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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

September/Oktober/November/Dezember

in Lektüreliste 18.09.2022 20:49
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

In den Tagebüchern von André Gide fand ich eine Unterhaltung mit Rathenau, der über das deutsche Volksvermögen und dessen Reichtum äußerte, dass es nicht „im Geld liege, sondern ganz in der Produktionsfähigkeit und Arbeitskraft seines Volkes, so dass dieses – er war davon überzeugt – erst an dem Tag wieder hochkommen werde, an dem der Wert der Mark auf Null abgesunken und es gezwungen wäre, von vorne anzufangen, und zwar nicht auf konventioneller, sondern auf praktischer Grundlage.“ (Zweiter Band)

Die Richtung, die Deutschland mittlerweile eingeschlagen hat, scheint gute Voraussetzungen zu bieten, um Rathenaus Theorie erneut zu bestätigen oder zu verneinen. Der Winter wird sicherlich weitere größere Verluste, Insolvenzen und Einschränkungen mitbringen, die noch Folge der Pandemie sind, bis dann die nächsten Jahre die Folgen der Kriegsbeteiligung und Sanktionen offenbaren. Allgemein fragt man sich immer häufiger, was Deutschland nun eigentlich mit der Ukraine zu schaffen hat, um das Land mit der Kriegshetz-Propaganda und Aufrüstpolitik in den Ruin zu treiben. Es bestehen keine Verträge, Verpflichtungen oder Abmachungen, während eine Baerbock von einer noch Jahre andauern könnenden Hilfsaktion spricht, „egal was meine Wähler denken“. Was soll auch ein Wählervolk zu sagen haben, dem es immer mehr an den Kragen geht, wenn die eigenen Politiker keine eigenständigen, sondern nur noch fremdgesteuerte Entscheidungen treffen. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, wird sich tatsächlich zeigen, ob der Phönix aus der Asche steigt und ein Von-Vorne-Anfangen andere Voraussetzungen schafft oder überhaupt möglich ist.

Übrigens lesen sich Gides Tagebücher (nun zum zweiten Mal aufgegriffen) wirklich schön. Man erfährt viel über die Zeit, über Proust, Valéry oder Cocteau und hat Lust, die Werke wieder aufzuschlagen. Letzterer wird von Gide herrlich in seinem typischen Charakter gezeigt (den ja einige bezeugten), als er ihn z. B. hinter der Bühne antrifft, wo er wild gestikulierend herumläuft, weil ihm alles nicht passt:

„Er weiß wohl, dass die Bühnenbilder von Picasso, die Musik von Satie ist – er ist aber im Zweifel, ob Picasso und Satie nicht von ihm sind.“




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#2

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 14.10.2022 16:11
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

„Am Radio die Rede Hitlers in Nürnberg gehört. Der Ruf zu den Waffen gestattet billige Demagogie, und es ist immer leichter, die Menschen zum Streit zu reizen und ihre Leidenschaften zu erhitzen, als sie zu mäßigen und sie zum geduldigen Werk des Friedens anzuhalten. Die Erleichterung liegt darin: die Berufung auf die bloße Kraft enthält die Erlaubnis, dumm zu sein.“
(André Gide, Tagebücher, Band 3, 1938)


Im dritten Band von Gides Tagebüchern bin ich übrigens auf Eugène Dabit gestoßen, von dessen Tod Gide berichtet. Er war Künstler und Schriftsteller und hatte an der Expedition nach Russland teilgenommen, von der Gide und andere, die zuvor den Kommunismus als Alternative sahen, ernüchtert zurückkehrten. Dabit allerdings nicht. Er erkrankte in Sewastopol überraschend an Typhus (oder Scharlach?) und erlag der Krankheit mit 38 Jahren. An seinem Grab lobte Aragon seinen Einsatz und Hang zum Kommunismus, der schon vor der Reise kaum noch aktuell war.
"Dabits Notizen aus den letzten Wochen seines Lebens wirken seltsam melancholisch, ja beinahe depressiv. Fast könnte man meinen, er habe seinen Tod vorausgeahnt", heißt es im Nachwort der Ausgabe vom Schöffling & Co Verlag.

