HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Jean-Paul Sartre
in Die schöne Welt der Bücher 27.05.2008 20:51von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zunächst möchte ich in diesem Ordner über Sartre seine "Schriften zur Literatur" vorstellen. Genauer sein Eindruck über Jean Genet in:
Saint Genet.
(Dann, ... nach und nach, wird sich der gute Sartre hier schon ganz gemächlich zusammenbauen.)
Natürlich muss man bei Sartre voraussetzen, dass er sämtliche Betrachtungen über einen anderen Schriftsteller an seinem eigenen philosophischen Werk festmacht, womit es in dieser Schrift (knapp 1000 Seiten) nicht alleine um Genet - den Schriftsteller - geht, sondern es vielmehr eine philosophisch, psychologisch durchdeutete Möglichkeit darstellt, um zu zeigen, wer Genet war. Genet selbst sagte, dass er, nachdem er Sartres Brachialwerk über sich selbst gelesen hat, nichts mehr zu sagen hatte (was natürlich so nicht ganz stimmt), aber ich kann mir gut vorstellen, dass man es schwer hat, seinen Erzählstil beizubehalten, wenn man weiß, dass ein anderer einen bis in die tiefsten Winkel des Inneren zu durchleuchten versucht und dabei oftmals gar nicht einmal so verkehrt liegt. Genet erklärte sich schließlich damit einverstanden, dass Sartre sich so intensiv über ihn beugt, und ich selbst bin sehr erstaunt, wie tief er das tut. Dabei wird das Böse unter die Lupe genommen, das "Schicksal Dieb", der kleine Junge, der durch die Umstände zu dem geworden ist, was er war, womit die ersten hundert Seiten sich bereits ausführlich auseinandersetzen, um Genet in dieser Art eigentlich noch kaum betrachtet zu haben, und mit dieser langwierigen Einführung verfasst Sartre dann ein ganzes Drum-herum-Kreisen, welche Einflüsse, Begebenheiten zu der und der Reaktion geführt haben.
Aber zunächst von vorne:
Alles geschieht uns durch andere, selbst die Unschuld.
Das wird deutlich, wenn man sich ganz weit zurück wagt, in Genets Kindheit, in die Seele des kleinen Jungen, der von seiner Mutter in die Fürsorge gegeben wird. Er trägt im Heranwachen die Auffassung vom Guten in sich, sie ist in sein Herz eingeprägt, wodurch sein Handeln in jeder Konsequenz immer dazu führt, dass er selbst sein größter Richter ist, dass er jede Tat, jede Handlung am schärfsten durch sich selbst kritisieren wird.
Grundsätzlich muss man der Unschuld voranstellen, dass sie immer eine Form der Zuweisung durch andere ist (ähnlich, wie man von sich selbst nicht sagen kann, man wäre intelligent. Es ist eine Zuweisung durch andere. Man kann höchstens sagen, man denke viel.) und ebenso der Rechenschaft ist:
Das Kind selbst weiß nichts von Unschuld. Es blickt in die Welt und fasst auf. Nun stellt man sich den kleinen Genet vor, der nichts wirklich besitzt, der weiß, dass alles nur geliehen ist, dass sogar er selbst
Sartre zeigt auf, warum Genet niemals verstanden hat, sein zu können, in dem er etwas macht, sondern dadurch, dass er vermittelt bekommt, dass man Besitz hat oder nicht. All das liegt darin begründet, weil er nicht bei einem Arbeiter, sondern einem Bauer aufgewachsen ist, der ihm sichtbar macht, dass das Gut geerbt ist, nicht erworben werden kann, sondern: man hat, weil man Bauer ist! So konnte Genet auch nicht begreifen, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, einfach für sein Leben zu arbeiten. Darum bedient er sich an all dem, was ihm sowieso nie gehören kann, (um sich das Gefühl zu beschaffen, wie es ist zu besitzen, ein imaginäres Empfinden zu erzeugen), da er als Kind schon lernt, nicht Teil einer Familie zu sein, sondern nur geduldet, in einem Haus zu leben, in dem ihm nichts gehört.
Das Kind, das für alles danken MUSS, selbst den Adoptiveltern, bei denen er erkennt, dass sie ihn nicht hätten nehmen müssen, dass er ihnen tiefe Dankbarkeit SCHULDET, während echte Eltern ihre Pflicht hätten, das Kind großzuziehen, stiehlt, bedient sich heimlich, um nicht mehr danken zu müssen.
