HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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RE: Denis Diderot
in Die schöne Welt der Bücher 21.08.2009 21:11von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Nach dieser Definition ist das Glück also kein andauernd ertragbarer Zustand, weil der Geist sonst explodieren würde, der Mensch vor Verzückung aus dem Ruder kippt. Er könnte ja dann auch nur Höhepunkt sein, wenn er gelegentlich auftritt. Aber, in meinen Augen, ist Glück etwas anderes. Das, was hier ins Wort gefasst wird, ist eher Ekstase, Euphorie, Momenterlebnis, vielleicht der Impuls von Glück.
Glück ist genauso schwierig zu verinnerlichen, wie die Vorstellung oder der Glaube an Freiheit, weil wir Menschen eben nun einmal an unsere Körper gebunden sind (was z. B. schon den Verlust der Freiheit in diesem Sinne bedeutet. Aber es ist nur eine Form an Freiheit, die verloren geht). Der Geist mag über verschiedene Ebenen hinaus können, der Körper kann es nicht.
Darum wird, wer hungert, auch nicht fähig sein, tiefer zu denken, weil mit dem Verfall des Körpers der Geist ebenso träge wird (wir gehen von einem längeren Zeitraum aus). Genauso bewirkt die Dringlichkeit bestimmter oben bereits erwähnter Dinge eben keine Muße für das Befassen und der näheren Betrachtung des Seins, denn der Körper ruft, die Blase ist bis an den Rand voll und alles, was im Kopf als Gedanke möglich ist, ist eine Lösung der Situation finden zu wollen oder die Suche nach einem geeigneten Ort. Da kann der Mensch auch noch so gerne willig sein, über das Sein reflektieren zu wollen. Es wird ihm wohl kaum gelingen.
Das Glück als Erfahrung ist nicht an den Körper gefesselt, sondern eine geistige Einstellung und kann darum auch ein dauernder Zustand werden. Es bedarf nicht einer körperlichen Befriedigung, sondern hauptsächlich einer geistigen. Sich an dem zu erfreuen, was einen begegnet, ist die Empfindung von Glück. Das Denken und Leben als Geschenk anzuerkennen, ist die Empfindung Glück. Menschen zu lieben, ihnen zu begegnen ist ein Glück. Sich an nichts gebunden fühlen, ist ... usw.
Glück ist für mich kein Rauschgefühl, sondern ein Verinnerlichen an Lebenssinn und Lebensweise, die dann, hat man sie verinnerlicht, unumstößlich ist und durch nichts mehr zu irritieren.
Art & Vibration
Ekstase: sag ich: ja (siehe: Osho et al). Euphorie: sag ich: nein (is nur n Hormonstrudel). In meiner Welt ist da ein Unterschied zwischen den beiden.
Zitat von TaxineAlso ok, mal eben grad dichotom betrachtet: der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach: welches der beiden ist stärker?
Der Geist mag über verschiedene Ebenen hinaus können, der Körper kann es nicht.
Eine Kette ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied ... Also: natürlich ist das Fleisch (in dem Beispiel) das stärkere, weil ..., ach, muss ich wohl nicht erklären.
Dem empirischen Hauruck in der Denkstruktur fehlt häufig die Geistesspannung um eine Erkenntsnisverweigerung: Nur was strömt und fließt schöpft Glück...!
Sex und Spagetthi Eis sind vorzuegliche Glückskonzepte..... Doch wie sieht es in der Variabel nach Zeit uind Raum aus: Vervollkommen??? Also Zigarette?
Die Methapher des Todes mit verstehen trägt uin suich die Geburt!
Zypress, entweder beleuchtest du mir mal deine Erkenntnisse oder du ratscht hier muir weiterüch nücht verständlüche Versuche deines eigen an Koan ohne eine Praxis an dü Wand der Leere zu praktizieren!
Esoterüsches projektüves Gebabbel uist muir nüchtens eine Erkenntnüsstruktur?
Ergo, ohne das praktizieren der Boddhisattvastruktur im Geiste ist jeder Koan eine Blendung?
Der Fan ist nücht der Praktizierende?
Old Monk: dadd A
Zitat von ascoltoIch mach das, dauert aber (in der Ausformulierung in diese verkackten Worte). Dis is mir scho unter der Verkleidung der Narrenkappe, die ich so liebe, ein Ernst, sei dessen gewiss. Also: nix Esoterik-Bla. Bis dann. Ich geh mal eben in die Tiefe.