Sein Erstlingswerk "Hotel du Nord" ist ein realistischer und leicht ironischer Blick auf das Hotelleben und die in dem Viertel arbeitenden Menschen, entsprechend ein Blick auf die Armut und die Bitterkeit des Lebens. Er selbst kannte das Milieu gut und arbeitete bei den Eltern häufig als Nachtwächter, die im echten Hotel du Nord als Pächter tätig waren, das nicht, wie im Buch, dem Bau eines Fabrikgeländes weichen musste, sondern bis heute besteht und in Paris mittlerweile als teure In-Szene gilt. Seine Erfahrungen im Umgang mit den dort einkehrenden Menschen sind in das Buch eingeflossen und machen den gesamten Charme des Werkes aus.

Dabit selbst fasste es so zusammen:

Zitat von Dabit
"Das Schicksal wollte es, dass ich lange Zeit im Hôtel du Nord lebte und arbeitete. Hier habe ich die Figuren meines Romans ankommen und wieder fortgehen sehen, ohne ihnen später je wieder zu begegnen. Nichts ist erschütternder und trostloser als ihr Dasein, ein Leben ohne Poesie, ohne Aufbegehren, auch ohne Traum … Nichts von ihnen ist geblieben. Ein Name? Nur selten. So kam mir der Wunsch, sie wieder lebendig werden zu lassen, sie zu verstehen, sie zu lieben."



Der Roman berichtet von der Übernahme des Hotels durch die beiden sympathischen Pächter, von der besonderen Atmosphäre voll Staub, Kummer und Elend, von den Enttäuschungen der Liebe, vom Alkoholismus und Kartenspiel, reflektiert die damalige Zeit und endet mit dem Abriss des Hotels. Hier herrscht die Trostlosigkeit vor, während die Bewohner gleichzeitig eine eingeschweißte Gemeinde bilden. Das Hotel wird häufig von skurrilen Personen besucht, darunter auch Prostituierte, Transvestiten, Revolutionäre und gescheiterte Schauspieler, während die Zimmermädchen immer wieder auf die gleichen Männer hereingefallen und schwanger werden, bis die Pächterin schließlich die Nase voll hat und eine alte Wachtel einstellt, die das Zimmeraufräumen mit dem Schnüffeln und Klauen verbindet. All die alten, abgerissenen, gemeinen und schrillen Personen setzt Darbit nüchtern und lebendig ins Bild, ohne das Ganze zu kommentieren oder Partei zu ergreifen. Auf knapp 200 Seiten ist das Wesentliche hervorragend komprimiert, ähnlich wie bei den Werken von Emmanuel Bove.

Dabits Roman erschien gerade in einer Zeit, als der Realismus in die Literatur Einzug hielt und ergatterte dann auch den bis heute existierenden "Prix du roman populiste", der mittlerweile nach ihm benannt ist. Übrigens lehnte Gide, wie schon bei Proust, Dabits Manuskript gleichfalls ab, obwohl er gut mit ihm befreundet war. Auch wenn er ihn zunächst nicht für die NRF geeignet fand, förderte er ihn dennoch und empfahl ihn weiter. Gides Geschmack war eben sehr konservativ, wobei er nur wenigen Schriftstellern den Vorzug gab, darunter Dante, Shakespeare, Stendhal, Valéry oder sich selbst.

Mit der Verfilmung des Buches 1938 durch den Regisseur Marcel Carné erlangte der Roman dann schließlich Weltruhm. Carné drehte den Film nicht am echten Schauplatz, sondern baute mit einem hohen Kostenaufwand das gesamte Set in den Filmstudios in Billancourt nach, das dann zu Werbezwecken von der ganzen Pariser Prominenz besichtigt werden durfte, z. B. von Picasso. Auch Dabits Eltern waren eingeladen und bewunderten die Kulisse ihres nachgebauten schäbigen Arbeiterhotels, während ihr eigenes Geschäft in der Nachkriegszeit den Bach runterging. Das Hotel du Nord wurde erst in den siebziger Jahren wieder modernisiert, hatte dann einen kurzeitigen Skandal durch das Schließen von der Hygienebehörde und eröffnete seine Pforten erneut 1993, als sich die dortigen Bewohner gegen den Abriss auflehnten und auf der Straße demonstrierten. Heute steht es unter Denkmalschutz.


(Selbstportrait - Quelle: Wikipedia)




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#3

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 16.10.2022 18:34
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

"Der Mensch wird sich darum als Opfer aufeinanderfolgender Kriege betrachten, ohne zu begreifen, dass es nur einen einzigen gibt, den ab und zu Erschöpfungspausen unterbrechen, die er für den Frieden hält."

