HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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#1
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 16.11.2007 14:14von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Viele meinen, er hätte nur ein Buch geschrieben, aber das stimmt nicht ganz. Auf jeden Fall war er ein Mensch, der sich gegen Ende des Lebens verbittert vor der Welt zurückzog, auch aufgrund der schlechten Kritik, die einigen seiner Werke zuteil wurde.
Aber, "Oblomow" ist sein bekanntestes Werk.
Gontscharow wurde am 18. Juni 1812 in Simbirsk geboren und starb dann am 27. September 1891 in Sankt Petersburg.
Er wuchs als Sohn eines reichen Getreidehändlers auf, schloss seine Ausbildung 1834 an der Universität Moskau ab und diente danach 30 Jahre lang in Sankt Petersburg als kleiner Beamter, ab 1856 als Zensor, später in der obersten Pressebehörde.
Der Konflikt zwischen dem Reichtum der Adligen und der aufsteigenden Klasse der Kaufleute beschäftigte Gontscharow. Sein erstes Werk "Eine alltägliche Geschichte" setzt sich damit auseinander, aber auch in "Oblomow" entdeckt man Andeutungen. Diese Figur ist in Rußland sprichwörtlich geworden und steht für diese Trägheit, die Unfähigkeit, seine Träume zu verwirklichen.
"Sein oder Nichtsein" - Oblomow entscheidet sich für das Nichtsein.
Genauer finden wir hier einen trägen Mensch, der sich damit begnügt, seine Vorstellungen und Taten erst einmal in Ruhe und über Jahre hinweg zu durchdenken, der keine Ansprüche, keine Sehnsüchte hat, umgeben von einem Diener, der es ihm gleichtut, der knurrt, wenn man ihm einen Befehl gibt, der aus Gewohnheit und übernommenem Erbe auf seinen Herrn schimpft, gemeinsam in einem Haus lebend, das wie das Haus eines Verstorbenen wirkt, da Oblomow kaum das Bett verlässt. Die Möbel und Wände eingestaubt, nur ein Zimmer nutzend, verbringen sie ihre Tage.
Oblomow entwirft einen Wirtschaftsplan, um das Chaos und die immer schlechter werdende Ernte seines Guts zu kontrollieren (er könnte auch einfach hinfahren und schnell alles neu arrangieren, doch dafür müsste er reisen), und der faule Anblick seiner selbst ist scheinbar trügerisch, denn er liegt zwar, aber er denkt doch und verlagert mit seinen Gedanken auch ein bisschen seine Haltung. Wenn er also mit den geschäftlichen Gedanken beginnt, guckt er zunächst angespannt…
Hier zusammen mit Oblomow in diesen traurig müßigen Alltag zu tauchen, im Diener die Faulheit zu erkennen, während man ihm dagegen zugute halten muss, dass er für seinen Herrn jederzeit, ohne es für etwas Besonderes zu halten, durchs Feuer gehen würde, den Besuch gemeinsam zu empfangen, dabei ein ewiger und stets vergeblicher Versuch, den schon aufgeschwemmten Mann aus dem Haus zu locken, ist trotzdem ein Vergnügen.
Sich hier vor Augen zu halten, dass der Diener ohne zu überlegen in den Tod gehen würde, während er den Lebenden mit einem Knurren behandelt, ist amüsant. Oblomow empfängt viele Leute, ist aber darüber nicht gerade erfreut. Nur Stolz, ein Deutscher, ist sein Freund seit Kindertagen, doch ist dieser leider nicht allzu oft in St. Petersburg. Andere wollen ihn immer nur mit dem wirklichen Leben konfrontieren, was er ablehnt. Überhaupt hat er alles hinter sich gelassen, seine Tätigkeit als Beamter, den Besuch auf seinem, vom Vater geerbten Gut, die Vergnügungen und gesellschaftlichen Zusammenkünfte. Nun fragt man sich als Leser, ob dieser träge Mensch wenigstens andere Beschäftigung hat, aber da wird man dann eher enttäuscht. Etwas Vorgenommenes wird meistens mit absurd ausgedehnten Überlegungen behaftet und in allen möglichen Hinterfragungen schließlich verworfen oder wenigstens aufgeschoben. Überhaupt diese Neigung, ein einfaches Vorhaben von allen Seiten und bis in das unnötigste Detail zu erörtern, um dann mit einem Stöhnen nicht voranzukommen, verdeutlicht gut, warum Oblomow lieber liegt als handelt. Zum Beispiel muss Oblomow seine Wohnung verlassen, und alleine der Gedanke an diese ganze "Bewegung" stürzt ihn in den größten Kummer.
