HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Kadare - Die Dämmerung der Steppengötter
Spielt in der Sowjetunion der 50er, wurde geschrieben in den 70ern und wurde jetzt erst bei uns veröffentlicht. Ein wunderbar geschriebenes Buch über politische Duckmäusigkeit sowjetischer Schriftsteller nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an Pasternak, der aus pol. Gründen abgelehnt wurde, aus Sicht eines Gastautors aus Albanien, der sich in den Literaturkreisen bewegt. Kann ich mal wieder nur jedem ans Herz legen. Und warum jetzt? Sicher weil das Thema ausgerechnet in Europa in seinen geographischen Grenzen wieder so aktuell wie nie zuvor ist. Naja. Und die Liebe darf natürlich auch nicht fehlen :)
"Ich sah das rotfeiste Gesicht des Kritikers Ermilow vor mir, den ich haßte, weil er einer von denen gewesen war, die Majakowski in den Selbstmord getrieben hatten, und jedesmal, wenn ich ihn im Speisesaal des Erholungsheims beim Mittagessen entdeckte, kleingewachsen und häßlich, wunderte ich mich, daß sich der Schriftstellerhaufen nicht auf ihn stürzte, ihn verprügelte, teerte und federte durch die Gassen zu den Uferdünen oder zum Springbrunnen mit den Delphinen zerrte. Solange dies nicht geschah, war in diesem Erholungsheim etwas faul" (Kadare, Ismail: Die Dämmerung der Steppengötter, S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2016, S. 26 (Fischer E-Books))
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[i]Poka![/i]
Bykow - Die Toten haben keine Schmerzen.
Im Grunde ein Antikriegsroman des weißrussischen Autors Wassilij Bykow. Absolut packend!
Zitat
Als 1965 Bykaus Novelle Die Toten haben keine Schmerzen in der Literaturzeitschrift Novi
Mir erschien, wurde das Buch in der Armeezeitschrift Roter Stern verrissen. In dem Buch
hatte Bykau in einer bewegenden Geschichte Stalins Befehl kritisiert, dass kein Soldat der
Roten Armee lebend in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten dürfe. "Die Einstellung
des Verfassers ist durch und durch tendenziös und verfärbt", schrieb das Blatt. Bykau
selbst wurde von Unbekannten verprügelt – eine Methode, für die der KGB bekannt war.
In der Sowjetunion durfte die Novelle bis 1982 nicht wieder aufgelegt werden.
Quelle: ZEIT online: Fokke, Joel: Im Krieg ein Mensch bleiben, 08.05.2010
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[i]Poka![/i]
Das ist witzig. Mit Bykow liebäugle ich auch mal wieder (geht mir im Winter immer so, dass ich nach Literaturstoff suche, der mich wärmt).
Bykow steht in einigen Sachen noch ungelesen im Regal und reizt mich auch darum, weil ich gerade einen sehr schönen Roman ähnlicher Art lese, zumindest erinnert er mich an ihn. Der könnte dir auch gefallen, falls du ihn noch nicht kennst, LX.C. "Tal der Issa" von Czeslaw Milosz. Wunderbar geschrieben und lebendig erzählt.
Gott, hab' ich viel gelesen. Und auch schöne Sachen.
Darunter einiges von Henry Miller, "Der Moloch" von Cendrars und endlich die tolle und kritische Bio über Alma Mahler-Werfel "Witwe im Wahn" von Oliver Hilmes. Da zeigt er die "Muse" als sehr rassistische Furie, die, obwohl mit zwei Juden verheiratet, dann das Blut des Juden gar nicht schätzt und es für minderwertig hält. Ihre eigene Autobiografie las ich davor, die den Titel "Mein Leben" trägt. Die ist natürlich stark "geschönt" und an ein naives Publilkum angepasst, das nur zu gerne alles glauben soll. Hilmes zeigt beispielsweise schön auf, wo die Originalfassung vom publizierten Werk abweicht.
