HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Aktuelle Lektüre: Antunes "Das Elefantengedächtnis" und Celeste Albaret "Monsieur Proust". Von Proust habe ich die gesammelten Briefe in einer Ausgabe, die in einem Band die Briefe zum Werk und im anderen die privaten Briefe enthält. Auch liegt noch eine gewaltige Biografie herum, wobei Albaret den Alltag Prousts schon sehr lebendig macht und gleichzeitig mit falschen Gerüchten über ihn aufräumt. Vielleicht lässt sich mit Proust wieder etwas Zeit entschleunigen, die im Chaos der Einschränkungen dahinrast.
Art & Vibration
https://www.schoeffling.de/buecher/vera-.../briefe-an-dich
Briefe an Dich von Vera Lourié...wird dir gut gefallen, es ist dieser russische Zauber, den wir so sehr mögen, mehr
sage ich nicht, ich kann nicht über Bücher schreiben, aber ich liebe es sie zu lesen
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 16.05.2021 11:16von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Das ist großartig. Danke für den Hinweis. Dass es noch "Russen in Berlin" gibt, die ich nicht kenne... und dann aus dem Kreis der Akmeisten. Das Buch besorge ich mir. Hattest du eigentlich Belyjs "Silberne Taube" gelesen? Ist es auch so mystisch wie "Petersburg" oder eher wie Kotik Letajew? Es steht noch im Regal herum. Manchmal blickt es mich an, dieses Buch, und will mir etwas sagen. Bisher bin ich immer vorbei gegangen.
Art & Vibration
Noch einmal, neu geschrieben, der Kommentar meine ich, es regnet immer noch, aber wen interessiert das, vielleicht den Pizzafahrer. Von Bely habe
ich alles gelesen was ich auf deutsch einfangen konnte. Das Buch ist tatsächlich eines, das nach Dir ruft, nach wem auch sonst, nach mir vielleicht
noch, aber längst nicht so laut
Ich möchte heute über ein Buch berichten, dass schon allein durch sein Format auffällt, es ist nämlich rund.
das Lesen kostet einige Mühe und ich habe beim Verlag schon angerufen, aber es ist sinnlos, es ist nie jemand
da, außer die Reinigungskraft, eine Frau namens Adele. Sie erzählte mir, dass sie das Buch auch nicht begreife,
was aber nichts mache, ihr gefallen Bücher die sie nicht begreift, dann erzählte sie mir vom langen Sommer 1977,
es war so langweilig, dass man den verspielten Eintagsfliegen hinterherblickte und es aufregend fand
Zitronentee von Aldi ins Tiefkühlfach zu legen und, wenn es fast gefroren ist, zu trinken, sie sagte,
wäre damals nicht die LP Animals von Pink Floyd herausgekommen, sie hätte diesen Sommer nicht
überstanden.
Nun liegt es also vor mir, dieses runde Buch und ich versuche es flach an meinem Fuße zu halten, dabei kommt
natürlich nichts heraus, wie auch.
Und nun tue ich etwas wofür mich Taxine verdingeln wird, ich drücke den Frauen von Eintracht Frankfurt die Daumen, die heute gegen wolfsburg im Endspiel stehen
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 30.05.2021 15:37von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hahahahaha... runde Bücher sind unendlich. Da findet man nie wieder hinaus. Aber Bälle und Frauenfußbälle? Das geht zu weit. Da kehre ich zum Rechteckigen zurück, auch als Protest. Jawoll.
Art & Vibration
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 31.05.2021 12:35von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Das wundert nicht. Es ist ja auch kein Buch.
Und hier zeigt sich wieder, dass Kunst zwecklos sein muss, während heute die Neigung dahingehend besteht, Gebrauchsgegenstände zur Kunst zu erheben.
Mit Autogrammen spielt man nicht. Man tut den Ball in einen Safe und spielt mit der Kopie der Kopie. Es sei denn, man kauft "echte Kunst". Und auf Versteigerungen wird sie dann weggeschreddert, während sich die Höchstbietende leicht verzweifelt vormacht, sie würde mit den Fetzen, die ihr für einige Millionen geblieben sind, wenigstens in die Kunstgeschichte eingehen. Pustekuchen war's. Die Aktion ist vergessen oder wurde überboten. Wer weiß das schon.
