HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 24.07.2008 23:14von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Dann ist dir die "Quälerei" solcher Entscheidungen vielleicht auch nicht bewusst.
(Es sei denn, ich überhörte mal wieder den ironischen Unterton. )
Art & Vibration
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 24.07.2008 23:27von Lennie • 829 Beiträge
Na, zu einer Art von Quälerei kann es schon werden. Wenn einem 27 Szenen gleichzeitig einfallen, wie in einem Film, und man sie nicht schnell genug aufschreiben kann, so dass die Hälfte davon wieder flöten geht.
Oder wenn man eine Szene besser und besser und immer noch bisschen besser machen will. Und dann versaut man sie. So, wie wenn man immer und immer nochmal über dieselbe Stelle drübermalt. Zum Schluss ist alles grau, du schmeisst es weg und darfst nochmal von vorne anfangen....
Vorher aufhören, Pause machen, ein Eis essen gehen, Musik hören. Die Treppe putzen. Müll rausbringen. Was Doofes im Fernsehn anschauen.
Am nächsten Tag geht's besser. Hoffentlich.
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 24.07.2008 23:30von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 24.07.2008 23:35von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Der Reim ist ja sowieso nur Spielerei, das Schnellgeformte.
Art & Vibration
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 24.07.2008 23:43von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Naja, manchmal ist es auch lästig. Beim Romanschreiben. In der Malerei ist es wirklich ein Genuss.
Dann wünsche ich eine schöne Nacht, liebe Lennie.
Es war mir eine Freude.
Taxine
Art & Vibration
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 22.01.2009 21:44von Zypresserich (gelöscht)
In Antwort auf:(bin noch nich fertig. :-))
lyrik ist die welt in der welt; lyrik ist, wenn man’s hinschreibt, als koenne man nicht richtig schreiben, und darin ist es das wahre. lyrik ist krustenkauen, den restbraten in den muell werfen und dennoch satt werden; lyrik ist hammer auf glas, und es gibt keine scherben; lyrik ist regenwuermer im sommer, die nach amseln rufen, auf dass sie endlich vertilgt werden; lyrik ist das schnellboot im schmalen wildbach, das nie steckenbleibt; lyrik ist das goldmedaillengewinneres bei dem wettkampf, den es nicht gibt; lyrik ist der reim auf den schleim des alltags, die gummizelle, in der das zwangsverjackte tobt, bis es sich endlich den kopf blutig gestoßen hat; lyrik kann man lutschen, trinken, sich die haut damit einreiben, den abfluss des waschbeckens damit freiaetzen, ohne dass man deswegen eine anzeige des amtes fuer umweltschutz und saubere gewaesser fuerchten muss; mit lyrik kann man die waende des bueros terracottafarben streichen, wahlweise auch schwarzweiß, giftgruen oder klar-lackig; lyrik (aktiv) ist: den kubikzentimeter luft zwischen den eigenen gedanken zu treffen, zum platzen und nach draußen zu bringen: auf nimmerwiedersehen! (was ist es, das hier trifft? und womit?); lyrik (passiv) ist: aeußeres nach innen zu bringen, zu komprimieren und als kubikzentimeter luft zwischen die eigenen gedanken zu quetschen; lyrik ist das immerwiederauftauchen von maeusebussard, rotmilan und braunkehlchen, von denen man einfach nicht genug bekommen kann, schreibend wie lesend, besonders dann, wenn sie uebereinander herfallen vor dem gueldenen sonnenuntergang eines arschverfickten tages, an dem eines alles verloren zu haben scheint außer den kreiselnden kreissaegensorgen um wasser und brot fuer den naechsten monat, der ein hitzerekordbrechender august werden wird; lyrik ist die blau phosphoreszierende leuchtspur ueber den dritten zaehnen, die das karies, das dort gar nicht sein duerfte, aber dennoch da ist (theoretisch ist das praktisch nach den neuesten gesetzen der wissenschaftlichen erkenntnis doch gar nicht moeglich?), nicht nur zu ueberlagern vermag, sondern es wegwischt in husch husch augenblicken, die schneller als das auge blicken, als habe es nie gegeben schwarze, belastende punkte auf weißen blendbeißerchen; nein, da ist nichts gelocht, da ist nur:
© by Zyp. Zuwiderhandlungen werden nicht verfolgt ...
