HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Robert Merle wurde am 28. August 1908 in Tebessa, im damals französischen Algerien, geboren und starb 2004 in Paris an einem Herzinfarkt. Er geriet 1940 bei der Schlacht von Dünkirchen in deutsche Kriegsgefangenschaft, was sich später als Reflexionen in seinem Roman „Wochenend in Zuidcoote“ niederschlug, für den er den Prix Goncourt erhielt. Er war Hochschullehrer, besonders deutlich in seinem Roman „Hinter Glas“ zu spüren, in dem er (wie ja schon gesagt und gelesen) die französische Studentenbewegung vom Mai 1968 ins Bild setzte.
Merle ist in Frankreich sicherlich bekannter als in Deutschland. Als ich damals im Deutsch-Leistungskurs meinem Lehrer meine Buchrezension von „Hinter Glas“ präsentierte, musste dieser (sehr belesen… har har) zugeben, dass er ihn nicht kannte. (Kleiner Zwischenvermerk!) Merle beschäftigte sich mit vielen Themen, war sehr an der Biologie und ihren Vorgängen und der Anthropologie überhaupt interessiert, woraus dann Bücher wie „Der Primat“ oder „Der Tag der Delfine“ entsprangen. Auch ist er in Frankreich für seine Sage „Fortune de France“ bekannt, die ganze 14 Bände umfasst und das Leben in der Zeit Ludwig XIV. repräsentiert. Er schrieb Essays, Romane, Biografien und Theaterstücke und edierte u. a. auch die Schriften Che Guevaras oder übersetzte „Gullivers Reisen“ ins Französische. „Der Tod ist mein Beruf“ befasst sich mit dem Leben von Rudolf Höß (worauf wir sicherlich irgendwann später auch noch eingehen werden).
Besonders interessant sind aber seine Science-Fiction-Romane, darum also nun erst einmal zu
„Die geschützten Männer“
Der Neurologe Ralph Martinelli warnt vor einer ausgebrochenen Epidemie, die scheinbar nur das männliche Geschlecht befällt, noch dazu die, die sich im idealen „Mannesalter“ befinden, damit sexuell aktiv sind. Trotz der Gefährlichkeit (in Zeiten der unterschiedlich grassierenden Grippen, die sich vom Vogel bis zum Schwein ausdehnen, wobei letztere eindeutig ein künstlich erzeugtes „Produkt“ ist, ein im Labor gezüchteter Virus, wie auch das ebenso künstlich erzeugte, selbstverständlich überteuert verkaufte Gegenmittel, das… Achtung… Achtung… bei der empfohlenen Impfung die Schweinegrippenviren überhaupt erst in den Körper lotet und damit erhöhte Ansteckungsgefahr erst ermöglicht, wird einem da beim Lesen schon recht mulmig) bleibt seine Warnung zunächst einmal unbeachtet, sowohl in der Bevölkerung
Zitat von Merle
„Was die öffentliche Meinung betrifft, mache ich eine niederschmetternde Entdeckung: die Zahl der Todesfälle ist noch nicht hoch genug, um sie für das Problem empfänglich zu machen.“
… als auch in der Politik und den von dort zu koordinierenden und notwendigen Maßnahmen.
Zitat von Merle
… blinder Glaube an die US-Medizin und ein anderer, nicht weniger blinder Glaube an die Fähigkeit der Administration, eine nationale Gefahr abzuwenden.
Oder:
Zitat von Merle
Ich bin erstaunt, dass die Aussicht, wiedergewählt zu werden, für den Präsidenten Vorrang vor den Menschenleben hat, die er hätte retten können, wenn die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen worden wären.
Der Mensch – das Schaf wird hier durch Merle sehr gut dargestellt, ebenso wie die impertinente Überheblichkeit amerikanischen Denkens. („Lassen Sie das Ausland weg!“)
Daneben das wahrscheinlich eigentliche Thema: die Frau in ihrer Position. Sie ist immun gegen den Virus, was einige Männer, gefangen in ihren Vorurteilen, sofort in die nächste Verachtung treibt.
Überhaupt werden die verschiedensten Vorurteile gut ausgeleuchtet. Martinelli, selbst Italiener, muss sich ebenso damit herumschlagen, wie die unscheinbare Frau („Wie alle sehr unauffälligen Menschen macht sie auf mich den Eindruck, als ob sie sich selbst aus dem Leben gestrichen hätte.“), die auf die selbstgefällige Männerwelt trifft. In seiner Nachbarschaft wird er erst durch seine bereits verstorbene Frau und seinen „italienischen Charme“ akzeptiert:
Zitat von Merle
… Was darauf hinausläuft, dass sie schließlich mit einem Pluszeichen versahen, was sie, bevor sie mich kennenlernten, mit einem Minuszeichen versehen hatten. Auch das ist Rassismus, nur umgekehrt
.
Er reagiert dann (unter den Umständen und seufzenden Notwendigkeiten) auf seine Weise:
Zitat von Merle
Vor meinen Nachbarn passiert es mir sogar, dass ich noch aufdrehe und italienischer als die Italiener bin. Sie sind hingerissen. Vor allem die Frauen.
Herrlich!
Oder das Vorurteil "Zügellosigkeit" bei unverheirateten Paaren, mit dem sich auch Martinelli herumschlagen muss, warum er nach dem Tod seiner Frau seine neue Frau Anita, die er nicht liebt und kaum sieht, heiratet, damit ihm das Sorgerecht für den einzigen Sohn nicht entzogen wird.
Nach gerade mal 20 Seiten bin ich schon auf viele Überlegungen gestoßen, die sowohl die Sinnlosigkeit voreiliger Blicke und Meinungen, als auch die Gefahr der Blindheit einkreisen.
Die unterschiedlichen männlichen Charaktere werden den unterschiedlichen weiblichen Charakteren gegenübergestellt. Hier zeigt Merle deutlich, dass sich keineswegs pauschalisieren lässt, dass die böse Männerwelt nicht die harmlose Frauenwelt unterbuttert oder umgekehrt. Die Vielfalt an Erscheinungen, die von der grauen Maus bis zur eitlen Verführerin auf weiblicher Seite, vom fettleibigen Selbstdarsteller bis zum familiengesinnten und verkannten Romantiker auf männlicher Seite reicht, lässt eine bloße Eingrenzung über das Ausmaß der sich ausbreitenden Epidemie und deren Folgen noch nicht zu.
