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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Warm und Kalt

in Gedanken vom Tag 01.10.2007 14:19
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Früher war Kunst Ausdruck von Schönheit. Sie wurde geschaffen, um der Wirklichkeit nicht zu entsprechen, sie vielmehr schöner und ästhetischer erscheinen zu lassen. Der Maler hatte ein Bild zu malen, das den Betrachter erfreut, bei dessen Anblick dieser entspannen, sich wohlfühlen konnte. Grob gesagt hatte die Kunst die Aufgabe, einfach "gut" zu sein, das was sie machte, gut zu machen. Sie war zwar Zweck, doch was sie uns hinterlassen hat, erfreut die Sinne, lässt das Herz im Anblick solcher "Gewalten" höher schlagen. Vielleicht noch nicht die "Urmutter", die Venus von Willendorf, aber doch die Knidische Venus oder im 2. Jahrhundert v. Chr. dann die bezaubernde Venus von Milo prägt sich uns tief in das Empfinden. Und schließlich der Sprung in die Gemälde, so viele schlafende oder ruhende Musen, alle in den Hauch der Venus gefasst, immer ein bisschen lasziv im Blick und mit schimmernder Haut. In diesen Bildern kann man versinken, davor Stunden verharren, sie sind offen und weit und strahlen Wärme aus, und wenn man weitergeht, trägt man einen Teil des Bildes im Geist, im Inneren mit sich.
Wenn man sich heute die Kunst betrachtet, dann findet man darin kaum noch Schönheit. Vieles ist einfach intellektuelles Geschmier, mit einer gewaltigen Masse an Idee dahinter, die zumeist auch als Anhang neben dem Kunstwerk hängt. So steht man in der Betrachtung kaum noch vor dem Bild, es ist vielmehr nur noch Anhaltspunkt, sondern man steht vor der Tafel, auf der in groben Schriftzügen das Bild in seiner Bedeutung skizziert, umrissen, eingefasst wird, und friert. Das Bild öffnet sich nicht, ist Oberfläche und undurchdringlich. Wie mit dem Brett vor den Kopf geschlagen steht der Betrachter und versucht das Dahinter zu ergründen.
So will es fast erscheinen, dass die Kunst nur noch in Symbolen gefasst steht, das Bild in seiner überlangen Bedeutung sich selbst verschlingt, was den Betrachter davor mit einer tiefen Unruhe befällt, die auch dann noch anhält, wenn er längst das Bild hinter sich gelassen hat. Auf grell glänzendem Boden knarren seine Schritte Richtung Ausgang und hinterlassen einen Anflug von Traurigkeit.



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 01.10.2007 14:33 | nach oben springen

#2

RE: Warm und Kalt

in Gedanken vom Tag 02.10.2007 18:50
von Jo • 65 Beiträge
Den Vergleich kann ich gut nachvollziehen, Taxine.
Die Venus von Milo steht übrigens bei mir als Plastikstatuette im Regal.
Von den alten Meistern gefällt mir Velázquez mit seiner "Venus vor dem Spiegel" besonders gut, durch die Rückenansicht.

Es grüßt
Jo
zuletzt bearbeitet 02.10.2007 19:04 | nach oben springen

#3

RE: Warm und Kalt

in Gedanken vom Tag 02.10.2007 22:45
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Hallo Jo,

die Venus des Velazquez ist eine wunderbar leuchtende Gestalt, die sich im Spiegel betrachtet. In der Gestalt anmutig blickt sie aus dem Ebenbild zu uns, die wir als Betrachter davor verharren - vorausgesetzt, wir spazieren in London oder führen uns eben dieses Bild als Druck vor Augen.
Wenn ich mir die Geschichte der "Schönheit" in der Kunst betrachte, die Entwicklung der Venus, dann steige ich von der Venus von Milo über Botticellis Geburt direkt zu Cranach, der scheinbar Schwierigkeiten hatte, Hände zu malen. In Köln, im Wallraf-Richartz-Museum hängt ein Bild von ihm, und zwar die "Heilige Maria Magdalena", deren eine Hand nur drei Finger aufzeigt.
Auch die "Schlafende Venus" von Giorgione, die in Dresden hängt, hat mich beeindruckt. Natürlich darf man in dieser Aufzählung keinesfalls Tizian, Rubens, danach Goyas "nackte Maja" und schließlich, mein Favorit - der Maler von langen Rücken - Ingres vergessen. "Die große Odaliske" hat völlig absurde Proportionen, die aber erst bei näherer Betrachtung auffallen. Im Louvre stand ich schon oft davor.
Auch, ein sehr beeindruckendes Bild ist "Sappho" von Charles Auguste Mengin.


Liebe Grüße
Taxine



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 02.10.2007 22:48 | nach oben springen

#4

RE: Warm und Kalt

in Gedanken vom Tag 03.10.2007 16:40
von Jo • 65 Beiträge

Zitat von Taxine

Auch, ein sehr beeindruckendes Bild ist "Sappho" von Charles Auguste Mengin.


Ja, ein wirklich schönes Bild, Taxine. Das verdeutlicht auch die Wärme, von der du sprichst.

Es grüßt
Jo

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