HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
|
#1
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Laurence Sterne "Tristram Shandy"
in Die schöne Welt der Bücher 06.01.2008 14:54von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman
Hier treffen wir auf ein Werk, das gleichzeitig erzählt und immer wieder abschweift. Die Figur, die dort erzählt, will den Leser belehren, will ihm zeigen, wie er richtig zu lesen hat, ihn vielmehr zum richtigen Lesen erziehen.
Er spricht dabei, während er erzählt, nicht nur von sich und seiner Geschichte, sondern auch den Leser selbst an, den er in den männlichen, den weiblichen und den kritischen Part teilt, was heißt, er redet mitten in der Erzählung auf einmal zu einer Madame, die sich doch bitte nicht so zerstreut über seine Zeilen beugen sollte oder zu einem Herren, der hoffentlich geruht, die Tiefe seiner Schrift zu schätzen. Gleichzeitig ist das Buch Geschenk und Verpflichtung, dem Leser wie auch dem Autor gegenüber, denn dieser muss hier in seinen eigenen Zeilen ebenso schwelgen können, wie ein möglicher Leser, der es „versteht“, aus diesem Buch den wahren Genuss zu ziehen.
… dieses kann und will der Erzähler nicht zulassen. Der Aufbau dieses Buches ist ausgefallen, ein Fest für jeden Leser, der mehr von einem Buch erwartet, als eine Geschichte. Der Stil war ein Wegbereiter der modernen Literatur, ein Spiel mit den Möglichkeiten und den Grenzen des Erzählens. Hier wird nicht nur ein Buch geschrieben, sondern jede Szene darin entworfen, gemalt, beleuchtet, durchdacht, umkreist.
Durch die Abschweifungen, die Shandy hier ganz selbstverständlich einfügt (siehe Onkel, der seine Pfeife abklopft und bevor er spricht, erst einmal in sein Profil gefasst werden muss, was heißt, er klopft so lange weiter, bis sein Charakter erklärt wurde), entsteht aus dem Buch ein ganzes Theaterstück, es erwacht also zum Leben. Nicht nur, dass der Leser hier selbst um Seiten zurückgejagt oder auf seine eigene Art zu lesen aufmerksam gemacht wird, nein, hier gefriert ein Zustand ein, an den der Leser auch immer wieder erinnert wird, so dass das Bild als Stück auf einer Bühne, diese Bühne zum Film gerät, der im Moment der weiteren Betrachtung eingefroren ist. Dadurch verschachtelt sich das Werk, wird größer, weiter, zum Labyrinth und gleichzeitig kann es dabei alle Ecken und neu geschaffen Ecken ausleuchten und auf andere wieder zurückgreifen, ohne, dass der Leser sie vergisst.
Oder, wie Shandy es später selbst formuliert:
… mein Werk schweift ab und kommt doch vorwärts – und zwar zur gleichen Zeit.
An anderer Stelle wird nicht die Szene selbst beschrieben, sondern durch eine vorherige kurze Anekdote vom Leser verlangt, sich hier die Reaktion darauf vorzustellen, mit den jeweiligen Gesten und Übertriebenheiten der handelnden und beschriebenen Personen (siehe Vorfall Dr. Slop!).
Dazwischen sind auch wirkliche Feinheiten gestreut, dass z. B. ein prekäres Wort nicht gesagt wird, weil – und das räumt der Erzähler selbst ein – entweder hier die Pfeife des Gegenübers zerbricht oder der Autor eine beabsichtigte Aposiopesis verwendet, er dagegen natürlich auch (erneut eine Abschweifung von der Abschweifung) das banale Wort hätte setzen oder eine Verkleidung hätte nutzen können, was dann zur Metapher geriete, diese Hinterfragung und Mutmaßung sei dabei aber dem Leser überlassen oder es wäre, wie es ein typischer Satz des Autors ist, zu gegebener Zeit darauf zurückzukommen.