Bin gespannt.
Art & Vibration
Zitat von Taxine
(sehr belesen… har har)
Wegen Robert Merle habe ich vor einiger Zeit schon herumrecherchiert und gelesen, in Frankreich kennt ihn jeder, in der DDR haben ihn sehr viele gelesen, ist Westdeutschland (merkwürdigerweise)kaum.
Ja, toll, wie Merle verschiedene problematische Zustände streift, so auch hier:
Zitat von Robert Merle
Seine Ausbrüche erfolgen auf jiddisch. Er zuckt überall in seinem Gesicht, und er hat eine Menge kleiner Manien, von denen die unangenehmste ist, daß er dich ständig daran erinnert, daß er Jude ist, oder, was auf das gleiche hinausläuft, daß du keiner bist. Das tut er mit einem Blick, der gleichzeitig durchdringend, herausfordernd und mißtrauisch ist, als ob er versuchte, beim anderen den kleinen Schimmer von Antisemitismus aufzudecken, der ihm bis dahin entgangen sein könnte.
Herrliche Karikatur!!(zitiert von Seite 31, Kapitel 2 der alten Ausgabe Aufbau-Verlag,1986, hochkantiges Taschenbuchformat; aus dieser Ausgabe lese ich. Die Schrift ist herrlich groß gedruckt auf 316 Seiten)
Zitat von Taxine
Daneben das wahrscheinlich eigentliche Thema: die Frau in ihrer Position. Sie ist immun gegen den Virus, was einige Männer, gefangen in ihren Vorurteilen, sofort in die nächste Verachtung treibt.
Genau. Diese Verachtung kommt zutage, weil Mrs. White zu dumm gewesen ist, ein Tonbandgerät richtig zu bedienen. Es wird geradezu verächtlich über diese Frau erzählt, sie sei weder jung noch hübsch, hat bisher ihre Aufmerksamkeit nicht erregt, sie sei eine ätere Frau in untergeordneter Stellung, die nicht mehr Bedeutung als ein Tisch habe(sie wird nicht mehr als Sexobjekt betrachtet). Zuerst war ich natürlich schockiert, wie kann Merle nur solch frauenfeindlichen Stuss von sich geben. Dabei hat das, was im Roman steht, natürlich nichts mit Merle selbst zutun, der er habe, so las ich, die Frauen gemocht, sondern wir nehmen es in Bezug zum Romaninhalt war. Jetzt haben die Männer noch das sagen. Frauen werden (überspitzt gesagt) ausgebeutet. Männer haben die besseren Jobs in der Welt, verdienen mehr Geld usw. Aber nun, da der Virus Enzephalitis 16 nur Männer hinrafft, haben immer mehr Frauen in der Arbeitswelt das sagen und eine Frau wird US-Präsidentin. Die Weichen für eine diktatur sind gelegt.
und Frauen, sind aufeinmal diejenigen, die in der Öffentlichkeit mit Power und Lebenswillen aufgetrumpft werden:
Zitat von Robert Merle
Das sie nicht so prestigebesessen wie ihre Männer sind, leiden sie weniger unter Mißerfolgen, insbesondere finanziellen, und sie werden des Lebens nicht so schnell überdrüssig.
Ein harter Geschlechterkampf in Zeiten des Virus (Liebe in Zeiten der Cholera)
Ich finde das alles köstlich!!
Zitat von Taxine
das… Achtung… Achtung… bei der empfohlenen Impfung die Schweinegrippenviren überhaupt erst in den Körper lotet und damit erhöhte Ansteckungsgefahr erst ermöglicht
Ich habe mich auch nicht impfen lassen und lebe noch. Mich würde interessieren, woher du diese Information hast.
Jetzt wird gespeist und dann weitergelinst.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 06.12.2009 17:10von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Martinus
Ich habe mich auch nicht impfen lassen und lebe noch. Mich würde interessieren, woher du diese Information hast.
Mein Mini-Kommentar war eher ironisch dazwischengepackt, da die Impfung in einigen Ländern mit Lebendviren verabreicht wurde. Tatsächlich ist die Schweinegrippe weniger gefährlich, als so manche andere Grippe (wenn auch wirklich im Labor gezüchtet, da gab es Mitte des Jahres einige Berichte dazu), und die Panikmache (ob durch Obama und seinen Notstandausruf oder die sofort aufspringenden Verschwörungstheoretiker, die von einer Massenausrottung reden) ist eher die der Vogelgrippenpanik ähnlich. Die verschiedenen Arten der Impfungen allerdings sind gefährlicher, als die Grippe selbst, und dienen, wie so häufig, den Einnahmen der Pharmaindustrien, "bevor der Impfstoff verfällt".)
Ein guter Witz dazu:
Ein Bär, ein Löwe und ein Schwein treffen sich. Der Bär sagt: „Wenn ich brülle, zittert der ganze Wald vor Angst.“ Der Löwe sagt: „Wenn ich brülle, zittert der ganze Dschungel vor Angst.“ Darauf das Schwein: „Ha, ich brauche nur zu husten und der ganze Planet scheißt sich in die Hose!“
Zitat von Martinus
Zuerst war ich natürlich schockiert, wie kann Merle nur solch frauenfeindlichen Stuss von sich geben. Dabei hat das, was im Roman steht, natürlich nichts mit Merle selbst zutun, der er habe, so las ich, die Frauen gemocht, sondern wir nehmen es in Bezug zum Romaninhalt war. Jetzt haben die Männer noch das sagen. Frauen werden (überspitzt gesagt) ausgebeutet. Männer haben die besseren Jobs in der Welt, verdienen mehr Geld usw. Aber nun, da der Virus Enzephalitis 16 nur Männer hinrafft, haben immer mehr Frauen in der Arbeitswelt das sagen und eine Frau wird US-Präsidentin. Die Weichen für eine Diktatur sind gelegt.