(Jean Cocteau "Tagebuch eines Unbekannten")




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#4

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 25.11.2022 07:03
von Sokolow • 189 Beiträge

Ich lese momentan furchtbar durcheinander, mal Thomas Bernhard "Ereignisse" mal Ilse Aichinger "Film und Verhängnis", mal die Gedichte von Trakl oder Celan

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#5

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 05.12.2022 15:49
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Ich lese auch herrlich durcheinander, und doch ist ja irgendwie alles miteinander verbunden. Da war „Titan“ von Jean Paul, ein wahrlich verdichtetes und poetisches Werk, für das viel Zeit und Muße notwendig war, was sich aber gelohnt hat. Dann habe ich mich mit den Schriften von Rene Guenon befasst, z. B. „Die Krise der modernen Welt“, ein sehr schöner Essay über den Wechsel einer spirituellen Welt in eine materielle, die damit dem Untergang geweiht ist. Er meint dabei vor allem den Westen.

"... und es ist ein merkwürdiger Widerspruch, dass diese "Gleichmacher" im Namen ihrer "Überlegenheit" dem Rest der Welt ihre Zivilisation aufzwingen wollen und dass sie Unruhe unter den Menschen stiften werden, die nichts von ihnen verlangt haben; und da diese "Überlegenheit" nur vom materiellen Standpunkt aus existiert, ist es ganz natürlich, dass sie mit den brutalsten Mitteln durchgesetzt werden muss.

(…) Aber was für eine merkwürdige Zeit ist es, wenn sich so viele Menschen davon überzeugen lassen, dass das Glück eines Volkes dadurch erreicht wird, dass man es versklavt, dass man ihm das Kostbarste nimmt, nämlich seine eigene Zivilisation (…)

(…) In einer solchen Welt ist kein Platz für Intelligenz oder für etwas rein Inneres, denn das sind Dinge, die nicht gesehen oder berührt, nicht gezählt oder gewogen werden können; es gibt nur Platz für äußere Handlungen in all ihren Formen, auch in den sinnlosesten.“

(Guenon, e.d.)

(Zu beiden Werken bald mehr.)

Dann las ich zwei Biografien über Joyce, einmal die von Brenda Maddox über seine Frau Nora, die ein sehr umfassendes und spannendes Lebensbild beider hinbekommt (so gibt es z. B. sehr indiskrete Briefe zwischen beiden, die vielleicht lieber nicht veröffentlicht gehören (Ellmann hat es trotzdem getan) und die auch in Richard Zacks "An Underground Education" erwähnt werden, ein Buch, das es nicht in deutscher Übersetzung gibt und viele delikate Details enthält, z. B. die Grausamkeit der Märchen, bevor sie durch die Grimms überarbeitet wurden, über Edison, der nicht nur die Glühlampe erfand, sondern auch zum Bau des elektrischen Stuhls beitrug, auf dem 1890 der erste Todeskandidat Kemmler noch lebendig lichterloh brannte, so dass "das Blut wie Schweiß in sein Gesicht trat", was nicht verhinderte, dass der Stuhl weiter genutzt wurde, oder wie Goya vom Portrait- und Landschaftsmaler zum Schreckens- und Alptraummaler wurde), und den dicken Wälzer von Richard Ellmann, die gut recherchiert und sehr ausführlich ist. Beide sind sicherlich mitunter die besten, die es über Joyce gibt und machen Lust, in seine Werke zu blicken. „Dubliner“ z. B. gefällt mir besser als das „Portrait“.

Ansonsten blättere ich weiter, wie dir schon berichtet, in den „Journals“ der Brüder Goncourt, mittlerweile im dritten Band angekommen. Das Konvolut des Hafmann Verlags (bei Zweitausendeins) ist wunderbar gemacht, außen wie innen, mit aufschlussreichem Beibuch, und umfasst die vollständige deutsche Übersetzung aller Tagebücher. Die beiden Brüder sind nun wahrlich ordentliche Lästerschwestern, die sich über die literarische Welt amüsieren, ihre Sammlung an Wertgegenständen, Kunst und Möbel aufbessern und tagtäglich ihre Eindrücke schildern, während sie teilweise auch mit sehr böser Zunge reden.




