HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Eine Hitparade der besten Bücher anzulegen ist einfach, besonders weil man von dem Augenblick gepackt ist, ein Buch liest, es mag oder nicht, und wenn man es mag, dann erst einmal völlig begeistert zurück bleibt. Dann ist es auch leicht, hier abzuschätzen, an welcher Stelle man es in seine Beliebtenliste einfügt, und desto begeisterter man war, desto höher wird es angeordnet.
Das Lesen selbst ist immer ein bisschen von Laune und Moment abhängig, mal ist man offener, mal mehr auf Stil und Sprache fixiert. Hin und wieder packt ein Inhalt und lässt für den Augenblick des Lesens nicht mehr los.
Aber, es wäre vielleicht interessant mal eine Hitparade der Bücher aufzustellen, die lange nachwirken, an die man sich in Einzelheiten noch erinnern kann, dessen Inhalt nicht in Nebel verschwimmt, die man zitieren kann, die einen geprägt haben.
Diese Liste an angeführten Büchern wäre sicherlich nicht so lang, dafür aber bleibt sie für lange Zeit (im Herzen) erhalten.
Ich habe mal meine Liste durchgesehen und festgestellt, dass davon einige Bücher wesentlich tieferen Eindruck bei mir hinterlassen haben, als andere. Trotzdem stehen sie nicht an oberster Stelle oder sind gar nicht in der Liste aufgeführt. Es geht hier um das Nachwirken.
So habe ich mal ein bisschen nachgedacht und bin erst einmal zu folgendem Schluss gekommen:
Pessoa – "Das Buch der Unruhe" (wirkt immernoch nach, hat meinen Blick völlig gewandelt, bestärkt)
Henry Miller – "Wendekreis des Krebses" und "Das Lächeln am Fuße der Leiter" (dieses bis in die letzten Einzelheiten, dabei ist es ewig her, dass ich das Buch gelesen habe)
James Joyce - Ulysses (dieses Buch ist so einmalig, dass ich viele Einzelheiten im Kopf habe.)
Montherlant – Erbarmen mit den Frauen (jaaaa... ein Hochgenuss während des Lesens und immernoch ein Zurückdenken mit einem Lächeln.)
Tolstoi – Tagebücher, Anna Karenina (Tolstoi weckt in mir eine erstaunliche Wärme im Inneren)
Proust – Auf der Suche nach der verlorenen ZEIT (In Swanns Welt - ich könnte ewig durch Combray spazieren.)
Kafka – Die Verwandlung (erstaunt war ich, weil diese Erzählung in mir immernoch nachwirkt, wo ich sie in sehr jungen Jahren gelesen habe)
Hesse – Siddhartha (hat mich damals auch sehr geprägt)
Melville – Bartleby (eine herrliche Geschichte durch seine Figur, die absolut unbegreiflich bleibt)
Lem – Also sprach Golem, Der futurologische Kongress (Hat tiefe Überlegungen in mir hinterlassen.)
Strugazki Brüder – Picknick am Waldesrand (vielleicht durch Tarkowskijs Film Stalker intensiv eingeprägt)
Pinol – Im Rausch der Stille (Durch seine phantastische Geschichte in wunderschöner Erinnerung)
Canetti - Die Blendung (Kien und seine Bibliothek im Kopf. Während des Lesens war ich hin und her gerissen, ob es mir gefällt oder nicht, als ich das Buch zuschlug, war ich begeistert!)
Schopenhauer – Die Welt als Wille und Vorstellung (Änderung meiner ganzen Einstellung, meines Denkens)
Sloterdijk – Sphärentrilogie (Oh... sehr viel neue Sicht und Weltdeutung)
und eine Biografie von Ross – Der ängstliche Adler über Nietzsche (Eine hohe Achtung vor dem philosophischen Schnauzbart!)
Ich muss dazu sagen, dass ich hier jetzt keine Beliebtenliste von 1 – 20 aufgestellt habe, sondern mal wahllos die Bücher genannt habe, an deren Inhalt ich mich bis ins Detail erinnere, die mich geprägt haben.
Und, wenn ein Buch einen Menschen verändern kann, dann waren es bei mir diese.
RE: Bücher - die nachwirken
in An der Literatur orientierte Gedanken 16.08.2007 16:48von Martinus
Hallo Taxine,
aus folgenen Büchern kann ich zwar nicht frei zitieren, aber sie wirken immer noch stark auf mich:
Thomas Bernhard: Wittgensteins Neffe (eine Freundschaft, so schön erzählt und diese Szenerien im Krankenhaus).
Vladimir Nabokov: Lolita (öfters gelesen, das Buch lässt mich nicht los)
Thomas Mann: Doktor Faustus ( da geht es mir wie bei "Lolita", der Musiker und der Teufel, bin total fasziniert)
Orhan Pamuk: Das schwarze Buch (Ich habe etwa zwei Monate an dem Buch gelesen, an jede Einzelheit erinnere ich mich freilich nicht, aber an sehr vieles, und die Stimmung des Romans trage ich im Herzen. Ich sehe immer noch Galib, wie er durch Istanbul streift).
