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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 01.06.2008 15:13
von Martinus • 3.195 Beiträge

Helmut Krausser: Schmerznovelle

In der Literaturkritik wurde die Novelle sehr kontrovers besprochen. Irritiert von den bis an die Grenze zur Pornographie erzählten Bilder, einer (angeblichen) hölzernen Sprache, von einem Psychiater, der seinen Ehrenkodex verlässt...usw. bis hin zu Lobeshymnen...und und und.

Der Roman wird so kühl erzählt, das keine erotische Sinnlichkeit aufzuflackern vermag.Warum ausgerechnet ein Spezialist auf dem Gebiet sexuellerAberrationen sich einer Frau hingibt, die unter Persönlichkeitsspaltung leidet, kann nur so erklärt werden, dass Sexualität eben auch ein Machtinstrument sein kann. Ein Jekyll/Hyde – Drama in einem österreichischem Badeort („Ein schwerer Sommer lastete auf dem Ort.“), dass sich in einem sehr spannenden Kriminalshowdown zuspitzt, dass so manchem Leser das Blut in den Adern stocken mag.

Was an dem Roman so reizvoll ist, ist sein souverän handwerklich geschickter Aufbau und die Prosa, die ich als kühltrocken bezeichnen möchte. Aus medizinischem Interesse widmet sich der Psychiater im Urlaub der psychisch kranken Johanna Maria Palm, deren Mann auf ungeklärte Weise ums Leben gekommen ist. Immer mehr verstrickt sich der Mediziner in die gespaltene Persönlichkeit seiner Patientin.

Zitat von Krausser
Merkwürdig, daß mir zuvor nie die Idee gekommen war, sie könne unter Drogenstehen. Und als ich diesen Gedanken dachte, war es mir, als stünde ich selbst unter dem Einfluss betäubender Sustanzen. Diese Frau brachte mich durcheinander. Meinem Blick fehlte jede Objektivität. Ich hatte massive Lust, gynäkologischen Mißbrauch mit ihr zu treiben. Gleich jetzt. Die Erektion schmerzte. Eine jener Erektionen, von denen man glaubt, sie könne der Umwelt unmöglich verborgen bleiben.


Diese Novelle hat mir schon gezeigt, dass ich diesen Autor, allein schon wegen seiner Prosa zu den lohnenden Autoren deutscher zeitgenössischer Literatur zählen möchte. Auch in bizarren, grellen Szenen bleibt der Autor seinem Sprachgestus treu. Ich werde also weitere Romane Helmut Kraussers lesen. Zu seinen Hauptwerken zählen „Melodien“, „Der große Bagarozy“. Mich persönlich interessieren sein Puccini-Roman „ Die kleinen Gärten des Maestro Puccini“ und „Eros“.

Zitat von Krausser
Man sollte das Wort Liebe vielleicht für jenen selten Fall der Seelenverschmelzung reservieren, die erst nach einigen Jahren, ofr verbunden mit nachlassendem Trieb, einsetzt und in eine psychische Symbiose mündet, bei der die Liebenden einander immer ähnlicher werden, ohne sich selbst aufzugeben.



ein Kontra
ein Pro

Liebe Grüße
Martinus




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
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#2

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 01.06.2008 16:03
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Martinus,

vielen Dank für den Einblick. Das Kontra beeindruckt mich nicht, weil es ein sehr subjektiver Blick ist (alleine der Vorwurf gegen den Autor, warum dem Kritiker die Gedanken abschweifen, ist schon unerhört. Vielleicht, weil er nicht fähig ist, sich zu konzentrieren! ). Dagegen bin ich durch deine Zusammenfassung und die Auszüge neugierig geworden und werde das Buch lesen!

