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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst

#1

Günstige Gelegenheit

in Prosa 04.08.2012 22:47
von Martinus • 3.195 Beiträge

Günstige Gelegenheit

Es war schon nach 22.00 Uhr, als Herr Tunichtgut in die Wohnung eintrat, seine Frau mit einem Weinglas in der Hand auf dem Teppich lag und schlief. Eine umgestürzte Flasche. Als Herr Tunichtgut sich hinunterbeugte roch er in den Teppichfusseln abgestandenen Fusel, packte Anne am Arm und rüttelte sie. Als Antwort nur ein müdes stöhnen, als sei die Welt ihr scheißegal, dann sackte sie wieder in bewusstloses Jenseits. Ihr war wirklich alles scheißegal. Sie soff ihren Kopf voll, weil ihr Mann sie links liegen ließ. Trotzdem wuchtete er ihre 72 Kilo hoch, hob sie mit beiden Armen und wollte sie ins Schlafzimmer tragen. Er hechelte nach Luft, die Wirbelsäule zwackte. Schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Reibungslos schritt er mit ihr nicht über die Schwelle. Die Tür war zu. Umständlich drehte er sich zur Seite. Sein rechter Ellbogen suchte nervös die verfluchte Klinke. Als er sie endlich spürte, verlagerte er sein ganzes Gewicht darauf und stieß mit dem linken Fuß die Tür auf. Jetzt durfte er bloß nicht stolpern und samt seiner Frau zu Boden stürzen. Sie könnte sich dabei womöglich ihren Kopf am Bettpfosten aufschlagen, auf diese Weise sich für immer von ihrer elenden Alkoholfahne verabschieden. Allerdings spukte ihm blitzschnell durch den Kopf, das sei doch die einfachste Methode, seine Frau loszuwerden. Blitzschnell, alles musste blitzschnell geschehen. Seine Frau wurde immer schwerer. Er schlurfte und stolperte absichtlich. Die Schwelle zum Ehegemach wurde zum Stolperstein ihres Todes. Beide stürzten. Wenn ein Außenstehender hätte beobachten können, wie der Mann über die Frau fiel, hätte derjenige denken können, ein sexbesessener Vollidiot hätte die Dame vergewaltigen wollen. Annes Schädel schlug gegen die Bettkannte. Sie stöhnte. Warum war sie nicht sofort tot? Da er keine Fingerabdrücke hinterlassen wollte, nahm er ein Kopfkissen und hob damit ihren Kopf noch einmal an. Mit voller Wucht trümmerte er den Schädel gegen das harte Holz, sodass Blutspritzer spermaschnell aus ihrem Hirn herausschossen und wie Rotweinflecken ihre Bettdecke zierten. Herr Tunichtgut hatte seiner Frau nur einen Gefallen getan. Sie wollte im Dunst des Alkohols sterben. Bloß ist diese Todesart völlig lahmarschig, weil es ewig dauert, bis Leber oder Gehirn kaputtgesoffen sind. Herr Tunichtgut war dumm, weil er Spuren auf dem Kissen hinterließ. Er rief jetzt seine neue Flamme an, mit der er gerade italienisch Essen war und bettelte, er wolle so gerne unter ihre Decke schlüpfen. Weil Kriminalbeamte ihn überführen konnten, schlüpfte er künftig nur noch unter die Bettdecke seiner Zellenpritsche.

mArtinus




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 04.08.2012 22:49 | nach oben springen


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