Die Beschreibung Oblomow ist sehr humorig gestaltet, hier zum Beispiel:
Selten erlebt man einen Menschen, der so viel Angst vor der Bewegung hat, doch resultiert dieses Verhalten, wie man dann erfährt, aus der Vergangenheit. Gontscharow gestaltet den Rückblick als Oblomows Traum, wo er sich als Kind auf dem Gut seines Vaters wiederfindet. Hier nun wird offensichtlich, woher diese Trägheit stammt, denn das ganze Gut bedient sich der eher langsamen Bewegung, der Vater sitzt und gibt höchstens unsinnige Anweisungen, die dabei keine Anweisungen sind, sondern höchstens kurze Unterbrechungen der Tätigkeiten seiner Bediensteten. Die Mutter verhätschelt das Kind, indem sie allerlei Besorgnis an den Tag legt, und die Amme erzählt Märchen, an die selbst die Erwachsenen noch glauben.
Oblomow trägt dieses Erbe mit sich herum und ab und zu überfällt ihn eine tiefe Traurigkeit, dass sein Leben anders verläuft, als das anderer Menschen. Wenn er sich diesen Vergleich bewusst macht, ist er schwer erschüttert. Der Diener, der zu sagen wagt, dass andere Menschen es doch auch schaffen, hinterlässt bei Oblomow völlige Empörung, und in einer sinnlosen Auseinandersetzung, bei der er seine eigenen Vorteile hervorheben möchte, die eigentlich dann aber auf ganzer Linie nur schlechte Eigenschaften sind, versucht er seinem armen Diener, der natürlich gar nichts versteht, eines Besseren zu belehren.
Hier lässt sich diese völlige Verblendung sehr gut begreifen.
Oblomow ist ein Anti-Hamlet, eine Gestalt, die dem Leser gehörig auf die Nerven geht. Selbst die Liebe vermag ihn nur kurzzeitig aufzuwecken. Dann ist es auch kein Wunder, dass in Rußland der Begriff "Oblomow" für die Erstarrung und Passivität einer untergehenden Gesellschaft steht.
Aber, "Oblomow" ist sein bekanntestes Werk.
Gontscharow wurde am 18. Juni 1812 in Simbirsk geboren und starb dann am 27. September 1891 in Sankt Petersburg.
Er wuchs als Sohn eines reichen Getreidehändlers auf, schloss seine Ausbildung 1834 an der Universität Moskau ab und diente danach 30 Jahre lang in Sankt Petersburg als kleiner Beamter, ab 1856 als Zensor, später in der obersten Pressebehörde.
Der Konflikt zwischen dem Reichtum der Adligen und der aufsteigenden Klasse der Kaufleute beschäftigte Gontscharow. Sein erstes Werk "Eine alltägliche Geschichte" setzt sich damit auseinander, aber auch in "Oblomow" entdeckt man Andeutungen. Diese Figur ist in Rußland sprichwörtlich geworden und steht für diese Trägheit, die Unfähigkeit, seine Träume zu verwirklichen.
"Sein oder Nichtsein" - Oblomow entscheidet sich für das Nichtsein.
Genauer finden wir hier einen trägen Mensch, der sich damit begnügt, seine Vorstellungen und Taten erst einmal in Ruhe und über Jahre hinweg zu durchdenken, der keine Ansprüche, keine Sehnsüchte hat, umgeben von einem Diener, der es ihm gleichtut, der knurrt, wenn man ihm einen Befehl gibt, der aus Gewohnheit und übernommenem Erbe auf seinen Herrn schimpft, gemeinsam in einem Haus lebend, das wie das Haus eines Verstorbenen wirkt, da Oblomow kaum das Bett verlässt. Die Möbel und Wände eingestaubt, nur ein Zimmer nutzend, verbringen sie ihre Tage.
Oblomow entwirft einen Wirtschaftsplan, um das Chaos und die immer schlechter werdende Ernte seines Guts zu kontrollieren (er könnte auch einfach hinfahren und schnell alles neu arrangieren, doch dafür müsste er reisen), und der faule Anblick seiner selbst ist scheinbar trügerisch, denn er liegt zwar, aber er denkt doch und verlagert mit seinen Gedanken auch ein bisschen seine Haltung. Wenn er also mit den geschäftlichen Gedanken beginnt, guckt er zunächst angespannt…
In Antwort auf:
Dann erst entschloss er sich, von der getanen Arbeit auszuruhen, vertauschte die besorgte Pose gegen eine weniger geschäftsmäßig strenge, die sich für Träume und ein bequemes Vorsichhindämmern besser eignete.
Hier zusammen mit Oblomow in diesen traurig müßigen Alltag zu tauchen, im Diener die Faulheit zu erkennen, während man ihm dagegen zugute halten muss, dass er für seinen Herrn jederzeit, ohne es für etwas Besonderes zu halten, durchs Feuer gehen würde, den Besuch gemeinsam zu empfangen, dabei ein ewiger und stets vergeblicher Versuch, den schon aufgeschwemmten Mann aus dem Haus zu locken, ist trotzdem ein Vergnügen.
