HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
|
Hi Taxine,
ist ja nicht der erste Disput. Du wirst Dich also weder über Ton, Bestimmtheit oder Hartnäckigkeit der folgenden Sätze wundern und hoffentlich nicht ärgern. Los geht`s.
Und dass nichts persönlich gemeint ist, ist ja selbstredend.
„Mir geht diese biografische „Leichenfledderei“ einfach auf die Nerven“
Bleibt immer noch ein „elitäres“ Befremden. Es verletzt doch niemand, sondern versucht sogar, falsches zu korrigieren und fehlendes zu ergänzen. Dass dies nun mit einem speziellen Fokus geschieht, muss vielleicht nicht sein. Mich aber interessiert es, zumal (ich wiederhole mich) dadurch für D. sein Werk einiges klarer wird.
Um es zuzuspitzen, so sollte man gleichfalls Tagebücher keinesfalls veröffentlichen, denn sie sind für den Schreiber als Refugium angelegt und geführt worden - für sich selbst - nicht für andere
oder aber geführt im Wissen, Hoffen, Spekulieren, darauf, dass sie eben postum „gefleddert“ werden/ öffentliches Interesse finden. Dann wiederum sind es keine wahrhaftigen Tagebücher, sondern gezielt retuschierte Begegnungen mit dem leben.
In logischer Konsequent, würde gelten, jegliches Tagebuch unbesehen zu vernichten und seiner Neugier einen Riegel vorzuschieben. Der eine Schreiber wollte gar keine „Mitwisser“ „ZurKenntnisNehmer“. Sein Wille wäre zu akzeptieren. Ist es das Tagebuch hingegen eine Ausstellung für postume Wahrnehmung, trägt es unzureichend den Charakter eines Tagebuches. In beiden Fällen unbesehen links liegen lassen. Eine weitere Art von Tagebuch, die es rechtfertigte, mit gutem Grund aufzuschlagen, kommt mir momentan nicht in den Sinn.
Könnte mir vorstellen, in grob könntest Du mitgehen. Es stellt sich die Frage, wo Du eventuell die Grenze zur Leichenfledderei ansetzen würdest. Wäre sicherlich eine interessante Auseinandersetzung (mit der wir uns gleichsam dem jetzigen „Fundamental-Clinch“ unverwundet entziehen könnten ;-)
„besonders wenn es um solche banalen Dinge wie Geld geht...
Geld halte ich für keine banale Sache, sondern für eine der wesentlichen - ever. Es bestimmt UND bestimmte alles, jedweden Werdegang der menschlichen Geschichte. Ausnahmen können hier einfach nur die Regel bestätigen.
„Naja, Revolten wurden auch aus ideologischen Gründen begonnen“
Ich nerve mal oder euphemistisch formuliert, ich wäre interessiert, welche das gewesen sein könnten. Bin nicht soo groß belesen, aber ich bin noch keiner einer solchen begegnet, weiß von keiner. Ideologie der Ideologie wegen - kann nur im Elfenbeinturm entstehen, anderenfalls scheinen mir ideologische Kämpfe tatsächlich ausnahmslos machiavellistisch angelegt zu sein. Dies scheint mir auch die Ursache für Deine nüchterne Feststellung „(die natürlich fatale Richtungen genommen haben)“ zu sein.
Gelbe Westen. Da bin ich zwiespältig. Hier zeigt sich das Problem schon. Dass die sich wehren, finde ich dem Prinzip nach gut. Haben in kürzester Zeit was erreicht. Das Prinzip eben. Hier tut niemand nur irgendetwas (auch ich). Die sind einen Schritt weiter, aber es läuft ebenfalls mit absoluter Sicherheit ins Machiavellische. … und eben wie immer aus dem Ruder.
„oder wenn jemand behauptet, Dostojewski ist in Krisenzeiten wieder aktuell.“
Dass diese Meinung zum Teil seine Berechtigung hat, schrieb ich bereits. Selbst wenn man dies außer Acht lässt, sollte man über diese Formulierung als inflationär gehandhabt Phrase hinwegsehen können.
„Auch glaube ich nicht, dass Dostojewski in Deutschland nicht gelesen wird.“
NICHT gelesen stimmt natürlich nicht. Ich orientiere mich aber am Fußvolk, dem ich voll zugehörig bin. Ich kenne persönlich niemand, der Dostojewski gelesen hat oder es in Erwägung zieht. Mit dem Namen Dostojewski können 90 Prozent der Menschen, denen ich begegne NICHTS anfangen. Die vermuten nicht mal einen Schriftsteller dahinter. Die schauen mich mit leeren Augen an. (Ausgenommen jene, die ich über meine Page kennengelernt habe).
