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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Das Team

in Prosa 02.04.2009 22:38
von Lennie • 829 Beiträge

Ich dachte, ich hätte das hier schon mal igendwann... aber offenbar nicht. Na, passt heute zum Thema:

Ein Ellox ist was Edles. Dass über der Marke « Siamkater » irgendwas Weisses ausgegossen wurde und dort mehr Spuren als nötig hinterlassen hat, ist schliesslich nicht seine Schuld. Ein Ellox ist immer mit etwas Wichtigem beschäftigt. Besonders nachts, da hat er Termine, ist viel unterwegs und benötigt gefälligst mindestens ein zuverlässig offenstehendes Fenster, durch das er bei Bedarf hinein und hinaus – und überhaupt. Dieses offenstehende Fenster möge man im eigenen Interesse bitte nie vergessen – andernfalls man die Nachbarschaft in bis zu 200 Metern Entfernung als seine ewigen Feinde betrachten darf. Denn ein Ellox hat eine wohlmodulierte weittragende Stimme, von welcher er bei Bedarf auch ungeniert Gebrauch macht. Besonders nachts. Und besonders im Sommer, wo sowieso sämtliche Fenster offen zu stehen haben. Vor allem dieses eine. Also bitte! Warum nicht gleich?

Ein Ellox hat vier Beine. An jeder Seite eins. Und alle reichen bis auf den Boden. Das ist praktisch, wenn man eine wilde Büffelherde imitieren will. Man braucht nur mit allen vier Beinen gleichzeitig zu trampeln, so laut wie möglich – die Treppe rauf oder die Treppe runter, ganz wie man will. Von wegen: Katzen mit Samtpfoten - dass ich nicht lache...!
Ein Bidülchen hat auch vier Beine, ähnlich angeordnet. Sie reichen nicht immer bis zum Boden, sondern machen des öfteren in Höhe von Sesselrücken, Türrahmen und Treppengeländern halt. Krallen raus und los geht das Vergnügen! Und so sehen die dann auch aus, die Sesselrücken, Türrahmen und Treppengeländer...

Ein Bidülchen ist um etliches kleiner als ein Ellox, wesentlich weniger edel und erinnert beim ersten optischen Kontakt an eine Art schmuddeligen Aufwischlappen. So von der Farbe her. Es gewinnt jedoch bei näherer Bekanntschaft und wird schliesslich irgendwann von jedem als etwas « einfach Rührendes » empfunden. Ein Bidülchen ist wie eine Mutter. So aufmerksam, so fürsorglich, so anschmiegsam.
Ein Bidülchen schnurrt unentwegt, während es sich um sämtliche vorhandene menschliche Beine herumkringelt und aus leicht schielenden Blauaugen himmelnde Blicke nach oben wirft. Ein Bidülchen hat eine kleine Macke, denn es hat ein schweres Leben hinter sich. Hochschwanger von seinen bisherigen Menschen buchstäblich im Regen stehen gelassen, musste es seine drei Kinder ganz alleine aufziehen und den unterschiedlichsten Gefahren trotzen.
Dann entdeckte es dieses Haus hier mit dem wunderschönen stolzen Ellox darin, in den es sich sofort unsterblich verliebte, und sein Entschluss war gefasst: in diesem Haus würde es auch leben! Kaum waren die Kinder flügge, nistete es sich ein in diesem Haus, das Bidülchen. Und das war nicht ganz leicht, denn zu Anfang wollte es niemand haben. Weder Ellox noch seine menschliche Begleitung. Aber ein Bidülchen ist auch hartnäckig. Und geduldig. Es kann ohne weiteres mehrere Wochen lang warten und jedesmal laut schnurrend durch sämtliche offenstehenden Fenster und Türen im Nu erneut ins Innere des Hauses gelangen, kaum dass man es durch eine andere Öffnung hinausgeworfen hat. Irgendwann lässt man es dann gewähren und kauft eine zweite Schüssel für die morgendlichen « Häppchen in Gelee ».

Ein Ellox und ein Bidülchen werden im Laufe der Zeit zu einem verschworenen Team. Vor allem in den frühen Morgenstunden. So ab 6. Wenn es darum geht, möglichst rasch an eine frische Ladung « Häppchen in Gelee » zu gelangen. Ein Bidülchen weiss, dass es keine nennenswerte Stimme hat und überlässt den akustischen Teil der Vorstellung gern dem ungleich begabteren Ellox.
Während jener sich laut seufzend und mitunter mickrig, aber effizient jammernd in Türnähe – und in sicherer Entfernung vor eventuell fliegenden Pantoffeln – aufhält, robbt ein Bidülchen mit seinem bewährten Charme vom Fussende her flink über die Bettdecke nach oben, dem menschlichen Kopf entgegen. Und schnurrt. Und leckt unterwegs sorgfältig und liebevoll alles ab, was an menschlichen Extremitäten unter jener Bettdecke hervorlugt. Immer wieder. Zehen. Finger. Nasen. Augenwimpern. Nochmal Zehen. Ohren....
Selbst ein Toter kann dem nicht sehr lange widerstehen. Solange der Mensch noch unwillig grunzt, lediglich schlaff um sich schlägt und vorgibt, weiter zu schlafen, fällt hin und wieder ein Ellox mit einem langgezogenen, sterbenselenden Jammerlaut ein, der eindeutig beweist, dass er schlicht am Verenden ist – in sicherer Entfernung. Er ist ja nicht doof.
Ist Mensch dann endlich auf den Beinen und dabei, in die Küche zu torkeln, um im Halbschlaf die lang reklamierten Häppchen zu servieren, strebt das Team ihm voran im Gleichschritt die Treppe hinunter, flink und schweigend, man hört keinen Laut.
Der Mensch, der ihm im fahlen Grau des anbrechenden Tages gehorsam die Schüsseln zurechtrückt, möchte es am liebsten an die Wand klatschen, das Team, und will nur eines: Schlafen. Bis 7. Weiter nichts.
Wenn dann um 7 der Wecker klingelt, entdeckt der Mensch voll Rührung das Bidülchen und den Ellox einträchtig am Fussende seines Bettes zusammengekringelt. Sie schlafen. Und sie lächeln. Und da liebt der Mensch sie. Wie jeden Morgen.

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#2

RE: Das Team

in Prosa 02.04.2009 22:46
von Zypresserich (gelöscht)
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Schön! Wie geil. Ja, so funzt emotionale Erpressung, hehe ...

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