HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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"Alle Menschen sind sterblich", Roman
Regine ist eine talentierte Schauspielerin, die kurz vor dem Start ihrer Karriere steht. Sie möchte berühmt und erfolgreich sein.
Das sagt Regine zu Raymond Fosca, der im 14. Jahrhundert einen geheimnisvollen Trunk zu sich nahm, der ihn unsterblich machte. Seit 600 Jahren geistert er in der Weltgeschichte umher. Menschen krallen sich an ihr Leben, glauben an ihren Erfolg, glauben, sie seien etwas besonderes, dabei geht ihr Leben nur im Flug vorbei, an sich bedeutungslos. Ja Fosca, der Unsterbliche, hat eine ganz andere Sichtweise auf unser sterbliches Leben:
Als Unsterblicher hat sich Fosca selber vom Leben entfernt. Nichts hat für ihn noch Bedeutung.
Zu Regine sagt er:
Wenn wir Regine und Fosca aus der Sicht des Existentialismus betrachten sieht es folgendermaßen aus: Regine ist die Existenz, Fosca existiert nicht, weil er nicht am Leben teilnimmt (er möchte durch Regine wieder in die Existenz zurückkommen, ob das schließlich gelingt, steht noch offen, wohl eher nicht).
In der „Geschichte der Philosophie“ von Johannes Hirschberger können wir im Kapitel über den französischen Existentialismus nachlesen, dass Jean Paul Sartre die Existenz vor der Essenz vorausgehen lässt.
"Der Mensch tritt an die Stelle Gottes und gestaltet sein eigenes Wesen selbst“, heißt es. Der erste Grundsatz des Existentialismus: „der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht (L'homme n'est rien d'autre que ce qu il se fait).
Raymond Fosca macht aus sich nichts mehr etwas:
Wie wir gesehen haben, ist ein Gott im Existentialismus nicht notwendig. So hatte auch Regine in unserem Roman aufgehört, an Gott zu Glauben.
Ich bin fasziniert, in welche Gedankenwelten ich hier driften kann
Liebe Grüße
Martinus
Regine ist eine talentierte Schauspielerin, die kurz vor dem Start ihrer Karriere steht. Sie möchte berühmt und erfolgreich sein.
Zitat von de Beauvoir
Ich existiere, ich habe Talent, ich werde eine große Schauspielerin werden. Und sie sind einfach blind.
Das sagt Regine zu Raymond Fosca, der im 14. Jahrhundert einen geheimnisvollen Trunk zu sich nahm, der ihn unsterblich machte. Seit 600 Jahren geistert er in der Weltgeschichte umher. Menschen krallen sich an ihr Leben, glauben an ihren Erfolg, glauben, sie seien etwas besonderes, dabei geht ihr Leben nur im Flug vorbei, an sich bedeutungslos. Ja Fosca, der Unsterbliche, hat eine ganz andere Sichtweise auf unser sterbliches Leben:
Zitat von de Beauvoir
Ich sah das Blut und fing zu lachen an. Dann trat ich an das Fenster und atmete tief ein...meine Frau war tot, tot ihr Sohn, ihre Enkel. Alle meine Gefährten tot. Ich lebte, und es gab keinen meinesgleichen mehr. Die Vergangenheit war von mir gefallen; nichts hemmte mich nun mehr. Keine Erinnerung, keine Liebe und keine Pflicht, ich war ohne Gesetz, ich war mein eigener Herr; ich konnte nach Belieben schalten mit diesen armen Leben der Menschen, die alle dem Tode verfallen waren. Unter dem Himmel ohne Gesicht reckte ich mich auf, lebendig, frei und für immer allein.
Als Unsterblicher hat sich Fosca selber vom Leben entfernt. Nichts hat für ihn noch Bedeutung.
Zu Regine sagt er:
Zitat von de Beauvoir
Wenn Sie spielen...glauben Sie so leidenschaftlich an Ihre Existenz! Ich habe das bei zwei oder drei Frauen in der Anstalt gesehen; aber sie glaubten nur an sich. Für Sie sind auch die anderen da, und manchmal ist es Ihnen sogar geglückt, mich selber zum Existieren zu bringen.
Wenn wir Regine und Fosca aus der Sicht des Existentialismus betrachten sieht es folgendermaßen aus: Regine ist die Existenz, Fosca existiert nicht, weil er nicht am Leben teilnimmt (er möchte durch Regine wieder in die Existenz zurückkommen, ob das schließlich gelingt, steht noch offen, wohl eher nicht).
In der „Geschichte der Philosophie“ von Johannes Hirschberger können wir im Kapitel über den französischen Existentialismus nachlesen, dass Jean Paul Sartre die Existenz vor der Essenz vorausgehen lässt.
"Der Mensch tritt an die Stelle Gottes und gestaltet sein eigenes Wesen selbst“, heißt es. Der erste Grundsatz des Existentialismus: „der Mensch ist nichts anderes als das, wozu er sich macht (L'homme n'est rien d'autre que ce qu il se fait).
Raymond Fosca macht aus sich nichts mehr etwas:
Zitat von de Beauvoir
Ich lebe und habe kein Leben...Wenn man wenigstenz wirklich ein absolutes Nichts sein könnte! Aber es gibt immer wieder andere Menschen auf Erden, die einen sehen. Sie sprechen, und man muß sie hören, man muß ihnen Antwort geben, man muß wieder zu leben beginnen, wenn man auch weiß, daß man nicht existiert. Und das hört niemals auf.
Wie wir gesehen haben, ist ein Gott im Existentialismus nicht notwendig. So hatte auch Regine in unserem Roman aufgehört, an Gott zu Glauben.
Zitat von de Beauvoir
Ich bleibe mir selber treu, ich lasse mich selbst nicht im Stich. Ich werde sie zwingen, mich so leidenschaftlich zu bewundern, daß jede meiner Gesten ihnen heilig ist. Eines Tages werde ich um meine Stirn einen Glorienschein spüren.
Ich bin fasziniert, in welche Gedankenwelten ich hier driften kann
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 06.01.2008 18:50 |
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#2
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 12.01.2008 15:18von Martinus • 3.195 Beiträge
In dem Roman wird man mit historischen Fakten konfrontiert. Zu anfangs ist Fosca Fürst von Carmona (Italien) und steht in kriegerischem Fuß mit Genua. Wenn ich nur den Blick auf die Historie schaue, wurde es für mich am interessantesten, als Fosca Berater von Karl V. (1500-1558 ) war, denn Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, dürfte auch so manchem an seinen Geschichtsunterricht erinnern. So erleben wir im Roman Auseinandersetzungen mit der Bewegung des Dr. Martin Luther und auch mit den Täufern, die von Lutheranern polemisch als Wiedertäufer bezeichnet wurden.
Karl V. über Luther:
Damit wird der Zeitgeist getroffen. Nur die katholische Kirche durfte sagen was ist und was nicht.