So frauenfeindlich empfand ich es gar nicht, nur eine gewöhnliche Darstellung einer Möglichkeit, wie Männer auf die Frau blicken. Die unscheinbare Frau ist ja tatsächlich nur eine, während die anderen durchaus als Power-Weib auftreten, gefühlskalt und erfolgsorientiert. Ich fand das gerade gut geschrieben, dass Merle sowohl die eine wie auch die andere Möglichkeit zeigt, wie die Frau in der Gesellschaft steht. Anita z. B. ist ja ein ganz anderes Exemplar, als die graue Maus, die im Anfangsszenarium auftritt. Mit Merles Einstellung zur Frau hat das selbstverständlich nichts zu tun, denn ihm geht es gerade um die verschiedenen Denkweisen.
Ich habe beim Weiterlesen überlegt, ob die Epidemie vielleicht auch (von nach Macht strebenden Frauen) künstlich erzeugt und unter den Menschen verbreitet wurde, besteht schließlich keine Gefahr für sie selbst. Aber Martinelli gibt ja gerade bei seiner ersten Warnung am Anfang des Buches schon an, dass auch bei einem anderen Virus das weibliche Geschlecht immun war, so kann es auch ein Zufall sein.
Dann beginnt also das große Sterben. Mit einigen Ausnahmen, zu denen auch Martinelli gehört, der mit anderen Ausnahmen nun Gefangener eines Forschungsprojektes ist, weil sie der Gruppe der PM (protected men) zugeordnet werden und in die PZ (protected zone) gesperrt werden, eine Art Ghetto, ein Schloss, wo sie unter Bewachung ihren Forschungen nachgehen können, das von Stacheldrahtzäunen umgeben natürlich eben eine Ausgrenzung von der sonstigen Bevölkerung ist, verbreitet sich die Epidemie überall, was durch die zahlreichen Männertode dann starke, selbstbewusste Frauen hervorbringt, zu denen auch Anita gehört, die mehr als bereitwillig in die Fußstapfen ihrer Vormänner treten. Der Mann als Arbeitskraft wird importiert, bis er stirbt (all die Männer, die in dem Maße erneuert werden, wie sie dahinsterben), ein neuartiger Produktionsprozess ist im Gange, der erschreckend darauf hindeutet, dass der allgemeine Verlust vieler Menschen keine Rolle mehr spielt, dass mit den Umständen eben jongliert wird, zu großen Erleichterung der Frau, die, zuvor oftmals unterschätzt, nun die verschiedenen Aufgaben übernimmt.
Natürlich wird weiterhin nach Lösungen gesucht. Ein Nährboden an Maßnahmen.
Gleichzeitig ruft es die Fanatiker auf die Spur, wie den Guru Bladderstir, der Enthaltsamkeit predigt, weil der Herr den Menschen mit der Epidemie züchtigen würde, um den Missbrauch ihrer sexuellen Potenz zu strafen, ein Prediger, der seine junge, schöne Frau präsentiert ("Frenetischer Beifall ,gefolgt von religiösen Liedern!"), bis die Täuschung auffliegt, weil er seine wirkliche Frau (wo die Enthaltsamkeit weniger schwer gewesen wäre) mit der Geliebten ausgiebig betrogen hat, um dann, trotz seiner Predigten, ebenso der Epidemie zu verfallen.
Schön waren die Reaktionen, das blinde Volk, das durch den religiösen Eifer immernoch überzeugt ist. Da wird trotz Betrug überlegt, ob Enthaltsamkeit notwendig wäre, um zu überleben oder eben nicht, was zu außergewöhnlichen und radikalen Maßnahmen führt.
Das Teilen des durch den toten Guru entstandenen Bladderstirismus, also einer Glaubenslehre, die danach zwei Richtungen einschlägt (wie auch in anderen Religionssystemen), nämlich in die, die keusch sind und die, die sich kastrieren, trägt den Kern der Wirklichkeit, wie sich bestimmte Lehren durch Anhänger verbreiten, selbst wenn sie sich als "falsch" und verdächtig erwiesen haben. Gleichzeitig löst es Gruppendenken und Gemeinschaftsempfinden aus. Einer, der sich zu der einen oder anderen Richtung bekennt, ist damit Teil der Gruppe und Gegner der anderen, spürt durch seine Entscheidung das Zugehörigkeitsgefühl und fühlt sich "elitär". Ich meine, hier geht es um Kastrationen, und die Männer, dem Tod so zwar entronnen, beginnen, ihre Impotenz zu hofieren und freudig zur Schau zu tragen.
Auch die immer häufiger werdenden und teuren Eingriffe, die irgendwann nur noch „den Reichen“ zustehen würden und die verpfuschten Operationen in den Hinterzimmern, waren schön von Merle dazwischengeschoben. Er greift mit seiner Vision an Reaktionen und Fanatismus tatsächliche Thematiken auf, vergleicht auch neuen Mittelchen, die die Zeugungskraft einschränken und abtöten sollen, mit den Nazitaktiken, um die jüdische Rasse auszurotten.
Überhaupt lassen sich einige Schwerpunkte (Reaktionen in der Gesellschaft) mit etwas Wirklichkeit übersetzen.
Das Schmecken der Macht durch die Frauen, die nun ihre Propaganda beginnen.
Zitat von Merle
Demnach hätte die Gesellschaft - die ja, wenn ich mich nicht irre, dem Menschen dienen, nicht ihn versklaven soll, das Recht, die Natur aus den Angeln zu heben und die Individuen der Möglichkeit zu berauben, dass sie sich paaren, um sich fortzupflanzen?
Der Akt und die Zeugung werden zum verachtenswürdigen Vorgang (Männer hätten einen Vaginahass), der ausgerottet gehört, was gleichzeitig die PMs noch mehr zu Aussätzigen macht. Die, die eigentlich gesund und normal sind, werden zur Bedrohung (obwohl doch eigentlich sie es sind, die in der Gefahr schweben, zu sterben.)
Durch die Überwachung der Massenmedien und den kontrollierten Informationen wird Schritt für Schritt die Meinungsfreiheit erstickt.
Schön fand ich den Einwand einer der Frauen, die zu den PMs gehört (Mutsch), als das Valerie-Solanas-Exemplar ihre vulgären Hasstiraden von der Bühne spuckt:
Zitat von Merle
Ich gebe zu, dass der Mann der Frau auf ökonomischem und sozialem Gebiet Beschränkungen auferlegt hat. Aber das hat nichts mit Hass zu tun, den er gegenüber ihrem Körper empfände. Ganz im Gegenteil, er überbewertet ihren Körper zu Lasten ihrer anderen Eigenschaften. Man braucht nur die Augen offenzuhalten, um diese Überbewertung zu sehen. Sie zeigt sich überall, in der Mode, in der Werbung, in der Kunst, in der Literatur.