Liebe Grüße
Taxine



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 01.06.2008 16:08 | nach oben springen

#3

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 01.06.2008 16:18
von Martinus • 3.195 Beiträge

Hallo,

das Kontra ist ein wenig seltsam, ja. Intelligenteres findet man (natürlich) bei perlentaucher. Gerade weil das Buch so kontrovers behandelt wird, ist es vielleicht gut. Also, Martinus, in der Sommerluft in der Lektüre des Puccini-Romans. So sehe ich mich mit meinem geistigen Auge.....

Liebe Grüße
Martinus




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
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#4

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 30.01.2010 18:43
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Thanatos


Thanatos trägt jeweils Züge und Kleider desjenigen, den er betrachtet.
Niemand kann Thanatos sehen, es sei denn, ein Sterbender verfolgte das eigene Sterben im Spiegel. Dort sähe er, für Bruchteile eines Moments, ein zweites, lächelndes Gesicht auf seine Schulter gelegt, sähe weit offene Augen, derweil sich die seinen schließen für immer.
Thanatos bewacht ein Portal, das ist er selbst.
Die er hindurchtreten lässt, bemerken ihn nicht.


Konrad Johanser ist ein Germanist von düsterem, introvertiertem und zum Alkohol neigendem Wesen, der für die Romantiker, insbesondere für Wackenroder schwärmt, verlässt, nachdem er verschiedene Dokumente der Romantik gefälscht hat (Novalis), um das Institut für Deutsche Romantik vor dem Untergang zu bewahren, während er trotzdem entlassen wird, schließlich Frau, Geliebte (die eine heroinabhängige Prostituierte ist), Wohnung, Ort und Gewohnheiten, um sich fast unbewusst seiner Vergangenheit zu stellen.
Er reist zu seiner Tante und seinem Onkel, kehrt heim (ganz im Sinne Novalis: „Wo gehen wir denn hin?“ – Immer nach Hause.“), nistet sich bei ihnen ein und verachtet sie dafür, dass sie einigermaßen zufrieden sind, dabei stehen sie ihm in nichts nach. Die übersteigerte Liebe der Mutter, die eine Fehlgeburt hatte und Jahre später dann ihr einziges Kind zur Welt gebracht hat, der Vater, der wortkarg im Keller sitzt und mit den Toten kommuniziert und der Sohn, Johansers Cousin Benedikt, der sich im Leid der Pubertät befindet.
Johanser nimmt die "Droge" Rutaretil, die in seinem Kopf poetische Texte (auch der Romantik) bewirkt, eine interessante Form, die Krausser hier für eine Droge gewählt hat, denn natürlich ist Rutaretil rückwärts gelesen: Literatur, damit ganz schlicht der Blick in ein Buch als Stimulanz der Sinne.

Eigentlich geschieht erst einmal wenig im Außen, dafür umso mehr im Inneren. Johanser wird sichtbar, in dem, was gewesen ist, in dem, was er ist oder zu sein glaubt. Er scheint eine Art Vorahnung für den Tod anderer zu haben, als eine leise Sehnsucht auch in ihm, vor der er sich jedoch noch fürchtet. Lebendig tot könnte man sagen, doch es führt viel tiefer, bis schließlich zu Thanatos selbst.

Krausser besticht durch Sätze und „Wortzusammenbauten“.
Es geht um so vieles, das geistige Verarbeiten, die Wirklichkeit und die Veränderung der Wirklichkeit, sofern man ihr begegnet und sie im Kopf trägt.
Sich dem stellen müssen, was durch eine schlechte Erfahrung im Geist mächtige Ausmaße angenommen hat, die sich mit der Wirklichkeit nicht mehr gleichen, diese längst überrannt haben. Eine Angst und ein widerlicher Nachgeschmack vor der Begegnung mit der Vergangenheit, welche sich auf alles ausbreitet, auf das Jetzt wie auch als die Angst vor dem Zukünftigen. Um diese loszuwerden, bedarf es einer Aufarbeitung, die Johanser allerdings in seinem Hass auf das Gewesene nicht bewältigt. Er ist schon zu zerstört, auch wenn man es ihm zunächst nur vage anmerkt.

