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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Mark Twain

in Die schöne Welt der Bücher 25.04.2010 15:49
von Martinus • 3.195 Beiträge

Mark Twain: Knallkopf Wilson

Lobenshymne auf einen Knallkopf

Mark Twains im Jahre 1894 erstmals erschienender Roman „Knallkopf Wilson“, in Vergessenheit geraten, ist zum 100. Todestag wieder erschienen, und wir gucken gleich mal hin, wie der Roman auf amerikanisch heißt, ah...“Pudd'nhead Wilson", so üngefähr heißt das „Matschbirne“, wäre ja noch lustiger gewesen als „Knallkopf“, aber belassen wir es bei Knallkopf, der als David Wilson um das Jahr 1830, als er noch keine Matschbirne gewesen war, an den Mississippi ins kleine Kaff Dawson's Landing kam und durch eine verschrobene seltsame Äußerung beim Volk nur noch als Knallkopf durchging, die Betitelung Zeit seines Lebens behalten hätte, wäre er nicht durch einen Prozess, Sherlock Holmes wäre tief beeindruckt gewesen, zum Helden geworden, und Sherlock Holmes sowieso im Neide erblasst gewesen wäre, weil Knallkopf Wilson schon die Technik des Fingerabdrucks beherrscht hatte, die noch offiziell nicht erfunden war, erst „in Francis Galtons „Fingerabdrücke“ (Finger Prints, London 1892) der Öffentlichkeit vorgestellt“, wie uns das Nachwort von Manfred Pfister aufklärt, den Leuten von Dawson's Landing dies alles aber schnurzegal, hiellten sie doch Wilsons Sammeln von Fingerabdrücken für kindisch und närrisch, bis sie halt ungefähr zwanzig Jahre später, als Rechtsanwalt David Knallkopf Wilson seinen genialen Prozess geführt hatte, danach es so eben ausgeschaut hat, David Wilson an sich niemals ein Knallkopf gewesen war, sondern die Matschbirnen eher im Volke herumliefen, Mark Twain sich über solch eine Spekulation, wie sie mir gerade im Hirn dämmerte,aber repektvoll verschwieg, da man David Wilson ja irgendwie doch durchaus respektiert hatte, nur seine Karriere als Rechtsanwal lange Zeit verspielt gewesen war, und es musste erst ein Wunder geschehen, bis alle Vorurteile gegenüber dem angeblichen Knallkopf zermatscht waren.

Was sonst noch los ist

„Dawsons's Landing war eine Sklavenhalterstadt“, die Mulattin Roxana dort im Hause eines Weißen versklavt, zwei Babies aufzuziehen hatte: Tom hieß das ihre, Chambers das ihres Herrn und nun kommt eben der Clou des ganzen: Roxana galt als Negerin, obwohl sie phänotypisch Weiß aussah, ihr Kind blondgelockt und blauäugig, also der Tom so weiß aussah wie Chambers, und ihre Herrschaft, weil sie die Kinder sowieso nicht genau anschauten, Roxana deswegen die Kinder leicht vertausche konnte, weil ihr Tom, der als Neger galt, später nicht an die Südstaaten verkauft werden sollte, die Südstaaten nämlich Roxana ein fürchterliches Unbehagen bereiteten, da dort die Sklavenhaltung wesentlich brutaler war, dieses Schicksal ihrem Sohn ersparen wollte, Roxana den Babies also nur die Kleider tauschen brauchte, auf diese Weise Tom zu Chambers wurde und Chambers zu Tom, deswegen das Kind der Herrschaft in die Sklaverei geschickt wurde, Roxanas weißhäutiges Negerkind als freier Mensch leben durfte, was allerdingst nicht ohne Probleme von Statten ging, weil Chambers, der nun Tom hieß, von Roxana sehr verzärtelt und verwöhnt wurde, als Erwachsener ein ruppiger, rücksichtsloser Mensch wurde, sich gegenüber seinem Bruder, der doch der Weiße war, herrisch aufführte, im Leben sonst dieser Tom liederlich war und sich verschuldete.

Auf Grundlage des Babytausches windet sich eine Handlung zusammen, die hanebüchen, einfach unfassbar ist, in der Mark Twain, und das verdeutlicht auch nochmal der Plot der Geschichte, ausdrücken möchte, dass nicht die Herkunft eines Menschen für dessen Entwicklung entscheidend ist, sondern die Sozialisation, wie ein Mensch aufwächst. Mit dem Babytausch führt Twain den Rassismus und die Sklavenhaltung ins ad absurdum, auch deswegen, weil Roxana und ihr Baby weiß aussehen.

Zitat von Mark Twain

Eigentlich war Roxy so weiß, wie man nur sein konnte.



