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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst


#1

Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 14.05.2010 15:07
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Janwillem van de Wetering ist eigentlich Krimiautor. Die beiden Bücher, die ich von ihm gelesen habe - "Der leere Spiegel" und "Reine Leere" - sind jedoch Erfahrungsberichte, denn de Wetering verbrachte u. a. 18 Monate in einem buddhistischen Zen-Kloster in Japan.

„Der leere Spiegel“, sagte er. „Wenn du das wirklich verstehen könntest, dann gäbe es für dich hier nichts mehr zu suchen.“

In „Der leere Spiegel“ berichtet er, wie er mit sechsundzwanzig Jahren die Entscheidung trifft, auf der Suche nach sich selbst, dem Sinn des Lebens und Satori, in ein Kloster zu gehen, sich einem Meister zu unterwerfen, Schüler zu werden. Er reist dafür, statt nach Indien, lieber nach Japan, aus dem simplen Grund, weil es dort einfach zivilisierter und geordneter zugeht. Er hatte von jungen Auswanderern gehört, die in Indien auf der Suche nach Befreiung und Erlösung an der Ruhr zugrunde gingen. Würde er in Japan krank werden, so wäre wenigstens ein Krankenhaus in der Nähe.

Als er in Kioto ankommt, begeht er sofort den ersten Fehler, denn er läutet die Glocke am Eingang des Klosters, woraufhin ein aufgebrachter Mönch ihm entgegen eilt. Diese Glocke wird nur geläutet, wenn außergewöhnliche Umstände es erfordern, wie Neujahr, Besuch hoher Persönlichkeiten und ähnliches, und nun steht hier ein großgewachsener Holländer und erbittet einfach nur Einlass.
Ihn verwundert selbst, wie schnell er als Schüler aufgenommen wird, wie gesprächig am Anfang die doch sonst so wortarmen Zen-Mönche sind, nur stellt der Meister eine Bedingung. Er müsste acht Monate bleiben. Wetering erklärt, er hätte auch drei Jahre Zeit, wobei der Meister abwinkt. Acht Monate, mehr soll man nicht versprechen. Wetering ist einverstanden, lässt sich seine Zelle zuweisen, die er erst einmal putzen und in Ordnung bringen muss, und unterwirft sich dem harten Leben dieses Klosters.

Hier lernt er nun, dass Meditation Schmerz bereitet, alles andere als einfach ist, dass Schlaf für die Mönche zweitrangig ist. Um drei Uhr in der Frühe wird aufgestanden und meditiert, und erst um elf Uhr nachts ist der Tagesablauf beendet.
Zen ist frei, so wird ihm bewusst, doch ein Zen-Kloster ist festen Regeln unterworfen. Er bekommt seinen Koan gestellt und muss jeden Tag den Meister aufsuchen, um diesem darauf eine Antwort zu geben, die er nicht findet.
Er hat dauerhafte Schmerzen, nirgendwo gibt es Gelegenheit, sich zu entspannen, alles soll bewusst gemacht werden. Er schläft, wenn er schläft und er isst, wenn er isst – wie es in einer bekannten Zen-Geschichte heißt. Hier geht es nicht um ein tieferes Verinnerlichen und um Gottsuche, sondern alles, was getan wird, wird mit aller Aufmerksamkeit verrichtet, die die Sache erfordert, so werden die kleinsten Handlungen zum Akt des Zen, ob es nun Gartenarbeit, die Betrachtung eines Baches oder die Hilfe in der Küche ist.

Nach und nach wird Wetering der eigene Charakter sichtbar, wenn er z. B. stolz ist, dass er mit seinen steifen Beinen seine Haltung für den halben Lotussitz verbessert hat und es verkünden möchte. Die Gutmütigkeit des Aufsehers und sein Lächeln zeigen ihm die eigenen Eitelkeiten. Ihm fehlt die Demut, die er den Mönchen als angeborene Eigenschaft unterstellt. Viele der Mönche sind nicht, wie er, freiwillig in diesem Kloster, sondern durch die Eltern gezwungen. So stellt er sich häufig die Frage, warum er weitermacht, warum er diesen Ort überhaupt aufgesucht hat, was er hier wirklich zu finden hofft.