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#6

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 05.12.2022 21:16
von Sokolow • 189 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #5
Ich lese auch herrlich durcheinander, und doch ist ja irgendwie alles miteinander verbunden. Da war „Titan“ von Jean Paul, ein wahrlich verdichtetes und poetisches Werk, für das viel Zeit und Muße notwendig war, was sich aber gelohnt hat. Dann habe ich mich mit den Schriften von Rene Guenon befasst, z. B. „Die Krise der modernen Welt“, ein sehr schöner Essay über den Wechsel einer spirituellen Welt in eine materielle, die damit dem Untergang geweiht ist. Er meint dabei vor allem den Westen.

"... und es ist ein merkwürdiger Widerspruch, dass diese "Gleichmacher" im Namen ihrer "Überlegenheit" dem Rest der Welt ihre Zivilisation aufzwingen wollen und dass sie Unruhe unter den Menschen stiften werden, die nichts von ihnen verlangt haben; und da diese "Überlegenheit" nur vom materiellen Standpunkt aus existiert, ist es ganz natürlich, dass sie mit den brutalsten Mitteln durchgesetzt werden muss.

(…) Aber was für eine merkwürdige Zeit ist es, wenn sich so viele Menschen davon überzeugen lassen, dass das Glück eines Volkes dadurch erreicht wird, dass man es versklavt, dass man ihm das Kostbarste nimmt, nämlich seine eigene Zivilisation (…)

(…) In einer solchen Welt ist kein Platz für Intelligenz oder für etwas rein Inneres, denn das sind Dinge, die nicht gesehen oder berührt, nicht gezählt oder gewogen werden können; es gibt nur Platz für äußere Handlungen in all ihren Formen, auch in den sinnlosesten.“

(Guenon, e.d.)

(Zu beiden Werken bald mehr.)

Dann las ich zwei Biografien über Joyce, einmal die von Brenda Maddox über seine Frau Nora, die ein sehr umfassendes und spannendes Lebensbild beider hinbekommt (so gibt es z. B. sehr indiskrete Briefe zwischen beiden, die vielleicht lieber nicht veröffentlicht gehören (Ellmann hat es trotzdem getan) und die auch in Richard Zacks "An Underground Education" erwähnt werden, ein Buch, das es nicht in deutscher Übersetzung gibt und viele delikate Details enthält, z. B. die Grausamkeit der Märchen, bevor sie durch die Grimms überarbeitet wurden, über Edison, der nicht nur die Glühlampe erfand, sondern auch zum Bau des elektrischen Stuhls beitrug, auf dem 1890 der erste Todeskandidat Kemmler noch lebendig lichterloh brannte, so dass "das Blut wie Schweiß in sein Gesicht trat", was nicht verhinderte, dass der Stuhl weiter genutzt wurde, oder wie Goya vom Portrait- und Landschaftsmaler zum Schreckens- und Alptraummaler wurde), und den dicken Wälzer von Richard Ellmann, die gut recherchiert und sehr ausführlich ist. Beide sind sicherlich mitunter die besten, die es über Joyce gibt und machen Lust, in seine Werke zu blicken. „Dubliner“ z. B. gefällt mir besser als das „Portrait“.

Ansonsten blättere ich weiter, wie dir schon berichtet, in den „Journals“ der Brüder Goncourt, mittlerweile im dritten Band angekommen. Das Konvolut des Hafmann Verlags (bei Zweitausendeins) ist wunderbar gemacht, außen wie innen, mit aufschlussreichem Beibuch, und umfasst die vollständige deutsche Übersetzung aller Tagebücher. Die beiden Brüder sind nun wahrlich ordentliche Lästerschwestern, die sich über die literarische Welt amüsieren, ihre Sammlung an Wertgegenständen, Kunst und Möbel aufbessern und tagtäglich ihre Eindrücke schildern, während sie teilweise auch mit sehr böser Zunge reden.




ich bin bei proust steckengeblieben und das ist gut so. aber ich werde darüber nichts berichten, ich
bin einfach nicht in der lage dazu.
ich bin in der lage weiche knie zu bekommen, wenn ich dieses genie mehr als vier stunden hintereinander lese.