Dabei kann die Dame nun wirklich froh sein; das Bild war grottenschlecht und wäre an die Wand gehängt sicherlich kaum zu ertragen. Die Kunstszene parodieren lässt sich nur, wenn das Werk so gelungen ist, dass die Zerstückelung schmerzt. Aber der rote Ballon trifft die, die Werke aufgrund ihrer Namen schätzen. Und in diesem Sinne ist es wieder verdient. (Manchmal wünscht man sich einen zweiten Beltracchi, der konnte wenigstens malen und dem Kunstmarkt die Nase drehen.)
Das alles hat dann zwar nichts mehr mit dem Ball zu tun, aber fiel mir gerade so ein. So gesehen, ist es gut, dass Unendlichkeit wenigstens nicht in Schriftzügen erhalten bleibt wie die Knochen mancher Toter. Aber mach' dir nichts draus. Der Ball hätte an Luft verloren und die Namen hätten sich ausgedehnt, bis am Ende keiner mehr weiß, wer da gezeichnet ist... ähhh hat. Da empfiehlt sich vielleicht noch die Tätowierung. Die zeigt dann, wie viel Fan man wirklich ist und ob man die Nadel so einem Fußballspieler anvertraut. Und, wie bei Louis de Funes, lässt sich das tätowierte Hautstück dann neu versteigern und zu Geld machen. Es ist zwar kein Modigliani, aber so schließt sich der Kreis. Was wollte ich eigentlich sagen? (Ich glaube, Lobo Antunes wirkt länger nach als einem lieb ist.)
Art & Vibration
Zitat von Taxine im Beitrag #8
Das wundert nicht. Es ist ja auch kein Buch.
Und hier zeigt sich wieder, dass Kunst zwecklos sein muss, während heute die Neigung dahingehend besteht, Gebrauchsgegenstände zur Kunst zu erheben.
Mit Autogrammen spielt man nicht. Man tut den Ball in einen Safe und spielt mit der Kopie der Kopie. Es sei denn, man kauft "echte Kunst". Und auf Versteigerungen wird sie dann weggeschreddert, während sich die Höchstbietende leicht verzweifelt vormacht, sie würde mit den Fetzen, die ihr für einige Millionen geblieben sind, wenigstens in die Kunstgeschichte eingehen. Pustekuchen war's. Die Aktion ist vergessen oder wurde überboten. Wer weiß das schon.
Dabei kann die Dame nun wirklich froh sein; das Bild war grottenschlecht und wäre an die Wand gehängt sicherlich kaum zu ertragen. Die Kunstszene parodieren lässt sich nur, wenn das Werk so gelungen ist, dass die Zerstückelung schmerzt. Aber der rote Ballon trifft die, die Werke aufgrund ihrer Namen schätzen. Und in diesem Sinne ist es wieder verdient. (Manchmal wünscht man sich einen zweiten Beltracchi, der konnte wenigstens malen und dem Kunstmarkt die Nase drehen.)
Das alles hat dann zwar nichts mehr mit dem Ball zu tun, aber fiel mir gerade so ein. So gesehen, ist es gut, dass Unendlichkeit wenigstens nicht in Schriftzügen erhalten bleibt wie die Knochen mancher Toter. Aber mach' dir nichts draus. Der Ball hätte an Luft verloren und die Namen hätten sich ausgedehnt, bis am Ende keiner mehr weiß, wer da gezeichnet ist... ähhh hat. Da empfiehlt sich vielleicht noch die Tätowierung. Die zeigt dann, wie viel Fan man wirklich ist und ob man die Nadel so einem Fußballspieler anvertraut. Und, wie bei Louis de Funes, lässt sich das tätowierte Hautstück dann neu versteigern und zu Geld machen. Es ist zwar kein Modigliani, aber so schließt sich der Kreis. Was wollte ich eigentlich sagen? (Ich glaube, Lobo Antunes wirkt länger nach als einem lieb ist.)