Als er einen Tag lang wieder in die „normale Welt“ zurückkehrt, um seinen Pass zu verlängern, stellt er fest:

Zitat von Janwillem van de Wetering
Ich hatte das Klosterleben nicht gewählt, aber akzeptiert als Mittel zum Zweck; nun, da sein Druck nicht mehr auf mir lastete, sehnte ich mich nach der Stille des Gartens mit seinen Grün- und Grautönen und den einfarbigen Kutten der Mönche. Hier war mir zu viel Betrieb; es war zu voll, zu geschäftig. Die schreienden Farben der Plakate störten mich, das Kreischen und Lachen ging mir auf die Nerven. Eigentlich sollte man alle Menschen zwingen, regelmäßig zu meditieren, in Hallen, die in jeder Stadt der Welt gebaut werden müssten: Zwangsruhe jeden Abend von sieben bis neun, ein Pflichtbesuch beim Meister jeden Morgen um halb vier, und ein Meister für jede Straße. Die Natur müsste wiederhergestellt werden, mit großen Wäldern um alle Städte und Waldhütten für Einsiedler, die nicht das Bedürfnis hatten nach einem Meister. In jedem Wald eine Garküche für die Allgemeinheit; als Fortbewegungsmittel wieder das Pferd oder das Kamel, vielleicht auch den Elefanten, damit wir alle aufs Neue lernten, mit Tieren zu leben, mit Wesen anderer Art. Unterdessen könnte die Technik weiter fortschreiten, mit leistungsfähigen Fabriken und schnellen Zügen und Flugzeugen und Schiffen und Raketen, damit jeder sein Essen und Trinken und seine Kleidung mit einem Mindestaufwand an Energie bekommen könnte.



Der Klosteralltag wird mit viel Humor beschrieben. Man erhält einen guten Einblick in die Zen-Kultur und die Schwierigkeit, mit der ein westlicher und auch ein östlicher Mensch ihr begegnet. Vom Koan über die Sesshins – die Meditationswochen im Kloster -, in denen sieben Tage lang nicht eine Sekunde vertan wird. Meditation ohne Bewegung über Stunden auf hartem und kaltem Boden, zwei Stunden Schlaf, geschwollene Hände durch die Bewegungslosigkeit, eine Außentemperatur von null Grad, Schläge, wenn es nach Stunden zu einer Bewegung kommt. Rohatsu ist die letzte Prüfung, wie Wetering erfährt. Wenn er die nicht besteht, muss er das Kloster verlassen. Hier geht er eher aus Zorn und Willenskraft in diese Übung und baut mächtige Aggressionen und Hassgefühle gegen die Mönche auf. Er verbrennt sich den Bauch, mit einem unerlaubten Hilfsmittel, das aber nicht nur er benutzt, um sich während der langen Zeit zu wärmen, fällt um, schlägt Mönche und wird geschlagen. Hinterher muss er feststellen, dass er aufgrund seiner schlechten Japanischsprachkenntnisse die Mönche falsch verstanden hatte, dass er nicht weggeschickt worden wäre, hätte er die sieben Tage nicht überstanden, sondern dass man im Gegenteil davon ausging, dass er diese Tortur als westlicher Mensch nicht durchhalten werde und darum das Recht hätte, vorzeitig aufzugeben und während dieser Tage in einem Hotel zu übernachten, bis die Rohatsu beendet war.
Ein anderer westlicher Schüler lacht herzlich über das Missverständnis:

„… du bist ein solcher Trottel, dass du aus Versehen ins Nirwana läufst!“

Die Belohnung nach so einer schweren Übung ist die Freiheit, ein heißes Bad, ein ausgewogenes Essen voller Leckerbissen und Delikatessen, für die östlichen Mönche ihre Lieblingsspeisen, für die westlichen Schüler ein amerikanisches Frühstück. Wetering spürt eine tiefe Ruhe und Zufriedenheit in sich.

Veränderungen erlebt Wetering sehr langsam, doch diese sind gewaltig. Hin und wieder bricht er aus und erliegt einer alten Gewohnheit oder ganz neuen oder verstößt gegen die Klosterregeln. Die Mönche sind nicht dumm oder blind und dulden doch alles, weil es, wie Wetering bald herausfindet, nicht um den Zwang dieser Regeln geht, sondern um ganz andere Dinge.

Zitat von Janwillem van de Wetering

Es gab einmal einen Zen-Meister, der sagte, seine erste Satori-Erfahrung habe darin bestanden, dass er in allen Leuten sich selbst erkannte. Jeder, dem er begegnete, hatte sein Gesicht.