Zypress, entweder beleuchtest du mir mal deine Erkenntnisse
Zitat von Taxine
Nach dieser Definition ist das Glück also kein andauernd ertragbarer Zustand, weil der Geist sonst explodieren würde, der Mensch vor Verzückung aus dem Ruder kippt. Er könnte ja dann auch nur Höhepunkt sein, wenn er gelegentlich auftritt. Aber, in meinen Augen, ist Glück etwas anderes.
Ja, Taxinchen, solch ein Rausch ist nur vorübergehend. Mir ist es ein Bedürfnis auf den chinesischen Dichter Li-tai-Bo, 701-762 n. Chr. (Li Bo, Li Po, Li T'ai Po, Li Tai-Pe)hinzuweisen, der eine dauernde Form des Glücks gefunden hat, das Einssein mit der Natur.
In Antwort auf:
Allein auf dem Djing-ting-Berg
Ein Schwarm von Vögeln, hohen Flugs entschwunden.
Verwaiste Wolke, die gemach entwich.
Wir beide haben keinen Überdruß empfunden,
einander anzusehn, der Berg und ich.
Aus dem Chinesischen von Günter Eich
In Antwort auf:
Selbstvergessenheit
ICH saß und trank und gab nicht acht auf das Dunkeln,
Bis Blütenblätter sich häuften in meines Gewandes Falten.
Trunken ging ich zum Strom und sah in des Mondlichts Funkeln -
Kein Vogel regte sich mehr, und am Ufer glitten nur wenig Gestalten.
Aus dem Chinesischen von Franziska Meister
Liebe Grüße aus dem Glück
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Interressant würde es vülleycht dü Glücksformel runter zu devidieren: Uim Sünne, was ist meine Projektion von Glück aber ev. dennoch Leid?
Also die eigenen Glückskonzepte zu hinterfragen........
Glück als empirischen Zustand der Vervollkommnung zu manifestieren, uim Sünne, dies ist das endgültige Glück ist dann nur von dem zu konstatieren der in diesem Zustand denkt und dauerhaft darün handelt, dann wuird dadd aber eine Glaubensfrage! Da es fast nur Beschreibungen oder Vermutungen vom dauerhaften Glück gübt....(siehe Martinus vom Qui zum Tao)
Der Glücksanalyse kann man suich auch Taps für Taps nähern: Was ist meine Illusion vom Glück?
RE: Denis Diderot
in Die schöne Welt der Bücher 23.08.2009 12:47von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Oh... vielen Dank, Martinus. Das sind schöne Zitate, die meiner Vorstellung von Glück sehr nahe kommen. Einssein mit allem.
Lese von Diderot dann "Die indiskreten Kleinode"... oha...
Art & Vibration
RE: Denis Diderot
in Die schöne Welt der Bücher 03.09.2009 19:14von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Diderot
Großmächtigster Sultan", sprach darauf Codindo, "der Prinz ist von ebenso erlauchten wie glücklichen Eltern geboren, sein Schicksal kann also nicht anders als groß und glücklich sein."
Die indiskreten Kleinode
Ich bin sogar überzeugt, dass das Kleinod die Frau manches tun lässt, ohne dass sie es bemerkt; und ich habe schon verschiedentlich beobachtet, dass die, die ihrem Kopf zu folgen vermeinten, in Wirklichkeit ihrem Kleinod folgten.
Diderots „Tausendundeine Nacht“ – Version, um zu zeigen, wie simpel es ist, einen erotischen Roman zu verfassen, für den er sich später geschämt haben soll, was aber nicht ganz zu stimmen scheint, weil er auch später noch verschiedene Kapitel ein- und hinzufügte, beschreibt nicht tatsächlich ein fiktiven Ort der Erotik im Orient (vielmehr verlegt der Erzähler seine Handlung nach Afrika), sondern verschleiert in dieser Form an Erzählung den königlichen Hof (auch Harem genannt), wo Ludwig XV. als Sultan Mangogul, Madame de Pompadour als Mirzoza, auch Ludwig der XIV als eine Mischung aus Kanoglus und Ergebzed auftreten. Frankreich wird zum Kongo, Paris zu Banza, Opernmusiker, wie Rameau, zu Cisfisdisais, Newton zu Circino und Descartes zu Olibri, wobei Diderot mit der Sprache und ihrer Zweideutigkeit spielt. Darunter sind auch Menschen mit den Namen „Der Freigiebige“, „der auf das Fußkissen Gelegte“ oder „der Arschträger“.