Sich hier vor Augen zu halten, dass der Diener ohne zu überlegen in den Tod gehen würde, während er den Lebenden mit einem Knurren behandelt, ist amüsant. Oblomow empfängt viele Leute, ist aber darüber nicht gerade erfreut. Nur Stolz, ein Deutscher, ist sein Freund seit Kindertagen, doch ist dieser leider nicht allzu oft in St. Petersburg. Andere wollen ihn immer nur mit dem wirklichen Leben konfrontieren, was er ablehnt. Überhaupt hat er alles hinter sich gelassen, seine Tätigkeit als Beamter, den Besuch auf seinem, vom Vater geerbten Gut, die Vergnügungen und gesellschaftlichen Zusammenkünfte. Nun fragt man sich als Leser, ob dieser träge Mensch wenigstens andere Beschäftigung hat, aber da wird man dann eher enttäuscht. Etwas Vorgenommenes wird meistens mit absurd ausgedehnten Überlegungen behaftet und in allen möglichen Hinterfragungen schließlich verworfen oder wenigstens aufgeschoben. Überhaupt diese Neigung, ein einfaches Vorhaben von allen Seiten und bis in das unnötigste Detail zu erörtern, um dann mit einem Stöhnen nicht voranzukommen, verdeutlicht gut, warum Oblomow lieber liegt als handelt. Zum Beispiel muss Oblomow seine Wohnung verlassen, und alleine der Gedanke an diese ganze "Bewegung" stürzt ihn in den größten Kummer.
Die Beschreibung Oblomow ist sehr humorig gestaltet, hier zum Beispiel:
In Antwort auf:
Wenn ihm aber Stolz Bücher brachte, die noch über das Gelernte hinaus durchstudiert werden mussten, so pflegte ihn Oblomow lange schweigend anzublicken.
Selten erlebt man einen Menschen, der so viel Angst vor der Bewegung hat, doch resultiert dieses Verhalten, wie man dann erfährt, aus der Vergangenheit. Gontscharow gestaltet den Rückblick als Oblomows Traum, wo er sich als Kind auf dem Gut seines Vaters wiederfindet. Hier nun wird offensichtlich, woher diese Trägheit stammt, denn das ganze Gut bedient sich der eher langsamen Bewegung, der Vater sitzt und gibt höchstens unsinnige Anweisungen, die dabei keine Anweisungen sind, sondern höchstens kurze Unterbrechungen der Tätigkeiten seiner Bediensteten. Die Mutter verhätschelt das Kind, indem sie allerlei Besorgnis an den Tag legt, und die Amme erzählt Märchen, an die selbst die Erwachsenen noch glauben.
Oblomow trägt dieses Erbe mit sich herum und ab und zu überfällt ihn eine tiefe Traurigkeit, dass sein Leben anders verläuft, als das anderer Menschen. Wenn er sich diesen Vergleich bewusst macht, ist er schwer erschüttert. Der Diener, der zu sagen wagt, dass andere Menschen es doch auch schaffen, hinterlässt bei Oblomow völlige Empörung, und in einer sinnlosen Auseinandersetzung, bei der er seine eigenen Vorteile hervorheben möchte, die eigentlich dann aber auf ganzer Linie nur schlechte Eigenschaften sind, versucht er seinem armen Diener, der natürlich gar nichts versteht, eines Besseren zu belehren.
Hier lässt sich diese völlige Verblendung sehr gut begreifen.
Oblomow ist ein Anti-Hamlet, eine Gestalt, die dem Leser gehörig auf die Nerven geht. Selbst die Liebe vermag ihn nur kurzzeitig aufzuwecken. Dann ist es auch kein Wunder, dass in Rußland der Begriff "Oblomow" für die Erstarrung und Passivität einer untergehenden Gesellschaft steht.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 18.11.2007 22:05 |
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#3
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 16.11.2007 23:57von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Im Sinne der eigenen Trägheit des Lesers bzw. seiner Einstellung zum Verhalten des Protagonisten?
Oder gedacht als Hinweis, sich in der Zusammenfassung eines Romans mit subjektiver Einschätzung vielleicht lieber zurückzuhalten?
Oder gedacht als Hinweis, sich in der Zusammenfassung eines Romans mit subjektiver Einschätzung vielleicht lieber zurückzuhalten?
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 17.11.2007 01:25 |
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Mir ging er nicht auf die Nerven, und ich wäre enttäuscht gewesen, wenn die zaghaften Ansätze, die Trägheit zu überwinden, weitergeführt hätten.
Auch wenn es selbstschädigend (das geht dem Leser vermutlich besonders auf die Nerven?)und nicht nachnahmenswert ist, lebt Oblomov seinen (wenn auch nicht frei gewählten) Lebensentwurf.
Gruß,
L.
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#5
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 17.11.2007 13:32von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Dieses immer kurz vor dem nächsten Schritt Abbrechen der Handlung, dieses Verschiebenwollen, Nicht-Hören-Wollen, das durch unglaublich banale Ablenkungen verhinderte Aufstehen, das Durchdenken bis ins kleinste Detail, um dann erst einmal nicht Handeln zu können, dieses Gejammer über das "schwere Los", das ging mir auf die Nerven. Sicher, weil ich allgemein diese Trägheit ablehne. Das Buch gefällt mir aber sehr gut, und es wäre für mich auch schade, wenn Oblomow seine Trägheit überwinden würde.