Dann wirft Sartre einen interessanten Vergleich auf, dass ein Kind immer denkt, die Erwachsenen würden seine Gedanken lesen können. Jedes Kind denkt, dass alles herauskommen wird, weil die Eltern dieses Machtmittel fast in jeder Familie ungeniert anwenden. Im Sinne von: Wir sehen alles, darum sei brav. Das Kind kämpft aufgrund dieser Erziehung mit seinem immer auftretenden, schlechten Gewissen, und weil es dieses in sich trägt, wird es natürlich auch ertappt, weil es nicht versteht zu lügen.
Genet stiehlt nicht, weil er hungert, weil der Hunger dem Menschen eine Form des Rechtes verleiht, sich bedienen zu dürfen (aus Menschlichkeit oder anderen Gründen), während Genet mit dem Diebstahl danach trachtet, seine Trennung von der Welt durch den Diebstahl zu bejahen, sich durch den erworbenen Besitz den Besitzenden zu nähern. Er strebt danach, in einer realen Operation eine irreale Befriedigung zu erlangen, deren Ziel nur in der Irrealität bleibt.
Genet stellt sich also vor, dass er, weil er sich dafür entscheidet, zu nehmen, das Gestohlene als seinen Besitz betrachten kann. Er bedient sich, weil er nichts hat und darum eine eigene Welt erschafft, in dem ihm alles gehört.
Genet will nicht aus der Welt flüchten, sondern in ihr, im Realen seine Imaginationen leben. Er will mit einer realen Handlung seine imaginäre Vorstellung von Besitz befriedigen.
Als Genet dann zum ersten Mal als Dieb entlarvt wird, wird ihm erst bewusst, dass er ein Dieb ist. Somit wird alles, was er tut, von einem Dieb getan, und für das diebische Kind will keiner mehr die Verantwortung übernehmen. Darum fragt sich Genet: Dieser kleine Dieb? Woher kommt er? ... was ihn natürlich auf seine Mutter zurückführt, die ihn einfach weggegeben hat. Somit schließt der kleine Genet daraus, dass sie ein schlechter Mensch sein muss, und weil sie nun einmal seine Mutter ist, damit seine Familie darstellt, muss er selbst die „Gebärden“ seiner Mutter übernehmen, auch schlecht werden, weil es das Einzige ist, was ihn mit ihr verbindet. Irgendwie ist das gut nachzuempfinden.
Soweit die ersten konkreten Betrachtungen Sartres. Von dem kleinen Genet verlagert er seine Überlegung nun auf das Böse. Im Grunde, so stellt Sartre fest, setzt ein Mensch, egal welchen Charakter er in sich trägt, Grenzen fest, um sie zu überschreiten.
Das Böse-Handeln, so Sartre, ist schwerer, als gut zu sein, weil es in allem gegen … etwas ist. Man entscheidet sich bewusst, böse zu sein, im Wissen um die Konsequenzen. Gut zu sein ist in seinen Augen einfacher, weil man in einer bestimmten Form der menschlichen Moral entspricht und damit mit dem Strom schwimmt.
Oha... Das Böse ist also nur die Verdrängung des guten Menschen. Sartre dazu etwas genauer:
Das Böse ist also eine Projektion…
Sartre schlägt natürlich aus der Erfahrung direkt die Verbindung zum Krieg. In seinen Tagebüchern hat er sich mit diesem Thema schon ausführlich auseinander gesetzt, aber auch hier heißt es über das Böse noch einmal:
Und weiter:
Zurück auf Genet angewandt bedeutet das, dass die Erwachsenen (die Gesellschaft) ihn zu dem gemacht haben, was er geworden ist. Ein Dieb. Denn, weil er einmal geklaut hat, wird er in ihren Augen immer der sein, der klaut, jeder Blick auf ihn ist mit Skepsis und Mißtrauen gefüllt, und der kleine Genet kann noch so oft fragen:
"Was kann ich tun, um wiedergutzumachen?"
In ihren Augen ist er nun gezeichnet.
Im Sinne des esse est percipi, oder noch einfacher:
Wir sind das, was andere in uns sehen. Genet ist damit nicht mehr nur ein blonder Junge, sondern er ist als Dieb blond.
Sartre baut ja seine ganze Philosophie darauf auf. Wir sind nicht, wir versuchen nur zu sein, und wir schaffen es nie. Das, was andere in uns erkennen, versuchen wir an dieses Erkennen anzupassen. Das ist das, was von uns übrig bleibt.