Im Existentialismus heißt es aber:
„Aber wenn wirklich die Existenz der Essenz vorausgeht, so ist der Mensch verantwortlich für das, was er ist“ (J.P. Sartre: Ist der Existentialismus ein Humanismus? ).
Raymond Fosca vertritt die Ansicht „Die Menschen müssen eins werden“. Als Antwort darauf bekommt er zu hören: „Es gibt nur ein Gutes...nach seinem Gewissen handeln“. Ob nun dadurch immer gutes Handeln entsteht, ist keineswegs gesagt, denn Fosca erlebt in seinem Erleben durch die Jahrhunderte nur die Pest, Gewalt und Krieg. Der Mensch kann nicht glücklich werden. Er baut alles auf, dann geht alles zunichte, und er baut es wieder auf.
Einer der „Wiedertäufer“ spricht zu Fosca:
„Welch seltsames Heil“ sagte ich.
bis dahin, erstmal
Martinus
PS: *) gemeint ist das Himmlische Jerusalem)
Karl V. über Luther:
Zitat von de Beauvoir
Ein einzelner Mönch, der sich auf sein eigenes Urteil stützt, hat sich jenem Glauben widersetzt, dem die Christenheit anhängt seit mehr als tausend Jahren.
Damit wird der Zeitgeist getroffen. Nur die katholische Kirche durfte sagen was ist und was nicht.
Im Existentialismus heißt es aber:
„Aber wenn wirklich die Existenz der Essenz vorausgeht, so ist der Mensch verantwortlich für das, was er ist“ (J.P. Sartre: Ist der Existentialismus ein Humanismus? ).
Zitat von de Beauvoir
Wenn wir uns auf die Lutheraner stützten, um den Papst zu bekriegen und mit Hilfe der Katholiken die protestantische Union, so betrieben wir ein Schaukelspiel, das uns nicht weiterbrachte. Solange wir nicht überall gärende Zwietracht der Geister besiegt hatten, war unser politischer Einheitstraum nicht zu verwirklichen...Durch die Verfolgungen steigerten wir nur den Eigensinn der Ketzer...
Raymond Fosca vertritt die Ansicht „Die Menschen müssen eins werden“. Als Antwort darauf bekommt er zu hören: „Es gibt nur ein Gutes...nach seinem Gewissen handeln“. Ob nun dadurch immer gutes Handeln entsteht, ist keineswegs gesagt, denn Fosca erlebt in seinem Erleben durch die Jahrhunderte nur die Pest, Gewalt und Krieg. Der Mensch kann nicht glücklich werden. Er baut alles auf, dann geht alles zunichte, und er baut es wieder auf.
Einer der „Wiedertäufer“ spricht zu Fosca:
Zitat von de Beauvoir
Wenn es*) wirklich erstände und die Menschen glücklich wären, was bliebe ihnen dann auf Erden zu tun?...Die Welt lastet so schwer auf uns. Es gibt nur ein Heil: vernichten, was geschaffen worden ist.
„Welch seltsames Heil“ sagte ich.
bis dahin, erstmal
Martinus
PS: *) gemeint ist das Himmlische Jerusalem)
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zuletzt bearbeitet 12.01.2008 15:21 |
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#4
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 12.01.2008 15:37von Martinus • 3.195 Beiträge
fein, fein..
Mit Karl dem V. wollte er ein großes Weltreich gründen. Nun fährt Fosca über den Ozean:
Martinus
Mit Karl dem V. wollte er ein großes Weltreich gründen. Nun fährt Fosca über den Ozean:
Zitat von de Beauvoir
Jetzt, während ich Tag für Tag über das blaue Wasser glitt, fragte ich mich: Was ist die Welt? Und wo ist sie denn?
Martinus
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zuletzt bearbeitet 12.01.2008 15:46 |
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#5
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 21.01.2008 20:22von Martinus • 3.195 Beiträge
Es bleibt dabei. Fosca bleibt die tragischste Figur unter den Menschen, denn er kann nicht am Leben der Menschen teilnehmen.
Zitat von de Beauvoir
ein Leben, tausend Leben sind nicht gewichtiger als ein Flug Eintagsfliegen.
Der Roman macht sehr deutlich, nur durch den Tod, der unausweichlich ist, sind wir in der Lage unser Leben wertzuschätzen, haben wir Gelegenheit, unsere Zeit sinnvoll zu nutzen. Was nützt dem Unsterblichen eine Liebesbeziehung?
Zitat von de Beauvoir
Ein paar Tage, ein paar Jahre lang. Dann liegt sie da auf dem Bett mit dem geschrumpften Gesicht...
Fosca, der als Unsterblicher eher zu den Toten als zu den Lebenden gehört, ist zu einem sinnlosen Dasein verdammt.
FINE
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#6
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 20.02.2008 17:00von Martinus • 3.195 Beiträge
Ich habe ein kleinformatiges Taschenbuch von "Ein sanfter Tod", offenbar so klein, dass ich es derzeit nicht finden kann.(Ich habe den Text vor mehreren Wochen gelesen). Trotzdem meine gebliebenen Eindrücke:
Simone de Beauvoir erzählt vom langsamen Sterben ihrer Mutter. Sie ist in ihrer Wohnung gestürzt. Es zeigt sich, dass dieser Sturz von ihrer schweren Krankheit ausgelöst wurde, an die sie dann stirbt. Ich denke, de Beauvoir hat sich in diesem Büchlein ihre Seele freigeschrieben, erzählt sehr detailliert über Medizinisches, Krankenpflegerisches und über die Sorgen ihrer Verwandten einschließlich ihrer eigenen.
Das Verhältnis zu ihrer Mutter war getrübt, die Mutter, ein, na wie soll ich sagen, schwieriger Charakter. de Beauvoir entwirft ein sehr plastisches Bild von ihr. Trotzdem, ihr Tod wird sehr schwer genommen. Selbstverständlich.
Die Bindung zur Mutter ist auch sehr tief, wenn man sich untereinander nicht so gut verstanden hat. Das habe ich auch erst kürzlich bei Cesare Pavese gelesen. Pavese schreibt in einer seiner Erzählungen, das er gar nicht wüsste, was eine Familie sei, weil seine Mutter sehr streng und knochenhart war. Als sie aber starb, war es für den italienischen Schriftsteller eine Katastrophe.
Ja, darum sollte man das Buch ruhig lesen. Wenn man dem Tod ins Auge sehen muss, wird vieles verziehen, Menschen werden noch menschlicher. Was Simone de Beauvoir allerdings mit sanftem Tod meint, habe ich nicht wahrgenommen. Etwas verstörend fand ich, dass der Mutter ihre schwere Erkrankung verheimlicht wurde.
Als Lebensbericht ist dieser kurze Text ohne weiteres zu empfehlen. Simone de Beauvoir kann ja sehr schön erzählen (Man suche in diesem Buch aber nicht nach Philosophie. Auch Sartre nur am Rande erwähnt).
