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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 23.01.2021 18:17
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Lektüre momentan ganz polnisch. Szczepan Twardoch "Morphin". Der Autor ist wohl ein Star in seinem Land. Ich finde seinen Schrieb nicht übel. Es geht um den 2. Weltkrieg, Spionage, Drogenabhängigkeit und die innere Zerrissenheit des Protagonisten.




Art & Vibration
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#2

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 01.02.2021 21:16
von Sokolow • 197 Beiträge

Aus der Reihe Herr Juarroz von Gonçalo M. Tavares lese ich gerade mit großer Begeisterung "Herr Juarroz und das Denken"
Es sind kleine Prosahäppchen, die man sehr genüsslich aufisst..

Ein Beispiel

Der Sturz

"Wenn wir davon ausgehen, dass ein Sturz nur eine einfache Ortsveränderung ist, eine senkrechte Positionsveränderung des Körpers, verliert der Sturz seinen Schrecken- dachte Herr Juarroz"
(aus Herr Juarroz und das Denken von Gonçalo M. Tavares erschienen bei Edition Korrespondenzen, wo es noch mehr Schätze zu fischen gibt

zuletzt bearbeitet 01.02.2021 21:17 | nach oben springen

#3

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 25.03.2021 20:12
von Patmöser • 1.121 Beiträge

"Neue" Bücher lese ich nur noch äußerst selten, so einen Band einer Auswahl der Briefe von Flaubert (Diogenes), dann warten noch sämtliche Erzählungen von Turgenjew (eine leider etwas späte, aber dafür wunderschöne Entdeckung, dieser Turgenjew), aber ansonsten..., meine Bücherschränke sind immer noch voller Bücher, die es allemal wert sind ein zweites, drittes.., ein zehntes Mal gelesen zu werden.

Und außerdem ist man so vor den Enttäuschungen der so genannten modernen Literatur sicher...

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#4

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 25.03.2021 21:58
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Moderne Literatur lohnt sich für mich hauptsächlich, wenn es um Biografien, Briefe, um Empfehlungen, Poesie oder um Literatur geht, die aus von mir bevorzugten „Kulturen“ und Ländern stammt. Was hätte ich verpasst, ohne Alexandu Vona „Die vermauerten Fenster“, Jurij Wynnytschuk „Im Schatten der Mohnblüte“, „Die Fassade“ oder „Pavane“ von Monikova usw. gelesen zu haben.
Und doch ist die Rückkehr ins Altbewährte, ins Klassische oder in die gewählte Auswahl meiner Regalschätze immer wieder eine Erholung und Freude, so wie bei dir. Da findet man einfach mehr und bleibt von der Oberflächlichkeit verschont. Darin vermittelt sich mir immer etwas, das der heutigen Hektik und Unruhe vollständig entbehrt und den Anspruch hat, wenigstens irgendetwas vermitteln zu wollen. Das stört mich nur dann, wenn es belehrend herüberkommt, aber keinesfalls als philosphische Hinterfragung, da die menschlichen Belange nun einmal immer gleich bleiben.

Ich frage mich überhaupt, weshalb moderne Schreiber kaum noch Wert auf tiefsinnige und philosophische eigene Gedanken legen, als wäre dafür keine Zeit mehr, sondern vermehrt auf Krawall und Einzigartigkeit setzen. Und so einzigartig ist das Ganze dann meistens gar nicht, da das Experimentielle schon vielseitig durchgedacht wurde und in der Tiefe durch Vorreiter wie Mallarmé, Perec, Borges und co kaum übertroffen werden kann. Es lässt sich nicht leugnen, dass viel Modernes auf Altbewährtes zurückgreift und Bekanntes einfach neu erzählt wird. Und das dann eben auf Kosten von uns, den Bibliophilen mit langjähriger Lese-Erfahrung. Man hat so ziemlich alles schon einmal gehört. Nicht selten hat mir ein vorangestelltes Zitat in modernen Romanen besser gefallen als der Schrieb selbst, mit wenigen Ausnahmen. Man kann schon froh sein, wenn man auf eine gut erzählte Geschichte trifft oder wenigstens auf eine Idee.