Epilog

Es ist nun unmöglich auszumachen, ob Knallkopf Wilson, oder Roxana und Tom die Hauptpersonen sind. Alle sind gleichbedeutend für den Roman, allerdings Wilson, und das finde ich merkwürdig, über längere Zeit aus dem Roman herausgleitet, und später dann wieder auftaucht. Auch wenn die Romanhandlung bis in die letztenWinkel logisch aufbauend ist, deshalb auch kein Verriss zu erwarten ist, ist der Aufbau des Romans doch zu hinterfragen. Er ist eher szenisch gesetzt, der Faden zwar nicht aus dem Auge gelassen wird, weil die Szenen sich aufeinander aufbauen, mir aber der Eindruck hinterlassen wird, der Roman sei zu zerstückelt. Das andere, und ich weiß nicht, ob Mark Twain dass immer so macht, entscheidene Handlungen werden sehr kurzbündig erzählt, die Spannung erst zum Schluss hin angetrieben wird, der Roman deshalb einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt, trotzdem Zwiespalt, bzw. Doppelgängerei bei Mark Twain allerdings nichts Ungewöhnliches ist, und sich ohne weiteres eine Gestalt vom Knallkopf zum Helden dehnen kann, aus Weiß Schwarz werden soll und umgekehrt. Der Wilson, der ja nicht gerade eine gematschte Birne hat, schreibt an einem Almanach/Kalender, dessen Kostproben der Leser vergnüglich lesen kann. Darunter auch Zwiespältiges:

"Warum freuen wir uns bei einer Geburt und trauern bei einem Begräbnis? Weil wir nicht die Person sind, um die es geht.
Knallkopf Wilsons Kalender"


mArtinus




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 25.04.2010 16:18 | nach oben springen

#2

RE: Mark Twain

in Die schöne Welt der Bücher 03.05.2010 15:19
von Martinus • 3.195 Beiträge

Hallo,

da ich mir nicht schon wieder ein Buch kaufen wollte, ging ich heute in die Unibibliothek und holte mir von Mark Twain: "Leben auf dem Mississippi" und "Durch Dick und Dünn" (Gesammelte Werke II, Hanser).

Dass nun eine Koinzidenz besteht zwischen meiner Lektüre "Leben auf dem Mississippi" und der Ölkatastrophe dort, ist glatter Zufall, denn Twains Lektüre ist schon länger geplant gewesen.

In "Durch Dick und Dünn" schildert Twain seine Erlebnisse im amerikanischen Westen. Das ist sicher hochinteresssant, ein Zeitzeuge. Schade, dass diese Erlebnisse in deutscher Sprache vergriffen sind, zumal es außerdem in deutschen Twain Ausgaben ein ziemliches Durcheinander gibt. Da hat der Mare-Verlag Twains "Post auf Hawai" neu verlegt, sein gutes Recht, es besteht kein Copyright mehr. Ich bin mir aber sicher, dass der Text ein kleiner Teil aus "Durch Dick und Dünn" ist, denn es wird doch nicht zwei verschiedene Berichte aus Hawaii geben.

Nun ist des doch logisch, bevor ich später mal den "Bummel durch Europa" lese, ich erstmal Twains Blick auf Amerika erforschen möchte.

Nun denn, gehe ich zum Mississipi....

Liebe Grüße
mArtinus




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zuletzt bearbeitet 03.05.2010 15:19 | nach oben springen

#3

RE: Mark Twain

in Die schöne Welt der Bücher 11.12.2012 12:55
von Martinus • 3.195 Beiträge

Eine Bluttat, ein Betrug und ein Bund fürs Leben

Nicht nur am Rande eines abgelegenen Dorfes in Missouri lebt der Farmer John Gray mit seiner Familie, sondern es ist gleichzeitig auch außerhalb der Welt des Fortschritts. Die Bewohner von Deer Lick sind nie mit der Eisenbahn, mit Dampfschiffen, Telegraphen und Zeitungen in Berührung gekommen. Ein hinterwäldlerisches Kaff, in dem die Protagonisten auch einen sonderbaren Dialekt sprechen, der in der deutschen Übersetzung an einigen Stellen zu Tage tritt. In dieser Abgeschiedenheit bleiben auch die Träume von Reichtum auf der Strecke. Um an Geld heranzukommen, will der Farmer seiner Tochter Mary an den reichen jungen Herrn Hugh Gregory verheiraten, doch dann scheint eine alte Familienfehde dieser Verbindung einen Strich durch die Rechnung zu machen. Schließlich fällt auch noch ein Franzose nicht nur sprichwörtlich vom Himmel. Sein Heißluftballon ist abgestürzt. Der Franzose war ein Mitarbeiter des französischen Romanciers Jules Verne, den Mark Twain nicht leiden konnte. Im Nachwort von Georg Klein ist nachzulesen, Twain habe Julen Verne „einen französichen Idioten“ genannt, „unter dem die Welt schon viel gelitten habe...“ In Twains Erzählung wird Jules Verne vorgeworfen, „Romane über Erfahrungen zu schreiben, die nicht die seinen seien.“ In diesen Passagen der Erzählung kann der Leser die humoristischen Ader Mark Twains kosten. Aufjedenfall, dieser vom Himmel gefallene Franzose bringt die Story ins Trudeln, und wir dürfen uns freuen, dass diese Erzählung im Jahre 2001 endlich erscheinen konnte.

mArtinus




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