Das ist auch das Problem der heutigen, immer weiter voranschreitenden "Emanzipation". Die Frauen denken, jetzt können sie sein, was sie sind, und werden freiwillig Sexobjekte, die sich aus freiem Willen zu dem degradieren, was sie vorher als Unterdrückung erfahren haben.
Zitat von Martinus
Ich finde das alles köstlich!!
Da kann ich dir nur zustimmen.
Art & Vibration
Hallo Taxine,
ich bin gerade dort, wo das Camp in Blueville, die Stätte des Labors, als "Konzentrationslager in Luxusausgabe" bezeichnet wird. Hier wird besonders deutlich, dass die PM aus irgendwelchen Gründen als Gefangene festgehalten werden, leben dort wie in einem Gefängnis nach strengen Regeln, sind von der Welt abgeschottet usw. Wachmänner haben Maschinengewehre, Abhörgeräte, Telefonüberwachungsanlagen, außerdem wird die Kündigung Martinellis abgelehnt. All dies wirft ein verachtendes Bild auf Hilda Helsingforth, die über das Camp herrscht, aber nie in Erscheinung tritt, in ihrem Namen außerdem das Anagramm Adolf Hitlers auszumachen ist (Hilda...)
Bis morgen
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 06.12.2009 22:24von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Martinus,
ups, da halte ich mich dann doch erst einmal ein bisschen zurück. Der Text fließt mir irgendwie in die Augen. Bin schon ziemlich weit. Gedulde mich aber sehr gerne.
(Die Verbindung mit Hitler ist interessant. Ich habe bei der Unsichtbaren auch schon einen Verdacht, aber auf den Roman selbst bezogen. Werde ihn äußern, sobald du ein Stück weiter bist.)
Bis morgen.
Liebeste Grüße
tAxine
Art & Vibration
Hallo Taxine,
Dr. Martinelli soll zermürbt werden. Nenne man es doch Mobbing. Hinter seinem Rücken beschweren sich Damen des Laborteams, Doktor Martinelli zeige ihnen gegenüber Fehlverhalten. Da wird gleich ein Lächeln, eine unschuldige Berührung einer Frauenhand als unzüglich geahndet.
Exkurs: Warum sind in manch strengen Islamischen Ländern Frauen verhüllt? (Wegen den Männern). Exkurs Ende.
Im Roman wird aber normalübliches Verhalten ad absurdum geführt, dass der arme Martinelli durch normales Verhalten immer verdächtig ist. Denn, und das ist die Schlussfolgerung, er ist ja ein Mann. Martinelli muss sich mit den Weiblichkeiten über Sex streiten und sein Phallus wird beschimpft. Es kommt mir so vor, als ob dort ein großer Emanzenhaufen sitzt und Merle natürlich bewusst überspitzt sich über die Emanzen lustig macht, über die Emanzipationsbewegung der 70er, als Doris Lessing noch jünger war, die übrigens mal sagte, Männer sollen sich von Frauen nicht unterdrücken lassen. Im Roman soll Martinelli, vermute ich mal, eingeschüchtert und zermürbt werden. Außerdem, weil in der Welt wegen dem Virus die Männer ausgehen, werden er und die anderen geschützten Männer aufgefordert, eine Samenspende abzugeben, damit irgendwann mal in 10 Jahren, eine Frau schwanger werden kann (Sex ist dann wohl abgeschafft, keine Männer mehr, oij.) So werden, so kann jetzt schon vermutet werden, die geschützten Männer auch für andere Zwecke hingehalten und ausgebeutet, nicht nur für die Erforschung eines Antiserums.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 08.12.2009 19:18von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Martinus (... übrigens lustig, dass der Protagonist Martin elli heißt. So lässt sich der Name sehr gut merken .)
Zitat von Martinus
Es kommt mir so vor, als ob dort ein großer Emanzenhaufen sitzt und Merle natürlich bewusst überspitzt sich über die Emanzen lustig macht, über die Emanzipationsbewegung der 70er, als Doris Lessing noch jünger war, die übrigens mal sagte, Männer sollen sich von Frauen nicht unterdrücken lassen.
Ja, genau das ging mir auch durch den Kopf, besonders an folgender Stelle:
Zitat von Merle
Warum muss meine Demütigung der Preis eurer Befreiung sein? Wo ist die wirkliche Gleichheit?
Da es vordergründig im Roman (man muss ja irgendwo immer die Epidemie im Hinterkopf behalten) nicht tatsächlich um Gleichberechtigung geht, ist so ein Satz ein Verweis auf die Emanzipation in ihren übertriebenen Ausmaßen, wo aus dem Feminismus die Emanze (der man später im Roman auch noch begegnet) hervorging, der es nicht genügte, nur Frau zu sein und gleichberechtigt neben dem Mann zu stehen, sondern ganz und gar männlich zu werden, in Stärke und Auftreten und so mancher Verachtung gegenüber dem Mann. Gerade Anita oder die Burage verkörpern die entschieden feministische Kämpferin, ohne den Fanatismus (obwohl Anita ihre eigene Überzeugung unter die des von Frauen beherrschten Staates stellt), der mit der Befreiung auch die Vernichtung des Mannes fordert, während viele andere Frauen einfach nur Mitläuferinnen sind, die Verbote und Triebbeschränkungen akzeptieren (nicht respektieren).
Martinelli ist hin und hergerissen. Er fürchtet sich vor der Welt mit ihren Ansteckungsgefahren, fühlt sich also in dieser „Schutzzone“ relativ sicher, und muss gleichzeitig erkennen, dass er Gefangener ist, gar nicht aus der Zone spazieren könnte, selbst wenn er sich dafür entscheiden würde.
Zitat von Merle
Wenn man jedoch so lange in Freiheit gelebt hat, braucht man Lehrzeit für die Sklaverei.