Grüße
Taxine
Grüße
Taxine
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 17.11.2007 14:10 |
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#7
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 18.11.2007 00:57von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Bei obiger erster Einschätzung war ich bei der Rückkehr aus Oblomows Traum. Ich hatte schon vor, hier ein bisschen intensiver auf das Werk einzugehen.
Noch ein paar weitere Gedanken:
Aus dem Verhalten der Generation "Oblomow" wird deutlich, warum Ilja Iljitsch Oblomow unter anderem seinem Diener das Überbringen von Nachrichten verübelt. Schon seine Familie lehnte die doch komplizierte Überbringung eines Briefes ab und war im Blick auf die Kosten selbst sehr zögerlich.
Auch die Vorurteile gegenüber Fremden werden mehrmals verdeutlicht, einmal im Besuch durch Tarantjew, der hier auf den Freund Stolz schimpft, und auch im Rückblick, als der kleine Oblomow den Freund besucht und mit einer Überlast an Nahrungsmitteln losgeschickt wird, in der Vermutung, man würde ihm dort nicht genügend zu essen reichen.
Die Bildung erscheint als Modetrend, das Lesen von Büchern gilt als Luxus. Zum Glück wollten die Eltern von Oblomow ein bisschen mehr für ihren Sohn, wenn auch aus anderen Gründen.
Hier gerate ich als Leser schnell in die Überlegung. Das Buch als Luxus und eher als überflüssige Beschäftigung inmitten der langsamen Bewegung und noch langsameren Überlegung, da würde ich längst verzweifeln. Aber, gerade der Drang nach dem Buch ist auch eine Form der Freiheitseinschränkung. Trotzdem könnte ich nur schwer und mit mächtiger Sehnsucht ohne Literatur leben. (Vielleicht reicht ein Buch aus, in dem man immer wieder blättern und immer wieder einen neuen Gedanken finden kann, aber dieses Buch muss erst einmal gefunden sein, wenn man sich die einsame Insel oder eine völlig abgelegene Gegend vorstellt, in der nur geatmet, gegessen und geschlafen wird.)
Noch ein paar weitere Gedanken:
Aus dem Verhalten der Generation "Oblomow" wird deutlich, warum Ilja Iljitsch Oblomow unter anderem seinem Diener das Überbringen von Nachrichten verübelt. Schon seine Familie lehnte die doch komplizierte Überbringung eines Briefes ab und war im Blick auf die Kosten selbst sehr zögerlich.
In Antwort auf:
In der Einfalt ihrer Seele kannten und tätigten sie nur eine Kapitalanlage, nämlich: eben dieses Kapital in der Truhe aufzubewahren.
Auch die Vorurteile gegenüber Fremden werden mehrmals verdeutlicht, einmal im Besuch durch Tarantjew, der hier auf den Freund Stolz schimpft, und auch im Rückblick, als der kleine Oblomow den Freund besucht und mit einer Überlast an Nahrungsmitteln losgeschickt wird, in der Vermutung, man würde ihm dort nicht genügend zu essen reichen.
Die Bildung erscheint als Modetrend, das Lesen von Büchern gilt als Luxus. Zum Glück wollten die Eltern von Oblomow ein bisschen mehr für ihren Sohn, wenn auch aus anderen Gründen.
In Antwort auf:
Die Oblomows hatten das begriffen. Sie erfassten den Nutzen der Bildung recht wohl, allerdings nur diesen in die Augen springenden Nutzen. Von dem inneren Bedürfnis, sich zu bilden, hatten sie eine sehr entfernte, trübe Vorstellung, und darum waren sie darauf bedacht, ihrem Iljuscha einstweilen einige glänzende Privilegien zu sichern.
Hier gerate ich als Leser schnell in die Überlegung. Das Buch als Luxus und eher als überflüssige Beschäftigung inmitten der langsamen Bewegung und noch langsameren Überlegung, da würde ich längst verzweifeln. Aber, gerade der Drang nach dem Buch ist auch eine Form der Freiheitseinschränkung. Trotzdem könnte ich nur schwer und mit mächtiger Sehnsucht ohne Literatur leben. (Vielleicht reicht ein Buch aus, in dem man immer wieder blättern und immer wieder einen neuen Gedanken finden kann, aber dieses Buch muss erst einmal gefunden sein, wenn man sich die einsame Insel oder eine völlig abgelegene Gegend vorstellt, in der nur geatmet, gegessen und geschlafen wird.)
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 18.11.2007 17:36 |
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#8
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 18.11.2007 16:10von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ein Buch der Gegensätze...
Dem trägen Oblomow wird der aktive Stolz gegenübergestellt, dass beide Gestalten wie Gegensätze wirken. Während der eine sich in Tagträumen verfängt und nie zur Tat schreitet, ist der andere immer unterwegs und lehnt die Phantasie ab. So stehen sich hier auch Phantasie und „praktische Wahrheit“ gegenüber.