Doch das Klosterleben birgt auch seine Lausbubenseiten, Streitigkeiten an freien Tagen (als ein Üben und Versagen und die Normalität dieser Umstände) oder Verstöße gegen den Vorsatz, niemanden zu töten. Oft werden Kleintiere im Klostergarten ausgesetzt, die dann, weil sie die Meditation stören, heimlich und stillschweigend ertränkt werden.

Da Wetering die Übungen aber nicht immer richtig erfüllt und sich häufig eher durchschummelt, wird er bald aus dem Kloster verwiesen und soll neue Unterkunft bei einem der höheren Schüler des Meisters nehmen, der auch aus dem Westen kam und nun in Japan lebt und arbeitet. So wird dem Leser nicht nur das Leben zwischen Klostermauern vor Augen geführt, sondern die Traditionen Japans. Auch Kritik wird geübt, oftmals in viel Ironie getaucht, manchmal auch so ernst, wie die Umstände es erfordern. Zwischen Meister und Schüler besteht eine besondere Beziehung, die über die gewöhnlichen Gesetze hinausgeht, ja, außerhalb von diesen steht. Für diese Praxis bedarf es starker Nerven und einem unbändigen Willen und Glauben, tiefes Vertrauen und auch Selbstsicherheit.

Was in diesem Buch nachwirkt, ist die Erfahrung, die Geschichte, die selbst verpackt in Zen ist. Wetering hat, auch wenn er die Mühseligkeit beschreibt, natürlich einiges erkannt, ohne sich und sein Ich ganz aufzulösen, und diesen Bericht angenehm, in gleicher Ruhe, verfasst, wie dieses Erlebnis ihn tief geprägt, verändert, bereichert hat und sicherlich immernoch durchströmt.

Alles geschah bewusst; auf meine Bewusstheit war ich stolz, des Stolzes war ich mir bewusst und auf dessen Bewusstheit wiederum stolz gewesen. Es lief wie im Kreis: Wie schlau bin ich doch, dass ich weiß, wie dumm ich bin; wie dumm bin ich, zu glauben, ich sei schlau; wie schlau bin ich, mir meiner Dummheit bewusst zu sein; und so weiter.

Auch wenn er sein ihm gestelltes Koan damals nicht gelöst hat, so wird er einige davon Jahre später in anderen Begegnungen lösen. Dazu bald ein Blick auf "Reine Leere", seinen zweiten Erfahrungsbericht.




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 16.05.2010 14:20 | nach oben springen

#2

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 14.05.2010 19:44
von Zypresserich (gelöscht)
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Zitat von Taxine
„Der leere Spiegel“, sagte er. „Wenn du das wirklich verstehen könntest, dann gäbe es für dich hier nichts mehr zu suchen.“

Meine Rede. Der Rums kann einem auch in der heimischen Kammer kommen. Gruß: Tor (torlos).

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#3

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 14.05.2010 21:01
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Ein Mönch kommt zu Joshu: „Wenn ich nicht ein einziges Ding mitbringe, was sagst du dann?“
Joshu sagte: „Wirf es fort!“
Der Mönch sagte: „Aber Meister, ich habe nichts, was kann ich fortwerfen?“
“Dann trag es mit dir herum“, sagte Joshu.
Als der Mönch den Meister die befreienden Worte sagen hörte, wurde er erleuchtet.




Art & Vibration
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#4

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 14.05.2010 21:35
von Zypresserich (gelöscht)
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Jemand fragte: «Was ist die härteste Sache im Universum?»
Joshu erwiderte: «Wenn es das Fluchen ist, darfst du mich den ganzen Tag verfluchen. Wenn es das Spucken ist, magst du ganze Ozeane hinrotzen.»

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#5

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 15.05.2010 12:35
von Martinus • 3.195 Beiträge

Hallo Taxine,

ich habe sehr gerne deine Eindrücke über das Buch gelesen. Es zeigt ja ganz deutlich, dass für uns Westler ein Aufenthalt in so einem Zen-Kloster zu schaffen machen kann. Beachtlich, dass es Wetering trotzdem so lange (sagen wir mal) durchgestanden hat.

Liebe Grüße
mAtinus




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
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#6

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 15.05.2010 19:40
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Werter Martinus, vielen Dank. Der olle Wetering hat lange durchgehalten, es aber nicht geschafft. Das Buch endet mit dem Trinken eines kühlen Biers.