Diese Gier nach Wissen befriedigt der Autor voll und ganz, nicht nur durch die Extravaganz seiner (zu seiner Zeit) völlig neuen Form des Erzählens, dass er z. B. das Vorwort zum Buch erst zweihundert Seiten später einfließen lässt, sondern auch durch viele philosophische Betrachtungen, Hinterfragungen, feinen Winke und Rätsel, Vergleiche, Zwischenspiele, Ablenkungen, den gelungenen (Ent)Wurf seiner Charaktere und die stete Aufforderung an den Leser, sich hier nicht auszuruhen, sondern ordentlich die Phantasie und den Geist wachzuhalten und mitzuarbeiten, dass eine entworfene Szene auch den vollen Glanz erhält, der ihr zugedacht wurde, und damit ganz klar seine eigene These beweist, dass Verstand und Witz in einem Menschen sehrwohl in Gleichklang nebeneinander existieren können.
Zudem lernt man ganz nebenbei das Steckenpferd ganz neu zu reiten und zu schätzen.
Hier treffen wir auf ein Werk, das gleichzeitig erzählt und immer wieder abschweift. Die Figur, die dort erzählt, will den Leser belehren, will ihm zeigen, wie er richtig zu lesen hat, ihn vielmehr zum richtigen Lesen erziehen.
In Antwort auf:
Der Geist sollte sich daran gewöhnen, beim Vorwärtsschreiten in einem Buche, weise Betrachtungen anzustellen, und merkwürdige Schlüsse zu ziehen; Plinius der Jüngere hatte diese Gewohnheit und konnte deshalb sagen, er habe nie ein Buch gelesen, so schlecht dasselbe auch gewesen, ohne dass er etwas daraus gelernt hätte…
Er spricht dabei, während er erzählt, nicht nur von sich und seiner Geschichte, sondern auch den Leser selbst an, den er in den männlichen, den weiblichen und den kritischen Part teilt, was heißt, er redet mitten in der Erzählung auf einmal zu einer Madame, die sich doch bitte nicht so zerstreut über seine Zeilen beugen sollte oder zu einem Herren, der hoffentlich geruht, die Tiefe seiner Schrift zu schätzen. Gleichzeitig ist das Buch Geschenk und Verpflichtung, dem Leser wie auch dem Autor gegenüber, denn dieser muss hier in seinen eigenen Zeilen ebenso schwelgen können, wie ein möglicher Leser, der es „versteht“, aus diesem Buch den wahren Genuss zu ziehen.
In Antwort auf:
… und, dass wir so darauf aus sind, unsere ungeduldige Neugierde zu befriedigen, - dass nur die gröberen und mehr fleischlichen Teile einer Dichtung hinuntergehen – die feineren Winke und scharfsinnigen Mitteilungen der Wissenschaft aber wie Geister aufwärts fliegen und die schwere Moral nach abwärts versinkt, so dass beide der Welt so vollständig verloren gehen, als ob sie noch am Boden des Tintenfasses säßen.
… dieses kann und will der Erzähler nicht zulassen. Der Aufbau dieses Buches ist ausgefallen, ein Fest für jeden Leser, der mehr von einem Buch erwartet, als eine Geschichte. Der Stil war ein Wegbereiter der modernen Literatur, ein Spiel mit den Möglichkeiten und den Grenzen des Erzählens. Hier wird nicht nur ein Buch geschrieben, sondern jede Szene darin entworfen, gemalt, beleuchtet, durchdacht, umkreist.
Durch die Abschweifungen, die Shandy hier ganz selbstverständlich einfügt (siehe Onkel, der seine Pfeife abklopft und bevor er spricht, erst einmal in sein Profil gefasst werden muss, was heißt, er klopft so lange weiter, bis sein Charakter erklärt wurde), entsteht aus dem Buch ein ganzes Theaterstück, es erwacht also zum Leben. Nicht nur, dass der Leser hier selbst um Seiten zurückgejagt oder auf seine eigene Art zu lesen aufmerksam gemacht wird, nein, hier gefriert ein Zustand ein, an den der Leser auch immer wieder erinnert wird, so dass das Bild als Stück auf einer Bühne, diese Bühne zum Film gerät, der im Moment der weiteren Betrachtung eingefroren ist. Dadurch verschachtelt sich das Werk, wird größer, weiter, zum Labyrinth und gleichzeitig kann es dabei alle Ecken und neu geschaffen Ecken ausleuchten und auf andere wieder zurückgreifen, ohne, dass der Leser sie vergisst.