Liebe Grüße
Martinus
Simone de Beauvoir erzählt vom langsamen Sterben ihrer Mutter. Sie ist in ihrer Wohnung gestürzt. Es zeigt sich, dass dieser Sturz von ihrer schweren Krankheit ausgelöst wurde, an die sie dann stirbt. Ich denke, de Beauvoir hat sich in diesem Büchlein ihre Seele freigeschrieben, erzählt sehr detailliert über Medizinisches, Krankenpflegerisches und über die Sorgen ihrer Verwandten einschließlich ihrer eigenen.
Das Verhältnis zu ihrer Mutter war getrübt, die Mutter, ein, na wie soll ich sagen, schwieriger Charakter. de Beauvoir entwirft ein sehr plastisches Bild von ihr. Trotzdem, ihr Tod wird sehr schwer genommen. Selbstverständlich.
Die Bindung zur Mutter ist auch sehr tief, wenn man sich untereinander nicht so gut verstanden hat. Das habe ich auch erst kürzlich bei Cesare Pavese gelesen. Pavese schreibt in einer seiner Erzählungen, das er gar nicht wüsste, was eine Familie sei, weil seine Mutter sehr streng und knochenhart war. Als sie aber starb, war es für den italienischen Schriftsteller eine Katastrophe.
Ja, darum sollte man das Buch ruhig lesen. Wenn man dem Tod ins Auge sehen muss, wird vieles verziehen, Menschen werden noch menschlicher. Was Simone de Beauvoir allerdings mit sanftem Tod meint, habe ich nicht wahrgenommen. Etwas verstörend fand ich, dass der Mutter ihre schwere Erkrankung verheimlicht wurde.
Als Lebensbericht ist dieser kurze Text ohne weiteres zu empfehlen. Simone de Beauvoir kann ja sehr schön erzählen (Man suche in diesem Buch aber nicht nach Philosophie. Auch Sartre nur am Rande erwähnt).
Liebe Grüße
Martinus
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zuletzt bearbeitet 20.02.2008 17:17 |
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#7
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 20.02.2008 19:39von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Nun liegen sie beide vor mir, die gesammelten Briefe in zwei Bänden. Heute den zweiten erstanden. Die Briefe von Simone sind anregender als die von Sartre, möglicherweise, weil sie mehr offenbaren. Simone de Beauvoir hat ihre Briefe lange vor der Öffentlichkeit verborgen, vielleicht nicht absichtlich, vielleicht hat sie wirklich vergessen, wo sie waren. Darin erscheint sie als neue Frau, die den Pakt nicht ganz so leicht nahm, deren Schrift manchmal nicht entzifferbar ist. Sartre schreibt ihr:
(03.12.1939)
Auch die Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir, die die Briefe gleich einem Schatz wiedergefunden hat, hat ihre Probleme mit der Entzifferung. Da kann ich nur sagen, wie froh ich bin, dass der schriftliche Austausch schön für den Leser in leserliche Buchstaben gedruckt wurde. Bin gespannt, was sich in den Briefen offenbart.
Liebe Grüße
Taxine
Zitat von Sartre
Also, mein Kleiner, wie schlecht Sie schreiben. Es ist fast unleserlich. (...) Ich glaube, ich lese Ihre Schrift mit den Augen der Liebe; denn ich täusche mich nie. Aber um mich noch mehr auf die Probe zu stellen, vertauschen Sie die Buchstaben innerhalb der Wörter. (...) Es macht nichts, ich lese alles.
(03.12.1939)
Auch die Adoptivtochter Sylvie Le Bon de Beauvoir, die die Briefe gleich einem Schatz wiedergefunden hat, hat ihre Probleme mit der Entzifferung. Da kann ich nur sagen, wie froh ich bin, dass der schriftliche Austausch schön für den Leser in leserliche Buchstaben gedruckt wurde. Bin gespannt, was sich in den Briefen offenbart.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 20.02.2008 19:58 |
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#8
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 15.03.2008 20:10von Martinus • 3.195 Beiträge
Die ersten 50 Seiten vom ersten Band ihrer Autobiografie ("Memoiren einer Tochter aus gutem Hause") habe ich gelesen. Wie oft kommt in der französischen Literatur der jardin du luxembourg vor (etwas ulkig klingt die deutsche Übersetzung, die ich mir zu nennen erspare): Ich freue mich ja immer, wenn ich so etwas lese, weil ich dort mal gewesen bin. Simone de Beauvoir schon als dreijährige dort mit Louise, dem Kindermädchen, spaziren gegangen.
Natürlich suche ich in dem Buch schon nach Spuren der erwachsenen Philosophin. Natürlich finden wir Begebenheiten, nach denen jedes Kind auf der Spur ist, nämlich nach den Geheimnissen der Erwachsenen. Sie versucht aber schon damals, nicht alles so hinzunehmen, nur weil es eine gesellschaftliche Gepflogenheit ist:
Das sie sich als Kind schon Gedanken über den Tod gemacht hat, finde ich nicht außergewöhnlich. Ich selbst hatte da auch meine Fantasien und kam zu dem Schluss: Der Tod ist das Nichts. Ähnlich auch so im Buch:
Also, vor der Geburt das Nichts, daraus folgere ich, dass nach dem Leben auch das Nichts kommt (oder sind das Gedächtnislücken, die uns verwehren, einer Inkarnationskette in Gedanken zu folgen?)
Für mich war es an dieser Stelle sehr schön zu sehen, dass sich auch andere Kinder (wie ich gewesen) sich Gedanken über die Existenz machten. Für mich war das damals bedrohlich aber konsequent hielt ich es für wahr, was ich dachte (s.o.)
Bemerkenswert fand ich, dass die künftige Existentialistin aufgrund mütterlicher Erziehung gottgläubig war.
Liebe Grüße
Martinus
Natürlich suche ich in dem Buch schon nach Spuren der erwachsenen Philosophin. Natürlich finden wir Begebenheiten, nach denen jedes Kind auf der Spur ist, nämlich nach den Geheimnissen der Erwachsenen. Sie versucht aber schon damals, nicht alles so hinzunehmen, nur weil es eine gesellschaftliche Gepflogenheit ist:
Zitat von de Beauvoir
...was mich aufs tiefste empörte, war, daß ein beiläufig hingesagter Satz wie >Man muß..., man darf nicht...<...Die Willkür der Befehle und Verbote, auf die ich stieß, schien mir ein Beweis für ihre Substanzlosigkeit zu sein;
Das sie sich als Kind schon Gedanken über den Tod gemacht hat, finde ich nicht außergewöhnlich. Ich selbst hatte da auch meine Fantasien und kam zu dem Schluss: Der Tod ist das Nichts. Ähnlich auch so im Buch:
Zitat von de Beauvoir
Immerhin hatte es einen Anfang gegeben: das verwirrte mich manchmal. Die KInder enstanden, so glaubte ich, auf ein göttliches Schöpfungswort hin. Doch entgegen aller Orthodoxie schränkte ich die Fähigkeiten des Allmächtigen ein. Diese Gegenwart in mir, die mir bestätigte, daß ich da war, hing von niemanden ab, nichts kam dagegen auf, es war unmöglich, daß irgend jemand, und wäre es selbst Gott, sie erst erschaffen hatte: er hatte sich darauf beschränkt, ihr eine Hülle zu geben. Im überweltlichen Raume schwebten unsichtbar, ungreifbar, Myriaden kleiner Seelen umher, die darauf warteten, in einen Körper zu schlüpfen. Ich war eine davon gewesen, hatte aber alles vergessen. Sie irrten zwischen Himmel und Erde umher und würden sich ebenfalls späterhin nicht mehr daran erinnern. Angstvoll wurde ich mir klar, daß dieses Fehlen einer Erinnerung eben dem Nichts gleichkam; alles verlief so, als hätte ich, bevor ich in der Wiege erschien, gar nicht existiert.