Stolz gehört zu den Handelnden, die ihr ganzes Leben in der Hand haben müssen, sich nicht in Traum und Vorstellungen verlieren. Auch das Jammern liegt ihm nicht:
Eine bemerkenswerte Sicht. Vielleicht ist die heutige Jammerei und Abgabe der Verantwortung, dieses Schuldzuweisen in diesem Ausmaß auch eine moderne Entwicklung. Zu wissen, dass man für den eigenen Kummer auch selbst verantwortlich ist, macht den Schritt fester und lässt die Probleme anders angehen. Hier hat Stolz Oblomow gegenüber klare Vorteile.
Während Oblomow jede Entwicklung, jede Nachricht als Bedrohung sieht, aus der kleinsten Änderung ein riesiges und gedankliches Drama entfacht, strebt Stolz nach der Lösung und einem einfachen Leben.
Während diese Gegensätze der Charaktere einander gegenüber stehen, scheint der Kopf wiederum verkehrt herum gegensätzlich. Der träge Mensch lehnt das überflüssige Wissen ab (obwohl er doch viel mehr Zeit dazu hätte, sich weiterzubilden), während der handelnde Mensch (trotz seiner Zeitbegrenzungen durch Reisen, Arbeiten, usw.) nach mehr Wissen strebt. Oblomow ist also nicht nur im Handeln träge, sondern auch im Denken, er weicht in Träumereien aus, die ihn nicht weiterbringen, während Stolz für diese Träumereien keinen Platz im Herzen hat. So, muss man sagen, ergänzen die beiden Gestalten sich doch sehr gut.
In den Eltern von Stolz ist das Deutsche dem Russischen gegenübergestellt, das sich so präsentiert, dass der Vater (ein Deutscher) für das Strebende steht, der dabei aber ohne große Gefühlsausbrüche auskommt, während die Mutter (eine Russin) für das Nichtstun und Gefühlsbetonte steht. In beiden vereint hatte Stolz natürlich eine andere Voraussetzung, als Oblomow, der nur mit der Trägheit, der fast erdrückenden Liebe und Fürsorge und dem Nichtstun seiner Familie konfrontiert wurde. Die russische Sentimentalität und Wärme steht dem strebsamen und kalten Deutschen gegenüber. Der Deutsche will immer mehr, während der Russe genügsam ist, sich mit dem, was ihn sättigt, bereits zufrieden gibt. Da Stolz eher vom Vater auf das Leben vorbereitet wurde, ist es auch nicht verwunderlich, dass er eher zurückhaltend in Gefühl und Liebe ist und nur mäßig den Kummer danach kennt, während Oblomow in jede Kleinigkeit das größte Gefühl steckt.
Für Stolz gilt:
… was man von Oblomow nun gar nicht behaupten kann. In ihrer Gegensätzlichkeit erkennt man erst die Vorzüge des anderen, die alleine nicht sichtbar geworden wären. Nur ein Oblomow geht anfänglich auf die Nerven, nur ein Stolz führt zu Emotionslosigkeit. Aber mit beiden Menschen vor Augen werden die dagegengestellten Schwächen und Stärken des anderen erst bemerkbar. Das ist Gontscharow hier wunderbar gelungen.
(Auch im Diener Sachar liegt ein Widerspruch. Einerseits schimpft er auf seinen Herrn, wenn aber ein anderer wagt, etwas Schlechtes über ihn zu sagen, dann verteidigt er ihn in den höchsten Lobgesängen.)
Wenn man nun aus der Welt Oblomows in die wirkliche Welt blickt, wird auch ersichtlich, warum Oblomow diese so ungern betritt. Er sagt zu Stolz:
Einerseits herrscht in ihm der Stillstand, die Sehnsucht nach Müßiggang und Bewegungslosigkeit, aber andererseits hat er recht, wenn er die Gesellschaft meidet, die sich mit der Oberflächlichkeit amüsiert.
... die stehen. Oblomow dagegen steht zu seiner Trägheit und muss dafür nicht durch die Gesellschaftsbedingungen hetzen. Er wird mir hier schon verständlicher.
Dem trägen Oblomow wird der aktive Stolz gegenübergestellt, dass beide Gestalten wie Gegensätze wirken. Während der eine sich in Tagträumen verfängt und nie zur Tat schreitet, ist der andere immer unterwegs und lehnt die Phantasie ab. So stehen sich hier auch Phantasie und „praktische Wahrheit“ gegenüber.
Stolz gehört zu den Handelnden, die ihr ganzes Leben in der Hand haben müssen, sich nicht in Traum und Vorstellungen verlieren. Auch das Jammern liegt ihm nicht:
In Antwort auf:
… und er ertrug das Leid nur darum geduldig, weil er die Ursache eines jeden Leidens sich selber zuschrieb und es nicht wie einen Rock an einen fremden Nagel zu hängen pflege.
Eine bemerkenswerte Sicht. Vielleicht ist die heutige Jammerei und Abgabe der Verantwortung, dieses Schuldzuweisen in diesem Ausmaß auch eine moderne Entwicklung. Zu wissen, dass man für den eigenen Kummer auch selbst verantwortlich ist, macht den Schritt fester und lässt die Probleme anders angehen. Hier hat Stolz Oblomow gegenüber klare Vorteile.