Paul Auster: Portrait eines Unsichtbaren aus Die Erfindung der Einsamkeit ( Auster wird mit dem Tod seines Vaters konfrontiert, äußerst beeindruckend erzählt)
Philip Roth: Mein Leben als Sohn ( Der Sohn wird mit dem Gehirntumor des Vaters konfrontiert, einfach unvergesslich)
Franz Kafka: Die Verwandlung(kann man nicht vergessen, nicht wahr?
Robert Musil: Die Verwirrungen des Zöglings Törleß ( in einer Leserunde gelesen, seitdem immer noch gegenwärtig)
Henry Miller: Wendekreis des Krebses (habe ich zwar erst gelesen, aber ich glaube, es wird noch länger nachwirken)
Thomas Mann: Der Tod in Venedig ( ist eben im Kopf drin, mehrmals gelesen)
Cormac McCarthy: All die schönen Pferde (die weite des wilden Westens, zwei Jungens, super).
Liebe Grüße
Martinus
Ah... siehst du, da bringst du mich auf ein weiteres:
Thomas Bernhard "Frost"
(Habe von Berhard "Wittgensteins Neffen" leider noch nicht gelesen, steht aber im Regal)
Und:
Dostojewski "Die Brüder Karamasow" (wie konnte ich die denn vergessen!)
Es gab mal eine Dame, die konnte "Der Idiot" von Dostojewski frei zitieren, das ganze Buch. Na, das würde mir zu weit führen.
Aber, solche Bücher:
Ginge es darum, Literaturgestalten aus Büchern beim Namen zu nennen, dann könnte ich sie alle benennen.
Soares und co...
Ach so, habe ich vergessen zu sagen. Die Bücher in jeder Einzelheit, na da hast du recht, das ist nicht bei allen so. Aber gerade dieses Nachwirken, das "Im Herzen tragen", wie bei dir bei Pamuk, das meinte ich.
Liebe Grüße
Taxine
Bei mir:
André Gide "Die Schule der Frauen" (Oui, oui, Monsieur Gidé ist einer meiner Favoriten, in vielen Schriftwerken und Gedanken!)
Henry de Monterlant "Erbarmen mit den Frauen" (Hat mich ebenso sehr begeistert)
Saul Bellow "Herzog" (Mindestens an dritter Stelle, mindestens!)
Hölderlin in seinen Gedichten (Fan Ferro)
Baudelaire "Die Blumen des Bösen" (Nehme ich immer wieder zur Hand)
Georges Perec "Das Leben - Gebrauchsanweisung" (Ich habe noch nie so viel Zeit für ein Buch benötigt.)
Dostojewski "Die Dämonen" (Eines meiner Lieblingsbücher, die ich immer wieder lese)
Das sind die, die mir so spontan einfallen.
Die Liste wird aber bestimmt noch erweitert.
Im Gruße
Ferro
Ich finde das gar nicht so einfach. Letztens stellte mir jemand die Frage in Bezug auf Musik und es war mir nicht möglich eine Liste zu erdenken.
Es kommt, wie bei viele anderen Dingen dazu, dass ich Bücher immer im Zusammenspiel zu der Zeit sehen würde, in der ich sie gelesen habe und daher könnte ich aus früherer Sicht ein Buch von Simmel auflisten und heute nicht mehr.
Bewegt haben mich alle Bücher, die ich bis zu Ende las. Möglicherweise liegt das an meiner Ungeduld, denn einem Buch, dass mich nach hundert Seiten nicht zu bewegen vermochte, gebe ich in der Regel keine Chance für weitere Seiten.
Bei mir ist es einfach, wenn ich allen Schnickschnack abziehe und nur das Wesentliche bleibt.
Dann zeichnen sich recht deutlich die Bücher ab, die mir tief in das Innere gebrannt sind.
Der Großteil der Bücher, die auch mir sehr gefallen haben, wurde hier ja schon genannt.
Anfang der 90er hat mich
Robert Schneiders Roman:
"Schlafes Bruder" sehr bewegt.
Das war eines von den wenigen Büchern, wo mir eine Leseunterbrechung richtig schwer fiel.
Auch sehr beeindruckend fand ich -
Franz Kafka: "Das Schloß" -
oder
E.T.A. Hoffmann:
"Die Elixiere des Teufels",
Dostojewskis "Dämonen", neben "Schuld und Sühne", meine absoluten Favoriten.
Hölderlin's "Hyperion",
auch so ein unvergessliches Buch.
Aber auch Voltaire, Stefan Zweig und Büchner lese ich gerne mal wieder, wenn mir ein moderner Wälzer zu platt oder langatmig daher kommt.
Grüße
Cora
Zitat von Taxine
Dann zeichnen sich deutlich die Bücher ab, die mir tief in das Innere gebrannt sind
Mag sein, dass das so empfindbar ist.