Ich sehe das auch so, unbedingt sogar, es gibt viele Dinge die aussehen, als wären sie einmalig und sind es dann gar nicht. es gibt Ereignisse die so klein erscheinen und die man doch nicht vergisst, ich war nie ein Autogrammjäger, aber von Peter Nadas wollte ich mir doch gerne eine Widmung in sein Buch schreiben lassen, einer der vor mir dran war, hatte gefühlte zwanzig Nadas Bücher dabei, was ich zu mindestens komisch fand. Mit meinem Buch (ist es überhaupt mein Buch, wenn der Autor mir gegenüber sitzt?) hatte er viel Arbeit, denn Nadas ist ein ordentlicher Mensch, er konnte es nicht auf sich beruhen lassen, dass der Umschlag des Buches (es war "Aufleuchtende Details.") in einem sehr chaotischen Zustand war. Auch als ich sagte, das ist sinnlos, die sehen alle so aus, hörte er nicht auf bis das Buch wieder in einem guten zustand war. So etwas nehme zu mindestens ich mit und vergesse es nicht, dazu brauche ich keinen Safe
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 10.07.2021 12:14von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Nach der Lektüre "Einblicke in die Hölle" lege ich den Schriftsteller nun erst einmal zur Seite. Thematisch war dieses Buch tatsächlich das interessanteste, da der Fokus auf der Arbeit in der Nervenheilanstalt liegt und Antunes autobiographisch vermittelt, woran sein Ärztedienst scheitert, mit dem kritischen Blick auf Ärzte und Patienten.
Als dritter Teil der Trilogie rundet das Buch das Gesamterzählte ganz gut ab und zeichnet sich auch durch das Weglassen der Vergleiche aus. Antunes entwickelt hier seine eigene Sprache, die mich anspricht, die aber auch komplex fordernd ist. Daher würde ich sagen, dass der erste Teil der beste war, da alles noch überraschend wirkte, während die typische Antunes-Stimme dann kaum noch anders wird und der Leser gleichzeitig weiß, was ihn erwartet.
Die Sonne brennt. Die Temperaturen steigen. Ich lese nun zum Abschalten das Lieblingsbuch von Kurt Cobain. Katherine Dunn "Bienewskis - Verfall einer radioaktiven Familie".
Art & Vibration
Zitat von Taxine im Beitrag #10
Nach der Lektüre "Einblicke in die Hölle" lege ich den Schriftsteller nun erst einmal zur Seite. Thematisch war dieses Buch tatsächlich das interessanteste, da der Fokus auf der Arbeit in der Nervenheilanstalt liegt und Antunes autobiographisch vermittelt, woran sein Ärztedienst scheitert, mit dem kritischen Blick auf Ärzte und Patienten.
Als dritter Teil der Trilogie rundet das Buch das Gesamterzählte ganz gut ab und zeichnet sich auch durch das Weglassen der Vergleiche aus. Antunes entwickelt hier seine eigene Sprache, die mich anspricht, die aber auch komplex fordernd ist. Daher würde ich sagen, dass der erste Teil der beste war, da alles noch überraschend wirkte, während die typische Antunes-Stimme dann kaum noch anders wird und der Leser gleichzeitig weiß, was ihn erwartet.
Die Sonne brennt. Die Temperaturen steigen. Ich lese nun zum Abschalten das Lieblingsbuch von Kurt Cobain. Katherine Dunn "Bienewskis - Verfall einer radioaktiven Familie".
Antunes kann man nicht zur Seite legen :-)
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 19.07.2021 11:00von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
"Wenn wir das bißchen gefunden haben, das wir finden durfen, – dann ist es aus. Es ist nichts mehr da, das uns etwas bedeuten könnte."
Eine wahre Entdeckung für mich und einer der wichtigsten Vertreter des Neorealismus in Italien ist Elio Vittorini. Kaum zu glauben, dass ich ihn erst jetzt entdecke, zumal er neben Canetti und anderen kein Unbekannter ist. Und mit was für einer Erzählstimme er begeistert. Ein Meister der unaufdringlichen Tragik.
Beeindruckend, wie es ihm gelingt, den Leser in seinen Bann zu ziehen, nur durch die Teilnahme am Gespräch, wie er tragische Momente schafft und diese in Humor und real wirkende Situationen kleidet. Seine besten Bücher sind "Im Schatten des Elefanten" und "Gespräch in Sizilien".
Ersteres ist eine liebenswerte und humorvolle Geschichte um Familiennot, Krankheit, Armut und Hunger. Lebendig und mitreißend erzählt. Hier sammelt sich um den weggetretenen Großvater, der in den Augen der Tochter als ein Elefant einstiger Kraft und Stärke nun nur noch wie ein Elefant isst und zur Last fällt, die ganze Familie, bis der Gast mit dem Rußgesicht auftaucht und ihnen und sich selbst noch einmal eine letzte Feier gönnt.