Er muss sogar lernen, diese überhaupt zu erkennen. Besonders tragisch bleibt dabei der Hintergrund, dass der „Gefangene“, selbst wenn er wieder in die Welt tritt, dort ebenso auf eine kontrollierte, gefangene Gesellschaft trifft (die sich allmählich, während seiner „Abwesenheit“ anordnet), in der er, wie auch die anderen Menschen, kaum freier ist. Alles unterliegt einem Zwang, einer Vorbeugung, die sich auch über jegliche freie Entscheidung beugt.
Ein von Merle dargestellter, interessanter Aspekt ist die „Aufrechterhaltung der Ordnung“, die mit der schwindenden Anzahl der Männlichkeit eigentlich zum Zusammenbruch führen sollte. Erstaunlicherweise wird aber festgestellt:
Zitat von Merle
„Die Ironie des Schicksals wollte es, dass die Zahl der Raubüberfälle, Vergewaltigungen und Morde in dem Maße sank, in dem die Polizeibestände dahinschmolzen.“
Durch das hohe Interesse an überteuerten Sexspielzeugen, die gegen die neu entworfenen „Tatsachen“ über die weibliche Erregung immernoch dem männlichen Organ ähneln, zeigt sich, dass sich die neuen Tabus aber nicht gänzlich durchsetzen lassen.
Das Chaos der Außenwelt wird immer schlimmer. Wo zuvor die Verbrechensraten sanken, weil Dinge wie Prostitution, Glücksspiel, Drogenhandel eher in männlichen Händen lagen, so beginnen nun aus dem Verbot der sexuellen Aktivitäten heraus, die sogar mit Gefängnisstrafen geahndet werden, neue (oder besser gesagt seitengewechselte) Verbrechen, wo junge, überschäumende Mädchen alte Männer entführen und vergewaltigen, die aufgrund ihrer eingeschränkten Libido der Epidemie gegenüber ebenfalls immun sind, wobei die Epidemie, wie ja schon erwähnt, irgendwie immer weniger eine Rolle spielt. Die Bewegung und Entwicklung einer frauendominierenden Gesellschaft ist kaum noch an einer Heilung für die sterbenden Männer interessiert. Eine recht groteske Situation. (Ob es eine weitere Anspielung von Merle ist, dass der Mann, der entführt wurde und dann kraft Rechtssprechung auch noch fünf Jahre Haft dafür bekommt, ein ehemaliger Geistlicher ist? Oder will er die Situation nur ins völlige Extrem treiben?)
Martinelli stellt mit Schrecken fest, dass der Ort seiner Gefangenschaft, trotz der Demütigungen, Überwachungen und Umzäunungen, immernoch eine Oase gegen die düstere Außenwelt ist.
Zitat von Merle
Der Begriff „geschützter Mann“ klang weniger ironisch, wenn man wusste, was außerhalb der Schutzzone vor sich ging. Für die Intakten war nicht innerhalb der Stacheldrahtumzäunung die Hölle, (…) sondern draußen.
Liebe Grüße
tAxine
Art & Vibration
Hallo Taxine,
Zitat von Taxine
Die Bewegung und Entwicklung einer frauendominierenden Gesellschaft ist kaum noch an einer Heilung für die sterbenden Männer interessiert. Eine recht groteske Situation. (Ob es eine weitere Anspielung von Merle ist, dass der Mann, der entführt wurde und dann kraft Rechtssprechung auch noch fünf Jahre Haft dafür bekommt, ein ehemaliger Geistlicher ist? Oder will er die Situation nur ins völlige Extrem treiben?)
Sie sind nicht an eine Heilung der Männer interessiert, weil sie keine Männer mehr brauchen, sie haben doch eine superdoll. Die Benutzung einer superdoll ist nur unmoralisch und wird nicht weiterverfolgt, eben weil Frauen dadurch nicht schwanger werden können. Die ganze feministische Diktatur läuft darauf hinaus, Männer seien völlig unnütze Wesen, die man einfach nicht braucht. Sex braucht man auch nicht, den Kinder können auf andere Weise hergestellt werden ( da ist doch irgendwo im Roman schon vom Klonen die Rede).
Ist doch auch wie eine Parodie, dass die Kriminalität heruntergeht. Männer waren eben diejenigen, die die Laster der Unterwelt brauchten, "männliche Laster": "Spiel, Rauschgift und Prostitution".
Ich sage mal, es handelt sich hier um exzessiv fundamentalitischen Feminismus, den Merle erfunden hat, um aufzuzeigen, das fundamentale Gesinnung überhaupt nichts bringt und nur Gewalt und Unmenschlichkeit mit sich bringt. Die Welt außerhalb des Stacheldrahtzauns ist genauso wahnsinnig, wie das Leben hinter dem Stacheldraht.
Es ist natürlich klar, dass Merle hier und da bewusst überspitzte Bilder produziert, wie denn das des Geistlichen, der entführt wurde, und im Knast landet. Es soll die totale Unsinnigkeit übertriebenen Feminismus' aufgezeigt werden, der einfach nur total absurd ist. Ich glaube, Merle spielt hier mit Ironien, man kann über solche Unsinnigkeiten in Zeiten der Enzephalitis 16 gelegentlich auch schmunzeln. Kein Wunder, dass die Antisextante Deborah Grimm heißt. Die grimmige Dame, die den Sex abschaffen will, huuu huu. Die Frau Grimm ist in ihren Ansichten viel strenger als Anita. Anita wurde wohl durch ihre unmittelbare Umgebung, von der US-Präsidentin, beeinflusst und trennt sich von Martinelli).
Zitat von Merle
Und ich bin vor allem erstaunt. Wie manipulierbar sind doch die Menschen. Wie schnell lassen sie sich kneten!
Zitat von Taxine
Ich habe bei der Unsichtbaren auch schon einen Verdacht,
du meinst, Kapitel 10/11, nicht wahr?
Sie erscheint sehr künstlich ("steif und affektiert, als hätte Helsingforth ihre Sätze zu sehr vorbereitet").
Also, entweder ein Roboter, oder sie wurde mit operativen/hormonellen Eingriffen vermännlicht, also fast so was wie eine Transsexuelle. Männer werden nicht gebraucht, also ändern Frauen ihr Geschlecht, so schaue man auch auf die Körperstruktur: Schulter breiter als Hüfte, 190 cm groß. (der masculine Pol zu Audrey).
Zitat von Merle
Wie konnte ich das neue Evangelium vergessen. Es gibt keine Heterochromosomen XX mehr.