Davor las ich von Claire Goll die herrliche Autobiografie "Ich verzeih' keinem". Beide Frauen lebten in der gleichen Zeit, während Goll von Alma (wie auch einige andere) nichts hält. Die Autobiografie ist nicht umsonst eine "Chronique Scandaleuse". Goll lästert wunderbar und über alle. Das meiste mag auch nicht immer ganz wahr sein, aber, gegenüber Almas Werk macht das bei Goll irgendwie gar nichts aus. Sie ist auch nicht so stark auf sich selbst fixiert und zeigt einen scharfen Verstand, der mir sympathisch ist. Alma ist mir gar nicht sympathisch. Dass sie für viele eine Muse war, stimmt auch nicht so ganz, obwohl man sie als das kennt. Selbst hat sie ja nichts hinterlassen, stand nur an der Seite großer Männer.
So ... dann war da noch die Autobiografie von Elias Canetti. Von der "geretteten Zunge" über "Die Fackel im Ohr" bis zu "Das Augenspiel" lässt die wahrlich nichts zu wünschen übrig. Spannend und gut zu lesen für jeden, der an dieser Zeit interessiert ist.
Art & Vibration
Im Bücher-Dschungel warst Du also verschollen und so viele Biographien gelesen.
Bykow ist schon ein toller Autor. Zeichen des Unheils war auch großartig. Zuerst kam mir der Erzählstil sehr langsam vor und sehr Engmaschig, aber dann begriff ich die menschliche Intensität, die dahinter steckt. Wie mit einer Lupe seziert er die menschlichen Tiefen und Untiefen in Extrem- und Ausnahmesituationen. Das geht total unter die Haut. Überhaupt ist erstaunlich, dass man ihn nicht mehr auflegt. Überall in der Deutschen Presse fand er Erwähnung. Von der Tagesschau bis hin zur Zeit und andere Magazine und Zeitungen. Und man spricht voller Hochachtung von ihm, was bei seinem Hauptsujet ja keine Selbstverständlichkeit ist. Auch in Weißrussland ist er wieder hoch geachtet. Sogar ein Museum im Dorf seiner Herkunft hat man ihm gewidmet. Es wird also Zeit, dass sich mal wieder ein Verlag seiner Werke annimmt.
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[i]Poka![/i]
Zitat von Taxine im Beitrag #4
Das ist witzig. Mit Bykow liebäugle ich auch mal wieder (geht mir im Winter immer so, dass ich nach Literaturstoff suche, der mich wärmt).
Bykow steht in einigen Sachen noch ungelesen im Regal und reizt mich auch darum, weil ich gerade einen sehr schönen Roman ähnlicher Art lese, zumindest erinnert er mich an ihn. Der könnte dir auch gefallen, falls du ihn noch nicht kennst, LX.C. "Tal der Issa" von Czeslaw Milosz. Wunderbar geschrieben und lebendig erzählt.
Nun hab ich auch noch einen Roman mit russischer Signatur des Autors. Ganz neutral mit Bykow, Minsk und Datum unterzeichnet. Welch Freude.
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[i]Poka![/i]
Zitat von LX.C im Beitrag #5
Im Bücher-Dschungel warst Du also verschollen und so viele Biographien gelesen.
Ja. Das liegt aber mitunter auch an der unruhigen Phase. Merke immer mehr, dass ich Romanen, packen sie mich nicht sofort, kaum noch etwas abgewinnen kann. Das ist irgendwo schade. Dann greife ich zu Autobiografien, Biografien oder zu Briefen (wie jetzt mal wieder die zwischen Lawrence Durrell und Henry Miller - knapp zusammengefasst: ausgezeichnete Konversation!!!! Besonders, weil Durrell auch genial war und auf Korfu lebte.).
Den von mir oben empfohlenen Roman habe ich auch schon wieder zur Seite gelegt, liegt aber weniger an der Geschichte als an mir, denke ich. Werde ihn die nächsten Tage wieder aufschlagen. Und ja, Bykow liegt schon bereit. Ich habe Novellen von ihm gefunden. Mal sehen.