Oder, wie Shandy es später selbst formuliert:
… mein Werk schweift ab und kommt doch vorwärts – und zwar zur gleichen Zeit.
An anderer Stelle wird nicht die Szene selbst beschrieben, sondern durch eine vorherige kurze Anekdote vom Leser verlangt, sich hier die Reaktion darauf vorzustellen, mit den jeweiligen Gesten und Übertriebenheiten der handelnden und beschriebenen Personen (siehe Vorfall Dr. Slop!).
Dazwischen sind auch wirkliche Feinheiten gestreut, dass z. B. ein prekäres Wort nicht gesagt wird, weil – und das räumt der Erzähler selbst ein – entweder hier die Pfeife des Gegenübers zerbricht oder der Autor eine beabsichtigte Aposiopesis verwendet, er dagegen natürlich auch (erneut eine Abschweifung von der Abschweifung) das banale Wort hätte setzen oder eine Verkleidung hätte nutzen können, was dann zur Metapher geriete, diese Hinterfragung und Mutmaßung sei dabei aber dem Leser überlassen oder es wäre, wie es ein typischer Satz des Autors ist, zu gegebener Zeit darauf zurückzukommen.
In Antwort auf:
Mein Weg ist immer der, dass ich dem Wissbegierigen verschiedene Spuren der Nachforschung andeute, auf denen er bis zu der Quelle der Ereignisse gelangen kann, die ich erzähle; - nicht mit dem Griffel des Pedanten – oder in der entschiedene Wiese des Tacitus, der klüger ist als er selbst und seine Leser, sondern mit der dienstfertigen Demut eines Herzens, das nur die Wissbegierigen unterstützen will: - für diese schreibe ich – und von ihnen werde ich auch bis ans Ende der Welt gelesen werden – wenn eine solche Lektüre sich so lange halten kann.
Diese Gier nach Wissen befriedigt der Autor voll und ganz, nicht nur durch die Extravaganz seiner (zu seiner Zeit) völlig neuen Form des Erzählens, dass er z. B. das Vorwort zum Buch erst zweihundert Seiten später einfließen lässt, sondern auch durch viele philosophische Betrachtungen, Hinterfragungen, feinen Winke und Rätsel, Vergleiche, Zwischenspiele, Ablenkungen, den gelungenen (Ent)Wurf seiner Charaktere und die stete Aufforderung an den Leser, sich hier nicht auszuruhen, sondern ordentlich die Phantasie und den Geist wachzuhalten und mitzuarbeiten, dass eine entworfene Szene auch den vollen Glanz erhält, der ihr zugedacht wurde, und damit ganz klar seine eigene These beweist, dass Verstand und Witz in einem Menschen sehrwohl in Gleichklang nebeneinander existieren können.
Zudem lernt man ganz nebenbei das Steckenpferd ganz neu zu reiten und zu schätzen.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 11.01.2008 03:50 |
nach oben springen
#2
von headprint • 135 Beiträge
RE: Laurence Sterne "Tristram Shandy"
in Die schöne Welt der Bücher 10.01.2008 23:06von headprint • 135 Beiträge
Muß ich mir auch mal wieder holen, ich hatte schon-
mal das Vergnügen und nahm es als Buch zum drin rum-
lesen. Ich hatte keine Lust es am Stück zu lesen, es
war auch so sehr interessant. Das nächste Mal aber
von vorne nach hinten.
Kam, das glaube ich wenigstens, ursprünglich als Werk
in etlichen Bänden heraus und - hier schweife ich ab -
war Doctor Johnson nicht gut genug, oder was auch immer,
der jedenfalls, will auch gelesen werden, oder über ihn,
wenngleich die Reise in Schottland nicht schlecht ist,
glaube ich ein Werk gelesen zu haben, das nicht von, aber
über ihn war und ich erinnere mich mit Amusement daran.
