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Writing under constraint
in Das "andere" Buch 13.05.2009 19:06von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Raymond Roussels
"Locus Solus"
Ganz im Gegenteil zu Robbe-Grillet, der Roussels Schreibstil als verschlossene Schublade beschreibt, zu der Roussel uns einen Schlüssel überreicht, bis wir sie öffnen können, sie allerdings leer vorfinden, sehe ich in diesem Stil keine leere Schublade, sondern wir entdecken in der Schublade die Notwendigkeit, sie öffnen zu müssen. Wir stoßen nicht auf Leere, sondern werden durch die Beschreibung seines Bildes in einer abstrakten Darstellung wieder auf das Bild zurückgeführt.
Ein Rätsel, das Roussel für uns auflöst, es damit aus dem Absurden in die Deutlichkeit bringt, erweckt nicht Leere, sondern führt uns durch die vielen Beschreibungen an den Ausgangspunkt zurück. Es ist ein sehr einfallsreicher Kreislauf. Natürlich gibt es bei Roussel keinen Hintergrund, keinen versteckten Sinn, darum mögen die Schubladen leer „wirken“.
Raymond Roussel macht in seinen „Locus Solus“ folgendes:
Er kreiert den Ort des Geschehens mit dem Namen, der gleichzeitig Titel des Buches ist. Hier tut sich ein riesiger Hof mit Kuriositäten auf, durch die Canterel – der Meister und Erfinder – neugierige Menschen führt.
Roussel malt dann jeweils eine Idee gleich einem Bild, auf dem verschiedene Dinge abgebildet sind. Dann beschreibt er das Bild, macht aus der Idee noch einmal die Idee der Umstände, indem er zum Beispiel ein Mosaik nicht nur Mosaik sein lässt, sondern es aus Zähnen zusammensetzt, die verschiedene Farbabstufungen (Nikotin usw.) haben. Daraus ergibt sich ein Motiv, dass durch eine kuriose Maschine zusammengefügt wird. Beide werden detailiert beschrieben.
Manchmal ist sein Bild eine ausgeklügelte Erfindung, ein bewegliches Bild mit interessanten Mechanismen, die natürlich nicht aus einfachen Mitteln und Material gefertigt sind, sondern in ihrer Wirkung dann mit außergewöhnlichen Zusammenfügungen verschiedener Substanzen und Berechnungen (zum Beispiel, dass das Wetter für die Funktion der Maschine eine Rolle spielt).
Roussel beschreibt also das Außen, das Bild und das Motiv, geht dann in das Motiv und erzählt die Geschichte zu dem Bild, erzählt, was passiert ist, um zu so einem Bild zu geraten.
Er malt ein Bild und berichtet dann den Hintergrund, kehrt dann aus der Erzählung zurück und beschreibt den „Mechanismus des Bildes“ in seiner außergewöhnlichen Zusammensetzung vieler Umstände, die zu einer bestimmten Bewegung im Bild (Behälter) führen.
Diese Form der Schreiberei durchzieht das ganze Buch. Dadurch wird es aber nicht langweilig, weil die Geschichten und Ideen zu den einzelnen Kuriositäten und Bildern spannend sind und sich genau in die Form des gezeigten Bildes fügen.
Im Grund führt er wie sein Protagonist den Leser an verschiedenen „Erfindungen“ vorbei, beschreibt sie detailliert und erfindet zu jedem Detail eine dazu passende Geschichte.
Art & Vibration
Eine weniger drückende constraint hat die Kurzgeschichtensammlung "The dodecahedron" von dem Kanadier Paul Glennon.
Erinnerung an die Schule: ein Dodekaheder ist ein regelmäßiger Körper, der aus zwölf gleich großen Fünfecken zusammengesetzt ist.
Jedes Fünfeck entspricht einer Geschichte. Jeweils zwei Fünfecke haben eine Kante gemeinsam, die entsprechenden Geschichten verweisen aufeinander bzw. teilen ein Motiv. Jede Geschichte enthält also fünf Referenzen auf andere Geschichten.
Weiterhin berühren sich jeweils drei Fünfecke in einem Punkt. Den Punkte entsprechen inhaltlichen Wiederholungen, wobei in jeder der drei Geschichten eine andere Perspektive auf das Wiederholte eingenommen wird.
Es gibt also keine übergeordnete Rahmengeschichte, sondern die Geschichten enthalten sich gewissermaßen gegenseitig und setzen sich gegenseitig in ein anderes Licht.
Gruß,
L.
RE: Writing under constraint
in Das "andere" Buch 14.05.2009 18:53von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Hat jemand schon einmal etwas von Harry Mathews gehört? Scheint auch zu experimentieren. Werde etwas von ihm lesen und dann mehr dazu sagen können.
Art & Vibration