Natürlich geht es auch um das Tote, um das lebendig Tote, den Pleonasmus der toten Toten, das schleichende Sterben, Nihilieren, Absterben, Totsein, bishin vom Trieb Tod zum Trieb Mord (wobei Krausser hier sicherlich (in den Tagebüchern nachzulesen) durch Mirbeau’s „Garten der Qualen“ angeregt wurde).
Johansers Eltern z. B. sind lange tot, nicht durch ihn gestorben, sondern durch einen Unfall, und doch hat er ihnen den Tod an den Hals gewünscht, als er auch sofort eintrat. Als Leser überlegt man nun, ob Johanser mit seinem schlechten Gewissen kämpft, doch er hat eher die Befürchtung, dass die Eltern ungestraft davongekommen sind, als Geist immernoch irgendwo rotieren, während sie ihm als Kind so vieles angetan haben. Der Vater war ein Säufer und seine Mutter hatte ihre eigenen Foltermethoden oder griff, wenn notwendig, auf die Faust des Vaters zurück. Sie haben so den Keim seines unsteten, introvertierten Wesens gelegt.
Der Tod, so Johanser, ist für ihn ein fleißiger, gesichtslos reisender Beamter mit einem schwarzen Aktenkoffer, den er ans Handgelenk gekettet trägt. Darum auch der mehrfach vor die Kapitel gestellte Vorspann des gesichtslosen Thanatos, herrliche poetische Bilder.

Durchbrochen wird der Roman durch das „schwarze Buch“, wo Johanser einem alten Mann im Moor begegnet, der den Tod, Charon (die verlangten Münzen sind nicht nur für die „Überfahrt“, sondern stellen auch den Verkauf der Seele dar, das Bestechenlassen durch die Welt, in der man taumelt, die sich rasend um einen dreht, bis sich die Werte daraus verlieren) oder den Gehilfen des Teufels (Bösen) verkörpert, der schließlich sogar sein eigenes Abbild wird, der auch als sein Schuldgefühl und die Pforte „auf die andere Seite“ auftritt. Der das Nichts, das Andere, die Verwandlung, die Veränderung, das Warten symbolisiert. Wie auch immer man es nennt, Krausser hält diesen Sumpf recht vieldeutig.

Es lag ganz in der Deutungskraft des Zuhörers, Sinn darin zu finden, so wie man auch nach Kaffeesatz, Runen oder Kristallkugeln greifen kann, um letztlich in sich selbst zu lesen.

… heißt es an einer Stelle, und so soll es wohl auch der Leser auffassen.

Beeindruckend an Thanatos ist der Aufbau, ein zunächst stetes 400 Seiten-Gerüst, das sich dann am Ende in Fragmente zersplittert, die sich ganz langsam ineinander fügen. Eine Mischung aus kalter, fast alltäglicher Wirklichkeit und dazwischen gestreuter Traumphasen, Poesien und Metaphern, Johansers eigene auf Bierdeckel verfasste Gedankenströme, schließlich jene Fragmente, Briefe, Gedichte…
Auch geht es um die Kleinlichkeit der Menschen, das Nicht-wahr-haben-Wollen, die Suche nach Ausflucht, ob im Schönreden, Zuvielreden, in Kellern im Gespräch mit Toten, Flucht, Vorurteil, die ganze Blindheit, die immer dort auftritt, wo die eigene Welt am größten und wichtigsten ist. Es geht um Ignoranz, Weltverschiebung und Auffassungen, um Vertuschen, Mord, Schuld und Wiedergutmachung.