In Bezug auf mich bin ich da nicht sicher.
Manchmal bedarf es 500 Seiten Weltliteratur, mich zu bewegen, und manchmal genügte ein Satz Taxine, der mir ganze Welten eröffnete.
Voltaire... ja.
Mich reizen im Moment auch:
Knut Hamsum "Hunger"
und Strindberg "Rausch".
Bin gespannt, welches Buch neue Barrieren öffnet.
Lieber Moulin,
ich spreche nur von mir. Jeder empfindet das anders. Ein Satz kann in unendliche Tiefen führen.
Ich hatte letztens auch eine kleine Diskussion über Zitate. Da meinte jemand von einem Zitat als schlicht zu sprechen, was ich seltsam fand, denn wenn das Zitat den Menschen beeindruckt hat und er es als Lieblingszitat aufführen möchte, dann macht man dieses doch nicht kleiner als es ist.
Aber, so wurde mir gesagt, "schlicht" war hier im Zusammenhang mit "Auf den Punkt gebracht" gemeint. Bei mir heißt "schlicht" allerdings "einfach/nicht tiefsinnig".
Siehst du, alles Deutungssache und jeder zieht zum Glück sein "Eigenes" aus Büchern.
Liebe Grüße an euch
Taxine
RE: Bücher - die nachwirken
in An der Literatur orientierte Gedanken 16.08.2007 16:51von Martinus
Hallo,
Ich mag Bücherlisten, stellen sie doch eine Leseempfehlung dar. So habe ich mir für August endlich Ross: "Der ängstliche Adler" vorgenommen, weil mir das Buch schon Jahre lang durch den Kopf schwirrt.
André Gide ist auch auf meiner Lesewunschliste, Saul Bellow interessiert mich auch. Hölderlins "Hyperion" ist auch so eine Lücke, ich mag seine Gedichte.
"Hunger" von Hamsun hat mir gefallen ("Mysterien" auch zu empfehlen).
Es gibt noch ein Buch, welches mir seit frühster Jugend ins Herze scheint:
Michael Ende: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer
Liebe Grüße
Martinus
RE: Bücher - die nachwirken
in An der Literatur orientierte Gedanken 16.08.2007 16:52von Moulin
Zitat von Martinus
...Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer...
Das hat mich auch nachhaltig beeindruckt.
Ich glaube, es war sogar die erste Theateraufführung, die ich gesehen habe.
RE: Bücher - die nachwirken
in An der Literatur orientierte Gedanken 28.08.2007 10:51von philiplarkin • 32 Beiträge
Ach ja, die Bücher und ich....
Viele, die mich nachhaltig beeindruckten und die ich deshalb ständig um mich haben muss,
habe ich ja bereits in meiner Literaturliste genannt (da wäre noch zu ergänzen: Musil und Doderer, Proust, Joyce, der frühe Handke, Alfred Kolleritsch, Ilse Aichinger, E.E. Cummings, John Irving - "Witwe für ein Jahr" ist einfach zauberhaft -, Ernst Jandl, H.C. Artmann,Philippe Jaccottet, sowie Nooteboom und Nooteboom und Nooteboom....), aber gerade habe ich in den "Akzenten" gelesen, das Mario Luzi kürzlich 90jährig in Florenz gestorben ist - ein Dichter, der mich sehr beeindruckt hat und von dem folgende Zeilen zum Thema "Glück" stammen:
Ich weiß kein anderes Los als dieses eine,
sitze entzückt in dieser feinen Flamme,
schaue das fieberhelle Blatt des Tages,
während am Himmel schon der Winter steht.
Aus "Wein und Ocker" (Klett-Cotta, 1993).
In "Akzente" gibt es späte Gedichte von ihm, darunter eines, das ich besonders schön finde:
Vögel
Der Wind ist eine harte, mahnende Stimme
für unsere Schar, die manchmal Frieden findet
und Zuflucht über diesen dürren Zweigen.
Und neu beginnt der Schwarm den öden Flug,
zieht zum Herzen des Gebirges, Blaues,
entdeckt im unerschöpflichen Erblauen,
Erz des Raumes, angebaut im Abgrund.
Der Flug ist langsam, dringt mit Mühe ein
ins Helle, das sich öffnet über Hellem,
in Zeit, die ist jenseits der Zeiten; manche
rufen die scharfen Schreie, welche stürzen
und von keiner Mauer widerhallen.
Was uns ähnelt, ist der Schwung der Gipfel
in Stunden - fast nicht mehr zu denken möglich,
zu sagen - wenn auf unsichtbaren Stengeln
ringsum überall ein fremder Frühling
erblüht in seltenen Wolken, die der Wind
weidet an einem Himmel, feucht oder brennend,
und das Geschick des Tags verändert sich,
der Hagel, der Regen und das klare Licht.
"....das Gedicht, nichts als ein Hauch."
Cees Nooteboom