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#7

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 05.12.2022 21:35
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Bei Proust habe ich es auch etwas weiter geschafft, bis zur Eifersucht Swanns, die Proust ja genüsslich über Seiten zelebriert (in "Eine Liebe Swanns). Es geht voran, immer wieder ein Sprung hinein, um das ganze Chaos hinter sich zu lassen. Und da sind beide Ausgaben wahrlich nicht schlecht, wobei die von Luzius Keller einige spannende Anmerkungen bereithält (der kennt sich aus). Dazu kann man übrigens auch gut sein Buch „Proust 1913“ lesen, das die Ereignisse rund um die Veröffentlichung zusammenfasst. Und dann noch einmal diese Doku ansehen und man wird erneut süchtig.

Marcel Proust - Ein Schriftstellerleben

Hier erwähnt Cocteau so schön, wie sich Proust vor Lärm schützte. Bei lauten Nachbarn ist das vielleicht eine Option, wenn man reich ist. Sobald Handwerker kommen und die Auftragsgeber in Urlaub fahren, bezahlt man die Arbeiter einfach höher, damit sie in der Wohnung über einem den ganzen Tag nichts tun. Das hat Proust gemacht und wusste sich hervorragend zu helfen. Als seine Nachbarn zurückkamen, waren sie allerdings nicht so amused. Da bin ich ganz bei Proust oder bei Lessings "Der Lärm" (Eine Kampfschrift gegen die Geräusche unseres Lebens). Aus eigener Erfahrung. Die Welt ist einfach zu laut geworden.




Art & Vibration
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#8

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 06.12.2022 18:05
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Weißt du noch, der Film "November", der dich so begeistert hat? Ich habe jetzt in das Buch von Andrus Kivirähk „Der Mann, der mit Schlangen sprach“ reingelesen und finde es (noch) sehr unterhaltsam. Mal gucken, wie es sich macht. Bisher: Daumen hoch.




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#9

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 06.12.2022 18:10
von Sokolow • 189 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #8
Weißt du noch, der Film "November", der dich so begeistert hat? Ich habe jetzt in das Buch von Andrus Kivirähk „Der Mann, der mit Schlangen sprach“ reingelesen und finde es (noch) sehr unterhaltsam. Mal gucken, wie es sich macht. Bisher: Daumen hoch.



ich hab das auch, ich habs eine Weile weggelegt, liegt aber nicht am Roman

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#10

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 06.12.2022 18:16
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Tiefe braucht es, Tiefe... Manchmal lese ich neuere Bücher und denke, wieso zelebrieren sie diese Oberfläche an Nichtigkeiten mit einer solchen Vorliebe und Geduld? Und dann sage ich mir: ja, ja, war ganz nett oder einfallsreich oder nicht so übel und greife doch wieder zu alten Sachen (auch als Trost). Ich habe nur noch Bücher im Regal, die ich noch einmal lesen würde oder schon mehrmals gelesen habe. Und es hat sich als gutes Sortiersystem herausgestellt, während bedingungslos aussortiert wird, was nur laue Gefühle geweckt hat. Dadurch lässt sich viel Platz schaffen und man lächelt, wenn man auf die Reihen blickt, weil man sich erinnert. Viele der Bücher gibt es nur noch antiquarisch, die mich begeistern. Manchmal, wenn ich Glück habe, als Neuauflage. Und wenn ich ein gutes Buch in der Hand halte, dann weckt es Lust auf viele andere oder den Gedanken, dass man da mal wieder reinlesen könnte oder dort. Inspirierend finde ich z. B. immer Briefe und Tagebücher.




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#11

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 06.12.2022 18:46
von Sokolow • 189 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #10
Tiefe braucht es, Tiefe... Manchmal lese ich neuere Bücher und denke, wieso zelebrieren sie diese Oberfläche an Nichtigkeiten mit einer solchen Vorliebe und Geduld? Und dann sage ich mir: ja, ja, war ganz nett oder einfallsreich oder nicht so übel und greife doch wieder zu alten Sachen (auch als Trost). Ich habe nur noch Bücher im Regal, die ich noch einmal lesen würde oder schon mehrmals gelesen habe. Und es hat sich als gutes Sortiersystem herausgestellt, während bedingungslos aussortiert wird, was nur laue Gefühle geweckt hat. Dadurch lässt sich viel Platz schaffen und man lächelt, wenn man auf die Reihen blickt, weil man sich erinnert. Viele der Bücher gibt es nur noch antiquarisch, die mich begeistern. Manchmal, wenn ich Glück habe, als Neuauflage. Und wenn ich ein gutes Buch in der Hand halte, dann weckt es Lust auf viele andere oder den Gedanken, dass man da mal wieder reinlesen könnte oder dort. Inspirierend finde ich z. B. immer Briefe und Tagebücher.