Letztendlich ist der Alte im Moor das Gewissen, der personifizierte Trieb, Thanatos oder Johanser selbst. Dieser ist nach dem Mord an seinem Cousin (durch sich selbst in die Ecke gedrängt) zweigeteilt, durch sein Schuldempfinden und den nicht gespürten Schockzustand ganz still und leise schizophren geworden. In ihm leben Konrad und Benedikt (Beni) gleichermaßen, in Beni ist auch er selbst gestorben, wie schon zuvor beim Tod der Prostituierten (ob er diese nun mit einer Überdosis gefunden hat oder aufgrund ihrer Gefühlskälte selbst umgebracht hat, ist dabei eigentlich unwichtig), ist längst gestorben in den seichten Gefühlen zu und durch seine Frau, beim Fälschen der Texte, beim Erkennen der rasenden Modernität, beim Tod seiner Eltern, beim Verlust seiner Kindheit, und so weiter und so weiter…
„Wer einen tötet, tötet alle.“

Gespalten in sich selbst und Beni, versucht er wieder gutzumachen, wo er Konrad für Beni zurückstellt und sich mit dem befasst, was den toten Cousin hätte wichtig sein können. Sie reagieren aufeinander in seinem Inneren, dass er so auf ihn eingeht, was ihm im Leben nicht gelungen ist, aufgrund von Vorurteil und beiderseitiger Ablehnung. Der Tod hat sie miteinander verschmelzen lassen, sie einander auf tragische Weise näher gebracht.
„An der Wiedergutmachung scheitert man, nie an der Schuld selbst.“

Es geht um Sehnsucht nach Tod, um das Einverleiben, um Fliegen und Ausreden, um Seele und Gott, um den Verlust der Toleranz, um das Eingesperrtsein in sich selbst, um Untergang und Verwandlung der mythisch fiktiven Stadt in einen Friedhof. Es geht um so vieles mehr und selbst noch über dieses „mehr“ hinaus.
In "Thanatos", insbesondere im Schluss, findet man wahre Goldgruben, Ewigkeiten, Philosophie.

All das hat Krausser wahrhaft gut zusammengewürfelt, manchmal dann auch so, dass die Würfel erst hinterher fallen oder ganz neue Formen ergeben.

Das Leben ist etwas nicht Wiedergutzumachendes.

Nur an einer Stelle irrt sich der Autor:
Dein Grab, Reittier, barg Neid!

... ist kein Palindrom, wie Krausser behauptet. Das, im Vergleich zu all dem, spielt aber nun wirklich keine Rolle.




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 03.02.2010 14:02 | nach oben springen

#5

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 11:51
von LX.C • 2.821 Beiträge

Hallo Annelie,

Zitat
Nur an einer Stelle irrt sich der Autor:
Dein Grab, Reittier, barg Neid!

... ist kein Palindrom, wie Krausser behauptet.



"Dein Grab, Reittier, barg Neid!" kann man vorwärts und rückwärts lesen. Also auch darin irrt sich Krausser nicht.
Ansonsten scheint der anfängliche Bezug zur Romantik eine Art programmatischer Vorgriff zu sein. Deine Beschreibung hört sich jedenfalls ganz so an, als stünde das Werk im Zeichen der Romantik. Auch das Fragmentarische am Ende deutet noch mal deutlich darauf hin.


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#6

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 12:16
von LX.C • 2.821 Beiträge

Ok, Dein und Neid vielleicht nicht. War ich wieder zu voreilig


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#7

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 12:44
von LX.C • 2.821 Beiträge

Oder doch ein Vers-Palindrom oder Satz-Palindrom, das wortweise zu lesen ist. Vielleicht schafft ja noch jemand Klarheit.


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zuletzt bearbeitet 31.01.2010 12:45 | nach oben springen

#8

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 13:04
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Hallo LX.C, wortweise zu lesen wäre höchstens Reittier. Ich habe auch überlegt, jedoch muss sich ein Palindrom, als Satz geschrieben, eben doch rückwärts gleich lesen lassen. Und das tut es eben nicht.
Dein Grab, Reittier, barg Neid.
Dien Grab, Reittier, barg Nied.