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 23.01.2009 17:38von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Dann also weiter im Text:
Lyrik ist der Bruchteil eines Augenblicks, ein Überrest einer bereits vergangenen Zeit.
Eine Welt, die durchschimmert, die im Auge (Geist) des Betrachters (Lesers) aufbricht und etwas aus dem Erkennen rückt. Lyrik muss bis auf den Zahn klirren.
Lyrik sollte ein Gefühl auslösen, am besten kaum zu durchschauen sein (sehr schwer, diese Herausforderung).
Das Gefühl muss innerlich entstehen, nicht durch Worte erzeugt sein.
Ein Gedicht sollte am besten bei jedem Leser etwas anderes bewirken.
Es ist Fläche, auf der jeder seine Formen erzeugt, während der Schreibende die Fläche in Muster wirft, die sich jederzeit auflösen dürfen.
Lyrik sollte leicht schwingen und gleichzeitig abstrakt sein. Sollte wie ein Dornenbusch zu durchdringen sein, indem man mit Schwert und scharfem Auge die Schichten zerschneidet, während darunter ganz nackt und klar ein Gedanke liegt.
Wie eine Obsession, ohne als diese zu erscheinen.
Aus der Lyrik sollte sich keine hilfreiche Hand neigen, viel eher sollten sich daraus Tentakeln schlingen, die den Leser um den Hals fahren und ihn ein bisschen würgen, ihm den Atem rauben, bis er versteht, sich von ihnen zu befreien.
Der Augenblick, in dem das Gedicht (die Poesie) verfasst wurde, muss groß und mächtig gewesen sein, um überhaupt wert zu sein, in Lyrik gebrannt zu werden.
Art & Vibration
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 26.01.2009 01:42von Freigeist • 36 Beiträge
...der Augenblick, in dem das Gedicht (die Poesie) verfasst wurde, muss groß und mächtig gewesen sein, um überhaupt wert zu sein, in Lyrik gebrannt zu werden.
Dann hattest du wohl viele große und mächtige Augenblicke in deinem Leben, liebe Annelie!?
Mit Verlaub, aber warum diese "Verbissenheit"? Das "Wahre und Schöne", so es dies denn gibt, liegt vermutlich in der Einfachheit. Ich glaube eine Lösung könnte darin liegen, loszulassen - Ängste, Sorgen, Konventionen und das elendige Bewerten von Mensch und Ding. Wenn Liebe in der Kunst (und nicht nur da) erfahren wird, wenn dich während der Aktion, sei es malen oder schreiben (wo liegt eigentlich der Unterschied?)ein zärtliches oder vollkommenes Gefühl überkommt, aus "heiterem Himmel" sozusagen und im doppelten Sinne, dann kann nichts schief gehen, dann ist alles in Ordnung. Gut, ob der Rezipient oder gar der potentielle Käufer das auch so sieht, mag dahin gestellt sein. Doch letztendlich erfüllt es den Autoren.
Anmerkung
Schreiben oder malen wir für uns oder die Gesellschaft? (Wahrscheinlich beides)
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 26.01.2009 05:14von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Freigeist
Dann hattest du wohl viele große und mächtige Augenblicke in deinem Leben, liebe Annelie!?
Wieso? So viele Gedichte habe ich doch noch gar nicht geschrieben?
Es ist ja letztendlich alles nur Theorie (die durchaus auch gerne bis ins Abstrakte führen darf ). Das, was am Ende zählt, ist das, was auf dem Papier steht. Was der Beweggrund oder die Antriebsfeder ist, verschwindet hinter den Zeilen, wenn auch nicht ganz. (Darum spürt man meistens auch, wie ein Gedicht geschrieben wurde. Es beschlägt uns mit jedem Wort.)
Aber, genau das ist es eben: hier sind die Grenzen offen, was den Autor befriedigt (und der Rezipient ist beim eigenen Schreibvorgang sowieso völlig unwichtig, sonst müsste man ja jedes Wort im Sinne fremder Augen verfassen.)