Gleichzeitig ist dieser Roman aber nicht gerade erotisch, sondern eine Art psychologische Studie und Erörterung über das Geheimnis der Frau und über die (vielleicht insbesondere die weibliche) Sexualität.
Mirzoza nimmt die Stellung der Tugend und Vernunft ein, die gleichzeitig aber auch Verständnis für das verspielte Kind „Sultan“ hat. Hier trifft man auf eine Art Scheherazade, die ihrem Sultan Geschichten erzählt, damit er sie nicht tötet, wobei Mirzoza als Madame Pompadour natürlich nicht der Tod droht, sondern sie dafür berühmt war, dass sie von den sexuellen Ausschweifungen des Königs wusste, das tolerierte und ihn nie gelangweilt hat (was durchaus auch eine Art Tod ist). Auch Mirzoza nimmt diese Rolle ein und kümmert sich darum, dass der Sultan zufrieden ist. Dieser will sich zerstreuen und bekommt von einem Mönch einen verzauberten Ring, mit dem er sich selbst unsichtbar machen und die „Kleinode“ der Frauen zu sprechen bringen kann, die ihm dann ihre intimen Geheimnisse erzählen. Im Sinne des: Der Mund, der lügen kann, schweigt, aber das Geschlecht spricht die Wahrheit.
Ludwig XV. war bekannt dafür, dass er sich, während seiner Ankleidung, die Chronique scandaleuse vorlesen ließ, in der die Polizeiberichte und Sittenskandale der Pariser Gesellschaft aufgezeichnet waren, so also ist auch der Sultan an den Skandalen seiner Umgebung interessiert, die - natürlich - hauptsächlich im Bereich der Damenwelt zu finden sind.
Während nun die Kleinode der Damen geschwätzig werden, oftmals zum Frust der Damen selbst, weil so manches Geheimnis ausgeplaudert wird, beginnt ein Streit um dieses Phänomen zwischen Wissenschaft und Geistlichkeit. Die ersten versuchen es zu entschlüsseln, die Gebärmutter (in griechisch: Delphos) als Organ darzustellen, das theoretisch sprechen und singen könnte (man ist stark an gewisse, moderne Dialoge erinnert, liest man so über die Kleinode und die Betrachtungswinkel auf sie), die anderen wollen sie als übernatürlich, damit göttlich, auch als Rache Gottes (der hier Brahma genannt wird) darstellen, während der Sultan weiterhin seinen Ring dreht, um sich daran zu ergötzen.
Mirzoza aber ist skeptisch, glaubt an Teufelswerk und Unglück, auch ist sie natürlich ängstlich, dass der Sultan den Ring irgendwann gegen sie kehren wird, obwohl er ihr versprochen hat, sie damit nicht zu „entweihen“.
Den Sultan aber kümmert das kaum:
Zitat von Diderot
Was kümmern mich die Männer, denen ein Licht aufgeht, die verzweifelten Liebhaber, die zugrunde gerichteten Frauen, die entehrten Mädchen, wenn es mir nur Spaß macht?
Dabei erfährt er dann u. a., dass seine Gemahlin spielsüchtig ist und schon manche ihrer Schulden im Gebrauch ihrer Kleinode ausgeglichen hat.
Zitat von Diderot
Man weiß ja, dass Spielschulden die einzigen sind, die Leute von Welt bezahlen.