Zur Romantik: Nicht nur ein grober Bezug, der Roman setzt sich sehr stark damit auseinander. Mir fehlt nur leider der Bezug zu dieser Form der Literatur. Werde wohl auch irgendwann einmal Wackenroder lesen müssen. "Herzergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders", in dem es um Toleranz geht.
Bei Krausser wird auch ein Satz aufgegriffen, den der jugendliche Beni ihm an den Kopf knallt. Der sagt, sein Lehrer hätte ihm gesagt, dass die Romantik in Auschwitz endete.
Später dann sagt Johanser: Die Romantik endete nicht in Auschwitz. Nichts endete in Auschwitz. (frei zitiert)

Der Roman ist wunderbar vieldeutig. Krausser recherchiert auch und schafft tatsächliche Bezüge. "Melodien" z. B. ist von hinten bis vorne mit wirklichen Begebenheiten gespickt... usw.

Liebe Grüße
Taxine




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 31.01.2010 19:23 | nach oben springen

#9

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 13:15
von LX.C • 2.821 Beiträge

Nicht unbedingt. Wichtig ist, dass ein Wort, Satz oder Gedicht von vorn wie von hinten sinnvoll gelesen werden kann, vorzugsweise mit demselben Sinn. Das muss nicht Buchstabenweise geschehen.
Du kannst meinetwegen die Verse umstellen:

Barg Neid / Reittier / dein Grab

oder Wortweise

Neid barg, Reittier, Grab dein

Hört sich zwar doof an :) aber der Sinn bleibt.

Alles Weitere muss ich auf später verschieben.
Liebe Grüße


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#10

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 13:24
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Es geht nicht so sehr um Sinn, als um Zeichen.

Zitat von Wiki
Ein Palindrom (von griechisch Παλίνδρομος (palíndromos) „rückwärts laufend“) ist eine Zeichenkette, die von vorn und von hinten gelesen gleich bleibt. Palindrome müssen nicht immer einen Sinn ergeben, die Zeichenkette muss allerdings von vorne nach hinten und von hinten nach vorne bezüglich der Reihenfolge der verwendeten Zeichen übereinstimmen.


(Wikipedia)

P. S. Erstaunlich, wo wir gerade beim Tod und Trieb Tod sind: Palindrome sind: Grab - barg (Krausser) und Sarg - Gras.
Im Englischen auch eine eigenartige Wendung von z. B. live - wird: evil.




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 31.01.2010 13:32 | nach oben springen

#11

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 13:32
von Roquairol • 1.072 Beiträge

Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie.




Homepage: http://www.noctivagus.net/mendler
Facebook: http://www.facebook.com/people/Klaus-Mendler/1414151458
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#12

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 18:27
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Ja, eindeutig ein Palindrom!




Art & Vibration
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#13

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 23:23
von LX.C • 2.821 Beiträge

Kannst du mal bitte einen größeren Textausschnitt bringen, damit man sich einen besseren Eindruck verschaffen kann, was Kraussar überhaupt will. Ich will nicht darauf rumreiten, aber es interessiert mich jetzt einfach.

Was ich da geschrieben habe ist so natürlich auch nicht richtig, zumindest was das Vers-Palindrom betrifft. Das kommt davon, wenn man in Eile alles noch schnell erledigen will. Aber auf die rückwärts lesbare Zeichenkette solltest du dich trotz Wiki nicht versteifen. Ein Satz-Palindrom ist buchstaben- oder wortweise lesbar, so dass es einen, bestenfalls denselben Sinn ergibt.