Letzteres Werk handelt von der Reise eines Sohnes nach Hause zu seiner Mutter nach Sizilien, zu der er sich im Verlust seiner Lebensfreude und "Nichthoffnung" - "Das war das Furchtbare: die Ruhe in der Nichthoffnung. Daß ich die Menschheit für verloren hielt und nicht danach fieberte, etwas dagegen zu tun, nicht danach verlangte, mit ihr zum Beispiel zugrunde zu gehen." - spontan entschließt, als der Vater sie für eine andere Frau verlässt und ihm das im Brief mitteilt. Wirklichkeit und Fantasie fließen ineinander. Die Reise wird zur Rückkehr in die Kindheit. Das Gespräch, das sich zwischen Mutter und Sohn entspannt, ist herrlich zu lesen, voller Humor, Lokalkolorit, Lebensphilosophie, einfach genial. Und mit den dortigen Anwohnern gelingt ein fast biblisches Geschehen und Hinterfragen.
"... und ich sah, daß sie Männerschuhe an den Füßen trug, alte Schuhe von meinem Vater, grobe Bahnwärterschuhe, vielleicht Nagelschuhe, wie sie sie zu Hause immer getragen hatte, daran erinnerte ich mich jetzt, um es bequemer zu haben oder sich irgendwie in den Mann eingepflanzt zu fühlen, ein Stückchen Mann, eine Rippe des Mannes."
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(Alle Zitate aus Vittorinis" "Im Schatten des Elefanten", Suhrkamp Verlag, und "Gespräch in Sizilien", Wagenbach Verlag)
Art & Vibration
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 31.07.2021 20:35von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Von Tabucchi ist 2014 posthum das Buch "Für Isabel" erschienen. Es ist eine Art Vermächtnis und für den Leser ein schönes Abschiedsgeschenk, um seine Stimme noch einmal zu vernehmen. Auch wenn es nicht den Fluss seiner besten Werke erreicht, lohnt sich der Blick ins Buch (Tabucchi selbst wollte es nicht veröffentlichen, hat aber wiederholt daran gearbeitet). Es knüpft an die Geschichte aus "Lissabonner Requiem" an, ausgehend von denselben Figuren, wobei es um die Suche nach Isabel geht und zur Vergebung der einstigen Schuld kommt. Der Charme des Requiems strahlt darin zwar nicht mehr auf, trotzdem bekommt man schlagartig wieder Lust, nach Tabucchis Werken zu greifen und von ihm dann auch zu Pessoa zu finden.
Daher nun aus der Fischer-Ausgabe stammend - Pessoa "Dokumente zur Person und ausgewählte Briefe" -, verbunden mit einem erneuten Blick auf das "Buch der Unruhe". Im Vergleich zu den Tagebuchaufzeichnungen muss dann doch gesagt werden, dass Soares Pessoa in der wirklichen Gestalt am nächsten kommt, so sehr er sich auch von seinen Heteronymen distanziert hat. Mora und die „Rückkehr der Götter“ erträgt man wahrscheinlich darum nicht, weil Pessoa darin alias de Campos ein ewiges Loblied auf Caeiro anstimmt („Mein Meister ist in mir erschienen“, etwas an Nietzsche und seinen Zarathustra erinnernd), das sich über Seiten hinzieht und mir persönlich den Genuss des Lesens verleidet, dabei immer im Hinterkopf, dass Pessoa sich hier selbst zelebriert, ob in anderer Gestalt oder nicht.
Pessoa hat sich schon als Kind Persönlichkeiten erschaffen und war nicht auf Puppen oder äußerliche Motive angewiesen. Er schuf ihnen eigene Wirklichkeiten und Existenzen, wie er später sein literarisches Werk in ähnlicher Form kreierte, um dann stolz zu verkünden: „Ich bin heute der Treffpunkt einer kleinen, nur mir gehörigen Menschheit.“ Caeiro war seine „dramatische Entpersönlichung“, Reis seine „geistige Disziplin, gekleidet in Musik“ und de Campos die „Emotion“, während Soares als Semiheteronym immer dann in ihm laut wurde, wenn er müde oder nachdenklich war. Er war eine „beständige Träumerei“ und die „Verstümmelung“ seiner selbst. Vielmehr war er aber wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, der eigenen innerlichen Einsamkeit etwas entgegenzusetzen.
