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Das Jahr des Hasen
Wahrscheinlich war es nie so einfach, wie in diesem Fall, einen Roman kurz zusammenzufassen, denn das erledigt der Erzähler so ziemlich am Ende der Aussteigergeschichte „Das Jahr des Hasen“ (1975) selbst. Nachdem der Journalist Vatanen auf den Hasen gekommen ist und diese schicksalhafte Begegnung nutzte, seinem alten Leben ein Ende zu bereiten, hatte er:
„(1) mehrfachen Ehebruch begangen. Er hatte (2) die Behörden irregeführt, indem er (3) und (4) keine An- und Abmeldung des Wohnsitzes vorgenommen hatte, war also ein Landstreicher. Er hatte (5) mehrere Tage ein Wildtier ohne entsprechende Genehmigung mit sich geführt; (6) in Nilsiä heimlich Fisch gestochen und mit einem gewissen Hannikainen zusammen ohne ordnungsgemäßen Angelschein geangelt; (7) während des Waldbrandes gegen das Alkoholgesetz verstoßen, indem er illegal hergestellten Brandwein zu sich nahm; (8) in Tateinheit mit dem Alkoholgenuß, gemeinsam mit einem gewissen Salosensaari, hatte er vierundzwanzig Stunden lang seine Aufgabe bei der Brandbekämpfung vernachlässigt; (9) in Kuhmo Leichenschändung begangen“.
Spätestens hier sei dann doch kurz eingeschoben, dass es sich bei dieser Aufzählung um offizielle Anklagepunkte der Behörden Finnlands gegen Vatanen handelt und die tatsächlichen Begebenheiten sich aus den Erlebnissen des Protagonisten heraus häufig anders darstellen und, ob aus Überlebensnot oder seinem Pflichtbewusstsein, relativieren. Bei der angeblichen Leichenschändung beispielsweise handelte es sich um den Versuch Vatanens, einen alten Mann zu reanimieren, von dessen längerem Tod er keine Kenntnis hatte, wobei es auch hier an einer tragisch-komischen Vorgeschichte nicht fehlt. Doch fahren wir fort:
„(10) sich in Meltaus am Ounasfluß an der Entwendung und dem illegalen Verkauf deutschen Kriegsguts beteiligt, (11) sich in Posio der Tierquälerei schuldig gemacht, (12) in Vitttumaisenoja einen Skilehrer namens Kaartinen misßhandelt und weiterhin (13) versäumt, rechtzeitig und ordnungsgemäß vor einem gefährlichen Bären zu warnen; hatte (14) ohne Waffenschein an einer illegalen Bärenjagd und (15) ohne offizielle Einladung an einem Essen des Außenministeriums teilgenommen; (16) unter Ausnutzung eines Mißverständnisses seinen Hasen ohne Entrichtung eines Entgelts im Staatlichen Forschungsinstitut in Helsinki behandeln lassen, weiterhin hatte er (17) den Sekretär des Konservativen Jugendverbandes in der Toilette eines Helsinkier Restaurants misshandelt; war (18) in trunkenem Zustand mit dem Fahrrad auf der Landstraße nach Kerava gefahren; hatte sich (19) bei Aufenthalten in Turenki und Hanko mit einer weiblichen Person namens Heikkinen verlobt, obwohl er verheiratet war; hatte ferner (20) im Wiederholungsfall ohne ordnungsgemäßen Waffenschein eine Bärenjagd aufgenommen und (21) im Rahmen dieser Jagd ohne Papiere die finnisch-sowjetische Grenze überschritten; danach hatte er sich (22) jener Vergehen schuldig gemacht, die er den sowjetischen Behörden eingestanden hatte.“
Soweit die Hatz durch die Kapitel aus behördlicher Sicht. Aber eigentlich ist dieser Vatanen eben doch ein ganz passabler, gerechtigkeitsliebender Kerl, der nach seinem Ausstieg aus der gesellschaftlichen Tretmühle nur seine Ruhe in der Natur und für seinen Lebensunterhalt körperliche, urtümliche Arbeit zu verrichten sucht und dabei immer wieder in skurrile Geschichten verwickelt wird.
Dabei scheint nicht die Konfrontation mit den Gefahren der Natur das Schlimmste zu sein, sondern vielmehr mit dem der Natur entfremdeten Menschen. Eines Tages soll Vatanen im Auftrag eine Waldhütte an einem See reparieren. Dabei gerät er in Konflikt mit einer Gruppe Yuppies, die in einer benachbarten Hütte lärmend die Nächte durchfeiern und sich ohne Rücksicht auf Verlusten nehmen, was sie brauchen. Als Vatanen sich zu wehren versucht, jagen diese ihn wie in einer Hetzjagd mit Gewehren und Hunden übers Eis und durch die Wälder. Vielleicht der ernsthafteste und neben dem Schluss des Romans der spannendste Moment, in dem man die Angst Vatanens buchstäblich mit durchlebt.
In meinen Händen hielt ich die 10. Auflage des 1999 in die deutsche Sprache übersetzten Romans von Arto Paasilinna, der 1975 erstmals erschien. Wer also auf der Suche nach kurzweiligem Lesevergnügen, mit viel hintergründigem Humor ist und mal ein bisschen was über die finnische Mentalität erfahren möchte, der ist hier genau richtig.
Zitate: Paasilinna, Arto: Das Jahr des Hasen, BLT, Bergisch Gladbach 2007, S.231-232.
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[i]Poka![/i]