Das führt notwendig darauf hinaus:
Aber, das ist bereits das zweite Buch, und dazu ein anderes Mal!
Saint Genet.
(Dann, ... nach und nach, wird sich der gute Sartre hier schon ganz gemächlich zusammenbauen.)
Natürlich muss man bei Sartre voraussetzen, dass er sämtliche Betrachtungen über einen anderen Schriftsteller an seinem eigenen philosophischen Werk festmacht, womit es in dieser Schrift (knapp 1000 Seiten) nicht alleine um Genet - den Schriftsteller - geht, sondern es vielmehr eine philosophisch, psychologisch durchdeutete Möglichkeit darstellt, um zu zeigen, wer Genet war. Genet selbst sagte, dass er, nachdem er Sartres Brachialwerk über sich selbst gelesen hat, nichts mehr zu sagen hatte (was natürlich so nicht ganz stimmt), aber ich kann mir gut vorstellen, dass man es schwer hat, seinen Erzählstil beizubehalten, wenn man weiß, dass ein anderer einen bis in die tiefsten Winkel des Inneren zu durchleuchten versucht und dabei oftmals gar nicht einmal so verkehrt liegt. Genet erklärte sich schließlich damit einverstanden, dass Sartre sich so intensiv über ihn beugt, und ich selbst bin sehr erstaunt, wie tief er das tut. Dabei wird das Böse unter die Lupe genommen, das "Schicksal Dieb", der kleine Junge, der durch die Umstände zu dem geworden ist, was er war, womit die ersten hundert Seiten sich bereits ausführlich auseinandersetzen, um Genet in dieser Art eigentlich noch kaum betrachtet zu haben, und mit dieser langwierigen Einführung verfasst Sartre dann ein ganzes Drum-herum-Kreisen, welche Einflüsse, Begebenheiten zu der und der Reaktion geführt haben.
Aber zunächst von vorne:
Alles geschieht uns durch andere, selbst die Unschuld.
Das wird deutlich, wenn man sich ganz weit zurück wagt, in Genets Kindheit, in die Seele des kleinen Jungen, der von seiner Mutter in die Fürsorge gegeben wird. Er trägt im Heranwachen die Auffassung vom Guten in sich, sie ist in sein Herz eingeprägt, wodurch sein Handeln in jeder Konsequenz immer dazu führt, dass er selbst sein größter Richter ist, dass er jede Tat, jede Handlung am schärfsten durch sich selbst kritisieren wird.
Grundsätzlich muss man der Unschuld voranstellen, dass sie immer eine Form der Zuweisung durch andere ist (ähnlich, wie man von sich selbst nicht sagen kann, man wäre intelligent. Es ist eine Zuweisung durch andere. Man kann höchstens sagen, man denke viel.) und ebenso der Rechenschaft ist:
Zitat von Sartre
Wenn man Erwachsenen sagt, dass sie unschuldig sind, ärgern sie sich; aber es gefällt ihnen, es gewesen zu sein. Das ist ein Alibi, ein Anlass zur Rührung, ein offener Weg zum Ressentiment und zu allen Formen des passeistischen Denkens, eine Zuflucht, ganz für die Unglückszeiten gemacht, eine Art, zu behaupten oder zu verstehen zu geben, man sei besser als sein Leben.
Das Kind selbst weiß nichts von Unschuld. Es blickt in die Welt und fasst auf. Nun stellt man sich den kleinen Genet vor, der nichts wirklich besitzt, der weiß, dass alles nur geliehen ist, dass sogar er selbst
In Antwort auf:
... von Rechts wegen den Verwaltungen und Laboratorien gehört, so ist es nicht erstaunlich, dass er später Wahlverwandtschaften zu den Strafkolonien und Gefängnissen empfindet…
Zitat von Sartre
Als Treibgut einer Gesellschaft, die das Sein durch das Haben definiert, möchte das Kind Genet haben, um zu sein.