Was Diderot, in meinen Augen, zu zeigen versucht, ist die ganze Oberflächlichkeit der Gesellschaft – diese aufgeblasenen, bunt schillernden Laffen, die mehr Gedanken an den Stil ihrer Kleidung und Moden (wo selbst Hysterie zur Mode wird) und Schönheitspflästerchen verschwenden, als an die Hinterfragung der Welt (wobei Diderot ein Teil davon ist – Wir lachen beim Anblick der Bilder unserer Ahnen, ohne zu bedenken, dass unsere Nachkommen über den Anblick der unsrigen lachen werden.) -, eine Gesellschaft also, die mit ihren Erlebnissen zwar nicht gerade hausieren geht (ganz im Gegenteil stellt sich so mancher Mensch tugendhaft hin, während er im Hintergrund einiges zu verbergen hat, so manche Dame trotz ihres guten Rufes leicht zu einer Marquise de Merteuil geraten kann – also darunter viele, menschliche, potemkinsche Dörfer sind), eine Gesellschaft, die die Ehe als Rechtfertigung dafür anerkennt, ihren Partner nicht mehr lieben und ehren zu müssen, sondern ihn stattdessen zu hintergehen. Damals galt es als schick, dass ein Mann von Stand seiner eigenen Ehefrau gegenüber in der Öffentlichkeit und auch ansonsten kein liebevolles Verhalten bezeugt, wer es trotzdem tat, wurde schief angesehen und von den anderen verurteilt. Auch Nivelle de La Chaussée hat diese Mode in seinem Stück „Le Préjugé à la Mode“ in Frage gestellt.
Das Geschwätz der Kleinode bringt gerade die Damenwelt in Verlegenheit, stellt sie als hinterhältig und überhaupt ebenso geschwätzig wie ihre Kleinode dar, während der Mund lügt, das Organ aber die Wahrheit herausposaunt.
Am Anfang des Romans schreibt Diderot eine kleine Einleitung, die er an seine eigene Geliebte richtet, dass sie sich nicht schämen muss, diese Schrift von ihm unter ihren Habseligkeiten zu besitzen, da es eine natürliche Entwicklung in der Literatur wäre. Auch scheint die Natur über den Geist gestellt, weil diese einem Trieb folgt, während der Geist versucht, dagegen anzukämpfen. Diderot hat den Kampf gegen die Sünde abgelehnt, es als selbstverständlich angesehen, dass der Mensch sich amüsiert und seinen Trieben folgt. Seine Schwester ist damals in ein Kloster gegangen und hat dort Selbstmord verübt, was er der Geistlichkeit nie verzeihen konnte, warum auch sein Roman „Die Nonne“ entstand.
Statt einer Verbesserung der Sitten, wie es sich die „Brahmanen“ (also der Klerus) hier erhoffen, kommen Betrüger auf ihre Kosten, indem sie Maulkörbe für die Kleinode anbieten und bald von allen Damen von Stand oder Nichtstand besucht werden.
Zitat von Diderot
Alle wollten einen Maulkorb haben; und von der Herzogin bis zur Bürgersfrau hatte eine jede ihren Maulkorb, entweder aus Mode oder Bedürfnis.
Statt sich durch Geständnisse zu erleichtern und Farbe zu bekennen, suchen die Damen nach anderen Lösungen, bis sie die Nutzlosigkeit einsehen oder der Maulkörbe müde werden.
Auch seine „Geometrie der Geschlechter“ und das „Thermometrisieren“ deuten darauf hin, dass er hier den Unsinn der kirchlichen Verbote anprangert, wo das Messen und Zusammenfügen der richtigen „Formen“ und die Hilfe dabei als frommes Werk verrichtet wird.
Zitat von Diderot
Bei euch nennt man es Verbrechen, was bei uns eine gottgefällige Handlung bedeutet.
Gleichzeitig kritisiert Diderot auch die gepriesene Tugend, die nur zu oft von den Geistlichen selbst zerstört wird.
Im Grunde aber geht es ihm wohl darum, die Erotik für die Literatur als völlig legitim darzustellen. Er lässt den Sultan an Mirzoza gewandt fragen:
Zitat von Diderot
„Sagen Sie mir doch bitte einmal, welchen Zweck diese Scheinheiligkeit hat, die euch allen gemeinsam ist, mögt ihr nun tugendhaft oder zügellos sein. Bringen euch die Tatsachen in Wut? Nein, denn ihr kennt sie. Die Worte etwa? Oh, das ist wahrlich nicht der Mühe wert. Wenn es schon lächerlich ist, über die Handlung zu erröten, um wieviel lächerlicher ist es, über deren Beschreibung zu erröten.“
Grundsätzlich also hat man Spaß an der Leserei, das Buch ist ein humoriger Einblick in diese Zeit, jedoch gleichzeitig wirklich nur für den von Interesse, der sich für diese Zeit eines Frankreichs im 18. Jahrhundert und den Hof von Ludwig XV interessiert. Für meinen Geschmack sind Diderots literatur- und gesellschaftskritische Romane weitaus besser gelungen.
Demnächst dann "Die Nonne".
Art & Vibration