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José Maria Eça de Queiroz
in Die schöne Welt der Bücher 11.04.2009 14:01von Martinus • 3.195 Beiträge
José Maria Eça de Queiroz: Das Verbrechen des Paters Amaro
Als der Roman im Jahre 1875 in Portugal erschien, löste er einen Skandal aus, denn schonungslos erzählt Eça de Queiroz anhand des Paters Amaro von den Tücken des Zölibats und von der verlogenen Sexualmoral der katholischen Kirche.
Pater José Miguéis, ein "Erzvielfraß", ist an Schlagfluß (Apoplex) gestorben. Eça de Queiroz erzählt dieses in einen erheiternden Ton, am Abend vorher haber er viel gegessen. Der Chorherr Valadares nannte ihn wegen seiner Stärker "Herkules" und wegen seiner Gefräßigkeit "Frater". Ich denke das soll ein Hinweis auf Völlerei sein, denn es fällt auf, dass die Geistlichen Herren von Leiria wie z.B. auch der Kannonikus Dias, Pater Amaros Morallehrer, ziemlich guten Appetit haben. Als Nachfolger des Verstorbenen Miguéis kommt als Nachfolger der junge Pater Viera Amaro in den Ort. Erwähnenswert ist schon der Name „Amaro“, was wohl "Liebe" bedeutet. Außerdem liest der Chorherr Ovid; sicher auch die "Ars amatoria ". Mit solchen Anspielungen auf sündhaftes Verhalten beginnt der Roman doch recht erheiternd.
Pater Amaro wächst in einer bigotten Atmosphäre auf und wurde schon in seiner Jungend auf das Amt des Priesters vorbereitet, und dann quasi ins das Amt gedrängt, ohne ihn zu fragen, ob er das überhaupt wollte. Und als er die Nachfolge in Leiria übernimmt, zieht Amaro in das Gasthaus der Joaneira ein, die eine sehr schöne Tochter hat. Schon früh wird literarisch vorbereitet, das sich der Pater in diese schöne Amélia verlieben wird. Amaro wird mit erotischen Phantasien durchschüttelt, die er als Priester nicht haben dürfte.
Zitat von Eça de Queiroz
Amaro wurde davon nervös: er wälzte sich in der Nacht schlaflos auf seiner Matraze, und tief in seiner Phantasie und in seinen Träumen brannte wie eine stumme, heimliche Glut der Wunsch nach einem Weibe.
Hier wird die Sinnlosigkeit des Zölibates aufgezeigt, ein Pater hat sinnliche Erregungen wie jeder andere Mensch auf. Von einer Sublimierung des Geschlechtstrieb kann hier nicht die Rede sein, es tut sich höchstens ein Notweg aus, wenn der Anblick einer Marienfigur zu sexuellen Phantasien führt. Dass der Sexualtrieb den mit den vom Zölibat gebeutelten Geistlichen seltsame Wege geht, hat Karlheinz Deschner in seinem Werk „Das Kreuz mit der Kirche“ offengelegt. Ein Beispiel sei herausgeriffen, in dem erzählt wird, „dass gerade die frömmsten Mönche alle ihnen verwehrten Sexualgefühle auf die heilige Jungfrau übertrugen, machten sie zu ihrer >>Braut<<, hatten ein Ersatzidal für das Weib, das sie mieden und verachteten oder doch wenigstens meiden und verachten sollten" (man vgl. bei Deschner, das Kapitel „Caritas Mariae urget nos - Wir wollen deine Liebessklaven sein“).
Nach der Devise Gelegenheit machts möglich, schlittert unser Pater in ein Liebesverhältnis hinein,und dem Leser wird das Hauptproblem, die Unterdrückung des Sexualtriebes wegen Moralvorstellungen der Kirche sichtlich vorgeführt. Daregt sich auch das Gewissen des Paters: „Zum Teufel! Du mußt vernünftig sein.“, doch, er verfällt seinen Sexualphantasien.