Nun zu "Reine Leere":

Ziel des Meisters ist es, den egozentrischen Faulpelz so weit zu bringen, dass er aufhört, sich mit seinen Masken aufzuspielen.

Der zweite Bericht ist kein fließender Text, sondern stellt viel eher aneinander gereihte Erinnerungen im Umgang mit Zen dar. Es findet auch ein Rückblick auf das japanische Zen-Kloster aus „Der leere Spiegel“ statt, der nun wesentlich nüchterner erfolgt.
Vierzig Jahre sind vergangen, die Berichte liegen zwanzig auseinander. Das ist kein Koan, sondern lediglich die Zeit in Leben und die Zeit in Schreiben.
Wetering blickt nun anderes auf Zen, großzügiger für sich selbst und weniger demütig, meditiert nicht mehr, hat geheiratet, besitzt ein schönes Haus, ein paar Waffen und ist zufrieden. Die buddhistische Weisheit: Leben ist Leiden. – leuchtet ihm unter diesen Umständen nicht mehr ganz ein, bis sein Blick wieder zurück in die Welt fällt.
Was zuvor Suche war, hat sich nun zum Ich in der Sehnsucht nach Leere bekannt, gefüllt mit Erkenntnis mit dem einen oder anderen durch Bücher erschlichenen Koan.

Direkt am Anfang begegnet er einem selbsternannten, indischen Guru, der ihn beeindruckt, der erklärt, dass Koans völlig überschätzt seien, genauso wie der Weg.
Davon abgesehen, dass kein Weg in die Zen-Einsicht führt, solange der Schüler nur für sich selbst Erleuchtung will – Nur der Selbstlose geht durch das Nadelöhr. - , sagt auch das Herzsutra:
Es gibt kein Leiden, keinen Grund für das Leiden, kein Ende des Leidens und keinen Weg.

Nach der japanischen Klostererfahrung, hat sich Wetering erneut einer buddhistischen Schule (jedoch einer westlichen in Amerika) und damit einem neuen Meister angeschlossen, den er Sensei nennt und dem die „ehrliche Würde“ fehlt. (Man fragt sich, warum er den ganzen Unsinn dann trotzdem mitmacht. Und warum so häufig. So eine Sehnsucht nach Glück und Satori mag ja ein Grund sein, einer buddhistischen Schule beizuwohnen, doch wenn man nichts findet, dann geht man eben, insbesondere, wenn das, was man findet, nicht dem üblichen Ritual des Zen entspricht.)

Zitat von Wetering
Gibt es keine Originalität mehr? Muss jeder Zen-Meister der letzten tausend Jahre (mit Ausnahme Hakunins, dessen komische Erscheinung die Sekte aufhellt) mit Bedacht eine Sammlung oft benutzter, eselohriger, durchgekauter und ausgespuckter Sprüche aus der verbrauchten Vergangenheit auswühlen? Und wird dann erwartet, dass er seine Auswahl bündelt und zu seinem eigenen Werkzeug macht, um damit das Innere seiner glücklosen Schüler aufzubrechen? Kann er sich nicht selbst ein paar Anekdoten ausdenken? Soviel ich in modernen westlichen Schulen gesehen habe, wird über Originalität die Stirn gerunzelt. Im alten Trott gehen oder die Stufen des Sanzen-Hauses hinuntergestoßen werden. Keine Kritik an Sensei. Dein Guru ist unfehlbar. Geprüft. Für vollkommen befunden.



Über die Koans sagt Wetering, dass es (auch gegen den Willen vieler Zen-Meister) mittlerweile etliche Bücher gibt, die diese sowohl beschreiben als auch auflösen (z. B. das MUMONKAN (die torlose Schranke) oder das HEKIGANROKU (Niederschrift von der Smaragdenen Felswand) – zwei klassische Koan-Sammlungen). Irgendwie erinnert das an Leute, die gerne Rätsel lösen, indem sie hinten im Heft die Lösung nachsehen.
Er stellt fest:

Ich jedenfalls habe diese Erfahrung gemacht. Das „Trag ihn mit dir herum“ - Koan hat mir nicht viel gebracht, als ich widerstrebend durch seine vielen Krümmungen gezerrt wurde, doch später tauchte es wieder auf und hinterließ einen Eindruck.