Sartre zeigt auf, warum Genet niemals verstanden hat, sein zu können, in dem er etwas macht, sondern dadurch, dass er vermittelt bekommt, dass man Besitz hat oder nicht. All das liegt darin begründet, weil er nicht bei einem Arbeiter, sondern einem Bauer aufgewachsen ist, der ihm sichtbar macht, dass das Gut geerbt ist, nicht erworben werden kann, sondern: man hat, weil man Bauer ist! So konnte Genet auch nicht begreifen, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, einfach für sein Leben zu arbeiten. Darum bedient er sich an all dem, was ihm sowieso nie gehören kann, (um sich das Gefühl zu beschaffen, wie es ist zu besitzen, ein imaginäres Empfinden zu erzeugen), da er als Kind schon lernt, nicht Teil einer Familie zu sein, sondern nur geduldet, in einem Haus zu leben, in dem ihm nichts gehört.
Das Kind, das für alles danken MUSS, selbst den Adoptiveltern, bei denen er erkennt, dass sie ihn nicht hätten nehmen müssen, dass er ihnen tiefe Dankbarkeit SCHULDET, während echte Eltern ihre Pflicht hätten, das Kind großzuziehen, stiehlt, bedient sich heimlich, um nicht mehr danken zu müssen.
Dann wirft Sartre einen interessanten Vergleich auf, dass ein Kind immer denkt, die Erwachsenen würden seine Gedanken lesen können. Jedes Kind denkt, dass alles herauskommen wird, weil die Eltern dieses Machtmittel fast in jeder Familie ungeniert anwenden. Im Sinne von: Wir sehen alles, darum sei brav. Das Kind kämpft aufgrund dieser Erziehung mit seinem immer auftretenden, schlechten Gewissen, und weil es dieses in sich trägt, wird es natürlich auch ertappt, weil es nicht versteht zu lügen.
Genet stiehlt nicht, weil er hungert, weil der Hunger dem Menschen eine Form des Rechtes verleiht, sich bedienen zu dürfen (aus Menschlichkeit oder anderen Gründen), während Genet mit dem Diebstahl danach trachtet, seine Trennung von der Welt durch den Diebstahl zu bejahen, sich durch den erworbenen Besitz den Besitzenden zu nähern. Er strebt danach, in einer realen Operation eine irreale Befriedigung zu erlangen, deren Ziel nur in der Irrealität bleibt.
Genet stellt sich also vor, dass er, weil er sich dafür entscheidet, zu nehmen, das Gestohlene als seinen Besitz betrachten kann. Er bedient sich, weil er nichts hat und darum eine eigene Welt erschafft, in dem ihm alles gehört.
Zitat von Sartre
Der Genuss ist real. Real das Kauen und das Schlucken (des geklauten Apfels). Aber ihre Realität interessiert nicht durch sie selbst: sie ist nur da, um der verzweifelten Anstrengung der Aneignung einen Körper zu leihen. Wichtig ist, diese realen Gegebenheiten wie Symbole zu gebrauchen.
Genet will nicht aus der Welt flüchten, sondern in ihr, im Realen seine Imaginationen leben. Er will mit einer realen Handlung seine imaginäre Vorstellung von Besitz befriedigen.
Als Genet dann zum ersten Mal als Dieb entlarvt wird, wird ihm erst bewusst, dass er ein Dieb ist. Somit wird alles, was er tut, von einem Dieb getan, und für das diebische Kind will keiner mehr die Verantwortung übernehmen. Darum fragt sich Genet: Dieser kleine Dieb? Woher kommt er? ... was ihn natürlich auf seine Mutter zurückführt, die ihn einfach weggegeben hat. Somit schließt der kleine Genet daraus, dass sie ein schlechter Mensch sein muss, und weil sie nun einmal seine Mutter ist, damit seine Familie darstellt, muss er selbst die „Gebärden“ seiner Mutter übernehmen, auch schlecht werden, weil es das Einzige ist, was ihn mit ihr verbindet. Irgendwie ist das gut nachzuempfinden.
Soweit die ersten konkreten Betrachtungen Sartres. Von dem kleinen Genet verlagert er seine Überlegung nun auf das Böse. Im Grunde, so stellt Sartre fest, setzt ein Mensch, egal welchen Charakter er in sich trägt, Grenzen fest, um sie zu überschreiten.
Zitat von Sartre
Der gute Mensch verbarrikadiert sich in einem willentlichen Gefängnis, verriegelt die Türen, und seine eigensinnige Freiheit zwingt ihn, durch das Fenster hinauszugehen.
Zitat von Sartre
Aber ebenso wie Gutes nur in einem Willen ist, der bedingungslos gut sein will, ist in anderer Hinsicht Böses nur eine Intention, die ausdrücklich böse sein will: das Böse ist also das Bewusstsein selbst am äußersten Punkt seiner Luzidität, denn ein böses Bewusstsein ist um so perverser, je besser es seine Verdammung kennt und je mehr es sie will.
