HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Undine Gruenter
in Die schöne Welt der Bücher 19.05.2009 20:50von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Undine Gruenter - viel erfahren kann man über sie nicht, außer, dass sie die Tochter von der Schriftstellerin Astrid Gehlhoff-Claes und des Germanisten Rainer Gruenter war und die ersten eineinhalb Jahre im Waisenhaus aufwuchs, da die Eltern das uneheliche Kind verstecken wollten. Sie wurde 1952 in Köln geboren und starb auch schon 2002 in Paris, wo sie lebte. Beeindruckend war ihr Äußeres, denn es entspricht irgendwo ganz ihrem Schreibstil.
Ein Bild der Unruhe
Sollte man die Prosa Gruenters irgendwie in Worte fassen, dann müsste man von poetischen, kalten, verzerrten, bedrückenden, klirrend erotischen Bildern sprechen. All das wirkt wie ein Messer, das sich beständig in einer Wunde dreht. Das Gefühl in diesen Zeilen ist erstarrt, die Menschen sind nur noch Schatten ihrer selbst. Hier trifft ein Mann auf die Vision eines Mädchens, das sich Acht nennt und von dem er fasziniert ist. Sie ist ruhelos und von flüchtiger Erscheinung, sobald sie sich aber begegnen, vollziehen sie an den dreckigsten Orten den monotonen, oft groben Akt, ohne je einander näher zu kommen.
Gruenter schreibt aus der männlichen Sicht, sie blickt als Ich-Erzähler an sich hinab und hält auch schon mal ihre Weichteile in der Hand. Der Blick auf die Welt setzt sich in allerhand gut formulierten Sinneseindrücken zusammen. Wesentlich mehr geschieht nicht. Der Erzähler beginnt eine eigenartige Reise, die ihn nirgendwohin führt, außer in eine Erkenntnis. Es bleibt ein nebliges Herumirren, während der Leser all diese Eindrücke auf sich wirken lassen, die Bilder, die „inneren Clownerien“ selbst zusammensetzen muss.
All die obszönen, manchmal morbiden Dinge, mit denen der Leser konfrontiert wird, zeigen sich am Ende in einer lauernden Alltäglichkeit und versöhnen ihn mit den Erlebnissen. Es ist, als wollte die Autorin das Sichtbare übersteigern, um auf all das aufmerksam zu machen, was sich leicht übersehen lässt. Die Wirklichkeit zu durchschauen, ist gar nicht so einfach.
Einen ganz guten Eindruck bieten folgende Zeilen:
Ein Bild der Unruhe
Sollte man die Prosa Gruenters irgendwie in Worte fassen, dann müsste man von poetischen, kalten, verzerrten, bedrückenden, klirrend erotischen Bildern sprechen. All das wirkt wie ein Messer, das sich beständig in einer Wunde dreht. Das Gefühl in diesen Zeilen ist erstarrt, die Menschen sind nur noch Schatten ihrer selbst. Hier trifft ein Mann auf die Vision eines Mädchens, das sich Acht nennt und von dem er fasziniert ist. Sie ist ruhelos und von flüchtiger Erscheinung, sobald sie sich aber begegnen, vollziehen sie an den dreckigsten Orten den monotonen, oft groben Akt, ohne je einander näher zu kommen.
Zitat von Gruenter
… etwas wuchs in den Zustand übernächtigter Schläfrigkeit, glitt mir ins dösende Gehirn …, ich fuhr mit den Augen absichtslos der Spur dieses Hin- und Herschwingens nach …, bis ich schlagartig empfand, dass die monotone Bewegung dieses Pendels dem gleichen Gesetz der Wiederholungen zu gehorchen schien, das auch den Ablauf unserer Lust bestimmte.
Gruenter schreibt aus der männlichen Sicht, sie blickt als Ich-Erzähler an sich hinab und hält auch schon mal ihre Weichteile in der Hand. Der Blick auf die Welt setzt sich in allerhand gut formulierten Sinneseindrücken zusammen. Wesentlich mehr geschieht nicht. Der Erzähler beginnt eine eigenartige Reise, die ihn nirgendwohin führt, außer in eine Erkenntnis. Es bleibt ein nebliges Herumirren, während der Leser all diese Eindrücke auf sich wirken lassen, die Bilder, die „inneren Clownerien“ selbst zusammensetzen muss.
All die obszönen, manchmal morbiden Dinge, mit denen der Leser konfrontiert wird, zeigen sich am Ende in einer lauernden Alltäglichkeit und versöhnen ihn mit den Erlebnissen. Es ist, als wollte die Autorin das Sichtbare übersteigern, um auf all das aufmerksam zu machen, was sich leicht übersehen lässt. Die Wirklichkeit zu durchschauen, ist gar nicht so einfach.
Einen ganz guten Eindruck bieten folgende Zeilen:
Zitat von Gruenter
Im Rinnstein stand ein abgemagerter Hund. Zitternd vor Gier, würgte er an einem Fischskelett, der Kopf mit den Kiemen stak fest im Schlund, und das weiße dünne Gerippe streckte sich aus dem Gebiss in die Luft. Der Hund würgte und würgte. Ein Zischen, ein Röcheln, ein Krächzen stieg aus dem Schlund. Dicht nebeneinander gab es zwei Farbstufen von Rot: das sanfte Rot der Markisen und das schreiende Rot um die hervorquellenden, blutunterlaufenen Augen des Hundes.
Mit raschem Schritt bewegte sich Acht auf das Tier zu. Schleuderte es, das Fell im Nacken mit erstaunlicher Kraft packend, vor die Räder eines Autobusses in den beginnenden dichten Verkehr auf die Straße vor dem Bahnhofsgebäude. Ohne dass im Folgenden quietschend die Räder stillgestanden hätten über dem toten Kadaver.
Wie sie so stand, ein Bein auf dem Bürgersteig gestemmt und eins im Rinnstein …, schien es, als spalte sich dieser Fuß im Rinnstein, diese Hand in der Geste des Fortschleuderns ab von ihrem Körper. Sosehr ich mich auch bemüht hatte, ein festes, geschlossenes Bild von ihr zu bekommen, immer wieder entglitt mir ein Teil und führte unter meinen Augen ein selbständiges Leben, Beziehungen eingehend mit andren Dingen – mit einem Hund, einem Fisch, einer roten Markise -, aus den Anordnungen weichend, die mein planender Verstand zuvor für sie festgelegt hatte.
Was gerade hier geschah…, das Wegschleudern des Hundekörpers im Krampf des Erstickens …, ohne jede Vorbereitung war sie vom Tisch aufgesprungen, schien mir wie ein Anfall von Gelächter. Und auf ihrem Gesicht tauchte jetzt eine Schläfrigkeit auf, jene wunderbare Leere, in der ich immer den Anfang der Erfahrung vermutet hatte.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 20.05.2009 01:09 |
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