(Was mir nicht hilft, da Titel und Autor mit entglitten
sind.) Jetzt könnte ich zum eigentlichen Thema zurück kehren,
aber das lasse ich mal.
mal das Vergnügen und nahm es als Buch zum drin rum-
lesen. Ich hatte keine Lust es am Stück zu lesen, es
war auch so sehr interessant. Das nächste Mal aber
von vorne nach hinten.
Kam, das glaube ich wenigstens, ursprünglich als Werk
in etlichen Bänden heraus und - hier schweife ich ab -
war Doctor Johnson nicht gut genug, oder was auch immer,
der jedenfalls, will auch gelesen werden, oder über ihn,
wenngleich die Reise in Schottland nicht schlecht ist,
glaube ich ein Werk gelesen zu haben, das nicht von, aber
über ihn war und ich erinnere mich mit Amusement daran.
(Was mir nicht hilft, da Titel und Autor mit entglitten
sind.) Jetzt könnte ich zum eigentlichen Thema zurück kehren,
aber das lasse ich mal.
*sssscrrreeeeaaaaach!!!*
zuletzt bearbeitet 10.01.2008 23:07 |
nach oben springen
#3
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Laurence Sterne "Tristram Shandy"
in Die schöne Welt der Bücher 10.01.2008 23:44von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Und, was für Zitate aus dessen Munde:
Der, so sich zum Tier macht, befreit sich von dem Leid, ein Mensch zu sein.
(Samuel Johnson)
Wenn ich mir vorstelle, dass Sterne über fast acht Jahre hinweg immer neue Bände (insgesamt waren es damals neun) herausbrachte, dann wirkt das Werk in seinem Gesamtbild doch erstaunlich zusammenhängend, wohl auch, weil es sowieso in sich verschachtelt ist. Trotzdem muss der Mann ein unwahrscheinlich gutes Gedächtnis gehabt haben. Das ist schon beeindruckend.
(Oder, es ist, wie es ist, wenn er im achten Buch verkündet:
Was mich betrifft, so bin ich entschlossen mein lebenlang kein anderes Buch zu lesen als mein eigenes.)
"Eine empfindsame Reise" würde mich auch interessieren, auch wenn er hier nur noch zwei Bände geschafft hat, bevor er dann starb.
Wenn man dann liest, dass Grabräuber seinen Leichnam verkauft haben...
Jede Zeit hat ihre Tücken. Damals Grabräuber, heutzutage ein Gunther von Hagens.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 17.01.2008 00:41 |
nach oben springen
#4
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Laurence Sterne "Tristram Shandy"
in Die schöne Welt der Bücher 13.01.2008 20:17von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Nun noch einmal kurz zur Geschichte selbst.
Tristram Shandy erzählt hier sein Leben, wobei er erst Ende des dritten Buches tatsächlich auf die Welt kommt. Durch die Abschweifungen begegnen wir zum Beispiel Pater Yorick
(In der offenen Laune eines heiteren Gemüts, pflegte er zu sagen, liege nichts Gefährliches, höchstens für diesen selbst; dagegen sei das eigentliche Wesen der Gravität Absichtlichkeit, und somit Betrug; es sei ein wohl überlegter Kunstgriff, um von der Welt für klüger und gebildeter angesehen zu werden, als man eigentlich sei.),
...der aufgrund seiner ungewollt aber den humorlosen Menschen oft beleidigenden Offenheit eine Intrige gegen sich auslöst und schließlich an gebrochenem Herzen stirbt. Natürlich erwacht dieser durch die Vor- und Rückblicke immer wieder zum Leben. Dann auf Tristrams Onkel Toby und dessen Diener Trim, die zusammen das Steckenpferd der Feldzugplanung und Kriegsführung pflegen. Onkel Toby steht für den einfachen, gutherzigen, oftmals durch eine simple Frage klüger erscheinenden Mann, während Tristrams Vater den Intellektuellen darstellt, der durch das häufige Verirren in seinem enormen Denkapparat schnell die Selbstkontrolle verliert, leicht wütend wird und genauso schnell wieder besänftigt ist. Die Mutter Tristrams wird wenig erwähnt, sie tritt als sich durchsetzendes Weib auf. Neben den Bediensteten steht noch Doktor Slop als eine der Hauptfiguren ins Bild gefasst, der dafür verantwortlich ist, dass die Nase Tristrams durch die Geburtszange zerquetscht und verstümmelt wird.