Also, vor der Geburt das Nichts, daraus folgere ich, dass nach dem Leben auch das Nichts kommt (oder sind das Gedächtnislücken, die uns verwehren, einer Inkarnationskette in Gedanken zu folgen?)
Für mich war es an dieser Stelle sehr schön zu sehen, dass sich auch andere Kinder (wie ich gewesen) sich Gedanken über die Existenz machten. Für mich war das damals bedrohlich aber konsequent hielt ich es für wahr, was ich dachte (s.o.)
Bemerkenswert fand ich, dass die künftige Existentialistin aufgrund mütterlicher Erziehung gottgläubig war.
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 15.03.2008 20:12 |
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#9
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 16.03.2008 00:30von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hallo Martinus,
ich finde, dass die erwachsene Schriftstellerin sehr stark durch diese Zeilen schimmert, was mir das Lesen etwas anstrengend macht (weil ja aus der Sicht des Kindes berichtet wird). Mir fällt auf, dass die Betrachtungen des Kindes oft wirken, wie sie sie später, also während des Schreibens, empfunden haben musste, damit nicht aus der kindlichen Sichtweise, sondern aus der erwachsenen, die sich die Mühe macht, sich hier unter großer Anstrengung zu erinnern. Auch wirken manche Gedankenflüge wie künstlich inszeniert, als ob sie sich als Kind schon ein Stück größer macht, als sie war.
Na gut, man kauft ihr ab, dass sie kein einfaches Kind war, dass sie sicher vieles hinterfragt und nicht so einfach hingenommen hat, auch die Wutanfälle, die sie psychologisch auszuwerten versucht, zeigen, dass da ein kleines Mädchen mit großem Kopf heranwächst, trotzdem erscheinen manche Vorgänge wie später hinzugefügt, und viele Überlegungen, wie sie bestimmte Situationen im Kindesalter von vier, fünf, sechs Jahren langsam erschließt und sich zurechtlegt, wirken völlig übertrieben, weil ein Kind doch wesentlich unbeschwerter und mit mehr Akzeptanz an die Dinge heranzugehen pflegt. Diese "unbedingte Aufrichtigkeit" kaufe ich ihr nicht völlig ab. Darum hoffe ich, dass Simone schnell erwachsen wird, weil ihre Sprache und ihre Gedanken dann auch glaubhafter werden.
Ich räume gerne ein, dass es sehr schwer ist, sich hier von Kindheit an selbst in Zeilen aufwachsen zu lassen, besonders, wenn man sich nicht auf das einfache Erzählen beschränken will, die Erlebnisse mit den Erwachsenen sind schön beschrieben, auch gefällt mir ihr Schreibstil.
Über den Tod habe ich mir als Kind kaum Gedanken gemacht, ich hatte lediglich Angst, dass ich einschlafen und nie mehr aufwachen könnte. Ich stellte mir dann immer vor, dass es nicht sein könnte, dass all das, was ich bin, mein Denken, meine Gefühle, auf einmal verschwinden sollte, sich in Nichts auflösen würde. Das war einfach zu beweglich, zu aktiv. Darum erschien mir der Tod eher als eine Illusion. Vielleicht, weil ich erst spät damit "leibhaftig" konfrontiert wurde. So folgere ich jetzt daraus, dass ich an ein Nichts nie geglaubt habe (während ich den Osterhasen und den Weihnachtsmann sehr schnell als Trug entlarvte ).
Liebe Grüße
Taxine
ich finde, dass die erwachsene Schriftstellerin sehr stark durch diese Zeilen schimmert, was mir das Lesen etwas anstrengend macht (weil ja aus der Sicht des Kindes berichtet wird). Mir fällt auf, dass die Betrachtungen des Kindes oft wirken, wie sie sie später, also während des Schreibens, empfunden haben musste, damit nicht aus der kindlichen Sichtweise, sondern aus der erwachsenen, die sich die Mühe macht, sich hier unter großer Anstrengung zu erinnern. Auch wirken manche Gedankenflüge wie künstlich inszeniert, als ob sie sich als Kind schon ein Stück größer macht, als sie war.
Na gut, man kauft ihr ab, dass sie kein einfaches Kind war, dass sie sicher vieles hinterfragt und nicht so einfach hingenommen hat, auch die Wutanfälle, die sie psychologisch auszuwerten versucht, zeigen, dass da ein kleines Mädchen mit großem Kopf heranwächst, trotzdem erscheinen manche Vorgänge wie später hinzugefügt, und viele Überlegungen, wie sie bestimmte Situationen im Kindesalter von vier, fünf, sechs Jahren langsam erschließt und sich zurechtlegt, wirken völlig übertrieben, weil ein Kind doch wesentlich unbeschwerter und mit mehr Akzeptanz an die Dinge heranzugehen pflegt. Diese "unbedingte Aufrichtigkeit" kaufe ich ihr nicht völlig ab. Darum hoffe ich, dass Simone schnell erwachsen wird, weil ihre Sprache und ihre Gedanken dann auch glaubhafter werden.
Ich räume gerne ein, dass es sehr schwer ist, sich hier von Kindheit an selbst in Zeilen aufwachsen zu lassen, besonders, wenn man sich nicht auf das einfache Erzählen beschränken will, die Erlebnisse mit den Erwachsenen sind schön beschrieben, auch gefällt mir ihr Schreibstil.
Über den Tod habe ich mir als Kind kaum Gedanken gemacht, ich hatte lediglich Angst, dass ich einschlafen und nie mehr aufwachen könnte. Ich stellte mir dann immer vor, dass es nicht sein könnte, dass all das, was ich bin, mein Denken, meine Gefühle, auf einmal verschwinden sollte, sich in Nichts auflösen würde. Das war einfach zu beweglich, zu aktiv. Darum erschien mir der Tod eher als eine Illusion. Vielleicht, weil ich erst spät damit "leibhaftig" konfrontiert wurde. So folgere ich jetzt daraus, dass ich an ein Nichts nie geglaubt habe (während ich den Osterhasen und den Weihnachtsmann sehr schnell als Trug entlarvte ).