Während Oblomow jede Entwicklung, jede Nachricht als Bedrohung sieht, aus der kleinsten Änderung ein riesiges und gedankliches Drama entfacht, strebt Stolz nach der Lösung und einem einfachen Leben.
In Antwort auf:
Einen schlichten, das heißt, geraden, freien Blick für da Leben zu haben, betrachtete er als ständige Lebensaufgabe.
Während diese Gegensätze der Charaktere einander gegenüber stehen, scheint der Kopf wiederum verkehrt herum gegensätzlich. Der träge Mensch lehnt das überflüssige Wissen ab (obwohl er doch viel mehr Zeit dazu hätte, sich weiterzubilden), während der handelnde Mensch (trotz seiner Zeitbegrenzungen durch Reisen, Arbeiten, usw.) nach mehr Wissen strebt. Oblomow ist also nicht nur im Handeln träge, sondern auch im Denken, er weicht in Träumereien aus, die ihn nicht weiterbringen, während Stolz für diese Träumereien keinen Platz im Herzen hat. So, muss man sagen, ergänzen die beiden Gestalten sich doch sehr gut.
In den Eltern von Stolz ist das Deutsche dem Russischen gegenübergestellt, das sich so präsentiert, dass der Vater (ein Deutscher) für das Strebende steht, der dabei aber ohne große Gefühlsausbrüche auskommt, während die Mutter (eine Russin) für das Nichtstun und Gefühlsbetonte steht. In beiden vereint hatte Stolz natürlich eine andere Voraussetzung, als Oblomow, der nur mit der Trägheit, der fast erdrückenden Liebe und Fürsorge und dem Nichtstun seiner Familie konfrontiert wurde. Die russische Sentimentalität und Wärme steht dem strebsamen und kalten Deutschen gegenüber. Der Deutsche will immer mehr, während der Russe genügsam ist, sich mit dem, was ihn sättigt, bereits zufrieden gibt. Da Stolz eher vom Vater auf das Leben vorbereitet wurde, ist es auch nicht verwunderlich, dass er eher zurückhaltend in Gefühl und Liebe ist und nur mäßig den Kummer danach kennt, während Oblomow in jede Kleinigkeit das größte Gefühl steckt.
Für Stolz gilt:
In Antwort auf:
Mochte er sich einem Ding auch hingeben, so fühlte er doch immer festen Boden unter den Füßen…
… was man von Oblomow nun gar nicht behaupten kann. In ihrer Gegensätzlichkeit erkennt man erst die Vorzüge des anderen, die alleine nicht sichtbar geworden wären. Nur ein Oblomow geht anfänglich auf die Nerven, nur ein Stolz führt zu Emotionslosigkeit. Aber mit beiden Menschen vor Augen werden die dagegengestellten Schwächen und Stärken des anderen erst bemerkbar. Das ist Gontscharow hier wunderbar gelungen.
(Auch im Diener Sachar liegt ein Widerspruch. Einerseits schimpft er auf seinen Herrn, wenn aber ein anderer wagt, etwas Schlechtes über ihn zu sagen, dann verteidigt er ihn in den höchsten Lobgesängen.)
Wenn man nun aus der Welt Oblomows in die wirkliche Welt blickt, wird auch ersichtlich, warum Oblomow diese so ungern betritt. Er sagt zu Stolz:
In Antwort auf:
Überall - Leere, Leere, Leere...! Wo bleibt der Mensch? Wo der Mensch in seiner Ganzheit? Wohin ist er verschwunden?
Einerseits herrscht in ihm der Stillstand, die Sehnsucht nach Müßiggang und Bewegungslosigkeit, aber andererseits hat er recht, wenn er die Gesellschaft meidet, die sich mit der Oberflächlichkeit amüsiert.
In Antwort auf:
Ein schönes Leben das! Was hätte ich da zu suchen! Geistige oder seelische Interessen? Sieh nur hin! Wo ist der Mittelpunkt, um den herum sich dies alles bewegt? Er ist überhaupt nicht da. Da gibt es nichts Tiefes, was einen wirklich bewegen könnte! Das sind Leichname, schlafende Menschen.
... die stehen. Oblomow dagegen steht zu seiner Trägheit und muss dafür nicht durch die Gesellschaftsbedingungen hetzen. Er wird mir hier schon verständlicher.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 18.11.2007 17:37 |
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#9
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 22.11.2007 23:53von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
In Olga hat Gontscharow wohl sein Ideal einer Frau kreiert, die, die über das kokette Spiel (über "die banale Schwäche") in Anbetracht ihrer wesenseigenen Reinheit erhaben steht, die immer sagt, was sie denkt, nicht hinterlistig ist, dabei offen und aufrichtig, die immer wissbegierig ist und den Mann (sowohl Oblomow wie auch Stolz) dazu anregt, sein Wissen in aller Ausführlichkeit und gerne mit ihr zu teilen. Einzig ihre schwachen Nerven und die Unwissenheit der Jugend zeigen sie als nicht ganz perfekt.