Relativ gute Erfahrungen habe ich mit Suhrkamps „Anderer Bibliothek“ gemacht. Da haben Enzensberger und co ganz gute Bücher zusammengestellt, so solche Schätze wie Vila-Matas „Dublinesk“, Macedonios „Das Museum von Eternas“, „Das eingeschossige Amerika“ von Ilf und Petrow und ähnliche.
Momentan lese ich, versuchsweise, ein von mir bereits länger fokussiertes Werk aus eben dieser Reihe mit dem Titel „Matisse“ von Alexander Ilitschewski. Da geht es witzigerweise nicht um den Künstler, sondern um besoffene russische Obdachlose. So zumindest der erste Eindruck nach der Lektüre weniger Seiten. Das lässt hoffen ...




Art & Vibration
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#5

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 26.03.2021 09:33
von Patmöser • 1.121 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #4


Ich frage mich überhaupt, weshalb moderne Schreiber kaum noch Wert auf tiefsinnige und philosophische eigene Gedanken legen, als wäre dafür keine Zeit mehr, sondern vermehrt auf Krawall und Einzigartigkeit setzen.



Dem schließe ich mich an, mit wenigen Worten zusammen gefasst- blutarm und ohne wirkliches Leben, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen. Dekadente Zeitläufte, irgendwie.

Sage mal, gutes Taxinchen, hast du schon die letzte Welt von Ransmayr gelesen und würdest du dieses Buch empfehlen?

Ansonsten liebäugele ich mit dem einen oder anderen Buch aus dem Guggolz-Verlag, das Verlagsprogramm sagt mir wirklich zu.

Guggolz

Und wenn nichts mehr geht, die Russen gehen immer...

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#6

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 26.03.2021 13:04
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Zitat von Patmos
Sage mal, gutes Taxinchen, hast du schon die letzte Welt von Ransmayr gelesen und würdest du dieses Buch empfehlen?



Oh ja. Ransmayr ist auch ein Schriftsteller, der zu meinen geliebten Ausnahmen gehört. Ich mag seine Romane sehr. "Der Schrecken des Eises und der Finsternis", "Die letzte Welt",... sowohl sprachlich als auch inhaltlich ein Genuss. Durch die Bezüge zu Ovid und der Antike wird dir das Buch sehr gefallen, beginnend mit der fiktiven Suche nach dem Verbannten. Auch vermengt Ransmayr geschickt Historisches mit Fiktivem innerhalb verschiedener Bedeutungs- und Zeitebenen, so die der Antike, der Moderne, der Natur und der mystischen Ebene, immer durchschimmert von den Metamorphosen. Faszinierend ist, wie sich die Zeitebenen nahtlos vermischen. Ich fand das sehr gelungen.

Vielen Dank für den Verlagshinweis. Den kannte ich noch gar nicht. Da werde ich bestimmt auch das eine oder andere finden.




Art & Vibration
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#7

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 26.03.2021 13:56
von Patmöser • 1.121 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #6

Zitat von Patmos
Sage mal, gutes Taxinchen, hast du schon die letzte Welt von Ransmayr gelesen und würdest du dieses Buch empfehlen?


Oh ja. Ransmayr ist auch ein Schriftsteller, der zu meinen geliebten Ausnahmen gehört. Ich mag seine Romane sehr. "Der Schrecken des Eises und der Finsternis", "Die letzte Welt",... sowohl sprachlich als auch inhaltlich ein Genuss. Durch die Bezüge zu Ovid und der Antike wird dir das Buch sehr gefallen, beginnend mit der fiktiven Suche nach dem Verbannten. Auch vermengt Ransmayr geschickt Historisches mit Fiktivem innerhalb verschiedener Bedeutungs- und Zeitebenen, so die der Antike, der Moderne, der Natur und der mystischen Ebene, immer durchschimmert von den Metamorphosen. Faszinierend ist, wie sich die Zeitebenen nahtlos vermischen. Ich fand das sehr gelungen.

Vielen Dank für den Verlagshinweis. Den kannte ich noch gar nicht. Da werde ich bestimmt auch das eine oder andere finden.



