HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Einen bekannten Gedanken einfach anders auszusprechen, ihn aber im Sinn ganz zu übernehmen, ist keine Kunst.
Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" ist ein schönes Schriftstück. Besonders gut für die Nachtlektüre geeignet.
Schön auch sein Ausspruch:
(80)
Zitat von Nietzsche
Die Folgen unsrer Handlungen fassen uns am Schopfe, sehr gleichgültig dagegen, dass wir uns inzwischen "gebessert" haben.
Alles kommt auf uns zurück. Völlig egal, ob wir daran glauben. Ursache und Wirkung.
Darum schon von vorneherein immer bewusst handeln!
Das alles ist erlernbar!

Art & Vibration

Hesse und vermutlich auch Pessoa waren eifrige Nietzsche-Leser.
Grundsätzlich sollte man aber nicht davon ausgehen, dass jeder "Klassiker" alle "Klassiker" vor und neben sich lückenlos studiert hatte.
Würdest du auch von Diebstahl sprechen, wenn der Dieb den Ursprung des gestohlenen Gedankens vergessen hat und ihn ehrlich für seinen eigenen hält?
Gruß,
L.

RE: Diebstahl und Nietzsche
in Gedanken vom Tag 19.12.2007 23:45von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Es handelt sich nur dann nicht um Diebstahl, wenn der Schriftsteller den Gedanken nicht übernimmt, sondern in eigener Überlegung auf das gleiche Ergebnis kommt. Bei dieser Art der Aussage, wie ich sie z. B. bei Nietzsche vorgefunden habe, die in ihren Tiefen doch als einzigartig und radikal zu betrachten ist, bleibt das allerdings schwierig, wenn auch nicht unmöglich.
Ein Gedanke, der gestohlen wurde, weil vergessen wurde, dass er bei einem anderen schon mal gelesen wurde, ist trotzdem gestohlen, auch wenn der Schriftsteller ihn für seinen eigenen hält. Es ist dann nur nicht absichtlich übernommen.
Ich finde das besonders schade, wenn es sich um "kompakte" Zitate handelt, die einen in schöne Überlegungen treiben. Ein Mensch, der einen Satz ausspuckt, der dem Leser das ganze Denken umkrempelt, ist selten genug, wenn hier aber auf andere Schriften zurückgegriffen wurde, bleibt der Gedanke immernoch gut, der Schriftsteller ist dann aber in meinen Augen schon etwas weniger geistreich.

Art & Vibration


Thomas Mann war der größte und beste Dieb aller Zeiten. Er liebte den Merkur sehr, der bekanntlich nicht nur der SCHUTZgott der Merkantilisten und DICHTER, sondern auch DER Gott der DIEBE ist (*hüstl*, Näheres erläutere ich ein anderes Mal vielleicht). Merkur hat, als er klein und in der Wiege war, unter anderem die Leier des Apollo (Gott der Dichtung) geklaut. Feine Leistung!
Gruß,
auch ein Hermesfanatiker

RE: Diebstahl und Nietzsche
in Gedanken vom Tag 28.01.2008 19:10von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Seit einigen Jahrtausenden ist das wirklich Neue eigentlich nur Renaissance.
Anders gesehen, wird dadurch ein bereits gedachter Gedanke immer wieder "erneuert" durch eine neue (und damit nächste) Generation getragen, was zwar den Urheber seiner Rechte enthebt, jedoch den Gedanken durch die Welt weitergleiten lässt und bewirkt, dass er nicht (wenn er schon so ... verdammt gut... ist) verloren geht.
Es bleibt ja auch immer ein Teil Eitelkeit, wenn der Gedanke übernommen ist und nicht der Richtige gewürdigt wird. Trotzdem ließe sich der Gedanke auch zitiert gut in das eigene Konzept übernehmen.
Herr Philosoph, Ihr dürft aber auch gerne vertiefen...


Art & Vibration

Werte Belegschaft,
suchet den Niemand grollte muir schmerzlich ein Zyklop...... Verloren war dadd Einzig, der listige Augapfel, dadd Uihm dem Gottkindl dadd Licht???
Gedankchen sind seit anfangsloser Zeit ein Flüßchen an dem wir teilhaben können wenn wir sie uns (machen) bewegen, Sui weiter verdichten um zu klaren...... Demnach gübsch nur den Narziß der faktorieret: Ich habe es zuerst Ge-dacht/Macht?!
Ergo; Diebstahl gübsch in der Geysteswelt nichtens.....
Kleenet uin Scerzo
dadd A

Hallo Hyperion,
was Thomas Mann machte, war Collage. Abgeschrieben hat er massenweise (aber alles wieder neu zusammengefügt). Trotzdem ist er doch angenehm zu lesen, nicht wahr?
Die Grundthemen des Menschen werden in der Literatur immer wieder beleuchtet. Das besondere ist eben, dass der Leser trotzdem heute noch überrascht werden kann, weil Variationen von nur einem Thema schon unbegrenzte Möglichkeiten bieten. Die Schwierigkeit des Schreibens besteht aber darin, dass ein Autor eben einen neuen Ton finden muss, damit es was besonderes wird.
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)


Hermes psychopompos oder psychagogos (= Seelenführer und Geleiter in der Unterwelt) taucht in der Novelle „Tod in Venedig“ mehrfach auf. Der Name Aschen-bach hat die Bedeutung von Asche (Tod) und Bach (Fluss) sinnbildlich für Styx. Der Hermes begegnet ihm, der mit „übereinander gekreuzten Beinen“ oder krummen Beinen da steht (auf vielen Bildern oder Statuen wird Hermes genau in dieser Stellung gemalt und dargestellt), dann als einer mit schlechten Zähnen (Symbolik für Verwesung und nahenden Tod) oder als Gondolier (s.o. psychagogos, bzw. als Fährmann in der Unterwelt). Im „Zauberberg“ hat Hermes eine vielschichtigere, komplexere und hermaphroditische Thematik. Ihm wird dort sogar ein ganzes Kapitel mit der Überschrift „Die Launen des Merkur“ geschenkt.
Thomas Mann war, als er noch ein Dreikäsehoch gewesen war, täglich in Lübeck auf der Brücke der Hermesstatue begegnet und hatte sie stets bewundert bis zu seinem Umzug nach München, wo der „Merkur“ (Zeitschrift) seinen Sitz hat. Merkur ist der herrschende Planet in den Sternzeichen Gemini und Virgo. Die Vertreter dieser beiden Sternzeichen waren stets rhetorisch (über-)begabte Menschen, denn ihre Gottheit ist eine der geflügelten Worte und der schmückenden Rede, die der bildhaften Sprache der Dichter und Philosophen ( u. a. von Goethe, Hegel und Puschkin).
Eine Schwester des geistigen Diebstahls ist in der Germanistik verbreitete Lehre der „Intertextualität“. Klingt niedlich, ist aber eine hoch-metaphysische Wissenschaftstheorie und abgemilderte Bezeichnung für den "Diebstahl", sie ist sogar erlaubt und poetisch geboten, also durchaus positiv konnotiert. Aber dazu vielleicht ein anderes Mal mehr.
Es grüßt,
Hyperion