(Somit ist der Zweck dann wohl doch erfüllt.)

Wetering beklagt sich aber auch über die ganze westliche Haltung zum Osten, eine Ahnungslosigkeit (seine eigene Einstellung, bevor er in das Zen-Kloster gegangen ist und wenig davon wiedergefunden hat, wovon er so ausführlich gelesen zu haben glaubte), diese ganze Beweihräucherung unter völlig falschen Voraussetzungen. Der Traum von Erleuchtung, wobei Erleuchtung westlich geprägt wurde, durch den Trend zum positiven Denken – ein Wertlegen auf die Dinge.

Eines der Koans bringt ihn zu der Erkenntnis: Wer sein eigenes Wesen sucht, ist von Anfang an verloren. Ich kann etwas Vorübergehendes finden, meine Persönlichkeit, aber wen, einschließlich mir, kümmert das?

… und erzählt dazu eine schöne Zen-Geschichte über den Mönch mit dem rastlosen Geist:
Der Mönch geht zum Meister, damit dieser das verdammte Ding beruhigt.
„Können Sie das tun, Sir?“
„Mal sehen, mein Freund, bring mir deinen Geist, damit ich ihn untersuchen kann.“
„Ich kann ihn nicht finden, Sir.“
„Na bitte, ich habe ihn für dich beruhigt.“

Als er Besuch von einem Bewunderer bekommt, der ihn für einen Zen-Autor hält, bemerkt Wetering für sich:

Zitat von Wetering
Mein Besucher hatte begonnen, mich zu nerven, weil er sich nicht davon abbringen ließ, dass ich ein Mystiker sei. Ich will überhaupt nichts sein. Er bestand darauf, dass ich ein Mystiker sei, weil „Sie auf der Suche nach Buddha sind“. Nun, warum sollte ich auf der Suche nach einem indischen Prinzen sein? „In Ihren Gebeten“, erklärte er. Glaubte er, ich würde jeden Abend niederknien und Buddha anflehen, sich in einer Vision zu zeigen? Sein Insistieren ärgerte mich wahrscheinlich auch deshalb, weil ich es vor dreißig Jahren tatsächlich schön gefunden hätte, Buddha, wie in tibetischen Schriftrollen dargestellt, auf seiner Wolke sitzen zu sehen: der freie Buddha, fernab vom unaufhörlichen sich drehenden Rad der schmerzhaften Reinkarnation, das von Mara, dem Dämon des Todes, in Gang gehalten wird. „Ja“, sagte Mr. Hinayana, „genau das tun Sie, wenn Sie um Seine Gnade bitten, Buddha suchen.



Nein, das eben tut er nicht. All die Negation des Zen findet er auch bei Hume und Nietzsche. Auch Zen ist nur Hilfe.
Was Wetering anklagt, sind die selbsternannten und auch erleuchteten Zen-Meister, die ihre Schüler zu Abhängigen machen. Er sagt am Ende, dass seine Meister, denen der Leser im Buch begegnet, reine Collagen sind – überspitzt dargestellte Charaktere. Ganz im Sinne Duchamp sagt er: „Es ist nie zu spät, nichts zu tun.“ und warnt vor den existenzbedingten Luftblasen und dem Hang zum Nihilieren des Seins, dem gleichgültigen Verhalten und dem Nichtstun. Wenn er auch glaubt, eher wenig aus der Erfahrung Zen gewonnen zu haben, weil er wohl zu rational am Leben hängt, bemerkt man jedoch, in wie vielen Situationen und Denknuancen er das im Zen gelernte Wissen und Nichtwissen anwendet, bishin zum Schrei: "Berg Sumeru!" Er sucht immernoch nach dem Nicht-Sein und weiß gleichzeitig um die Unmöglichkeit.

Zitat von Wetering
Wenn wir erst über die höchste Realität der Leere, das Nichts von allem, das uns begegnet, meditiert haben und von der Last, ein Universum auf unseren Schultern tragen zu müssen, befreit worden sind, können wir uns umdrehen und erkennen, dass Leere „nichts“ in Myriaden von Formen projiziert.



Verschwinden können wir nicht, und dieses Ego, das wir loswerden sollen, dieses Ich, das wir auslöschen müssen, bleibt trotzdem das, was wir sind. Alle Lektionen machen Spaß. Er endet mit herrlichen Worten. Besinnen wir uns auf das Hier.