In diesem Forum kann man nicht schreiben, ohne das man früher oder später wieder einmal ein Buch an der Backe hat!
Und das, das ist gut so.

Lieben Dank für deinen Rat und die kleine Rezension, ich denke einmal, der Ransmayr ist dann so gut wie schon hier.

Und vielleicht, vielleicht könntest du noch zu Jurij Wynnytschuk „Im Schatten der Mohnblüte" ein klein wenig...., die Rezensionen lesen sich gut.

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#8

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 26.03.2021 14:26
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Zitat von Patmos
Und vielleicht, vielleicht könntest du noch zu Jurij Wynnytschuk „Im Schatten der Mohnblüte" ein klein wenig...., die Rezensionen lesen sich gut.



Zu ihm habe ich im Zuge meiner damaligen Lesebegeisterung an dieser Stelle geschrieben:
Jurij Wynnytschuk

Ich denke, um dieses Buch kommst du dann wohl auch nicht herum, werter Patmos. Es ist mir auf jeden Fall bis heute in guter Erinnerung und war ein Lichtblick nach längerer Durststrecke vieler mittelmäßiger Bücher.




Art & Vibration
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#9

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 26.03.2021 14:40
von Patmöser • 1.121 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #8

Zitat von Patmos
Und vielleicht, vielleicht könntest du noch zu Jurij Wynnytschuk „Im Schatten der Mohnblüte" ein klein wenig...., die Rezensionen lesen sich gut.


Zu ihm habe ich im Zuge meiner damaligen Lesebegeisterung an dieser Stelle geschrieben:
Jurij Wynnytschuk

Ich denke, um dieses Buch kommst du dann wohl auch nicht herum, werter Patmos. E



Da dachtest du sehr, sehr richtig, sehr richtig.

Lieben Dank, noch einmal für deine ausführliche Buchbesprechung.

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#10

RE: Januar/Februar/März 2021

in Lektüreliste 29.04.2021 00:35
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Mit Begeisterung gerade die Werke von Nescio beendet, eigentlich Jan Hendrik Frederik Grönloh. Eine Ausgabe seiner etwa 150-seitigen Hinterlassenschaft gibt es von der Bibliothek Suhrkamp, mit einem Nachwort von Nooteboom, denn es handelt sich um einen Holländer, der in der Zeit des ersten Weltkriegs schrieb, wo die Niederlande brach wie trübes ruhiges Wasser lagen.

Bei Nescio (lateinisch "Ich weiß nicht") geht es meistens um Selbstfindung und Selbstverlust, um die Sehnsucht des Künstlers nach Anerkennung und einen nie erreichten Traum nach Bedeutung. Der kleine Poet wird nie ein großer Dichter. Und die Erkenntnis des Versagens endet oft im Selbstmord oder Wahnsinn.
Ein wirklich großartiges Werk, volller feiner Sätze, verlorener Illusionen und Melancholie. Die gelungenste Erzählung ist für mich "Der Schnorrer", der, wie Nooteboom herrlich zusammenfasst, "andere ohne die geringste Scham ausnutzt, als sei das sein gottgegebenes Recht, der nicht einmal einen Nachnamen hat und behauptet, er wolle überhaupt nichts sein, und am Ende seines kurzen Lebens nicht theatralisch ins Wasser springt, sondern ohne Dramatik einfach vom Geländer einer Brücke steigt wie von einem Fahrrad..."

Ein kleiner Auszug (einer seiner letzten Aufzeichnungen) :

Zitat von Nescio
Dieses Jahr komme ich immer mal wieder nach Kortenhoef und stehe dann auf dem kleinen Friedhof, seitlich der Kirche, und schaue über das Land bis hin zum Rand des Gooi und zum Turm von Hilversum. Ein letzter Klatschmohn wiegte sich letzte Woche in einer leichten Brise. Im krummen Birnbaum hatten die Birnen schon etwas Farbe bekommen. Es ist wieder Anfang des Jahrhunderts. Das Leben hat mich, gottlob, fast nichts gelehrt. »Das Leben hat mich viel gelehrt«, sagt der alte Trottel.




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