Liebe Grüße
mArtin(US)nelli
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 11.12.2009 14:50von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Martinus,
Zitat von Martiuns
du meinst, Kapitel 10/11, nicht wahr?
Nein, mein Verdacht bestand schon etwas früher und hat sich als falsch erwiesen. Wo ich zunächst noch gedacht habe, Herta Helsingforth sei nur ein Name, ohne tatsächliche Person dahinter, um eine Kontrolle aufrecht zu erhalten, die sich dann als unangreifbar herausstellt, eben darum, weil sie nicht tatsächlich existiert, war ich dann echt enttäuscht, als diese sich als Super-Emanze offenbart, als Mann-Weib, das groß und muskulös. vulgär und ohne Manieren ist und sich Martinelli als Lustsklaven nimmt. Dieser sagt von ihr:
Zitat von Merle
Ich habe es mit einem Götzenbild zu tun, nicht aus Stein, sondern aus Fleisch und Blut, mit einem Götzen ohne Seele.
Sie gehört wohl zu den Exemplaren, die in ihrer übermächtigen Weiblichkeit den Mann ersetzen sollen. Ihr Verhalten ihrer Angestellten - dem devoten „Kind“ - gegenüber, spricht für sich, weil sie in ihrer Verachtung über den Mann hinaus alles hasst, was nicht sie selbst ist. Ein alles zerstörender Narzissmus erster Güte, die notwendige Folge aus diesem absurden Herrschaftssystem der „absoluten Weiblichkeit“.
Zitat von Merle
Ich staune, wie sie es fertig bringt, mich so von oben herab anzusehen, obwohl sie sich zu meinen Füßen befindet.
Jackie – die Milizionärin - fand ich interessant, die sich dann ganz anders herausstellt:
Zitat von Merle
Man verblödet ja als Milizionärin! Routine, Routine und nochmals Routine!
Oder die Figur Bess. Ein schöner Kontrast, als diese grell geschminkte Prostituierte, die für den Staat arbeitet, um die Samenbank zu bereichern, sich in ihrer ganzen Menschlichkeit, in der Zuwendung und Zärtlichkeit zu Ricardo zeigt.
Merle geht es auch um Rassismus in seinen verschiedensten Ausartungen.
Zitat von Merle
Ich bin weit davon entfernt, mich meiner italienischen Vorfahren zu schämen, aber ich mag es nicht, wenn man sie ständig ausbuddelt, um sie für meine Fehler oder Vorzüge verantwortlich zu machen.
Nach der Befreiung und den Sturz der Präsidentin Bedford findet sich Martinelli in einer neuen Rolle wieder, die nicht weniger unterdrückt ist, sich nur ohne Hass und Gewalt ausnimmt. Er darf nicht, sondern soll sogar mit mehreren Frauen zusammenleben, hier sind es Jackie und Burage. Dabei reflektiert er noch einmal über das Verhältnis zwischen Mann und Frau:
Zitat von Merle
In der harten Sprache der Tatsachen heißt es, dass der Mann in die Frau eindringt. Aber könnte man nicht auch sagen, dass die Frau den Mann “ umgibt“?
... bevor er dann endlich die ganze Situation besser begreift. Was zuvor als Gewalt und Unterdrückung, absolute Kontrolle vorherrschte, wird nun mit Hilfe von Gesetzen anders kontrolliert. Der Mann wird „liebevoll“ entmündigt, hat weder Mitspracherecht bei der Geburt noch überhaupt, wird lediglich präsentiert.
Der Trieb ist wieder gestattet, das Serum ermöglicht schnelle Heilung, doch die Macht ist immernoch alleine in den Händen der Frauen.
Gerade Martinelli, der viel Freude am Sexuellen hat, (wie schön er es zuvor formuliert hat, als er noch im Schloss Blueville war, wo durch das Verbot und die Überbewertung der sexuellen Annäherung die einfachsten Begegnungen sofort durchleuchtet und gedeutet wurden und damit ganz automatisch jeglicher Gedanke auf das Sexuelle gerichtet war, weil alles nur noch darauf reduziert war) sieht sich nun als Objekt, wo die Frau zuvor vom Objekt zum Subjekt geraten ist. Er darf zwar mit allen möglichen Frauen schlafen, jedoch keine Ansprüche stellen. Die Heirat ist nur noch eine oberflächlich erlaubte Rechtfertigung, dass alles rechtlich und frei sei, die aber natürlich kaum noch jemand wahrnimmt. Sein einziger Trost bleibt, dass der Mann in dieser Frauen-Allmacht-Welt nicht mehr gehasst wird und durch Superemanzen ersetzt werden soll. Ganz im Gegenteil, er wird geliebt, so sehr geliebt, dass er nun seinerseits zum Götzenbild gerät, zum „rührenden Gegenstand“, schön, notwendig, aber unbrauchbar für alles andere, dabei ganz ohne Rechte. In Katalogen werden nur noch Männer (fast nackt) abgebildet, um die weibliche Kauflust anzuregen (was für ein Bild). Gleichzeitig schafft die neue, sexuelle Freiheit und die Förderung der „Mütter“ gierige Frauen, die sich einfach nehmen, was sie wollen, die ihre Erregung offen zur Schau tragen und damit den Mann ungezwungen und herausfordernd begegnen. Der Mann hat die Rolle mit der Frau getauscht, ist zum Sexobjekt geraten. Allerdings ausschließlich. Weder seine Werte, noch sein Können wird anerkannt, nur sein Geschlecht. Wiederum muss er sich dem Schutz der Frauen unterstellen, um sich vor zu eifrigen Frauen-Gangs zu retten. Auch seine Noch-Frau Anita kehrt - mit dem Einverständnis von Burage und Jackie - zurück und will ein Kind von ihm, eine Abmachung, die über Martinellis Kopf entschieden wurde, der er sich notwendigerweise unterwerfen muss.
Zitat von Merle
„Wie alle bedeutenden Persönlichkeiten hat Anita es sich angewöhnt, Monologe zu führen.“
Das Kinderkriegen wird zur Pflicht, zur Erfolgschance. Da schreiten die neuen „Pioniere der Fruchtbarkeit“.
Eine ebenso grauenhafte Vorstellung.