Auch Amélia hat eine sehr strenge religiöse Erziehung genossen:
Zitat von Eça de Queiroz
Schon damals kannte Amélia ihren Katechismus und ihre Glaubenslehre. In der Schule und daheim wurde bei jedem kleinen Vergehen auf die Strafen des Himmels hingewiesen. So kam es, daß sie sich Gott als ein Wesen vorstellte, das immer nur Leiden und Tod verhängt und das man besänftigen muß, indem man betet, fastet, endlose Predigten anhört und zu den Geistlichen hält.
Hier sieht man die Moralpeitsche der Geistlichkeit (mit wahrem Christentum hat das nichts zu tun). Mit solch einer Peitsche werden Gläubige maltratiert. Man muss sich nun vorstellen, dass solch eine Atmosphäre in diesem frömmelnden und bigotten Ort Leiria herrscht. In solcher Dumpfheit wider dem Leben, existieren die Leute dort. Und dann der Pfarrer, der die innere Leidenschaft nicht bändigen kann.
In ihrer Liebesnot hat Amélia die Idee, Amaro könne ihr Beichtvater sein. Dann könnten sie sich nämlich heimlich treffen, „und dies alles würde keusch, wenn auch ein wenig pikant sein....“
Pater Amaro will durch seine Liebschaft öffentlich keinen Schaden erleiden. Darum unternimmt er alles, dass es offiziell abgesegnet wird, dass er Amélia treffen kann. Es werden also Möglichkeiten geschaffen, das Amaro seine Geliebte treffen kann, ohne das gemmunkelt wird. Schließlich soll der Stand der Geistlichkeit nicht beschmutzt werden. Aus egoistischen Gründen soll alles legimatisiert werden. Die theologische Lösung: Unter dem Deckmantel der Geistlichkeit ist alles erlaubt; sündhafte Vergehen dürfen nur nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Eça de Queiroz geht sogar soweit, dass der Pater im Roman seine Sünden kirchenmoralisch absegnet und gestattet. Es heißt: „Alles ist erlaubt, wenn man einer heiligen Sache dient.“
Über Pater Amaro heißt es:
Zitat von Eça de Queiroz
Als Mann hat er für die Weiber Leidenschaften und Organe; als Beichtvater die Bedeutung eines Gottes. Es ist klar daß er das ausnutzen wird, um seine Leidenschaften zu befriedigen. Und daß er dieser natürlichen Befriedigung den Schein des Rechts geben, daß er ihr das Deckmäntelchen seiner priesterlichen Pflicht umhängen will...
Die Theologie konstruiert sich einen Freibrief für sündhaftes Verhalten, auf dieser Schiene gleitet Pater Amaro dahin.
Zitat von Eça de Queiroz
Alle Theologen lehren, daß der Priesterstand eingesetzt wurde, damit er die Sakramente spende. Die Hauptsache war, daß die Menschen die innere , übernatürliche Weihe empfingen, die die Sakramente in sich schließen. Und wenn sie den heiligen Formeln gemäß vermittelt wurde, was lag daran, ob der Priester ein Heiliger oder ein Sünder war? Die Wirkung des Sakraments blieb die gleiche.
Ist es nicht heute in katholisch Kreisen genauso üblich, dass Verfehlungen geistlicher Hirten, solange es nicht öffentlich wird , auf Wunsch der Obrigkeit verschwiegen werden.In dem Eça de Queiroz das schildert, prangert er diese Verlogenheit an. Das Haupdilemma bleibt das Zölibat. Solange es dieses gibt, wird es Probleme damit geben, wie sie im Roman vorgeführt werden.
José Maria Eça de Queiroz' Roman ist sehr unterhaltsam geschrieben, niemals tut sich Langeweile auf. Trotzdem muss aus heutiger Sicht gesagt werden, die Probleme, die in diesem Roman geschildert werden, sind hinreichend bekannt. Die Wirkung, die der Roman im Jahre 1875 entfachte, hat er nicht mehr. Trotzdem habe ich den Roman gerne gelesen.
Liebe Grüße
mArtinus
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