HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Lese digital Herders "Journal meiner Reise im Jahre 1769" - "Nichts, als Menschliches Leben und Glückseligkeit, ist Tugend: Jedes Datum ist Handlung; alles übrige ist Schatten, ist Raisonnement." und im Buchformat dann endlich Claudio Magris "Donau". Gefunden in Enards Roman "Kompass", der mir weniger gefallen hat. Magris dagegen ist herrlich!
Art & Vibration
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 07.11.2018 18:11von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Habe Canettis "Masse und Macht" zu Ende gelesen. Nun Ervin Sinko "Roman eines Romans - Moskauer Tagebuch".
Art & Vibration
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 18.11.2018 15:16von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Humorvolles wäre für mich eigentlich auch nicht schlecht.
Lese nun aber erst einmal Ivo Andric "Die Brücke über die Drina".
Art & Vibration
Zitat von LX.C im Beitrag #3
Ich widme mich endlich mal wieder einem Roman:
Jakob Hein - Die Orient-Mission des Leutnant Stern
An Hein habe ich gute Erinnerungen. Habe ich zuletzt vor 14 Jahren gelesen (wie die Zeit doch vergeht). Das ist ein witziger, intelligenter Autor. Das kann nur gut werden
Leider doch ziemlich enttäuschend. Ich finde es weder besonders intelligent noch humorvoll geschrieben. Irgendwie Geschichtsroman für Einfältige. Schade.
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[i]Poka![/i]
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 29.11.2018 20:46von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 30.11.2018 18:19von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von LX.C im Beitrag #7
Au ja, das hört sich interessant an und liest sich krass an. Gruselig. Und scheinbar in einem guten Stil. Besorge ich mir auch.
Klare Empfehlung meinerseits. Habe es gestern angelesen und direkt verschlungen. Sehr zeitkritisch und auch unterhaltsam. Toller Schriftsteller. War Mitbegründer von Underground-Literaturzeitschriften im ehemaligen Jugoslawien und gefürchteter, da sehr kritischer und unideologischer Kriegsberichterstatter. Das merkt man auch dem Buch an. Protest gegen alles. Konsumwahn, Hass, Patriotismus, Ausbeutung, Profit, Banken ... usw. Ich besorge mir weitere Bücher. Gibt eine Menge von ihm.
Art & Vibration
Zitat von LX.C im Beitrag #5Zitat von LX.C im Beitrag #3
Ich widme mich endlich mal wieder einem Roman:
Jakob Hein - Die Orient-Mission des Leutnant Stern
An Hein habe ich gute Erinnerungen. Habe ich zuletzt vor 14 Jahren gelesen (wie die Zeit doch vergeht). Das ist ein witziger, intelligenter Autor. Das kann nur gut werden
Leider doch ziemlich enttäuschend. Ich finde es weder besonders intelligent noch humorvoll geschrieben. Irgendwie Geschichtsroman für Einfältige. Schade.
So einen schwachen Roman habe ich lange nicht gelesen. Warte aber immer noch auf Popovic, deswegen bis zum Ende "durchgehalten".
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[i]Poka![/i]
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 27.12.2018 13:38von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Nach "Gehen" von Espedal nun "Eine Anleitung zum Gehen" von Edo Popovic. Letzteres enthält auch viele Fotos und ist im bekannten Humor des Schriftstellers geschrieben, vermengt mit Poesie, Philosophie und ZEN.
(Erstaunlich, wie viel ich wieder lese und wie viele Bücher mich wieder erreichen. Das Stöbern im Regal macht wieder Spaß und Freude. War auch schon anders. Neues kommt natürlich immer dazu und Altes oder Unnötiges wird aussortiert. Aber der Drang zu lesen ist wieder da. Beruhigend!)
Art & Vibration
Hi, ihr zwei letzten Mohikaner!
Ich wünsche Euch ein gutes 2019!
Guski - Dostojewski Stringent. Klar. Spannend. Aufschlussreich. Bodenständig. Die mit Abstand beste Biographie, von denen, die ich kenne. Kein Firlefanz, keine Lobhudelei und selbst für mich noch mit vielen interessanten Details.
Bin immer noch dran, am Text Dostojewski und die Frauen. Geht aber vorwärts. Vielleicht schaffe ich es zum Ende 2019. Dadurch einiges an "Emanzipationslektüre" gelesen. Zu empfehlen daraus: Unda Hörner, z. B. Die realen Frauen der Surrealisten - Simone Breton, Gala Éluard, Elsa Triolet.
www.dostojewski.eu
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 28.12.2018 17:24von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Jatman, dir auch einen guten Rutsch ins neue Jahr. Und schön, von dir zu hören, du forderst mich direkt heraus! Das liegt natürlich am Thema.
