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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

M-eine Stadt

in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 14.04.2010 19:10
von Bea • 680 Beiträge

Ich sitze vor meinem PC und sehe den Regentropfen am Fenster zu. Kleine Perlen werden gegen die Fensterscheibe gedrückt und langsam bilden sie eine Schnur, die sich wie ein Rinnsaal nach unten bewegt.
Traurigkeit legt sich auf mein Gemüt-, Tropfen für Tropfen fällt auf mein weißes Blatt Papier.
Mein Blick geht auf meinen PC und plötzlich fingen meine Gedanken an zu tanzen.
Das ungeschriebene Blatt Papier war schon vergessen.
Wolke für Wolke türmen sich über meinem Kopf auf und bilden eine ungeahnte Kraft.

Dieser quälende Klang, der mir durch Mark und Knochen ging, ein jugendlicher Schrei, der im Trubel dieser Stadt unterging.
Meine Tochter Lara (damals 19 Jahre alt) hielt ein Video in ihrer Hand.
Mama das musst du dir ansehen!
Ihre Kumpels gründeten eine Band und sie hatten eine Hip Hop/Rap Musik komponiert mit Bildern aus ihrer Stadt.
In dieser Stadt wohnten in der DDR rund 53 000 Menschen.
Nach der Wende haben sich die Einwohner drastisch reduziert, es sind noch 33 000 Einwohner und diese Auswanderung nimmt einfach keine Ende.
Ganze Wohnblöcke wurden und werden dem Erdboden gleich gemacht. Wo damals glückliche Kinder spielten, ist heute nichts mehr zu sehen.
Überall nur Rasen und wenn man leise ist, hört man die Vögel singen. Blühende Landschaften ohne Kindergeschrei!Viele Wohnblöcke stehen verweist und leer, ohne Türen und Fenster , zum Abriss bereit.
Die Bagger können gar nicht so viel leisten.
Man stahl den Kinder ihr Nest und ihre Geborgenheit!Manche von ihren Eltern haben heute noch keine Arbeit.
Aus dieser Stimmung heraus nahm die Musik ihren Lauf.

Hörten Erwachsene je diesen Schrei? Wohl kaum, denn jede Gruppe kümmert sich nur um sich!
Werden sich diese Zeiten niemals ändern? Immer das gleiche eintönige Spiel!
Wo sind diese vielen Stimmen hin, die sich einst am Tag der Deutschen Einheit zu einem Orkan auf türmten?
Eine friedliche Kraft bekam ihren Sieg.
Verstecken sich die Erwachsenen hinter ihren vier Wänden, frei nach dem Motto: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen!
Oh ihr Bürger dieser Stadt, ist nicht unsere Jugend das höchste Gut, für die es sich lohnt, laut zu werden?
Meine Stimme ist zu klein, kann nur schreiben und weinen:“ Lasst unsere Kraft vereinen!“

Ihre Melodie und ihren Schrei werde ich nie vergessen.
Wer etwas über die DDR erfahren will und wie diese Jugendlichen diese Wende erlebt haben, sollte sich dieses Video ansehen und hören.
Ehrlicher geht, s nimmer. Als die Wende kam waren sie noch Kinder.

Dieser Text entstand aus einer Wut heraus: Als ich hörte, dass Hartz IV für Jugendliche gekürzt werden soll!
Wie viel Unsinn denken sich noch die Politiker aus!?

(Dies schrieb ich im Jahre 2006 als ich eine starke Psychose hatte.)




Der Bezug des Menschen zu Orten und durch Orte zu Räumen beruht im Wohnen. Bauen/ Wohnen/ Denken - Heidegger Martin

zuletzt bearbeitet 14.04.2010 19:13 | nach oben springen

#2

RE: M-eine Stadt

in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 04.07.2010 14:39
von LX.C • 2.821 Beiträge

Zitat von Bereska, Bautzen, 8.11.1968
in Hoyerswerda gehalten, das einen entsetzlich sterilen Eindruck machte. Ein öder Kasten neben dem anderen. Dazwischen eine Kaufhalle mit Wellblechdach. Innen trotz reichlichem Angebot der Eindruck von Dürftigkeit, Uneleganz. Was Wunder, dass Hoyerswerda in der Selbstmordstatistik an erster Stelle steht. Die Vorstellung vom neuen, eigenen, schöpferischen Stil ist dort vollkommen ins Absurde geführt.


(Bereska, Henryk: Kolberger Hefte, Frankfurt a.M./Wien/Zürich 2007, S. 38.)


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[i]Poka![/i]

zuletzt bearbeitet 04.07.2010 14:42 | nach oben springen


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