Die Liebe zu Olga zeigt Oblomow von einer anderen Seite. Er lebt auf, ist agil, lässt sich von seinem Gefühl leiten. Doch sobald die Liebe mit den Pflichten überschüttet wird, die eine Hochzeit mit sich bringt, gerät jeder Gedanke an die Zukunft und Unsicherheit zu einer Last, die das Gefühl der Liebe trübt.
Olga erscheint hier als sehr erfrischender Charakter, die mit dem Zeitpunkt ihrer Gefühle zu Oblomow aus dem Kindlichen in das Weibliche schwingt. Sie schafft es, Oblomow in Bewegung zu halten, was mir hier in der Art der Spielereien, der gemeinsamen und gegenseitigen Offenheit gut gefallen hat. Erst, als Oblomow sich wieder in die Trägheit zurückzieht, die hier eindeutig aus einer Unentschlossenheit und ständigen Angst vor der Zukunft erwächst, lässt sich der Rückzug Olgas vorhersehen. Mein Gedanke war ja, dass er in seiner lebhaften Liebe eine Enttäuschung erfährt, dass sie sich ihm gegenüber nicht aufrichtig verhält, vielleicht eine andere Liebschaft hat, was dann die Trägheit, den Rückzug in seinen „Urzustand“ irgendwo verständlicher macht. Aber, seine Unentschlossenheit, diese Besorgnis, die dem Liebenden eigentlich keine all zu großen Stolperfallen in den Weg legen sollte, lässt sie endlich erkennen:
Sie liebt diesen Mann aus ganzem Herzen, jedoch nur in seiner Präsenz, nicht in seinem Stillstand.
Der gutmütige Oblomow hat eine schöne Seele, aber er ist dem Trubel der Welt nicht gewachsen. Er treibt vor sich hin und sehnt sich nach dem ruhigen Dasein, das er aus seinen Kindertagen kennt. Wäre Olga geblieben, hätte sie sich entweder schnell gelangweilt oder wäre mit ihm in diese Bewegungslosigkeit verfallen. Vielleicht ist es darum gar nicht so schlecht. Die Wirtin, das völlige Gegenstück zum lebendig spritzigen Geist einer Olga, hat hier ebenso meine Sympathie, weil sie Oblomow vielleicht etwas anderes geben kann. Aber, aus der Trägheit wird sie ihn sicher nicht führen, denn ihr Bestreben ist es, für Oblomows Ruhe und Bequemlichkeit zu sorgen.
Auch vertrug Oblomow diesen Wirbel der Liebe, diese ständigen Herzwallungen auf Dauer nicht (er dachte daran zurück, als hätte er ein hitziges Fieber durchgemacht), weil es hierbei für ihn nur ein Hoch oder ein Tief gab, also zwei sehr extreme Gegensätze, wobei Olgas Anwesenheit eine ständige Hetzerei und das Handeln gegen die eigenen Wünsche auslöste, während ihre Abwesenheit ihn in völlige Taten- und Hilflosigkeit führte, mit der Wirtin aber verfällt er in seinen gewohnten Tagesablauf, der weder durch ihre Anwesenheit noch ihre Abwesenheit gestört wird. Hier ist er einfach mehr Oblomow, mehr er selbst.
Solche Typen, wie Tarantjew oder der Bruder der Wirtin stehen für die Gier des armen, aber verschlagenen Mannes, deren kleine Gaunereien aber nur durch die Trägheit, das Nichtwissen und Nichtkönnen eines Oblomows ermöglicht werden. Wer hier Schuld trägt, bleibt daher immer zu hinterfragen.
Was mir noch aufgefallen ist: Gontscharow verwendet hier oft den Vergleich mit einer Maschine. Oblomows Bewegungslosigkeit und seine müden Handlungen sind die einer Maschine mit den ersten Abnutzungserscheinungen und dem Verschleiß, die Wirtin arbeitet wie eine Maschine, die Handgriffe sind Gewohnheit und reibungslos, usw.
Wenn schon Gontscharow den Vergleich so schnell heranzieht, wundert mich auch nicht, dass wir heute (durch Deleuze) bereits bei den Wunschmaschinen angelangt sind.
Die Liebe zu Olga zeigt Oblomow von einer anderen Seite. Er lebt auf, ist agil, lässt sich von seinem Gefühl leiten. Doch sobald die Liebe mit den Pflichten überschüttet wird, die eine Hochzeit mit sich bringt, gerät jeder Gedanke an die Zukunft und Unsicherheit zu einer Last, die das Gefühl der Liebe trübt.