P. S. Toll, die Originalunterschrift in deinem Buch. So etwas habe ich auch schon gehabt. Oder Bücher aus der Bibliothek von Wollschläger, was dann mit Bleistift in den von mir bestellten Ausgaben stand. Die haben wohl seine Bibliothek geplündert, nachdem er vor einigen Jahren gestorben ist. Tse ...
P. P. S. Ach so. Ismail Kadare interessiert mich brennend. Danke für den Tipp.
Art & Vibration
Zitat von Taxine im Beitrag #7
P. P. S. Ach so. Ismail Kadare interessiert mich brennend. Danke für den Tipp.
Neben Besagtem ist das Büchlein auch eine ziemliche Abrechnung mit dem Sozialistischen Realismus. Ein mutiges Buch, zur damaligen Zeit. Heute eine offener Verstehenshintergrund.
Falls Du es Dir besorgst - mich hat schon wieder der Preisunterschied zwischen Druck und E-Book von einem Euro sowas von geärgert - wünsche ich Dir viel Freude.
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[i]Poka![/i]
Zitat von Taxine im Beitrag #4
Das ist witzig. Mit Bykow liebäugle ich auch mal wieder (geht mir im Winter immer so, dass ich nach Literaturstoff suche, der mich wärmt).
Bykow steht in einigen Sachen noch ungelesen im Regal und reizt mich auch darum, weil ich gerade einen sehr schönen Roman ähnlicher Art lese, zumindest erinnert er mich an ihn. Der könnte dir auch gefallen, falls du ihn noch nicht kennst, LX.C. "Tal der Issa" von Czeslaw Milosz. Wunderbar geschrieben und lebendig erzählt.
Hm. Das erscheint mir dann aber doch als das kompeltte Gegenteil von Bykow:
Zitat
Der Roman ist sinnlich, besinnlich, beschaulich. Es gehört enorme Gabe, gar Anstrengung dazu, die Erzählung nicht langweilig zu finden. Falls dies droht empfehle ich, sich einfach den Beschreibungen hinzugeben, sich reinfallen zu lassen ins Dickicht der Landschaft, dort Waldfeen zu suchen, sich auf das Sammeln von Hexenküssen zu konzentrieren.
Quelle: Amazon
Mit Waldfeen und Hexen hat ja nun Bykow gaaaar nichts zu tun und ich nix am Hut Wie kommst Du auf diesen Vergleich?
Der Anti-Kriegsroman "Die Toten haben keine Schmerzen" lässt mich indess nicht mehr los.
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[i]Poka![/i]
Hahahahaha ... nee, mit Hexen und Waldfeen lege ich mich auch nicht an. Habe bisher allerdings auch noch nicht weiter gelesen.
Der dämonische Faktor tritt im Buch nur als Verdeutlichung des Aberglaubens auf, der in der Gegend, die beschrieben wird, vorherrscht. Der Vergleich zu Bykow kam mir mehr darum in den Sinn, weil hier auch abseits lebende Menschen beschrieben werden, in ihrer Art zu leben, zu sein und eben auch in Hinblick auf ihre Traditionen und Glaubensverhältnisse inmitten eher wüster Zeiten.
Art & Vibration
Eine herrliche Parabel gegen ein vertanes Leben, gegen die eigene Unentschlossenheit und gegen das ewige Warten auf bessere Zeiten - Dino Buzzati "Die Tatarenwüste".
Art & Vibration
Das ist eher ausgeklügelt geschrieben, und niemand muss Nachsicht üben, aber ja, er muss am Ende (selbst) erkennen, Zugeständnisse machen und ... naja ... stirbt (wie es sich gehört).
Art & Vibration
Ich pack' noch ein Buch in den November, das ich heute zu Ende lesen werde. Wer Lust hat, mexikanischen Geistern zu begegnen, besser gesagt, auf surrealem Weg die Grenze zwischen den Lebenden und Toten zu überschreiten, der kann ja mal in den Kurzroman von Juan Rulfo blicken. "Pedro Paramo" heißt er. Ein kleines Meisterwerk, sowohl durch den Stil als auch durch den Inhalt.
Art & Vibration