Bei einer Weiterbildung (Akademikern) löste die Adresse meines Arbeitgebers: Puschkin-Platz spontane Heiterkeit bei ausnahmslos allen Westdeutschen aus. Habe nachgefragt, wieso das soo lustig wäre. Da kannte keiner Puschkin. Alle hatten lediglich den Vodka im Sinn.
Natürlich kann man Dostojewski lesende in Deutschland finden, aber eben, wie Du schon anführst
„erreicht nur ganz bestimmte Menschen“ + „Wahrscheinlich trifft er den Nerv tatsächlich nur in einer bestimmten Stimmung und bei ganz bestimmten Menschen.“
Und von denen glaube ich fest, gibt es sehr wenig. Erst recht unter den jüngeren Menschen. Da muss man schon ein Stück neben der Spur laufen, um sich dieses, der Form nach extrem aus der Zeit fallende, Stück Literatur anzunehmen bzw. sich dieser Arbeit auszusetzen. Sogar für Menschen, die für seine Inhalte und Tiefe empfänglich wären.
„unbedingt gleich als Fetisch oder als reine Geldgier bezeichnen.“
Geldgier wollte ich es auch nicht nennen wollen. Doch Geld war für ihn ein Synonym für Achtung, Wertigkeit, Macht und wie bekannt ja so formuliert von ihm: Geld ist gedruckte Freiheit. Und das wollte er ebenfalls alles, akzeptierend, dass Geld eben all dies verkörperte. Da kann er zum Beispiel gut verdienen und jammert aber rum, dass Turgenjews mehr als er bekommt.
Sein Unvermögen im Umgang mit Geld hätte mich bestenfalls beeindrucken können, wenn er in völliger Abgedrehtheit BEWUSST aufs Geld geschissen hätte. Allen Insignien des Geldes war er sehr zugeneigt.
„Hätte er so geschrieben, ohne die finanziellen Schwierigkeiten, wären die Romane nicht schlechter.“
Die Tiefe hätten sie möglicherweise gehabt. Die Ausformung jedoch wäre deutlich besser gelungen.
So! Jetzt habe ich mal schön zurückhypothetisiert : D
„Die Brüder Karamasow - Es ist die Quintessenz seines Wesens und Denkens."
Möglich, selbst ich als Interessierter (vormals ja genauso am Werk) konnte dem Werk keine Quintessenz entnehmen. Ich habe nichts verstanden, war völlig überfordert und extrem gelangweilt. Das liegt an mir - klar. Ich wollte das sogar unbedingt lesen und bin gescheitert. Wieviel bleiben über, die es mal versuchen wollen und dann seine Tiefe erfassen? Viele können es sicherlich nicht sein.
„Es ist zwar eine Pseudo-Romantik, das kritisieren zu wollen“
Für diesen Satz bin ich Dir dankbar, weiß ich doch so, dass Du der Welt doch noch nicht vollends verlorengegangen bist :-P
Und gleich darauf bin ich wieder überrascht: „Massen an Leuten vor dem Media-Markt auf Luftmatratzen übernachten, weil am "Black Friday" das neueste Smartphone 10 Euro billiger zu haben ist.“
Das sind keine Massen, diese Art von Vollpfosten sind sicherlich sogar gegenüber den deutschen Dostojewski-Lesern deutlich in der Minderheit ;-) Es verunfallen doch nicht fast alle Autos, weil es Unfälle gibt. Auto fahren ist okay.
„Das finde ich schlimm, diese Verblödung.“
Diese temporär medialen Spitzen der Vollpfostenberichterstattung sind überhaupt kein relevanter Aspekt einer Erörterung. Die gab es schon immer, in anderem Setting sicherlich. Der Grad der Verblödung hingegen, ist sicherlich die letzten 2000 Jahre in keiner Weise gestiegen.
Wirst Du vielleicht sensibler und erträgst den Bodensatz immer weniger?
Und Du legst noch einen nach:
„Die sollten lieber Dostojewski lesen. Oder den Film sehen.“
WOZU!?
Eine Analogie um drei Ecken zu: Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.
(ja und hinken tut sie auch, zudem ist sie an den Haaren herbeigezogen . . ;-)
www.dostojewski.eu
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 03.01.2019 20:32von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hahahaha ... gut gekontert. Aber antworten kann ich darauf nicht. Das sind nun wirklich zwei verschiedene Ansichten und zwei verschiedene Welten. Du unterscheidest ja nicht einmal Scherz und Ernst. Macht aber nichts. Wir müssen uns ja nicht im Kreis drehen.
Art & Vibration