Übrigens, noch einmal kurz zurückgeschwungen· Gelacht habe ich bei dieser Stelle über den französischen Staatsmann Defromont, ein eher kleinerer Chauvinist, der zwar die Frau als berechtigt erklärt, zu regieren, aber das „weiße Kleid der Unschuld“ ablehnt, dass sich die Präsidentin Bedford überstreift, obwohl sie noch vor Jahren als bekennende Lesbe auf die Straßen ging und dafür kämpfte, dies sagen zu dürfen und dies zu sein.
Zitat von Merle
Nicht, dass Defromont, der kultivierte Hellenist, irgendwelche Feindschaft gegenüber den Homosexuellen hegte. Im Gegenteil, er hatte eine aus dem Jahre 1945 stammende Verordnung annullieren lassen, die sie in Frankreich unter Strafe stellte. Doch fand er es im höchsten Grade geschmacklos, auf der Straße sein eigenes Sexualleben auszuposaunen. „Stell dir vor, Constance“, sagte er zu seiner Frau, „Napoleon wäre durch die Straßen Ajaccios mit einem Schild gezogen: Ich lass am liebsten an mir lutschen! Nicht einmal die Korsen hätten ihn ernst genommen.“
Merles Einfühlungsvermögen in die Welt der Frau, die er durch den nun sexuell angebeteten Mann darstellt, hat mich sehr beeindruckt, und zeigt, dass dieser Schriftsteller sich für die Frau als Wesen interessiert hat, sich viel mit ihr und ihrer Welt auseinandergesetzt haben muss. Viele Dinge bleiben immer unscheinbar, unsichtbar, und können trotzdem zur Belastung werden. Der ganze Roman ist neben seinen grotesken Situationen und der Gewalt, dem Aufzeigen der Gefahren eines absoluten Herrschaftsstystems (völlig egal, in welchen Händen sich dieses befindet) immer wieder mit Kleinigkeiten gespickt, die anprangern, was in der Gesellschaft der Frau gegenüber als normal empfunden wird. Das hat mir gefallen.
Oder wie Martinelli es ins Wort fasst:
Zitat von Merle
Wäre ich Christ, würde ich sagen, dass ich Buße tue. Denn offen gestanden wird mir von Tag zu Tag, da die Rollen vertauscht sind, immer klarer: Anlass zur Buße gibt es genug.
Die Situation mit Herta Helsingforth fand ich, wie gesagt, eher enttäuschend, hätte mir mehr erwartet, statt einer Super-Emanze, die sadistisch-narzisstisch tyrannisiert und dann, mit ihren Emotionen und Wutausbrüchen, auch noch so endet, wie sie dann endet. Der Machtwechsel des einen weiblichen Herrschaftssystems in das nächste, von einem Extrem in ein neues der Unterdrückung, war dann wiederum gelungen und verleitet doch zum Nachdenken.
Zitat von Merle
Wohin man auch geht, der Stacheldraht bleibt.
Liebe Grüße
tAxine
Art & Vibration
werte Taxine,
durch Helsingforth's Erscheinen wurde sie zu einer verzerrten Fratze dieses brutalen Feminismus. So zynisch und vergiftet sie war, solche Männer muss man auch erst mal suchen.
Übrigens, es hat fast so etwas wie eine Deborah Grimm gegeben. Valerie Solanas, die Frau, die Andy Warhol beinahe erschossen hat, schrieb im Jahre 1967 das „Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer“, siehe hier. Andy Warhol fand es brilliant geschrieben und witzig. Wieviel Satire in dem Text steckt, wieviel bitterer Ernst, ist wohl nicht auszumachen. Ich sollte das mal lesen.
Am Ende des Romans folgt „Hope“. Wenn es nach mir ginge, hätte ich den Roman mit Cormac McCarthy(i)scher Gewalt zu Ende gebracht. Merles Variante eröffnet aber auch einen besondern Reiz, weil die Gesellschaft wieder restauriert werden muss, existiert doch ein Männerschwund, und so entwickelt sich eine andere Feminismusvariante: Männer müssen mehrere Frauen haben, Kinderzeugungspflicht. Der Mann wird nur als beischlafender „Erzeuger“ wahrgenommen, hat kein Recht auf die Vaterrolle. Anita sagt recht frivol:
Zitat von Robert Merle
Ich habe nicht die Absicht, dir dein Leben durcheinander zubringen. Du lebst mit zwei charmanten Frauen zusammen, das ist sehr gut so.
Ist es aber wirklich so gut für den Mann? Ein Paradies für Männerträume? Wenn ich im Fernseher oder in einer saloppen Zeitschrift Hugh Hefner mit seinen jungen Mädels sehe, wird mir eher schlecht. Die Vorstellung, ein Mann könne mit mehreren Frauen glücklich sein, halte ich für eine Illusion, er mag vielleicht manchmal davon träumen, Träume sind aber Schäume, jedenfalls diese. So schnell lässt sich unsere Kultur auch nicht aufweichen, dass eine Ehe bedeutungslos wird, auch wenn sie schon in unserer gegenwärtigen Zeit zu verwässern beginnt. Wer weiß, was in 100 Jahren ist. Vielleicht wird Robert Merle noch zum Propheten (oder lieber nicht).
Zitat von Taxine
Merle geht es auch um Rassismus in seinen verschiedensten Ausartungen.
Zitat von Robert Merle
Eine gewählte Regierung wagt es, ihre Bürger wie eine Herde Vieh zu behandeln und auf Grund willkürlicher Entscheidungen einige wenige zu Hengsten, die Mehrheit zu Wallachen zu machen. Erneut bestätigen sich meine Befürchtungen. Bedfords männerfeindlicher Sexismus ist eine Art Rassismus, und wie jeder Rassismus wird er, machtpolitisch intregriert, zwangsläufig zu einem verbrecherischen Instrument gegen die Menschheit.
Ich hatte manchmal den Eindruck, Merle schreibt auch hier gegen den Nationalsozialismus. Da ist der Vergleich mit einem Konzentrationslager, oder dies:
Zitat von Robert Merle
Kastration und Selektion sind nämlich nur die beiden Seiten ein und derselben Sache, der Rassenhygiene.
