autor des Romans zeigt dem Leser, dass dieses doch anzuweifeln ist. Es ist Alfonsos Überheblichkeit und Kriegsgier, die ihn in die Niederlage gegen die Muslime in der historisch verbürgten Schlacht bei Alarcos treibt. In der Auseinandersetzung, ob der Krieg heilig ist oder nicht, schenkt uns Feuchtwanger einen kleinen Einblick in historische Quellen.
Zitat von Feuchtwanger
Der Domherr schlug den Montanisten Tertullian auf: „Ein Christ wird nicht Soldat“, hieß es da, „und wenn ein Soldat Christ wird, tut er am besten, den Dienst zu verlassen.
Wird im Mittelalter als vorgeschobener Grund die Brunnenvergiftung für Progrome gegen Juden gegeben, ist es jetzt die Schuld an der Niederlage bei Alarcos, die als Vorwand zur Gewalt gegen Juden gilt, außerdem so sagt man, habe Alfonso sich mit der Jüdin Raquel versündigt.
„Die Jüdin von Toledo“ bezieht sich zwar auf Ereignisse des 12. Jahrhunderts in Spanien, gegründet ist der Roman aber im Alten Testament, im Buch Esther. Ereignisse und Personen von dort werden ins mittelalterliche Spanien transportiert (im fünften Kapitel des Zweiten Romanteiles wird auf das Buch Esther ausführlich verwiesen). Der Roman kristallisiert sich dadurch noch stärker als ein Roman mit jüdischen Wurzeln heraus. In Westdeutschland erschien der Roman 12 Jahre nach dem zweiten Weltkrieger erstmals im Jahre 1955 unter dem Titel „Spanische Ballade“, in dem zu lesen ist
Zitat von Feuchtwanger
...aber nirgendwo waren bisher die Juden grausamer verfolgt worden als in deutschen Landen...
Der von großer Menschenfreundlichkeit geprägte Roman zeigt auf, dass die Hoffnung auf Frieden nie vergehen wird, und für Juden eine „bürgerliche Gleichheit“ zur Selbstverständlichkeit wird.
Zitat von Feuchtwanger
Ein Jahrhundert lang hatten jüdische Ratgeber ihre kastilischen Könige zur Vernunft gemahnt.
Zum 50. Todestag des Autors sendet 3Sat am 21.12.2008 um 11.30Uhr "Zeugen des Jahrhunderts: Marta Feuchtwanger
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Lion Feuchtwanger
in Die schöne Welt der Bücher 20.12.2008 21:56von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Martinus
Zum 50. Todestag des Autors sendet 3Sat am 21.12.2008 um 11.30Uhr "Zeugen des Jahrhunderts: Marta Feuchtwanger
Wird geguckt. Vielen Dank für den Hinweis, lieber Martinus.
Art & Vibration
RE: Lion Feuchtwanger
in Die schöne Welt der Bücher 20.12.2008 22:40von Martinus • 3.195 Beiträge
Hallo larifant,
ja genau "Erfolg", habe ich auch gelesen, sehr gut,ja. In meiner Aufzählung gelesener Feuchtwanger-Bücher im Bargeflüster Nr.9 , habe ich diesen Roman glatt unterschlagen. Verfilmt von Franz Seitz.
Liebe Grüße
mArtinus
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