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 16.03.2008 00:50 |
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#10
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 17.03.2008 17:39von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Mit dem Erreichen der Pubertät werden die Memoiren wunderbar. Man ist richtig mitgerissen, wie sich Simone hier mit ihrer Welt auseinandersetzt, mit ihrer Mutter, dem Vater, der Freundin Zaza. Besonders schön fand ich, wie sie vor Zaza ihre politischen Ansichten verteidigt und mit einem Mal erkennt, dass sie hier keine eigene Überzeugung vertritt, sondern den Worten ihres Vaters gehorcht, diese gedankenlos nachplappert. Dass sie hier erkennt, dass sie im Gegensatz zu Zaza völlig unaufrichtig ist, macht sie mir sehr sympathisch.
Der Glaube an Gott und der Bruch dieses Glaubens erinnern mich an die eigenen Erfahrungen, überhaupt führen mich ihre Memoiren ständig in die eigene Kindheit und Jugend zurück, lassen wieder etwas aus dem großen Schleier der Vergessenheit auftauchen und so klar vor Augen stehen, dass ich mit großer Verwunderung verharre, wie vieles davon so lange verloren war. Die Situation (ich hoffe, Martinus, du bist auch schon so weit) mit dem Beichtvater war herrlich, als er sie in ihrer Beichte auf einmal aufgrund ihres Benehmens belehrt und ermahnt, ein deutlicher Verrat, den Simone so schön in Zeilen fasst:
Dazwischen sind andere schöne Betrachtungen gestreut, ich mag ihren Eifer und ihre Begierde für die Bücher und die Lernerei, und verständlich wird diese Auseinandersetzung mit dem, was der Frau möglich ist und was sie nicht will, hier den Vergleich zu all den anderen Klassenkameraden und Verwandten heranzuziehen, um zu sagen: Das will ich nicht! Simone ist nicht der Typ Frau, der sein Leben darauf ausrichtet, dass sie Mutter wird, die unendliche Reihe der Familie fortsetzt, die ewige Wiederholung des "alten Liedes". Für sie gilt:
Die Heirat selbst erscheint ihr nun nicht mehr so sinnlos, natürlich muss der Mann, der sie in diesen "Kreis" lockt, ihr um vieles überlegen sein, er musste sie in allen Dingen übertreffen. Freundschaft und Liebe waren für Simone ein und dasselbe.
(Da erkenne ich auch einiges aus meinen Idealvorstellungen wieder... )
Jetzt macht die Leserei riesigen Spaß. Ich verschlinge das Buch regelrecht und weiß wieder, was mir damals so daran gefallen hat.
Liebe Grüße
Taxine
Der Glaube an Gott und der Bruch dieses Glaubens erinnern mich an die eigenen Erfahrungen, überhaupt führen mich ihre Memoiren ständig in die eigene Kindheit und Jugend zurück, lassen wieder etwas aus dem großen Schleier der Vergessenheit auftauchen und so klar vor Augen stehen, dass ich mit großer Verwunderung verharre, wie vieles davon so lange verloren war. Die Situation (ich hoffe, Martinus, du bist auch schon so weit) mit dem Beichtvater war herrlich, als er sie in ihrer Beichte auf einmal aufgrund ihres Benehmens belehrt und ermahnt, ein deutlicher Verrat, den Simone so schön in Zeilen fasst:
In Antwort auf:
Meine Wangen wurden feuerrot, schaudernd betrachtete ich den Betrüger, den ich alle diese Jahre hindurch für den Vertreter Gottes auf Erden gehalten hatte: plötzlich hatte er seine Soutane gelüftet und darunter das Gewand einer alten Betschwester aufgedeckt; sein Priestergewand war nur eine Verkleidung gewesen; es umhüllte eine alte Gevatterin, die am Geschwätz ihre Freude hatte.
Dazwischen sind andere schöne Betrachtungen gestreut, ich mag ihren Eifer und ihre Begierde für die Bücher und die Lernerei, und verständlich wird diese Auseinandersetzung mit dem, was der Frau möglich ist und was sie nicht will, hier den Vergleich zu all den anderen Klassenkameraden und Verwandten heranzuziehen, um zu sagen: Das will ich nicht! Simone ist nicht der Typ Frau, der sein Leben darauf ausrichtet, dass sie Mutter wird, die unendliche Reihe der Familie fortsetzt, die ewige Wiederholung des "alten Liedes". Für sie gilt:
In Antwort auf:
Jede unendliche Wiederholung der Unwissenheit, der Indifferenz kam dem Tode gleich.
Die Heirat selbst erscheint ihr nun nicht mehr so sinnlos, natürlich muss der Mann, der sie in diesen "Kreis" lockt, ihr um vieles überlegen sein, er musste sie in allen Dingen übertreffen. Freundschaft und Liebe waren für Simone ein und dasselbe.
(Da erkenne ich auch einiges aus meinen Idealvorstellungen wieder... )
Jetzt macht die Leserei riesigen Spaß. Ich verschlinge das Buch regelrecht und weiß wieder, was mir damals so daran gefallen hat.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 01.07.2008 23:35 |
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#11
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 18.03.2008 21:42von Martinus • 3.195 Beiträge
Hallo Taxine,
ich bin jetzt auch an der Stelle, wo sie die Gedanken des Vaters nachplappert. Ja, das ist typisch menschlich. Die Eltern sind Vorbilder und schließlich zu Beginn der Pubertät, beginnt man, ein eigenes Weltbild zu schaffen. De Beauvoir hat diese Phase ihres Lebens sehr schön in Worte gefasst. Kritisch ist sie ja jetzt schon, mag mit althergebrachten Konventionen brechen. Schmunzeln musste ich, als sie erwähnt, sie habe sogar Bataille gelesen. Sehr beachtlich in diesem zarten Alter, und wenn man bedenkt, wie sehr ihre Eltern darauf bedacht waren, ihr bestimmte Bücher vorzuenthalten. Simone bekennt, diese Bücher haben ihr nicht geschadet. Sogar von regelrechter Zensur wird gesprochen (das konnen wir uns heute gar nicht mehr vorstellen):
Die Sache mit dem Beichtvater wird gleich kommen.
An der Sache mit dem Gottglauben, hat das also bei mir viel länger gedauert, bis ich darüber kritisch nachdachte. Eltern haben eine große Macht. Nun bin ich gespannt, wann de Beauvoir in dieser Sache kritisch wird.