Natürlich gleichzeitig ein Roman allgemein gegen verbrecherische Diktaturen und gegen Auswüchse des Feminismus. Egal ob man Männer oder Frauen mit Sexismus belegt (die Wortschöpfung „Phallokrat“ bleibt hängen), es ist immer eine Beleidigung.
Zitat von Camille Paglia
Feminismus sollte den Geist befreien und ihn nicht beschränken.
(über Camille Paglia hier)
Der Roman steht für Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern, auch wenn Merle nicht direkt darüber schreibt. Mir gefallen die Ironien, die die Botschaft des Romanes transportieren, und mir gefällt die Konzentration auf nur ein Opfer, Dr. Martinelli. Das lenkt nicht ab, die anderen geschützten Männner sind nur Beiwerk.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 12.12.2009 19:32von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Werter Martinus,
Zitat von Martinus
Ist es aber wirklich so gut für den Mann? Ein Paradies für Männerträume?
Ich glaube kaum, dass ein Mann von so einem "Paradies" träumt, wenn er gleichzeitig dabei entmündigt wird und zum Gebrauchsgegenstand reduziert.
Zitat von Martinus
Ich hatte manchmal den Eindruck, Merle schreibt auch hier gegen den Nationalsozialismus.
Ja, unbedingt. Nicht nur das Ghetto-Hafte des Schlosses, die Abgrenzung und Kontrolle dort, der Zwang, Sperma zu liefern wie ein alter Gaul, auch die Darstellung der Gegenseite durch den zeternden Stien, der einerseits durch seine Erlebnisse alles verteufelt, aber oft genug auch im Recht ist:
Zitat von Merle
Ralph, hüte dich stets vor Leuten, die sich für deine Großväter interessieren! Entweder sind es Rassisten oder Rassehygieniker! Und beide sind vom selben Schlag.
Zitat von Martinus
Am Ende des Romans folgt „Hope“
Am Ende des Romanes entdecke ich keinerlei Hoffnung. Es ist ein verändertes Bild ohne Gewalt, aber nicht ohne eine andere Form der Unterdrückung. Für wen besteht da die Hoffnung?
Auf jeden Fall ein schöner Roman. Biste bereit für "Malevil"?
Liebe Grüße
tAxine
Art & Vibration
Zitat von Martinus
Ist es aber wirklich so gut für den Mann? Ein Paradies für Männerträume?
Zitat von Taxine
Ich glaube kaum, dass ein Mann von so einem "Paradies" träumt, wenn er gleichzeitig dabei entmündigt wird und zum Gebrauchsgegenstand reduziert.
Ich habe da spekuliert über Männerträume allgemein, ohne einen Blick auf die Diktatur zu haben.
zu "Hope": Kurioserweise, und das ist wieder die Ironie von Merle, heißt die neue Präsidentin, die der Schreckensdiktatur folgt, "Hope" mit Nachnahmen (das wird ungefähr zweimal erwähnt). Ja, das ist verwirrend, jaja. Es ist wie eine Parodie.
auf die Insel, auf nach Malevil (als Insellektüre "Robinson Crusoe")
Liebe Grüße
mArtinus
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RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 12.12.2009 19:58von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ach, na klar. Die neue Präsidentin meintest du. Ob Merle auch vorausgesehen hat, dass der Name und die Deutung den Leser hier leicht verwirren wird, wenn er mit einem anderen Leser darüber reflektieret?
Art & Vibration
RE: Robert Merle
in Die schöne Welt der Bücher 12.12.2009 19:59von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
"Die Insel" gibt es, glaube ich, von Merle auch noch.
Aber jetzt erst einmal ab auf die andere Insel, genau!
Liebe Grüße
tAxine
Art & Vibration
Malevil
frz. Mal = Böse
engl. evil = Böse
Malevil ist eine fiktive Burganlage in Frankreich, im Hundertjährigen Krieg von Engländern erbaut. Im Leben vom Emmanuel hat diese Burg schon immer eine Bedeutung gehabt. Als Kind (1948) ist er gerne in Burg geflüchtet, als er von seinen Eltern Anbstand haben wollte. Die Burgruine ist offiziell gesperrt, weil sich auch schon mal Steinbrocken von ihr gelöst haben. Für den Jungen, war die Burg ein geheimer Ort. Im Alter von 35 Jahren kauft Emmanuel diese Burg und lässt sie für Touristen restraurieren. Er verdient nun Geld damit, hat auch Pferde und Kühe und eine merkwürdige Beziehung zu einer Frau, Birgitte, in die er angeblich doch nicht so verliebt ist, sie aber ihm Liebsbriefe schreibt. Als die Dame sich für einen anderen Herrn entscheidet ist Emmanuel tief enttäuscht und angeknackst (ja, ja, die Frauen, nicht wahr?). Er hat auch einen Weinberg, in der Burg einen Weinkeller. Eines Tages fällt die Bombe, vernichtet das Land. Emmanuel und ein paar Freunde überleben im Weinkeller.
In den ersten Kapiteln wird die Katastrophe vorbereitet. Ob die Einzelheiten, die über das Landleben erzählt werden wirklich so wichtig sind, weiß ich nicht. Merle wollte sicher ersteinmal das schöne Landleben schildern, das völlig normale Leben, dass nun mit einem Schlag beendet wird, als die Bombe im Jahre 1977 fiel. Als Leser habe ich natürlich gewartet, na, wann passiert es denn nun, und als es dann passierte, konnte ich es im ersten Moment selber nicht fassen. Eine Hitzewallung bis 70 Grad im Weinkeller. Emmanuel glaubte, er müsse sterben. Mir gefällt es sehr gut, wie detailliert Merle diesen Beginn der Katastrophe schildert. Die Spannung steigt, ein sehr intensives Erzählen, was mich total bannt. Ich fühle mich in das Geschehen einbezogen. Im Erzählstrang viel konzentrierter, als die Schilderungen vorher.
Schockierend ist das Verenden eines Hundes:
Zitat von Robert Merle
Das arme Tier muss versuchrt haben von dem Feld oder aus dem Zwinger, wo es sich aufhielt, zu flüchten, und als es auf die Straße kam, die es für gewöhnlch einschlug, verfingen sich seine Pfoten in dem geschmolzenen Teer des Fahrdamms; dort blieb es kleben, schmorte auf der Stelle und verendete.
Emmanuel erzählt übrigens alles rückblickend.
Das fürs erste!
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)