Guski - klar, spannend, aufschlussreich. Hmmm.... Habe natürlich direkt mal geguckt und reingelesen. Direkt der Ärger, der aufsteigt, auch im Sinne der Rechtfertigung, warum Guski meint, er müsse über den Schriftsteller 2018 schreiben. Ja, wir sind mittlerweile ein materiell abhängiges Pack, das nur noch Wert auf den Konsum, den Geldverdienst, die Güter legt. Geld bestimmt unser Wesen. Geld ist sogar ein Grund für heutige Revolten. Es ist traurig und gleichzeitig erschreckend. Aber was, zum Teufel, hat das mit Dostojewski zu tun? Definieren wir aus heutigen materiellen Bestrebungen das einfache Überleben damaliger Zeiten?
Und wieder kann ich nur betonen: Es geht bei Dostojewski gar nicht um Lobhudelei und Verherrlichung. Die einen verinnerlichen ihn, die anderen nicht. Das ist eine Sache seiner Werke, die man kennen muss. Keine Sache seines Lebens oder seines Charakters als Schriftsteller. Viele, die er in seinem Werk erreicht, wissen wenig über sein Leben, da hier etwas anderes wirkt. Wen das Werk nicht berührt, der kann nie nachvollziehen, was diese Faszination auslöst. Und das ist eine Sache verschiedener Emotionen, keine des Intellekts.
Alleine schon die Zitate, mit denen Guski einleitet und das Vorwort, Dostojewski in seiner materiellen Abhängigkeit zu zeigen ... Was sagt das aus über den Inhalt seiner Schriften? Über das Potential? Über die Weite der Gedanken und die Tiefe, die er erzielt? Vielmehr sollte es Hochachtung auslösen, wenn ein Mensch so schreibt, um sich finanziell über Wasser zu halten. Heutige Geld-Menschen bieten wohl kaum die literarische Leistung in finanzieller Not!!! Nicht einmal die, die bezahlt und gut bezahlt werden, bieten eine solche Tiefe (ob Buch, Film oder Kunst!)
Dostojewski ist nicht aktuell, weil eine Krisenzeit herrscht, er ist aktuell, weil er die Fragen der Menschheit, des Seins und des Glaubens berührt und weil der Mensch, wie sehr er auch versucht, sich zu verwissenschaftlichen, immer nur auf diese Seins-Fragen zurückgeworfen wird. Nicht immer, aber in den Phasen der Selbstfindung, der Krankheit, der Traurigkeit, der Sinn-Suche. Darum kommt niemand herum. Es ist nur eine Frage der Zeit. Diese Dinge gehen nicht verloren, egal wie materiell und abstrakt und virtuell die Welt wird, eben weil der Mensch gleich bleibt (vielleicht nur dümmer wird oder, von mir aus, transparenter). Und für diese Erkenntnis muss man gar nicht in Werke von Dostojewski hineinlesen. Es gibt so viele, so tiefe, so erstaunliche ...
Art & Vibration
Mensch Taxine,
was ist los? So ungehalten explodierend ^^
„warum Guski meint, er müsse über den Schriftsteller 2018 schreiben“
Warum soll denn 2018 niemand über D. ein Buch schreiben? Verstehe ich nicht. Ist doch mehr als legitim. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass er darin ein klares Bild entwirft, dass gerade eben die ungerechtfertigte Salbungs-Korona entfernt. Ohne ihn jedoch diskreditieren zu wollen. Seit langem gab es keine Dostojewski-Biographie, die den aktuellen Wissenstand wiederspiegelte.
Da bist mit deiner Wut gut bei Gerigk aufgehoben, der schrieb, wer sich mit Dostojewskis Leben auseinandersetzen wolle, solle doch lieber „Die Bunte“ lesen.
„Ja, wir sind mittlerweile ein materiell abhängiges Pack, . . .“
Nicht mittlerweile sind wir ein materiell abhängiges Pack. Das würde ja implizieren, dass es irgendwann mal anders gewesen wäre. Das willst Du hoffentlich nicht behaupten. Da bin ich auch schon bei Deiner vermutlich rhetorischen Frage:
„Aber was, zum Teufel, hat das mit Dostojewski zu tun?“
Meiner Meinung nach eine Menge, denn Guski hat um das Gebaren von Literatur und Geld zu Dostojewskis Zeiten in Russland, und so eben auch Dostojewskis Verhältnis zum Geld, ein extrem großen Wissen und feinste Forschungsergebnisse. Literatur und Kommerz im Russland des 19. Jahrhunderts (institutionen, Akteure, Symbole) von Guski und U. Schmid ist ein umfassendes und aufschlussreiches Buch.