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 15.05.2010 19:50 | nach oben springen

#7

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 15.05.2010 19:54
von LX.C • 2.821 Beiträge

Zitat von Taxine
Meditationswochen im Kloster -, in denen sieben Tage lang nicht eine Sekunde vertan wird. Meditation ohne Bewegung über Stunden auf hartem und kalten Boden, zwei Stunden Schlaf, geschwollene Hände durch die Bewegungslosigkeit, eine Außentemperatur von null Grad, Schläge, wenn es nach Stunden zu einer Bewegung kommt.




--------------
[i]Poka![/i]

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#8

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 17.05.2010 21:30
von Zypresserich (gelöscht)
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Zitat von Taxine
All die Negation des Zen findet er auch bei Hume und Nietzsche. Auch Zen ist nur Hilfe.

Also da will ich dann doch mal (mich in der Wiese wälzen). Zen ist eben nicht Negation. Und was heißt: "nur" Hilfe? Zen ist ("nur"?) eine Geisteshaltung, und wenn ich als Individuum einen gewissen Grad von kognitiver oder nicht-kognitiver Freiheit erreicht habe, dann sollte ich die Wahl haben, die Wahl, in Entscheidungsmomenten entsprechende Schubladen bewusst zu ziehen, mich entscheiden können für: wie reagiere ich auf dies, wie will ich denken oder fühlen über jenes (geht!). Etwa so, wie man sich entscheidet, ob man sich die Spiegeleier diesmal mit Schinken und Käse und Estragon oder mit Kräutern der Provence würzen will usw.

Natürlich kann man die Lösungen der Kreuzworträtsel nachlesen: der Gewinn? Man ist hinterher schlauer. Ob ich's beim Rätseln eh nicht weiß oder es gleich nachschaue, der Effekt ist: Aha, der Rhein fließt durch Deutschland (das war ein Beispiel). Kann ja jedes für sich alles entscheiden, ich sach nur kurz: wer "es" begriffen hat, der wandelt besser (war jetzt gemein). Logos rein, Logos raus, das ist doch die ganze Krux des Mumonkan Wumenguan oder wie auch immer. Das ist doch alles kein Hexenwerk, das ist so einfach wie Hundestrunzeln an einen Laternenpfahl. Um nix mehr geht's doch als um die Gewahrwerdung dessen, dass sich die Welt nicht nur im Wenn-Dann abspielt, und dass Nirwana im Samsara ist.

Und von wegen Heuristiken @ Ego Ich Selbst etc. sach ich ma: Krishnamurti lesen (Jiddu), aber so richtig. Der unterscheidet gar nicht großartig, sondern da geht's einfach um die (vielstrapazierte) Freiheit des Individuums, im Denken wie im Nicht-Denken. Ich entscheide, wie und was ich denke. Ich entscheide, wie ich reagiere auf dies und das etc.

Freiheit zur Geisteshaltung jenseits vorgefertigter Prämissen. Schawoll. Und immer schön kritisch sein, ne?

Amen. Om. Hosianna. Würg. Bing. Pling. Kling.

zuletzt bearbeitet 17.05.2010 21:36 | nach oben springen

#9

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 24.05.2010 17:06
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Zitat von Zypresserich

Zitat von Taxine
All die Negation des Zen findet er auch bei Hume und Nietzsche. Auch Zen ist nur Hilfe.

Also da will ich dann doch mal (mich in der Wiese wälzen). Zen ist eben nicht Negation.




Hältst du denn Nietzsches Schriften für eine Negation?


Zitat von Zypresserich
Natürlich kann man die Lösungen der Kreuzworträtsel nachlesen: der Gewinn? Man ist hinterher schlauer. Ob ich's beim Rätseln eh nicht weiß oder es gleich nachschaue, der Effekt ist: Aha, der Rhein fließt durch Deutschland (das war ein Beispiel).