Liebe Grüße
Martinus
ich bin jetzt auch an der Stelle, wo sie die Gedanken des Vaters nachplappert. Ja, das ist typisch menschlich. Die Eltern sind Vorbilder und schließlich zu Beginn der Pubertät, beginnt man, ein eigenes Weltbild zu schaffen. De Beauvoir hat diese Phase ihres Lebens sehr schön in Worte gefasst. Kritisch ist sie ja jetzt schon, mag mit althergebrachten Konventionen brechen. Schmunzeln musste ich, als sie erwähnt, sie habe sogar Bataille gelesen. Sehr beachtlich in diesem zarten Alter, und wenn man bedenkt, wie sehr ihre Eltern darauf bedacht waren, ihr bestimmte Bücher vorzuenthalten. Simone bekennt, diese Bücher haben ihr nicht geschadet. Sogar von regelrechter Zensur wird gesprochen (das konnen wir uns heute gar nicht mehr vorstellen):
Zitat von de Beauvoir
Meine Lektüre wurde mit der gleichen Strenge wie früher überwacht; außerhalb der speziell für Kinder bestimmten oder im Hinblick auf sie gereinigten Literatur bekam ich nur eine kleine Zahl von ausgewählten Werken in die Hände; noch dazu übten sehr häufig meine Eltern eine Zensur über gewisse Stellen aus.
Die Sache mit dem Beichtvater wird gleich kommen.
An der Sache mit dem Gottglauben, hat das also bei mir viel länger gedauert, bis ich darüber kritisch nachdachte. Eltern haben eine große Macht. Nun bin ich gespannt, wann de Beauvoir in dieser Sache kritisch wird.
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 18.03.2008 21:43 |
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#12
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 19.03.2008 17:09von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Simone de Beauvoir erwähnt neben all den Büchern, die sie gelesen hat (Gide ... ) auch Adrienne Monnier kurz, die mir irgendwie bekannt vorkam. Kein Wunder, stehen ihre "Aufzeichnungen aus der Rue l'Odeon" doch tatsächlich in meinem Regal. Überhaupt erwähnt sie ein paar Bücher, die mich neugierig gemacht haben. Da wäre Henri Alain-Founiers "Le grand Meaulnes" (hast du es gelesen, Martinus?) oder von Jacques Rivière das Buch "Aimee", das leider nicht auf deutsch erhältlich ist (lediglich seine Briefe mit Claudel und sein Essay über Rimbaud).
Schön fand ich auch die Worte, als sie mit Sterbenden und Kranken konfrontiert wird:
Die Wirklichkeit lässt sich nicht wegdenken oder lediglich in abstrakter Art und Weise erfassen. Sie existiert neben der eigenen Philosophie von Welt und Sein.
Während sie also mit den Immoralisten liebäugelt, sich in diesen Denkmustern und Sehnsüchten wiedererkennt und dabei immer mehr die Bourgeoisie in Frage stellt, zitiert sie auch Stanislas Fumet:
Ein Satz, der das Denken dieser Schriftsteller gut einkreist.
Liebe Grüße
Taxine
Schön fand ich auch die Worte, als sie mit Sterbenden und Kranken konfrontiert wird:
Zitat von Beauvoir
... angesichts dieser Parade des Grauens wurde ich mir jäh bewusst, dass die Welt kein bloßer Seelenzustand ist.
Die Wirklichkeit lässt sich nicht wegdenken oder lediglich in abstrakter Art und Weise erfassen. Sie existiert neben der eigenen Philosophie von Welt und Sein.
Während sie also mit den Immoralisten liebäugelt, sich in diesen Denkmustern und Sehnsüchten wiedererkennt und dabei immer mehr die Bourgeoisie in Frage stellt, zitiert sie auch Stanislas Fumet:
Zitat von Fumet
Die Sünde ist die Stelle, die für Gott freigehalten ist.
Ein Satz, der das Denken dieser Schriftsteller gut einkreist.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 19.03.2008 17:12 |
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#13
von Martinus • 3.195 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 19.03.2008 20:25von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von Taxine
Henri Alain-Founiers "Le grand Meaulnes" (hast du es gelesen, Martinus?)
das Buch hat Martinus auf seiner Ich muss das noch lesen-Bücherliste, ein dünnes Suhrkamp-TB.
Das katholische Mädchenpensionat "Cours Désir" gibt es offenbar heute noch. Das Simone de Beauvoir ausgerechnet während dieser Zeit ihren Glauben an Gott verliert, zeigt ihre selbstbewusste Persönlichkeit und es keimt ihr Wunsch, Schriftstellerin zu werden:
Zitat von de Beauvoir
Wenn ich früher den Wunsch gehabt hatte, Lewhrerin zu werden, so deshalb, weil ich davon träumte, Ursache und Zweck in einem zu sein; jetzt meinte ich, daß die Literatur mir erlauben würde, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Sie würde mir eine Unsterblichkeit sichern, die mir ein Ausgleich für die verlorene ewige Seligkeit wäre; es gab keinen Gott mehr, der mich liebte, aber ich würde in Millionen von Herzen wie eine Flamme weiterbrennen.
Ob sie als Schülerin wirklich so gedacht hat, oder im Nachhinein bei Schreiben?
Zitat von de Beauvoir
wenn ich an ihn geglaubt hätte, wäre ich nicht freudigen Herzens bereit gewesen, ihn zu beleidigen.
begründet damit, im Vergleich mit der Ewigkeit zähle diese welt nicht, die sie liebe. Den Einfluß Gottes auf ein einzelnes Individium. Dieses bezweifelte sie. Nur in der besagten Beichte offenbarte sie sich. In dem Cours Désir hielt sie sich verschwiegen. Es galt ja an Sünde so zu denken. Schon ihre Vorliebe zur Philosophie galt als satanisch. irgendwann muss ja ein Bruch mit diesem Pensionat kommen. de Beauvoir lässt sich irgeneinen Glauben nicht eintrichtern. Sie bildet ihr Weltbild durch eigenes Denken, und das ist gerade zu ihrer Zeit ziemlich stark, da man gerade von Frauen nicht großartiges Denken abverlangte, sie lieber hinter dem Herd stellte.
Liebe Grüße
Martinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
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#14
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 20.03.2008 21:55von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Obwohl ich dabei bin, so viele Bücher () hinwegzugeben, konnte ich mir doch nicht folgende verwehren:
Mauriac "Das Geheimnis Frontenac" (eigene Wahl, nur der Schriftsteller war genannt),
längst aufgewühlt bei Mallarmé und co:
Die Brüder de Gorcourt.
Und Alain Founiers "Der große Meaulnes".
Ich würde so gerne (gerade in meiner jetzigen Situation) Marc Chardourne lesen, sein "Vasco", in dem dieser behauptet, dass im Abenteuer, im Aufbruch alles Heil liegt.
Trösten werden mich Gide und co, mit den Worten:
Was mich auch interessiert, wäre dann Jean-Richard Bloch und seine "Kurdische Nacht".
Sehr spannend fand ich die Begegnung von Simone Weil und Simone de Beauvoir, die in der knappen Konfrontation stattfand, dass Weil behauptete, man müsse mit Hilfe einer Revolution alle Menschen sattmachen, während Beauvoir erklärt, es wäre doch wichtiger, dem Menschen zu zeigen, welcher Sinn in seinem Leben läge. Weil darauf:
"Sie haben wohl noch nie gehungert!"
