HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Habe gerade nix da. Blätter in Vonnegut--Büchern rum und freue mich über Sachen wie diese:
„Wir sind hienieden, um herumzublödeln. Lassen Sie sich bloß nichts anderes erzählen.“
Bin auch eine Empfehlung empfänglich . . .
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Fümann lässt sich gut an. Ist unterhaltsam. Schöner Blick auf Ungarn und seine Reiseeindrücke als überzeugter "Preuße".
Auch einiges zum Lachen. Auszüge z. B. solche:
"In der Kossuthstraße fast nebeneinander: Auslagen eines Night-Clubs mit Photos der Varietédarbietungen und Auslage eines Ladens christlicher Bedarfsartikel, und auf dem Gesicht des huldigenden Tänzers und des huldigend knienden Heiligen der gleiche Ausdruck gestellter Verzückung, gleiche physische Dummheit bekundend..."
Und noch einmal zurückgeblättert:
"Ich versuche in einer Konditorei ungarisch zu bestellen und sage offenbar etwas höchst Anstößiges und weiß nicht was und bin vollkommen hilflos. In dieser Beziehung ist Ungarisch tückisch: Verwechslung von langen und kurzen Vokalen oder stimmhaften und stimmlosen Konsonanten führt oft zu phantastischen Mißverständnissen. Voriges Jahr, da ich in einem Dorfkonsum Grünzeug erwerben wollte und den dazu nötigen Fragesatz stundenlang vorher memorierte, habe ich schließlich die Verkäuferin gefragt, ob sie einen schönen grünen Arsch habe, und das nur, weil bei sonst gleichem Klang "Arsch" kurz und "Zeug" lang ausgesprochen wird. (...)"
Usw. usf.
Romane - schwierig als Empfehlung. Nichts Neues in Sicht oder Wert, gelobt zu werden. Daher auch so viele Reiselektüren. Jatman, wir werden immer anspruchsvoller. Irgendwann lesen wir lieber die Regentropfen auf unseren Fensterscheiben als die Seiten von Büchern.
Art & Vibration
Und noch ein Brüller aus "Zweiundzwanzig Tage":
„Paprikaskumpli“ sagt Elga, „hat auch der Grass Günter bei mir gegessen, der hat zwei große Teller gegessen, dann hat er sich einen dritten genommen, da haben wir aufgehört zu essen und haben nur noch dem Grass zugschaut, doch der hat auch den dritten Teller verschlungen, dann hat er sich einen vierten genommen, da hab‘ ich mir gedacht, das kannst du nicht dulden, der platzt auseinander, aber dann war ich doch neugierig und hab‘ ihn gelassen, und da hat er auch den vierten Teller hinunter gebracht!“ –
„Und dann?“ frage ich begierig, und Elga sagt strahlend:
„Und dann hat er Salami und Käse gegessen …“
Art & Vibration
Ich versuche es mal mit der "Anregungsmethode". Gab in der DDR so eine Reihe Erkundungen. Die ist mir jetzt während des Vonnegut-Memorial-Anfalls in die Finger geraten. Thema: 30 irische Schriftsteller. Da finde ich vielleicht was. Flan O Brien ist übrigens nicht dabei, obwohl von dem drei oder vier Bücher zu Ostzeiten verlegt worden. Nun ja. Ich gebe Laut, wenn ich meine, es könne sich lohnen.
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Trotz meiner momentanen Auslastung habe ich nun doch nicht länger warten können und Darius Amberger - Inflatio begonnen. Bisher zu sagen, das Werk beschäftigt sich auf literarischer Ebene mit dem wortwörtlich Inflatio gegenwärtiger/zeitgenössischer Wirtschaftsunternehmen, in denen zu häufig aus Scheiße Gold gemacht wird (Entschuldigung :). Die Unternehmer-Hauptfigur will hoch hinaus und über das Ziel hinausschießen, soviel ist mir nach derzeitigem Lesestand bereits klar geworden. Bin gespannt, wo das noch hinführt.
Ich mag den Wortwitz und die ironisch-sarkastische Attitüde Ambergers unheimlich gerne. Gepaart mit dem gesellschaftskritischen Impetus erinnert mich das immer wieder an Volker Braun. Ich kann auch nicht ganz glauben, dass das erst das zweite Werk des Autors sein soll. Für mich ein echter Könner, der mehr Beachtung verdient hätte.
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[i]Poka![/i]
Klingt gut, Der Hinweis auf Volker Braun hat mich neugierig gemacht. Hätt ich glattweg bestellt, ist aber augenscheinlich ganz neu raus. Da werde ich wohl etwas warten . . . auf Dein Resümee und die Paperback-Variante.
Die Iren schleppen sich so hin. Nicht verkehrt aber nicht zündend.
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Ich mag den Fälscher Beltracchi einfach. Schon die Dokumentation war herrlich, sein Wesen sympathisch in dieser ruhigen Art zu berichten, über Kunst zu sprechen. Daher nun das Buch "Selbstportrait", das zum Glück nicht nur der Schrieb zur Doku ist, sondern viel ausführlicher über das Leben der Familie berichtet und auch tolle Bildtafeln enthält. Ein Maler, der so talentiert ist, dass er Größen wie Spieß und andere täuscht, ist schon erstaunlich. Beltracchi hat mit seinen Fälschungen der Kunstwelt schön gezeigt, was sie ist. Ein Markt, der durch Geld und Wert bestimmt ist. Das Bild dahinter ist unwesentlich, wie es Kunst als Seelennahrung eigentlich nicht sein sollte.