Unterscheidet sich das Gewonnene nicht, wenn es selbst erschlossen (oder wenigstens durchdacht, selbst wenn das Ergebnis nicht erkannt ist), als wenn das Ergebnis durch eine fremd übermittelte Lösung als Aha! nachgeschaut ist? Ich denke schon, dass die eigene Auseinandersetzung eine ganz andere Tiefe erzielt. Das Ergebnis ist gleich. Klar. Das Ergebnis ist immer ZEN. (Oder das Abstrahieren aller Komplexität auf das Einfache der Dinge. Den Verstand ausschalten, der alles erklären will...) Und eigentlich ist das Ergebnis am Ende völlig egal. Eben ganz: Mu. Und wenn man's erkannt hat, braucht man auch kein Koan mehr. Dann ist ZEN ganz ZEN.
Die Koans sind ja nur Hilfen und Wegweiser für die Erkenntnis.
(Ein Rätselrater, der die Lösungen nachschaut, ist eben kein Rätselrater im eigentlichen Sinne. Er umgeht das Rätsel selbst. Damit verhindert er die Erkenntis über das Rätsel. Ist beim ZEN nicht anders. Das Koan wird gestellt, und der Weg dorthin, wie es erkannt wird, ist so unterschiedlich, wie die Menschen. Die tatsächliche Lösung spielt dabei eine eher unwesentliche Rolle.)

Aber die Koans sind klasse:
Du befindest dich oben auf einer dreißig Meter hohen Stange. Wie bewegst du dich jetzt vorwärts?




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 24.05.2010 17:28 | nach oben springen

#10

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 25.05.2010 18:48
von Roquairol • 1.072 Beiträge

Bücher über Zen sind gefährlich ...
Insofern sie nämlich den Leser von der eigentlichen Zen-Praxis abhalten können. Wer sich ernsthaft auf den Weg des Zen begeben will, der möge in erster Linie:

1. Zazen praktizieren
2. Zazen praktizieren
3. Zazen praktizieren ...

Und wenn er dann noch Zeit hat ... Also ich lese Zen-Bücher oder auch Krishnamurti immer in der Straßenbahn auf dem Weg zum und vom Zen-Dojo.

Koans sind gar nicht so zen-typisch, wie oft geglaubt wird. Es gibt verschiedene traditionelle Zen-Schulen, und nur in einer davon, und nicht einmal der größten (Rinzai), wird mit Koans gearbeitet. Der Zweck des Koans liegt darin, die Logik des Schülers an ihm zerbrechen zu lassen und den Schüler dadurch auf eine Stufe zu heben, die jenseits von Logik und Sprache liegt. Deshalb ist es völlig unsinnig, in einem Buch die "Auflösung" des Koans nachlesen zu wollen. Denn was dort steht, ist ja auch wieder in Sprache formuliert, während die "wahre" Auflösung des Koans sich niemals sprachlich formulieren lässt. Jene angeblichen "Auflösungen" sind auch nur vage Annäherungen an den trans-sprachlichen Sinn. Wer also als Un-Erleuchteter in solchen Lösungsbüchern liest, bekommt in Wirklichkeit anstatt der Auflösung nur ein zweites Koan, das er auch nicht versteht ...
Bedenklich ist solche Lektüre aber, weil sie manch einen zu dem Glauben verleiten könnte, er habe etwas verstanden, obwohl dies nicht der Fall ist (sogenannte Schein-Erleuchtungen - die sind bei weitem der schlimmste Zustand, in den ein Un-Erleuchteter geraten kann ...).




Homepage: http://www.noctivagus.net/mendler
Facebook: http://www.facebook.com/people/Klaus-Mendler/1414151458
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#11

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 11.08.2010 09:46
von Martinus • 3.195 Beiträge

werteste Taxine,

Zitat von Taxine
So eine Sehnsucht nach Glück und Satori mag ja ein Grund sein, einer buddhistischen Schule beizuwohnen, doch wenn man nichts findet, dann geht man eben, insbesondere, wenn das, was man findet, nicht dem üblichen Ritual des Zen entspricht.)



Sehnsucht nach Glück und Satori wiederspricht dem Zen insofern, da in dieser Sehnsucht das begrenzte Ego zum Vorschein kommt, das etwas will. Das ist kein Koan, sondern eben das, was viele Westlinge nicht begreifen, weil in unserer Denkweise vorherrscht, etwas zu machen, um irgedetwas zu erreichen.

Zitat von Taxine

Die buddhistische Weisheit: Leben ist Leiden. – leuchtet ihm unter diesen Umständen nicht mehr ganz ein,


Das Leben Leiden ist, das ist nur ein viertel Buddhismus, die erste, der Vier edlen Wahrheiten, ja, es gibt Vier edle Wahrheiten, nicht nur eine.