Dies erscheint mir insoweit als beachtens- und publikationswert, da Dostojewski ja nicht nur finanziell komplett unfähig war und zugleich aber Geld für ihn ein treibender Fetisch war. Er war geil auf Geld und hat beständig über seine Verhältnisse gelebt, weil er meinte, es stünde ihm zu. Er war nicht nur der arme ausgenutzte Getriebene. Die Einstellung nachvollziehbar machend, lässt vieles in der Entstehungsmotivation vieler seiner Werke, begreiflicher werden. Und Guski macht das für meinen Geschmack sehr bedacht.
„Geld ist sogar ein Grund für heutige Revolten.“
Weshalb sogar?! Nichts anderes war je ein Grund für Revolten. Hättest Du ein Beispiel?
„Wen das Werk nicht berührt, der kann nie nachvollziehen, was diese Faszination auslöst. Und das ist eine Sache verschiedener Emotionen, keine des Intellekts.“
Ich bin über sein Werk zu seiner Person gekommen. Und die Person und ihr Leben ist durch die Extreme und unzähligen Ambivalenzen hochinteressant, insbesondere noch vor dem besonderen gesellschaftlichen Umwälzungen.
„Was sagt das aus über den Inhalt seiner Schriften? Über das Potential? Über die Weite der Gedanken und die Tiefe, die er erzielt?“
Es sollte durchaus erlaubt, sein auch über das Leben bedeutender Schriftsteller Biographisches zu erforschen und zu veröffentlichen. Weshalb sollte die hochgeistige der profanen Betrachtung vorgezogen werden?! Jeder greift sich etwas raus, was ihn erbaut. Bei mir ist es zum Beispiel ganz klar Guskis Biographie.
„Vielmehr sollte es Hochachtung auslösen, wenn ein Mensch so schreibt, um sich finanziell über Wasser zu halten.“
Weiterhin hinkt deine Resolutheit daran, dass Guski dem Werk Dostojewski durchaus Stück für Stück huldigt und sich begeistert zeigt. Hochachtung pur. Das was Du verlangst und nicht einmal verlangen dürftest. Man muss nicht vor jeder Leistung, auch wenn sie sie verdient sein sollte, hochachtungsvoll innehalten. Es sollte jedem freistehen, es zu tun.
Und wieder das Finanzielle. Genau diese Retro-Romantik setzt er in ein Bild des nachvollziehbaren Wissens und gegenseitiger Abhängigkeit. Denn D. schrieb nicht so, obwohl er Geld brauchte, sondern weil er Geld brauchte schrieb er so. Da liegen in der Betrachtung Welten dazwischen - mit entsprechenden Wechselwirkungen.
„Dostojewski ist nicht aktuell, weil eine Krisenzeit herrscht, er ist aktuell, weil er die Fragen der Menschheit, des Seins und des Glaubens berührt und weil der Mensch, wie sehr er auch versucht, sich zu verwissenschaftlichen, immer nur auf diese Seins-Fragen zurückgeworfen wird.“
Wo ist Deine unzweifelhaft kritische Seite, eingebettet in den Willen um Verständnis und rücksichtsvolle ausgewogene Betrachtung?!
Dostojewski ist in Deutschland nicht aktuell, denn es liest ihn fast niemand. In Russland ist er aktuell, da er als Fetisch (nicht zum ersten Mal) herhalten muss. Sein Werk wird verbrämt. Also ist die Diskussion um eine Aktualität Dostojewskis Werkes, eine rein intellektuelle. Und wenn jemand meint, dass es eine Aktualität seines Werkes gäbe und die sich unter anderem (alleinig wollte niemand behaupten) durch derzeitige Krisen verstärke, dann ist es etwas, was nicht mit einem Handstreich vom Tisch zu fegen ist, wie Du es seltsamer Weise mit deinen Anmerkungen tust. Zumal sich Deine Einschätzung, die in keiner Weise in Frage gestellt wird, ja auch eine der Bedingungen ist, die Krise und Aktualität sich eben annähern lässt. Es besteht dem nach eine umfassende Kausalität und kein wenn oder oder.