Olga erscheint hier als sehr erfrischender Charakter, die mit dem Zeitpunkt ihrer Gefühle zu Oblomow aus dem Kindlichen in das Weibliche schwingt. Sie schafft es, Oblomow in Bewegung zu halten, was mir hier in der Art der Spielereien, der gemeinsamen und gegenseitigen Offenheit gut gefallen hat. Erst, als Oblomow sich wieder in die Trägheit zurückzieht, die hier eindeutig aus einer Unentschlossenheit und ständigen Angst vor der Zukunft erwächst, lässt sich der Rückzug Olgas vorhersehen. Mein Gedanke war ja, dass er in seiner lebhaften Liebe eine Enttäuschung erfährt, dass sie sich ihm gegenüber nicht aufrichtig verhält, vielleicht eine andere Liebschaft hat, was dann die Trägheit, den Rückzug in seinen „Urzustand“ irgendwo verständlicher macht. Aber, seine Unentschlossenheit, diese Besorgnis, die dem Liebenden eigentlich keine all zu großen Stolperfallen in den Weg legen sollte, lässt sie endlich erkennen:
In Antwort auf:(Hier die Rettung aus der Trägheit.)
Erst vor kurzem habe ich erfahren, dass ich an dir das liebte, wovon ich wünschte, dass es in dir wäre, das, was mir Stolz gezeigt hat, was wir uns zusammen mit ihm erdacht haben.
In Antwort auf:
Ich liebte den künftigen Oblomow.
Sie liebt diesen Mann aus ganzem Herzen, jedoch nur in seiner Präsenz, nicht in seinem Stillstand.
Der gutmütige Oblomow hat eine schöne Seele, aber er ist dem Trubel der Welt nicht gewachsen. Er treibt vor sich hin und sehnt sich nach dem ruhigen Dasein, das er aus seinen Kindertagen kennt. Wäre Olga geblieben, hätte sie sich entweder schnell gelangweilt oder wäre mit ihm in diese Bewegungslosigkeit verfallen. Vielleicht ist es darum gar nicht so schlecht. Die Wirtin, das völlige Gegenstück zum lebendig spritzigen Geist einer Olga, hat hier ebenso meine Sympathie, weil sie Oblomow vielleicht etwas anderes geben kann. Aber, aus der Trägheit wird sie ihn sicher nicht führen, denn ihr Bestreben ist es, für Oblomows Ruhe und Bequemlichkeit zu sorgen.
Auch vertrug Oblomow diesen Wirbel der Liebe, diese ständigen Herzwallungen auf Dauer nicht (er dachte daran zurück, als hätte er ein hitziges Fieber durchgemacht), weil es hierbei für ihn nur ein Hoch oder ein Tief gab, also zwei sehr extreme Gegensätze, wobei Olgas Anwesenheit eine ständige Hetzerei und das Handeln gegen die eigenen Wünsche auslöste, während ihre Abwesenheit ihn in völlige Taten- und Hilflosigkeit führte, mit der Wirtin aber verfällt er in seinen gewohnten Tagesablauf, der weder durch ihre Anwesenheit noch ihre Abwesenheit gestört wird. Hier ist er einfach mehr Oblomow, mehr er selbst.
Solche Typen, wie Tarantjew oder der Bruder der Wirtin stehen für die Gier des armen, aber verschlagenen Mannes, deren kleine Gaunereien aber nur durch die Trägheit, das Nichtwissen und Nichtkönnen eines Oblomows ermöglicht werden. Wer hier Schuld trägt, bleibt daher immer zu hinterfragen.
Was mir noch aufgefallen ist: Gontscharow verwendet hier oft den Vergleich mit einer Maschine. Oblomows Bewegungslosigkeit und seine müden Handlungen sind die einer Maschine mit den ersten Abnutzungserscheinungen und dem Verschleiß, die Wirtin arbeitet wie eine Maschine, die Handgriffe sind Gewohnheit und reibungslos, usw.
Wenn schon Gontscharow den Vergleich so schnell heranzieht, wundert mich auch nicht, dass wir heute (durch Deleuze) bereits bei den Wunschmaschinen angelangt sind.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 23.11.2007 03:07 |
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#10
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Iwan Gontscharow
in Die schöne Welt der Bücher 23.11.2007 18:40von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Der Roman hat mir gut gefallen. Die Trägheit Oblomows, die aus anderer Sicht wie ein Dahinsiechen wirkt, ist trotzdem seine Art zu leben. Alles andere wäre gegen seine Natur. Man kann durchaus sagen, dass er erst in diesem Zustand der Trägheit zur völligen Zufriedenheit gefunden hat, gerade auch mit der Wirtin Aglaja als sein über ihn wachendes Auge an der Seite. Mir gefiel auch, wie der immer knurrende Sachar am Ende einsehen muss, was er an seinem Herrn gehabt hat.
Dieser Roman reiht sich in die Reihe schöner Klassiker ein, die mir sicherlich in der Erinnerung bleiben werden, gerade durch die Figur Oblomow. Auch, wenn man nicht auf philosophische Überlegungen gestoßen ist, so war doch die Geschichte ein schönes Dahintreiben.
Dieser Roman reiht sich in die Reihe schöner Klassiker ein, die mir sicherlich in der Erinnerung bleiben werden, gerade durch die Figur Oblomow. Auch, wenn man nicht auf philosophische Überlegungen gestoßen ist, so war doch die Geschichte ein schönes Dahintreiben.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 23.11.2007 18:43 |
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