HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Ich lese mit zunehmender Begeisterung Alphonse Boudard "Die Metamorphose der Kellerassel".
Boudard gehörte, ähnlich wie Celine oder Genet, zu den Außenseitern und hat, wie Genet, die Kunst des Schreibens im Gefängnis erlernt. Das Buch handelt von dieser Erfahrung.
Bin gespannt, was der Inhalt mir an Sprachstil und Sichtweise eröffnet.
Art & Vibration
Ein eigenartiges Buch. Nicht gerade aufregend, aber mit einem wunderschönen Vorwort. Geht um Schmuggler und den Übergang der Grenze zwischen Polen und Russland. Viel Wodka fließt. - "Wir tranken den Schnaps aus Wassergläsern, und die Schnapsgläschen sahen uns traurig zu." - Es gefällt mir, ist aber nichts, was einen umhaut. Kann ja noch kommen. "Die Geliebte der großen Bärin" von Sergiusz Piasecki.
Das Vorwort, etwas gekürzt, erklärt auch den Titel:
„Wir lebten wie die Könige. Den Wodka soffen wir gläserweis. Herrliche Mädchen liebten uns. Wir schritten über goldenen Boden. Wir zahlten mit Gold, zahlten mit Silber, zahlten mit Dollars. Wir zahlten für alles, für den Wodka und für die Musik. Liebe vergalten wir mit Liebe und Hass mit Hass.
Ich hing an meinen Kameraden, denn sie enttäuschten mich nie. Sie waren raue, ungehobelte Männer; aber mehr als einmal erwiesen sie sich als so großmütig, dass sie mir rätselhaft wurden. In solchen Augenblicken dankte ich der Schöpfung, ein Mensch zu sein.
Ich liebte die frühen, verzauberten Stunden der Frühlingstage, wenn die Sonne wie ein Kind spielte und Farbe, Glanz und Schimmer über den Himmel warf.
Ich liebte die späten Sonnenuntergänge des Sommers, wenn die Erde vor Wärme dampfte und der Wind über die duftenden Felder strich und Kühlung brachte.
Und ich liebte den bunten, rätselhaften Herbst, wenn Gold und Purpur von den Bäumen wehten – wenn Gold und Purpur einen Teppich wirkten und die Schwaden des grauen Nebels durch die Tannen zogen.
(...) Die Wolken tanzten berauschende Tänze über unseren Häuptern, die Sterne grüßten uns. Karabinerschüsse gaben uns den Salut, wenn wir kamen und wenn wir gingen. Oft war es der Salut des Todes - des Todes, der ratlos in die Runde tanzte und nicht wusste, wen er als nächsten aus unserer Kameradschaft reißen sollte. (...) Und über allem: Über uns, über der Erde und über den Wolken stand am nördlichen Himmel der große Wagen ... herrschte das einzigartige, gewaltige, unbeschreibliche Sternbild. DIE GROSSE BÄRIN, wie Pietrek der Philosoph es genannt hatte. (...)"
(Sergiusz Pasecki "Die Geliebte der großen Bärin", Europäischer Buchklub, Kippenheuer & Witsch)
Art & Vibration
Andreji Bely
Die silberne Taube...
Ich saß damals im Zug nach, ich weiß nicht mehr, da sah ich Bely, er schrieb gerade
seien letzten Buchstaben.
Verraten sie ihn mir bitte Herr Bely, doch der warf mir einen Tannenzapfen in den Schlund und
sagte, abwarten
hier aber nun doch eine wunderschöne Stelle...
Ein Herbstabend
Weißt du, wie still er ist? So still, dass deine gequälte Seele sich mit allem Leid der Welt aussöhnt, wenn die Felder sich aus dem aschgrauen Halbdunkel heben und dir ihre Armut und Leere zeigen. In allen Gliedern spürst du wohltuende Ruhe, wenn dich die Felder mit den Lichteraugen der Dörfer wie mit tränenfeuchten Augen ansehen, wenn sie in verhallenden Liedern ohne Worte zu dir sprechen, wenn die Angst, die tagelang deine Seele bedrückte, dir im erlöschenden Abendrot zulächelt: "Ich bin ja gar nicht da"