„Es gibt so viele, so tiefe, so erstaunliche ...“
. . . Bücher und Menschen. Ja, aber die gab es schon immer, in der gesamten Menschheitsgeschichte, in der Minderheit, am Rand, unbeachtet, unverstanden . . . Nicht erfreulich, ja, aber nun eine Neuzeit-Kritik daraus zu basteln, halte ich für gelinde gesagt, aktionistischen Unfug.
Dein Post in seiner zurückhaltenden Reflektiertheit und emotionalen Vehemenz, erwischt mich aus der Kalten und hinterlässt mich irritiert.
www.dostojewski.eu
RE: Oktober/November/Dezember
in Lektüreliste 02.01.2019 22:20von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Jatman,
mein Ärger war natürlich nicht auf dich bezogen, sondern auf Guski. (Lass dich nicht irritieren, wenn ich so rumschimpfe.) Mir geht diese biografische „Leichenfledderei“ einfach auf die Nerven, besonders wenn es um solche banalen Dinge wie Geld geht... oder wenn jemand behauptet, Dostojewski ist in Krisenzeiten wieder aktuell. Da bin ich tatsächlich ganz bei Gerigk, den ich auch gelesen habe. Dass Guski sich ansonsten mit Kommerz in Russland beschäftigt, wundert mich nicht. Da ist er dann ja ganz bei seinem Thema.
Auch glaube ich nicht, dass Dostojewski in Deutschland nicht gelesen wird. Er wird auch nicht nur in Russland verehrt (obwohl dort sicherlich eher Richtung "Fetisch"). Aber ich denke, dieser Schriftsteller erreicht nur ganz bestimmte Menschen, daher meine Definition, dass es eine emotionale, keine intellektuelle Angelegenheit ist, ob man ihn mag. Da könnte man dann die Frage aufwerfen, ob man Dostojewski tatsächlich in glücklichen Zeiten lesen würde (als Beispiel). Wahrscheinlich trifft er den Nerv tatsächlich nur in einer bestimmten Stimmung und bei ganz bestimmten Menschen.
Dostojewski schrieb nicht so, weil er Geld brauchte, sondern er brauchte Geld, um schreiben und leben zu können (wie eigentlich jeder Schriftsteller). Dass er Schulden übernommen hat, nicht mit Geld umgehen konnte und erst die „Karamasows“ in Ruhe schreiben konnte, würde ich nicht unbedingt gleich als Fetisch oder als reine Geldgier bezeichnen. Eher könnte man von Verschwendungssucht reden. In dieser Hinsicht war er unkontrolliert und chaotisch.
Und dennoch ist daraus ein Werk entstanden, das in meinen Augen eine unglaubliche Tiefe besitzt, das wirkt, als hätte er Zeit und Muße gehabt. Darum meine Hochachtung, denn Dostojewski war immer unter Zeit- und Gelddruck. Und was daraus entstanden ist, erscheint mir unglaublich, gerade aufgrund der Verhältnisse, aber nicht nur. Hätte er so geschrieben, ohne die finanziellen Schwierigkeiten, wären die Romane nicht schlechter. „Die Brüder Karamasow“, geschrieben in finanzieller Unabhängigkeit, zeigen dann aber doch den „tiefsten Spiegel“. Man kann dieses Buch mehrmals lesen und wird immer mit einem neuen Eindruck belohnt. Es ist die Quintessenz seines Wesens und Denkens.
Zitat von Jatman
„Geld ist sogar ein Grund für heutige Revolten.“
Weshalb sogar?! Nichts anderes war je ein Grund für Revolten. Hättest Du ein Beispiel?
Naja, Revolten wurden auch aus ideologischen Gründen begonnen (die natürlich fatale Richtungen genommen haben). Mein Gedanke war im Sinne "heutige Revolten" auf die Gelbwesten gemünzt, die in Frankreich randalieren, Autos anzünden und dann Forderungen wie niedrigere Benzinkosten stellen. (Kann man natürlich nicht ganz so pauschalisieren. Da steckt ja doch auch mehr dahinter.)
Und nein. Es war nicht immer so, dass der Durchschnitts-Mensch sich so viel leisten konnte und immer mehr Wert auf eine materielle Steigerung seiner Wünsche legt bzw. seine Träume und Wünsche vergoldet. Es ist zwar eine Pseudo-Romantik, das kritisieren zu wollen, jedoch bleibt es absurd, dass z. B. Massen an Leuten vor dem Media-Markt auf Luftmatratzen übernachten, weil am "Black Friday" das neueste Smartphone 10 Euro billiger zu haben ist. Das finde ich schlimm, diese Verblödung. Die sollten lieber Dostojewski lesen. Oder den Film sehen.
Art & Vibration