Der Gedanke ist aber gut, denn mit „Verbissenheit“ könnte man es vielleicht wirklich vergleichen. Vielleicht ist es das typische Streben nach dem eigenen Ideal, diese Tortour nie versiegen wollender Selbsthinterfragung, die auf dem leeren Blatt endet. Wer weiß. Ich, für meinen Teil, brauche den großen Moment, um überhaupt ins Lyrische zu treiben, auch halte ich jeden nichtigen Moment für untauglich, um ihn in ein Gedicht zu packen, denn die Welt wird damit zu Genüge überflutet.
Es geht ja nicht nur um das Loslassen. Der Mensch lebt zwar durchaus für sich, kann „anwenden“, kann seine Ängste, seine "Gefühle", sein Urteil aus der Welt schaffen (kann es zumindest versuchen), der Dichter allerdings kann das nicht. Er hat sich eine „Aufgabe“ gestellt oder, besser gesagt, fühlt sie in sich.
„Wir“ schreiben grundsätzlich im eigenen Ermessen (der Schreibvorgang selbst ist hier gemeint, nicht das, was man aussagen möchte, denn das richtet sich selten an einen selbst), doch der Mensch will eben verkünden, und wenn er schon verkünden will, dann vielleicht doch so, dass es zum Nachdenken anregt. Gefaselt wird schließlich an jeder Ecke bis in den hintersten Small Talk hinein. Muss das sich auch in Lyrik spiegeln? Sicher kann man hier anmerken, dass jeder Mensch in jeder Zeile etwas findet, was ihn anregt, völlig egal, um welche Zeilen es sich handelt, im Sinne des Topf und Deckel-Prinzips. Ich spreche auch nur von mir. Von mir aus kann jeder Schlag des Sekundenzeigers in einen Vers gepackt werden, … wir haben ja Zeit.
Der große und mächtige Augenblick, wenn er überwältigt, begeistert, erschüttert, irritiert, selbst… wenn er aus „heiterem Himmel“ auf einmal ein zärtliches Gefühl auslöst (denn auch das ist ein großer Augenblick oder kann zu solch einem werden), dieser verführt erst zum Gedanken, zum Verfassen und Dichten. Alltag schafft selten Ausdruck, auch ist man in der satten Zufriedenheit kaum in der Lage, überhaupt lyrisch zu denken, denn, was dabei herauskommt, ist dann höchstens genauso satt und damit nicht notwendig, verkündet zu werden.
Schreibt man Gedichte, weil man sie eben schreibt, dann kann man auch Kochrezepte verfassen oder ein Lied singen. Das ist genauso gut fürs Herz und befreit die Seele.
Lyrik ist nämlich dazu nicht tauglich. Lyrik ist meistens tiefer Gedanke, etwas, das von weit unten nach oben gespült wird, um an der Welt zu rütteln. Es befreit nicht, sondern ist das, was im Inneren darauf wartet, hinausgelassen zu werden. Wie ein nicht zu bändigendes Tier, das einen sonst zerreißt. Lyrik ist nicht einfach, Lyrik ist Idee, Zerrissenheit, Sturm, Herzblut. Das nenne ich Lyrik.
Alles andere ist
in meinen Augen
nach meinem Ermessen
nach meinen Vorstellungen
nach meiner Verbissenheit
Zeitverschwendung, nichts, was mich reizen würde, mich über Zeilen zu beugen oder diese zu verfassen.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
RE: Lyrik ist...
in An der Literatur orientierte Gedanken 26.01.2009 22:37von larifant • 270 Beiträge
Zitat von Freigeist
Ich glaube eine Lösung könnte darin liegen, loszulassen - Ängste, Sorgen, Konventionen und das elendige Bewerten von Mensch und Ding.
Damit das Loslassen fruchtbar ist, muss vorher viel gearbeitet worden sein.
Und (fast immer) hinterher noch einmal viel gearbeitet werden.
Aber ohne Loslassen geht es nicht, das ist schon richtig.
Gruß,
L.