Liebe Grüße
mArtinus




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 11.08.2010 09:47 | nach oben springen

#12

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 11.08.2010 12:25
von Roquairol • 1.072 Beiträge

Zitat von Martinus


Das Leben Leiden ist, das ist nur ein viertel Buddhismus, die erste, der Vier edlen Wahrheiten, ja, es gibt Vier edle Wahrheiten, nicht nur eine.

Liebe Grüße
mArtinus



Dennoch ist der Buddhismus kein Pudding, den man in vier Viertel einteilen könnte - jede der Vier edlen Wahrheiten ist der ganze Buddhismus, auch wenn dies nicht "logisch" ist ...

Völlig richtig, dass die Sehnsucht nach Satori dem Geist des Zen widerspricht. Deshalb sagt Tenryu Tenbreul (der einzige deutsche Zen-Meister) etwas provokativ, es gebe gar kein Satori, und wir sollten bei der Meditation nicht erwarten, dass sie uns etwas bringt, sondern nur meditieren, um damit positiv auf unser Umfeld auszustrahlen.

Zitat von Taxine
So eine Sehnsucht nach Glück und Satori mag ja ein Grund sein, einer buddhistischen Schule beizuwohnen,



Warum muss ich bei dem Wort "beiwohnen" immer in erster Linie an die biblische Bedeutung denken ("er hat seiner Frau beigewohnt")? ...




Homepage: http://www.noctivagus.net/mendler
Facebook: http://www.facebook.com/people/Klaus-Mendler/1414151458
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#13

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 11.08.2010 17:38
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Zitat von Martinus
werteste Taxine,

Zitat von Taxine
So eine Sehnsucht nach Glück und Satori mag ja ein Grund sein, einer buddhistischen Schule beizuwohnen, doch wenn man nichts findet, dann geht man eben, insbesondere, wenn das, was man findet, nicht dem üblichen Ritual des Zen entspricht.)



Sehnsucht nach Glück und Satori wiederspricht dem Zen insofern, da in dieser Sehnsucht das begrenzte Ego zum Vorschein kommt, das etwas will. Das ist kein Koan, sondern eben das, was viele Westlinge nicht begreifen, weil in unserer Denkweise vorherrscht, etwas zu machen, um irgedetwas zu erreichen.




Aha, vielen Dank, werter Martinus.
Das Koan hat aber wiederum auch nichts damit zu tun, denn ein Koan dient nicht dem Satori, sondern lediglich dem Zertrümmern der Logik.

Zitat von Roquairol
Warum muss ich bei dem Wort "beiwohnen" immer in erster Linie an die biblische Bedeutung denken ("er hat seiner Frau beigewohnt")? ...





Kurz noch einmal zusammengefasst: Van Wetering wohnte später in Amerika einem Zen-Kurs bei, von dem er erkannte, dass er nichts mit dem wirklichen ZEN zu tun hatte. Der Zen-Meister war ein Betrüger. Ich fragte mich da nur, warum er dieses "Leiden" (welches nichts mit den vier Wahrheiten zu tun hatte oder mit dem Schleier der Welt oder mit dem beschränkten Ego, sondern lediglich die Qual war, zu wissen, dass er als "Schüler" auf einen Zen-Betrüger hereingefallen ist) dann nicht einfach vermeidet, indem er diese betrügerische Welt verlässt. Stattdessen quälte er sich weiter, ärgerte sich über den falschen ZEN-Meister und legte mehr Wert darauf, auf diesen zu schimpfen, als in sich zu gehen.

Liebe Grüße an euch,
Taxine




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 11.08.2010 17:57 | nach oben springen

#14

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 11.08.2010 17:38
von Zypresserich (gelöscht)
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Zitat von Roquairol
Bücher über Zen sind gefährlich ...

Jetzt hab ich aber Angst.

Zitat von Roquairol
Insofern sie nämlich den Leser von der eigentlichen Zen-Praxis abhalten können.

Und was das Eigentliche ist, weiß ganz allein der Roq.

zuletzt bearbeitet 11.08.2010 17:41 | nach oben springen

#15

RE: Janwillem van de Wetering

in Die schöne Welt der Bücher 11.08.2010 17:39
von Zypresserich (gelöscht)
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Huch, ich habe per Inzidenz gleichzeitig gepostet mit einer nackten Frau. Das lob ich mir.

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