In Verbindung damit dann auch die Roman-Version zum Thema Fälschung. Zwar etwas trocken, aber gut geschrieben. Luigi Guarnieri "Das Doppelleben des Vermeer". Schön, dass auch Proust auftritt.
Art & Vibration
So ziemlich alles, was von Georgi Gospodinov übersetzt ist, habe ich jetzt gelesen, einschließlich der Erzählungen "8 Minuten" und "Gaustin, der Mann mit den vielen Namen". Bei den Büchern handelt es sich um verschiedene Erzählungen. (War mir vor der Bestellung nicht ganz sicher, da Gaustin bei Gospodinov häufiger auftritt und das letztgenannte Buch auch älter ist und sowohl die bulgarische als auch deutsche Version enthält.) Sein Meisterwerk ist immer noch "Physik der Schwermut", ungeschlagen. Schön sind auch die Zitate von Gautsin, die Gospodinov seinen Kapiteln und Erzählungen gerne voranstellt, als ob dieser wirklich existiert.
Ansonsten habe ich mich mit Heinz Berggruen befasst, ein Sammler, der durch die Biografie von Vivien Stein von seinem Sokel gestoßen wurde. Sie verweist auf die vielen Lügen, die Berggruen durch seine angeblich tieferen Freundschaften zu Rivera, Frida Kahlo oder Picasso heraufgeschworen hat. Ihr wurde durch die Angriffe im Buch der Vorwurf des Antisemitismus gemacht, was absurd ist, zumal sie selbst Jüdin ist. Sie deckt ganz einfach auf, wo Berggruen seinen Lebenslauf verändert hat, zeigt auch, dass seine angeblichen Schenkungen entweder einen Steuerbetrug verhindern sollten oder teuer erkauft waren. Beide Bücher sind interessant im Vergleich. Berggruens ""Hauptwege und Nebenwege" und Steins "Bergruen - Leben und Legende".
Ein Russe, der witzig und gleichzeitig tragischkomisch über das Leben in Russland schreibt, ist Alexander Ikonnikow mit seinem Buch "Taiga Blues". Hat mir gefallen. Kurze, prägnante Erzählungen und Eindrücke. (Vielleicht etwas für dich, LX.C!)
Die Stelle fand ich am besten, die den Humor gut verdeutlicht:
Zitat
Am Anfang der Straße befindet sich das Entbindungsheim, unter dessen Fenstern einsame Männer herumlungern und winken.
"Ist es da?"
"Ja."
"Ein Sohn?"
"Nein."
"Was dann?"
Nun geht es weiter mit Susan Sontag "Todesstation".
Art & Vibration
Hört sich gut an, ja, und nicht dick. Vielleicht das Richtige zur Zerstreuung. Er schreibt aber hoffentlich nicht wie Kaminer?
Sayaka Murata - Die Ladenhüterin
Fast schon lachhaft, aber hab mich von Empfehlungen leiten lassen und was Leichtes und "Fernes" für Sardinien gesucht. Thematisch interessant, über eine Asperger, würde ich sagen, und ihre Probleme, sich im Leben zurecht zu finden. Literarisch aber schlecht umgesetzt oder noch schlechter übersetzt. Keine Ahnung.
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[i]Poka![/i]
Zitat von LX.C im Beitrag #11
Hört sich gut an, ja, und nicht dick. Vielleicht das Richtige zur Zerstreuung. Er schreibt aber hoffentlich nicht wie Kaminer?
Nein. Überhaupt nicht. Hat mich eher (wenn auch nie ganz in die Nähe rückend) an Dowlatow und Marek Haslo erinnert. Ist sehr alltagsorientiert, und dennoch packt es einen. Lohnt die Lektüre, alleine schon wegen dem Humor und dem Zeitgeist.
Und noch etwas anderes: Seit Ewigkeiten warte ich auf Sadek Hedayat "Die blinde Eule". Nun endlich da. Ein Meisterwerk aus dem Iran, voller abgründiger Tiefen im Opiumrausch. Das Buch wurde neu herausgegeben und enthält auch schöne Zeichnungen. Hedayat hat sich in Paris das Leben genommen und ist Sinnbild für den gescheiterten Künstler. Sein Werk ist die Konfrontation mit sich selbst und herrlich surreal. (JJJ). Ich bin begeistert.
Art & Vibration
Zitat von LX.C im Beitrag #13
Ikonnikow - Taiga Blues
Stil erinnert manchmal schon an alte Russische Volksmärchen.
Also das war Klasse und hat richtig Spaß gemacht. Anfänglich fand ichs ein wenig spröde im Stil, daher meine Assoziation zu den Volksmärchen. Entweder waren es sehr frühe Geschichten oder die Übersetzerin war noch nicht "warm" mit dem Autor. Aber nach den ersten Geschichten hat es mir dann richtig gut gefallen. Geschichten wie Das Exponat, Die neue Arbeit, In Jahr, Der Lehrer oder In Meteljewo hab ich total ins Herz geschlossen und fand sie, wie auch viele andere (Monitoring, Der Vortrag, Der Leutnant, Der Panzer und und und) auf literarisch überspitzter Ebene total bezeichnend für die russische Mentalität. Danke für den Tipp!
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[i]Poka![/i]