HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Yasmina Reza wurde mir vor längerer Zeit mal empfohlen, wobei ich diesen Tipp wieder aus den Augen verloren habe. Irgendwann kam ich an einer Buchhandlung vorbei, die vor ihren Türen diesen "Rauswurf an Mängelexemplar" veranstaltete, diese Wühltische, über die gebeugt der eine oder andere schon mal ein vereinzeltes Schmuckstück ergattert. Hier ließ ich nun einen oberflächlichen Blick schweifen, fast belanglos, ohne allzu großes Interesse, und über alle Buchrücken gestreift stach mir sofort "Hammerklavier" in die Augen und der Name, der zwar zurückgeschoben, jedoch nicht vergessen in meinem Hinterkopf tänzelte. So las ich sogleich diese schönen Erzählungen, dabei geprägt von der männlichen Literaturstimme, und fand Gefallen an dieser weiblichen Kreativität und Sprachfreude. Darum nun das Buch "Adam Haberberg". hier präsentiert, vorgestellt mit ein paar Zitaten aus dem Buch.
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Ein Paar, hatte Goncharki eines inspirierten Tages gesagt, ist wie ein Haus. Eine Zeitlang wird aufgebaut, das Fundament, die Wände, die Zwischendecken, du sorgst dafür, dass Dach und Fenster dicht sind, und dann ist es fertig, du kannst nichts mehr bewegen. Du kannst den Anstrich etwas nachbessern, kannst rechts und links ein bisschen basteln, aber im großen und ganzen kannst du nichts mehr bewegen.
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Im Reich des Paardaseins gibt es keine freundliche Stimme ohne Elefantengedächtnis mehr.
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Denn wir werden nichts tun, die Leute trennen sich nicht, die Leute trennen sich nicht, sie bleiben in Langweile und Verblödung hängen.
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( ... ) heutzutage ist das Schlimmste, was dir passieren kann, ein Niemand zu sein. Daraus folgt ( ... ), dass alle Welt irgendwelche Bücher verbricht, die sich an die risikofreiste Formel halten, um aus dem Nichts ans Licht zu gelangen.
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Adam hat sein letztes Buch getilgt. Indem er die Verbindung zu seinem persönlichen Vorlieben kappen wollte – denn er mochte nicht dieser scheußlichen Memoirenmode nachgeben -, hatte er jegliche Verbindung zu sich selbst gekappt, stellte er fest. Er hatte zuviel nachgedacht, zuviel kombiniert, zuviel über Literatur sinniert. Ein wahrer Schriftsteller sinniert nicht über Literatur. Ein wahrer Schriftsteller pfeift auf die Literatur.
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Dadurch, dass wir die Kunst auf die Strasse geholt haben, ( ... ) legen wir jedem Erstbesten nahe, auch er könnte ein Künstler sein. Der Erstbeste hat gar keinen Grund zum Misstrauen, er lebt in einer Welt, die ihm jeden Tag sagt, drück dich aus, setz dein Ich durch. Der Erstbeste ( ... ) verspürt denselben inneren Aufruhr wie der echte Künstler, die Verletzlichkeit, die Sorge, die Probleme mit der Kreativität, denn all das ist typisch für den Menschen, nicht für den Künstler.
Art & Vibration
Ein innerer Monolog eines alten Herren, gerichtet an seinen Sohn und zwar ziemlich gallig, eine Schmährede. Er spart nichts aus, wirft seinem Sohn Untätigkeit vor. Der ironische Ton gefällt mir sehr:
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„Was tut er? Morgens tritt er vor den Bungalow. Er betrachtet das Meer. Das ist schön. Nein, es ist schön, einverstanden. Er betrachtet das Meer. Gut. Es ist sieben Uhr zwölf. Er geht in den Bungalow zurück, er isst eine Papaya. Er geht wieder hinaus. Es ist immer noch schön. Es ist acht Uhr dreizehn...Und danach?“
Das soll glücklich sein, behaupten seine zweite Ehefrau Nancy und seine Tochter. Mit diesem Glück des Nichtstuns kann der Vater nichts anfangen. Diese „Ehrgeizlosigkeit", dieser „gleichmäßige Wohlstand“, ein „Sabbattjahr“ lang dahinweilen und von Mieteinnahmen leben. Das geht an der Mentalität des alten Vaters vorbei. So grault der Alte über 126 Taschenbuchseiten dahin, und spart auch nicht mit Kritik an Nancy und seiner Haushälterin. Ein grauliger Alter, der mit seiner Schmährede nur der Monotonie seines Lebens entfliehen will.
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Jeden Tag hat mich die Welt geschrumpft....Der Tod ist in uns. Er gewinnt schrittweise. Nach und nach schmilzt alles dahin und gleicht sich.
Die Frage nach dem Glück stellt er nicht nur seinem Sohn, sonderen auch an sich selbst. Glückliche Menschen können nicht lachen, nur fröhliche Menschen können das. Solch eine war seine frühere Freundin Geneviève.
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„Ja, sagt sie traurig, „ alles außer diesem Augenblick ist unwirklich. Warum verstehen das die nicht, die wir lieben."
Er antwortet:
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......Um unsere Melancholie abzuschütteln, stelle ich die ganze Batterie meiner Talente als Spaßvogel zur Schau.