dann solltest du, wenn du nicht schon längst hast den briefwechsel von der zwetajewa und pasternak lesen

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#12

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 07.12.2022 00:54
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Habe ich, wobei ich Zwetajewas Briefe deutlich mehr genossen habe als die von Pasternak. Dazu passend gerade bei Natascha Wodin in "Nachtgeschwister" gefunden:

"Gleich daneben das inzwischen vor allem von Touristen frequentierte Café Pasternak, dessen einzige Gemeinsamkeit mit einem russischen Restaurant darin besteht, dass man hier nie einen Platz bekommt."

Haha, ich liebe sie. Diese Frau schreibt so aus der Seele heraus. In diesem Buch reflektiert sie übrigens über die problematische Beziehung zu Wolfgang Hilbig, aber wie kunstvoll, wie tragisch verpackt in der Geschichte einer Liebe zu einem Dichter, in dessen Werk sie sich wiederfindet und der dann so ganz anders ist als seine Gedichte, voller Abgründe und Schlamm. Ein wirklich tolles Buch, das auch großartig die Zeit nach der Wende zwischen Ost und West einfängt.




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#13

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 08.12.2022 13:09
von Sokolow • 189 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #12
Habe ich, wobei ich Zwetajewas Briefe deutlich mehr genossen habe als die von Pasternak. Dazu passend gerade bei Natascha Wodin in "Nachtgeschwister" gefunden:

"Gleich daneben das inzwischen vor allem von Touristen frequentierte Café Pasternak, dessen einzige Gemeinsamkeit mit einem russischen Restaurant darin besteht, dass man hier nie einen Platz bekommt."

Haha, ich liebe sie. Diese Frau schreibt so aus der Seele heraus. In diesem Buch reflektiert sie übrigens über die problematische Beziehung zu Wolfgang Hilbig, aber wie kunstvoll, wie tragisch verpackt in der Geschichte einer Liebe zu einem Dichter, in dessen Werk sie sich wiederfindet und der dann so ganz anders ist als seine Gedichte, voller Abgründe und Schlamm. Ein wirklich tolles Buch, das auch großartig die Zeit nach der Wende zwischen Ost und West einfängt.


Ja Pasternak nimmt man so mit, so ging es mir auch in den Briefen von Celan und Bachmann, die Bachmann war doch eher öd, ganz arg ist es in den Briefwechsel von Cotzee und Auster, Auster ist so fantasielos wie in seinen ganzen Romanen......

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#14

RE: September/Oktober

in Lektüreliste 08.12.2022 18:11
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Mit Auster kann ich auch nicht viel anfangen. Und ich habe es mit einigen Romanen versucht. Aber über Auster gibt es schöne Anekdoten, z. B. dass er nur auf der Schreibmaschine schreiben kann und aus Furcht, irgendwann würde es keine Schreibbänder mehr geben, frühzeitig einen großen Vorrat angelegt und alle in einen riesigen Schrank gestopft hat, um nicht von der Digitalisierung überrascht zu werden. Das hat Auster auch schön in einem kleinen Buch beschrieben, das "Die Geschichte meiner Schreibmaschine" heißt und dazu Werke des Künstlers Sam Messers enthält, der die Schreibmaschine von allen Seiten gemalt und gezeichnet hat, dass diese dann fast schon dargestellt ist wie ein menschlicher Charakter oder wie in "Naked Lunch".

Schön fand ich z. B. die Briefe Flaubers mit Turgenjew, die erstaunlich viel über beide Charaktere aussagen, während Flauberts Briefwechsel mit den Gongourts auch großartig ist. Oder die Briefe zwischen Sarte und Beauvoir. Die habe ich abwechselnd gelesen, also zwei Bände Sartre-Briefe und zwei Bände Beauvoir-Briefe und immer im Wechsel nach jedem Brief. Briefe schreiben ist ja auch nicht umsonst eine Kunst für sich, die nicht jeder beherrscht. Heute gibt es bereits die Variante E-Mail-Austausch zwischen Schriftstellern. Da wird es noch schwieriger.




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