Das Böse-Handeln, so Sartre, ist schwerer, als gut zu sein, weil es in allem gegen … etwas ist. Man entscheidet sich bewusst, böse zu sein, im Wissen um die Konsequenzen. Gut zu sein ist in seinen Augen einfacher, weil man in einer bestimmten Form der menschlichen Moral entspricht und damit mit dem Strom schwimmt.
Zitat von Sartre
Die Schlussfolgerung, die sich aufzudrängen scheint, ist, dass es keinen Bösen gibt: der einzige, der das Böse zu seiner ständigen Sorge macht, ist der gute Mensch, da das Böse zunächst seine eigene Freiheit ist, das heißt ein ständig wieder auflebender Feind, den er ständig niederschlagen muss.
Oha... Das Böse ist also nur die Verdrängung des guten Menschen. Sartre dazu etwas genauer:
Zitat von Sartre
Wen schlägt man denn am Juden mit „dreckig, geizig, sinnlich, niederziehend“? Sich selbst; seinen eigenen Geiz, seine eigene Lüsternheit.
Das Böse ist also eine Projektion…
Zitat von Sartre
Wenn man einen anständigen Menschen kennenlernen will, dann forsche man nach den Lastern, die er am meisten an den anderen hasst…
Sartre schlägt natürlich aus der Erfahrung direkt die Verbindung zum Krieg. In seinen Tagebüchern hat er sich mit diesem Thema schon ausführlich auseinander gesetzt, aber auch hier heißt es über das Böse noch einmal:
Zitat von Sartre
Niemals ist es spürbarer als in Kriegszeiten: wir kennen den Feind nur durch Vergleich mit uns selbst; wir stellen uns seine Absichten nach unseren vor, wir legen ihm Fallen, in die wir, wie wir wissen, an seiner Stelle gingen, und wir umgehen die, die wir gelegt hätten; der Feind ist unser Zwillingsbruder, unser Spiegelbild.
Zitat von Sartre
Dennoch schein uns das gleiche Verhalten, das wir als gut beurteilen, wenn es unseres ist, abscheulich, wenn es seines ist.
Und weiter:
Zitat von Sartre
Das trifft für die meisten Parias in Kastengesellschaften zu: sie verinnern die objektiven äußeren Urteile, die die Kollektivität über sie fällt und sie denken sich selbst in ihrer subjektiven Besonderheit von einem „ethnischen Charakter“, einer „Natur“, einem „Wesen“ her, die nur die Verachtung ausdrücken, in der man sie hält.
Zurück auf Genet angewandt bedeutet das, dass die Erwachsenen (die Gesellschaft) ihn zu dem gemacht haben, was er geworden ist. Ein Dieb. Denn, weil er einmal geklaut hat, wird er in ihren Augen immer der sein, der klaut, jeder Blick auf ihn ist mit Skepsis und Mißtrauen gefüllt, und der kleine Genet kann noch so oft fragen:
"Was kann ich tun, um wiedergutzumachen?"
In ihren Augen ist er nun gezeichnet.
Zitat von Sartre
Erstarrt durch den Blick der Menschen, gezeichnet durch den Menschen am Grunde seiner selbst, definiert und verwandelt durch den Menschen in seiner Wahrnehmung und bis in seine innere Sprache, begegnet er überall, zwischen sich und den Menschen, zwischen sich und der Natur, zwischen sich und sich selbst, der trüben Transparenz der menschlichen Bedeutungen.
Im Sinne des esse est percipi, oder noch einfacher:
Wir sind das, was andere in uns sehen. Genet ist damit nicht mehr nur ein blonder Junge, sondern er ist als Dieb blond.
Sartre baut ja seine ganze Philosophie darauf auf. Wir sind nicht, wir versuchen nur zu sein, und wir schaffen es nie. Das, was andere in uns erkennen, versuchen wir an dieses Erkennen anzupassen. Das ist das, was von uns übrig bleibt.
Das führt notwendig darauf hinaus:
Zitat von Sartre
… und wichtig ist nicht, was man aus uns macht, sondern was wir selbst aus dem machen, was man aus uns gemacht hat.
Aber, das ist bereits das zweite Buch, und dazu ein anderes Mal!
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 27.05.2008 22:16 |
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