Pessoa war durchaus verrückt im heutigen Sinne, gefesselt in sich selbst, unfähig zu handeln, während das Denken und Fühlen (oder Nichtfühlen) zur Triebfeder wurden. Faszinierend ist auch die allgemeine Akzeptanz der Freunde und Literaturpartner, wenn er berichtet, in welcher Stimme er schrieb, manchmal gar als er selbst. Schon jung erwähnte er, dass er die Geisteskrankheit fürchtet, was in seinen Augen bereits eine Geisteskrankheit wäre. Später versuchte er seine innere Zerrissenheit mit Okkultismus und Magie zu kompensieren.
Liest man seine Liebesbriefe, kommt der Wahn sehr gut zur Geltung, besonders weil Ophelia Queiroz in ihren Erinnerungen eher von einem Techtelmechtel spricht, während Pessoas Briefe wie tragische Beziehungskrisen klingen. Und während er über sich selbst sagte, dass die innere Gespaltenheit seiner Heteronyme nie nach außen dringen würde, geschah das gegenüber der Frau durchaus, der er als de Campos begegnete, um von sich als Liebenden abzuraten. Nichtsdestotrotz ist Pessoa in seinen Gedanken großartig, auch im Blick auf sich selbst: „Ich bin ein Fragment meiner selbst, das in einem verlassenen Museum aufbewahrt wird.“
Diese wunderbare Truhe der Hinterlassenschaft (im Dokumentenbuch als Foto abgebildet, stehend vor seinem Bücherregal) besitzt weiterhin einen tiefen Boden, um noch einige Heteronyme hervorzuzaubern, und man muss ja auch nicht zwingend jede seiner Schöpfungen lieben, aber Soares gehört definitiv dazu, auch beim wiederholten Lesen. (Und wieder sehe ich, wie sehr ich dieses Werk verinnerlicht habe. Ich erkenne jedes Zitat wieder, jeden zweifachen Abgrund, wenn der Brunnen in den Himmel schaut, und genieße diese Bilder der inneren Landschaft aufs Neue. (Das war damals wahrhaft eine schöne, bereichernde und ergiebige Leserunde und intensive Leseerfahrung.) Einen guten Artikel zu Pessoa, Lissabon und das "Buch der Unruhe" gibt es an dieser Stelle.
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(Alle Zitate aus "Mora "Die Rückkehr der Götter" und Pessoa "Dokumente zur Person und ausgewählte Briefe", Fischer Verlag)
Art & Vibration
RE: April/Mai/Juni/Juli 2021
in Lektüreliste 06.09.2021 00:37von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Sokolow im Beitrag #9
...ich war nie ein Autogrammjäger, aber von Peter Nadas wollte ich mir doch gerne eine Widmung in sein Buch schreiben lassen, einer der vor mir dran war, hatte gefühlte zwanzig Nadas Bücher dabei, was ich zu mindestens komisch fand. Mit meinem Buch (ist es überhaupt mein Buch, wenn der Autor mir gegenüber sitzt?) hatte er viel Arbeit, denn Nadas ist ein ordentlicher Mensch, er konnte es nicht auf sich beruhen lassen, dass der Umschlag des Buches (es war "Aufleuchtende Details.") in einem sehr chaotischen Zustand war. Auch als ich sagte, das ist sinnlos, die sehen alle so aus, hörte er nicht auf bis das Buch wieder in einem guten zustand war...
Iris Radisch in ihrem Buch "Die letzten Dinge" über Peter Nadas:
"Wie immer ist er so sorgfältig gekleidet, als sei er gerade einem Thomas-Mann-Roman entstiegen."
Da musste ich an deine Autogramm-Geschichte denken. Das Buch ist herrlich. Wunderbare Interviews mit vielen Schriftstellern über Alter und Tod. Die einen philosophisch, die anderen traurig, manche wehmütig, andere witzig genial wie Rühmkorf, mit dem Radisch zwischendurch wunderbar herumalbert, worauf er entgegnet:
"Also, das ist so eine Art von Ironie, die mir etwas zu hochherrschaftlich über anderer Leut Sorgen hinwegpfeift."
Oder so etwas :
'Ich habe immer versucht, mein Ohr ganz tief zum Boden zu neigen und in den obskursten Ecken und Winkeln herumzuhorchen, ob nicht doch noch irgendwo etwas auszumachen wäre, was auf ein kollektives Verständnis rechnen könnte..."
Gerade in der heutigen Zeit sehr passend. Da möchte man vielleicht doch einen Blick in sein Tabu-Buch werfen. Das liegt irgendwo im Regal herum und starrt gelb vor sich hin...
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