Die Kapitel ergehen sich auch schon einmal in Themen wie "Die Nase", "Der Backenbart", "Knopflöcher" und ähnliche, die als Erklärung für bestimmte Momente der Verzweiflung dienen.
Um den Vater in seinem Wesen deutlicher zu beschreiben, denn dieser nimmt doch die Hauptbeschreibung ein, dienen folgende Auszüge:
Zum Beispiel schreibt er für Tristram ein Erziehungsbuch, um darin genau festzulegen, wie er nach allen vorherigen Katastrophen, die die Geburt mit sich gebracht hat, das Kind richtig und sinnvoll erziehen wird, und verpasst darüber hinaus die ersten Jahre seines Sohnes.
Der Erzähler dazu:
Und noch ein paar Weisheiten zum Schluss:
Und heute bereits verallgemeinert findet man hier auch dieses Zitat:
Je weniger wirkliches Wissen, desto mehr Hitze und Aufregung.
Tristram Shandy erzählt hier sein Leben, wobei er erst Ende des dritten Buches tatsächlich auf die Welt kommt. Durch die Abschweifungen begegnen wir zum Beispiel Pater Yorick
(In der offenen Laune eines heiteren Gemüts, pflegte er zu sagen, liege nichts Gefährliches, höchstens für diesen selbst; dagegen sei das eigentliche Wesen der Gravität Absichtlichkeit, und somit Betrug; es sei ein wohl überlegter Kunstgriff, um von der Welt für klüger und gebildeter angesehen zu werden, als man eigentlich sei.),
...der aufgrund seiner ungewollt aber den humorlosen Menschen oft beleidigenden Offenheit eine Intrige gegen sich auslöst und schließlich an gebrochenem Herzen stirbt. Natürlich erwacht dieser durch die Vor- und Rückblicke immer wieder zum Leben. Dann auf Tristrams Onkel Toby und dessen Diener Trim, die zusammen das Steckenpferd der Feldzugplanung und Kriegsführung pflegen. Onkel Toby steht für den einfachen, gutherzigen, oftmals durch eine simple Frage klüger erscheinenden Mann, während Tristrams Vater den Intellektuellen darstellt, der durch das häufige Verirren in seinem enormen Denkapparat schnell die Selbstkontrolle verliert, leicht wütend wird und genauso schnell wieder besänftigt ist. Die Mutter Tristrams wird wenig erwähnt, sie tritt als sich durchsetzendes Weib auf. Neben den Bediensteten steht noch Doktor Slop als eine der Hauptfiguren ins Bild gefasst, der dafür verantwortlich ist, dass die Nase Tristrams durch die Geburtszange zerquetscht und verstümmelt wird.
Die Kapitel ergehen sich auch schon einmal in Themen wie "Die Nase", "Der Backenbart", "Knopflöcher" und ähnliche, die als Erklärung für bestimmte Momente der Verzweiflung dienen.
Um den Vater in seinem Wesen deutlicher zu beschreiben, denn dieser nimmt doch die Hauptbeschreibung ein, dienen folgende Auszüge:
In Antwort auf:
… und (er) war so eifrig mit dieser Sache beschäftigt, dass er nichts anderes denken konnte – die gewöhnliche Schwachheit der größten Mathematiker! die mit aller Macht nur am Beweise arbeiten und ihre ganze Kraft daran setzen, so dass ihnen keine mehr bleibt, um einen nützlichen Schluss daraus zu ziehen.
Zum Beispiel schreibt er für Tristram ein Erziehungsbuch, um darin genau festzulegen, wie er nach allen vorherigen Katastrophen, die die Geburt mit sich gebracht hat, das Kind richtig und sinnvoll erziehen wird, und verpasst darüber hinaus die ersten Jahre seines Sohnes.