Beauvoir von einer anderen Seite: Das Entdecken der Bar-Nächte:
Mensch, die Frau spricht mir so oft aus dem Herzen!
Liebe Grüße
Taxine
Mauriac "Das Geheimnis Frontenac" (eigene Wahl, nur der Schriftsteller war genannt),
längst aufgewühlt bei Mallarmé und co:
Die Brüder de Gorcourt.
Und Alain Founiers "Der große Meaulnes".
Ich würde so gerne (gerade in meiner jetzigen Situation) Marc Chardourne lesen, sein "Vasco", in dem dieser behauptet, dass im Abenteuer, im Aufbruch alles Heil liegt.
Trösten werden mich Gide und co, mit den Worten:
In Antwort auf:
Gefährlich leben, nichts von sich weisen!
Was mich auch interessiert, wäre dann Jean-Richard Bloch und seine "Kurdische Nacht".
Sehr spannend fand ich die Begegnung von Simone Weil und Simone de Beauvoir, die in der knappen Konfrontation stattfand, dass Weil behauptete, man müsse mit Hilfe einer Revolution alle Menschen sattmachen, während Beauvoir erklärt, es wäre doch wichtiger, dem Menschen zu zeigen, welcher Sinn in seinem Leben läge. Weil darauf:
"Sie haben wohl noch nie gehungert!"
Beauvoir von einer anderen Seite: Das Entdecken der Bar-Nächte:
In Antwort auf:
In der ersten Zeit besonders hatte ich das Gefühl, nicht von Menschen aus Fleisch und Blut, sondern von Allegorien umgeben zu sein.
Mensch, die Frau spricht mir so oft aus dem Herzen!
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 03.04.2008 16:52 |
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#15
von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Simone de Beauvoir
in Die schöne Welt der Bücher 23.03.2008 18:49von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
In "In den besten Jahren" sieht man Simone beinahe mit Sartre verschmolzen. Es heißt öfter "wir" als "ich".
Sartre wird in diesen Memoiren schön sichtbar.
"Man denkt nicht, wenn man in Problemen denkt..."
... und Simone denkt in ihren besten Worten:
Andererseits:
Danach sagt sie:
... wobei ich ihr nicht ganz zustimmen kann.
Wer, wie Beauvoir und Sartre das Innenleben ablehnt und verachtet, (in meinen Augen, jene schimmernde Quelle, aus der man einzig schöpft, um sich selbst zu erkennen, eine Quelle, auf die man nicht verzichten kann, da man sich nicht durch andere Menschen begreift) der sieht natürlich nicht, dass es bei der Doppelbödigkeit der Sprache gar nicht einmal nur an der Ehrlichkeit scheitert oder dem Willen zur Ehrlichkeit, es geht um die Verschiedenheit der Menschen, jenes individuell Unergründliche, das in einem Gespräch nicht immer deutlich macht, wann der eine unter dem scheinbar gleich Verstandenen etwas anderes versteht, ganz einfach, weil er aus dem Inneren ein Wort, ein Ereignis in seinem eigenen Sinn deutet, und nie in genau der gleichen Weise wie der andere, weil man eben nie ganz und gar alles auseinandersetzen und zerlegen kann, was man denkt, um es einem anderen begreiflich zu machen. Da werden immer Menschen mit verschiedenen Sichtweisen einen Gegenstand betrachten. Wenn Sartre und Beauvoir sich einander ihre Seelen bloßlegten, so nur, weil sie ähnlich empfanden, doch sind darunter sicherlich Momente verschiedenen Begreifens gewesen, die nie zum Vorschein kamen. Wenn ähnlich gedacht wird, kommt man unbemerkt immer wieder auf denselben Nenner…
Simone hat von ihrem „Traummann“ eine eindeutige Vorstellung gehabt, er müsse ihr überlegen sein, das hat sie in Sartre gefunden und schreibt:
Das freut mich, dass in ihr diese Ahnung vorhanden war, dass man sich sein Leben, seine Welt mit den eigenen Vorstellungen und Wünschen formt, solange man bedingungslos daran festhält (was nicht heißt, dass man sich sehnsüchtig an sie klammert, sondern, dass man bedingungslos an sie glaubt, sie voraussetzt, im Inneren als Wirklichkeit bestehen lässt. Die eigenen Erwartungen erfüllen sich oft. Man trifft grundsätzlich immer nur auf sich selbst.
Sartre lehnt den Menschen ab, der etwas erschafft, um sich darüber zu definieren, der den Erfolg mit seinen Werken und seinen Handlungen sucht, die Bestätigung anderer. Als Simone und er bei Regen durch die Bretagne streifen, stoßen sie auf das Grabmal von Chateaubriand, und es erschien ihnen in seiner "heuchlerischen Einfachheit so lächerlich pompös", dass Sartre "zum Ausdruck seiner Verachtung darauf pisste".
Simone dagegen definiert sich über das Schreiben, sie möchte etwas hinterlassen, das das Nichts ausfüllt. Immernoch möchte sie lieber ein Werk gebären, als Kinder in die Welt setzen. Sie rechtfertigt, dass sie das gemacht hat, wozu sie da war, und das war eben nicht die Rolle als Mutter. (Eine Nonne würde man ja auch nicht fragen, warum sie keine Kinder bekommt, argumentiert sie, und man muss ihr da sicherlich recht geben.) Sie sagt:
Als Lehrerin hätte ich sie sicherlich gerne gehabt, gerade weil sie versucht, den jungen Mädchen etwas die Augen zu öffnen, sie an Gide und co heranführt, und das auch unter der Bedingung der Ablehnung ihrer Kollegen.
Sie entdeckt in ihrem Wesen einen sehr beharrlichen Zug, einen manischen..., indem sie sich alleine auf mühselige, lange Wanderungen begibt. Sie legt sich dafür Routen nach Plan fest und erkennt ihre Manie dann, als ihre Schwester sie einmal begleitet, im Fieber zusammenbricht, und Simone, statt bei ihr zu bleiben, die Wanderung fortsetzt, und sie in irgendeinem Kloster zurücklässt. Sie nennt es ihre "fixe Idee", und auch Sartre behauptet später von ihr, dass sie in einigen Dingen "schizophren" wäre.
Das ist eine eigenartige Seite an dieser Frau.
Ihre Einstellung zum "Pakt" wird auch deutlich. Ich finde zum Beispiel nicht, dass sie all zu sehr verschleiert, was sie "wirklich" empfunden hat. In vielen Andeutungen und in der Darstellung ihrer Emotionen zeigt sich Simone de Beauvoir sehr offen.
Interessant dabei, dass Simone hier von einer allgemeinen Beobachtung in eine sehr gezielte Aussage gerät.
Ach so:
Dass Sartre Tizian, Ribera und insbesondere Murillo ablehnt, finde ich schon ein starkes Stück. Hier verliert er in seinem bornierten Denken einige Sympathien.
Sartre wird in diesen Memoiren schön sichtbar.
"Man denkt nicht, wenn man in Problemen denkt..."