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zuletzt bearbeitet 31.01.2010 23:43 | nach oben springen

#14

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 31.01.2010 23:32
von LX.C • 2.821 Beiträge

Mensch, der lebt in Potsdam. Ich fahr mal eben hin und frag ihn


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zuletzt bearbeitet 31.01.2010 23:32 | nach oben springen

#15

RE: Helmut Krausser

in Die schöne Welt der Bücher 29.10.2019 19:26
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge

Helmut Krausser
„Schmerznovelle“


„Realität ist nur die nächstliegende Fiktion.“

Hier dann einmal wieder ein Buch von Krausser, das mich begeistert hat. (Eigenartig, wie unterschiedlich er schreibt, nicht nur vom Thema her, sondern auch vom Stil.) Mit dieser Intensität habe ich gar nicht gerechnet, die in diesem schmalen Buch aufflackert.

Was genau ist hier passiert? Das lässt sich gar nicht so einfach sagen, denn Krausser spielt mit der Wahrnehmung des Lesers und der Verrücktheit seiner Protagonisten. Die Zusammenhänge werden jedoch gegen Ende des Buches relativ klar. Zumindest mir.
Da ist ein Psychologe, ein führender Spezialist für "sexuelle Aberrationen", der in die Frau seines Mentors verliebt ist und eine Affäre mit ihr hat. Genauso viel Hochachtung hat er jedoch auch vor ihrem Mann, mit dem er zusätzlich befreundet ist und sich austauscht. Das Problem scheint sie zu sein, da sie sich nicht entscheiden kann, ihn zu verlassen und nicht bereit ist, mit ihm zusammenzuleben. Das jedoch schimmert nur ansatzweise durch. Das Schuldgefühl wächst unterschwellig.

Hauptgeschehen bleibt die Begegnung mit Johanna Maria Palm, einer vierzigjährigen Frau, dessen Mann Ralf, ein Künstler, sich in der Badewanne selbst verbrannt haben soll. Der Erzähler sucht sie auf Anraten seines Mentors in seiner Urlaubszeit auf, kompensiert mit ihrer Schizophrenie und Gewalttätigkeit womöglich die eigene unzufriedene Beziehung und verfällt ihrem Wahn und ihrer erotischen Ausstrahlung.
Das Begehren wächst ins Unermessliche und verändert auch ihn, der den Ehrenkodex bricht und eigenen Zwangsvorstellungen unterliegt. Er versucht gleichzeitig, über das Geschehen Details zu erfahren, hat Einblick auf den Polizeibericht oder auf die Briefe des Künstlers an seine Mutter. Johanna Palm wechselt häufig in den Zustand ihres toten Mannes über, mit dem sie sich verschmolzen glaubt. Das Wesen in ihr scheint fast real, so gut hat sie sich in diesen Zustand hineinversetzt, schreibt Briefe in seinem Namen, die von einem Handschriftengutachter für echt befunden werden, und begeht am Ende eine Tat, von der nicht ganz klar ist, ob nicht doch der Erzähler selbst in das Geschehen eingegriffen hat, ähnlich wie auch das Streichholz in die Wanne des Selbstmörders fiel, als sie längst er war. Hier verschmelzen Wirklichkeit und Fantasie. Das, was wir zu erkennen meinen, kann auch ganz anders sein.

Die eigentliche Problematik, auch durch die letzten Kapitel gekennzeichnet, in denen berichtet wird, dass sich die Geliebte dann doch von ihrem Mann trennt, scheint die eigenwillige Affäre zu sein, die gleichzeitig ein Hinweis darauf ist, dass die Selbstbestrafung, die Johanna Palm ihm vorführt, auch tief in ihm selbst verwurzelt ist, jene Sucht, Schmerz zu empfinden und dann auch Schmerz bereiten zu müssen. Krausser ist hier ein kleines Meisterwerk der Psychologie gelungen, für wahr … eine Schmerznovelle.

„Jeder Moment tötet, indem er sich für nur eine dieser Möglichkeiten entscheidet, alle anderen ab. Realität ist die Essenz einer erbarmungslosen Selektion.“


(Alle Zitate aus: Helmut Krausser "Schmerznovelle", Rowohlt Taschenbuch Verlag)




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