Vielleicht liegt hierin der Kern des Romans. Es geht um dieses bisschen Freude am Leben, das jemand in einem Augenblick der Wirklichkeit erfährt. Der alte grantelnde Mann kann nur noch Granteln, insgeheim aber auch von diesem Augenblick des Glücks nur noch träumen.
Insofern bin ich am Ende des Romans doch milde gestimmt. Der Text kam mir nämlich ein wenig kühl vor (der sog. Warmleseeffekt trat nie ein), und so musste ich den Roman zweimal lesen, um darauf zu kommen, worum es eigentlich geht. So kann ich das Buch doch halbwegs zufrieden beiseite legen und später mal zu etwas anderem von Yasmina Reza greifen.
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Yasmina Reza
in Die schöne Welt der Bücher 25.07.2008 18:36von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Klar ist er verbittert und hat eigentlich kein Recht, über seinen Sohn zu urteilen. Gefühle sind ihm fremd, besser gesagt, fühlt er sich durch Emotionen in die Ecke gedrängt. Trotzdem, so sollte man nicht verkennen, setzt er sich hin und schreibt einen Brief an seinen Sohn. Alleine dieser Versuch zeigt schon, dass ihm das alles durchaus etwas bedeutet, auch wenn er sehr zynisch ist. Hier so eine schöne Szene:
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Sie fängt an zu weinen. Sobald eine Frau weint, würde ich sie am liebsten kaltmachen. Ich kann Leute nicht ertragen, die ausfransen.
Der Kern des Romans liegt in meinen Augen in diesem Absatz:
In Antwort auf:
Ich habe einen angepassten Menschen gezeugt. (…) Ich habe einem Menschen das Leben geschenkt, der, wie die mutierenden Fliegen (…) sich am Ende den Bedingungen der Welt beugt und sich in der Welt der Vernunft ein paar gemütliche Nischen einrichtet, in denen er auf die Auslöschung wartet.
Im Grunde, ist es ein Aufruf an seinen Sohn, das Leben zu nutzen, weil es ihm selbst wohl nicht gelungen ist.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
Zitat von Taxine
Wieso? Warst du vorher nicht "milde gestimmt"?
Milde in dieser Hinsicht, dass ich doch einen Sinn im Roman gefunden habe. Der alte Herr wird am Ende des Romans übrigens auch milder, da er sich dort eine Begegnung mit seinem Sohn vorstellt und wünscht ein glücklich sein mit ihm....
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Yasmina Reza
in Die schöne Welt der Bücher 25.07.2008 18:54von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Einfach glücklich sein, das, was er seinem Sohn vorwirft, ist allerdings, glaube ich, auch zweideutig gemeint, denn der Sohn glaubt sein Glück ja in der "Bewegungslosigkeit" und Spaßgesellschaft gefunden zu haben. So gesehen, wirkt die mögliche Begegnung am Ende dann wie ein "Aufeinander-zu-Gehen", weil der Sohn sich mit dem Annehmen der Ratschläge seinem Vater nähert (ohne, dass er sie völlig übernehmen muss) und der Vater sich seinem Sohn in neu gewonnener Liebe nähert, womit er eingesteht, dass das alles, wovon er zynisch redet, nicht so einfach ist.
Schön fand ich auch das Zitieren von Aragon:
Lesen Sie diesen Brief nicht: Lesen Sie den anderen, den, den ich zerrissen habe. Denken Sie daran, dass ich ständig einen Brief zerreiße, eine Art Brief…
... womit Reza andeutet, dass das, was der Vater dem Sohn eigentlich sagen will, zwischen den Zeilen steht. Seine Strenge spiegelt sein Unvermögen, sich ihm offen gegenüber zu verhalten, weil er eine Autorität darstellt und von dieser Stufe nicht so leicht hinuntersteigen kann. Mal wieder der Generationskonflikt.
Ich glaube, es ist sogar Rezas erster Roman, weiß ich aber nicht mehr genau.
Lieben Gruß
Taxine
Art & Vibration
Zitat von Taxine
Seine Strenge spiegelt sein Unvermögen, sich ihm offen gegenüber zu verhalten, weil er eine Autorität darstellt ...
Jawohl. In diesem Zusammenhang ist dieses Zitat interessant:
In Antwort auf:
Ich würde zu ihm sagen, ärgere dich, mein Sohn, über mein abscheuliches Geschwätz, mit Leuten, die mir teuer sind, gehe ich gern ganz nahe am Abgrund entlang, ich liebe die extreme Gefahr. Ich versetze mich in einen Zustand äußerster Unausstehlichkeit oder in einen Zustand äüßerster Hässlichkeit, um eure Zuneigung zu testen...und ich würde ihm sagen, es ist alles in Ordnung mein Junge, im Grunde ist es ohne Bedeutung, ob du ein Korken auf dem Wasser bist oder ein Mensch, der seiner eigenen Suche hinterherläuft.
Er überdeckt seine wohlgesinnten Gefühle mit "äußerster Unausstehlichkeit".
Da er sich das Treffen mit seinem Sohn nur vorstellt, könnte man diese Stelle in dem Monolog als ein wenig Selbsterkenntnis interpretieren. Er erkennt seine Schwäche, warum er in der Familie wie ein "Tyrann" auftrat.
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)