Der Erzähler dazu:
In Antwort auf:
Gewiss ist es als Strafe für den Stolz menschlicher Weisheit so bestimmt, dass die Weisesten von uns sich so selbst übertölpeln und beständig über ihr Ziel hinausschießen, während sie heftigst bemüht sind, es zu verfolgen.
Und noch ein paar Weisheiten zum Schluss:
Zitat von Tristram im Rückblick auf sein Leben
Was für ein sich selbst widersprechendes Ding ist es doch um einen Menschen! – er stöhnt unter den Wunden, die er doch die Kraft hat zu heilen! – sein ganzes Leben steht in Widerspruch zu seinem Wissen! – seine Vernunft (…) dient nur dazu, seine Erregbarkeit noch zu schärfen (…) – seine Leiden zu vermehren und ihn dadurch noch melancholischer und schwerfälliger zu machen…
Zitat von Tristrams Vater
Obschon der Mensch das merkwürdigste aller Fuhrwerke ist, (…) so ist er doch zugleich von einem so schwachen Gestell und so lotterig zusammengesetzt, dass die jähen Stöße und schweren Puffe, die er auf seinem holprigen Gange unvermeidlich durchmachen muss, ihn alle Tage ein Dutzend Mal umwerfen und in Stücke brechen würden, - wenn es nicht eine geheime Federkraft in uns gäbe…
(…)
… die Feder aber, von der ich spreche, ist die große und elastische Kraft in uns, welche den Unheil die Waage hält; die wie die geheime Feder in einem gutgemachten Wagen den Stoß zwar nicht abwenden – aber wenigstens unser Gefühl darüber täuschen kann.
Und heute bereits verallgemeinert findet man hier auch dieses Zitat:
Je weniger wirkliches Wissen, desto mehr Hitze und Aufregung.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 13.01.2008 23:45 |
nach oben springen
#5
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Laurence Sterne "Tristram Shandy"
in Die schöne Welt der Bücher 15.01.2008 19:19von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Herr Sterne hat es aber auch herausgefordert. Das Buch "Tristram Shandy" bleibt nun unverkäuflich (bliebe es sowieso!). Da kommt er nach 500 Seiten auf die Idee, ein weißes Kästchen zu hinterlassen und den Leser aufzufordern, sich Feder und Idee zu greifen und seine Vorstellung einer schönen Frau zu zeichnen. Wer, als Leser, könnte da wohl einfach weiterblättern? Gerade, wenn Tristram Shandy fast alle paar Seiten auf das "Mitmachen" besteht?
Nun haben wir den Salat!
P.S. Es ist natürlich schade für den Menschen, der (nach meinem Tod) auf dieses Buch trifft und nicht mehr die Möglichkeit hat, seine eigene Vorstellung zu verwirklichen. Ich hoffe, er wird es mir verzeihen.
Nun haben wir den Salat!
P.S. Es ist natürlich schade für den Menschen, der (nach meinem Tod) auf dieses Buch trifft und nicht mehr die Möglichkeit hat, seine eigene Vorstellung zu verwirklichen. Ich hoffe, er wird es mir verzeihen.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 15.01.2008 19:19 |
nach oben springen
#7
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Laurence Sterne "Tristram Shandy"
in Die schöne Welt der Bücher 15.01.2008 22:59von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Möglich, dass hier der humorige Aspekt meiner Aussage umgangen wurde.
Dazu:
Als ob mich ein "Herr" abhalten könnte... Nein, nein. Ich wandle (wie bei Montherlant) das, was mir passt, sowieso ins Geschlechtlose...
Zusatz: Der Gedanke /die Idee des Schriftstellers zählt!
Und das, was Sterne mit "Madame" anspricht, trifft ja nun auch nicht immer notgedrungen auf mich zu!
Dazu:
Als ob mich ein "Herr" abhalten könnte... Nein, nein. Ich wandle (wie bei Montherlant) das, was mir passt, sowieso ins Geschlechtlose...
Zusatz: Der Gedanke /die Idee des Schriftstellers zählt!
Und das, was Sterne mit "Madame" anspricht, trifft ja nun auch nicht immer notgedrungen auf mich zu!
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 16.01.2008 01:22 |
nach oben springen