... und Simone denkt in ihren besten Worten:
In Antwort auf:
Reden ist manchmal nur eine geschickte Methode, etwas zu verschweigen. Selbst da, wo das Wort aussagt, hat es nicht die Macht, die Realität zu unterdrücken, zu überwinden, zu entwaffnen: es dient dazu, ihr zu trotzen.
Andererseits:
In Antwort auf:
In vielen Fällen bedeutet sprechen nicht nur mitteilen, sondern handeln.
Danach sagt sie:
In Antwort auf:
(…) An der Doppelbödigkeit der Sprache braucht die Ehrlichkeit nicht zu scheitern, man muss nur einige Vorsicht walten lassen.
... wobei ich ihr nicht ganz zustimmen kann.
Wer, wie Beauvoir und Sartre das Innenleben ablehnt und verachtet, (in meinen Augen, jene schimmernde Quelle, aus der man einzig schöpft, um sich selbst zu erkennen, eine Quelle, auf die man nicht verzichten kann, da man sich nicht durch andere Menschen begreift) der sieht natürlich nicht, dass es bei der Doppelbödigkeit der Sprache gar nicht einmal nur an der Ehrlichkeit scheitert oder dem Willen zur Ehrlichkeit, es geht um die Verschiedenheit der Menschen, jenes individuell Unergründliche, das in einem Gespräch nicht immer deutlich macht, wann der eine unter dem scheinbar gleich Verstandenen etwas anderes versteht, ganz einfach, weil er aus dem Inneren ein Wort, ein Ereignis in seinem eigenen Sinn deutet, und nie in genau der gleichen Weise wie der andere, weil man eben nie ganz und gar alles auseinandersetzen und zerlegen kann, was man denkt, um es einem anderen begreiflich zu machen. Da werden immer Menschen mit verschiedenen Sichtweisen einen Gegenstand betrachten. Wenn Sartre und Beauvoir sich einander ihre Seelen bloßlegten, so nur, weil sie ähnlich empfanden, doch sind darunter sicherlich Momente verschiedenen Begreifens gewesen, die nie zum Vorschein kamen. Wenn ähnlich gedacht wird, kommt man unbemerkt immer wieder auf denselben Nenner…
Simone hat von ihrem „Traummann“ eine eindeutige Vorstellung gehabt, er müsse ihr überlegen sein, das hat sie in Sartre gefunden und schreibt:
In Antwort auf:
Es waren keine Hirngespinste, sie bestanden in mir als Realität, und daher wunderte ich mich nicht, dass sie in Erfüllung gingen.
Das freut mich, dass in ihr diese Ahnung vorhanden war, dass man sich sein Leben, seine Welt mit den eigenen Vorstellungen und Wünschen formt, solange man bedingungslos daran festhält (was nicht heißt, dass man sich sehnsüchtig an sie klammert, sondern, dass man bedingungslos an sie glaubt, sie voraussetzt, im Inneren als Wirklichkeit bestehen lässt. Die eigenen Erwartungen erfüllen sich oft. Man trifft grundsätzlich immer nur auf sich selbst.
Sartre lehnt den Menschen ab, der etwas erschafft, um sich darüber zu definieren, der den Erfolg mit seinen Werken und seinen Handlungen sucht, die Bestätigung anderer. Als Simone und er bei Regen durch die Bretagne streifen, stoßen sie auf das Grabmal von Chateaubriand, und es erschien ihnen in seiner "heuchlerischen Einfachheit so lächerlich pompös", dass Sartre "zum Ausdruck seiner Verachtung darauf pisste".
Simone dagegen definiert sich über das Schreiben, sie möchte etwas hinterlassen, das das Nichts ausfüllt. Immernoch möchte sie lieber ein Werk gebären, als Kinder in die Welt setzen. Sie rechtfertigt, dass sie das gemacht hat, wozu sie da war, und das war eben nicht die Rolle als Mutter. (Eine Nonne würde man ja auch nicht fragen, warum sie keine Kinder bekommt, argumentiert sie, und man muss ihr da sicherlich recht geben.) Sie sagt:
In Antwort auf:
So wie ich mich früher geweigert hatte, mich als „Kind“ bezeichnen zu lassen, so hielt ich mich jetzt nicht für eine „Frau“; ich war ich. Und als „ich“ fühlte ich mich schuldig. Die Heilsidee hatte in mir weitergelebt, auch nachdem Gott tot war, und ich war fest davon überzeugt, dass jeder persönlich für sein eigenes Heil zu sorgen habe. Der Widerspruch, unter dem ich litt, war nicht sozialer, sondern moralischer, ja beinahe religiöser Natur. Ein Leben als „Zweitwesen“, als „relatives“ Wesen hätte für mich geheißen, mich in meiner Eigenschaft
als menschliches Geschöpf zu erniedrigen…
Als Lehrerin hätte ich sie sicherlich gerne gehabt, gerade weil sie versucht, den jungen Mädchen etwas die Augen zu öffnen, sie an Gide und co heranführt, und das auch unter der Bedingung der Ablehnung ihrer Kollegen.
Sie entdeckt in ihrem Wesen einen sehr beharrlichen Zug, einen manischen..., indem sie sich alleine auf mühselige, lange Wanderungen begibt. Sie legt sich dafür Routen nach Plan fest und erkennt ihre Manie dann, als ihre Schwester sie einmal begleitet, im Fieber zusammenbricht, und Simone, statt bei ihr zu bleiben, die Wanderung fortsetzt, und sie in irgendeinem Kloster zurücklässt. Sie nennt es ihre "fixe Idee", und auch Sartre behauptet später von ihr, dass sie in einigen Dingen "schizophren" wäre.
Das ist eine eigenartige Seite an dieser Frau.
Ihre Einstellung zum "Pakt" wird auch deutlich. Ich finde zum Beispiel nicht, dass sie all zu sehr verschleiert, was sie "wirklich" empfunden hat. In vielen Andeutungen und in der Darstellung ihrer Emotionen zeigt sich Simone de Beauvoir sehr offen.
In Antwort auf:
Es gibt Formen der Aufrichtigkeit, die ich häufig beobachte und die nichts als flagrante Heuchelei sind. Auf das Gebiet der Sexualität beschränkt, zielt sie nicht darauf, ein inneres Verstehen zwischen Mann und Frau zu schaffen, sondern darauf, einem von beiden - meistens dem Mann - ein beruhigendes Alibi zu liefern: er wiegt sich in der Illusion, durch das Geständnis seine Untreue wieder wettzumachen, während er in Wahrheit seiner Partnerin eine doppelte Wunde schlägt.
Interessant dabei, dass Simone hier von einer allgemeinen Beobachtung in eine sehr gezielte Aussage gerät.
Ach so:
Dass Sartre Tizian, Ribera und insbesondere Murillo ablehnt, finde ich schon ein starkes Stück. Hier verliert er in seinem bornierten Denken einige Sympathien.
Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 23.03.2008 21:20 |
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