HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Ich lese endlich Gottfried Kellers "Der grüne Heinrich" und ich bin begeistert. Das fließt nur so weg, Seite um Seite. Herrlich. Es handelt sich um die zweite Fassung. Irgendwann lese ich auch die erste.
Art & Vibration
Alles zur Seite gelegt für Robert Musils "Mann ohne Eigenschaften". Eine für mich im Moment heilsame Lektüre.
Selbstfindung und Selbst-Erfindung: Musil fasst den Menschen, der sich im Dasein und in der Gesellschaft verliert bzw. darin als Gesellschafts-Ich verschwindet, ohne es richtig zu bemerken, der seine Persönlichkeit einfach anpasst und irgendwann ganz und gar von dem einstigen Bild abweicht, das er von sich gewünscht und sich erhofft hat, in etwa so zusammen:
"Was diese Renoviersucht des Daseins zu einem Perpetuum mobile macht, ist nichts als das Ungemach, dass zwischen dem nebelhaften eigenen und dem schon zur fremden Schale erstarrten Ich der Vorgänger wieder nur ein Schein-Ich, eine ungefähr passende Gruppenseele eingeschoben wird."
(zitiert aus "Der Mann ohne Eigenschaften", Rowohlt, S. 132)
Die meisten nehmen es dann nur nicht mehr wahr. Daher ist die Selbst-Suche jederzeit notwendig.
Wer sich erneut zu suchen bzw. zu finden hat, für den trifft dann wohl auch dieser Zustand zu:
"Aber Menschen ebener Erde haben es leicht, kritisch zu sein und etwas abzulehnen, das ihnen nicht passt; wenn man sich jedoch in seiner Lebensgondel dreitausend Meter hoch befindet, so steigt man nicht einfach aus, auch wenn man nicht mit allem einverstanden sein sollte."
(zitiert aus e.d., S. 137)
Wie treffend. Wie gut ins Wort gefasst ...
Musil würde ich dann doch jederzeit (in Hinblick auf Poesie, Philosophie, Textmasse) vor Prousts Mammutwerk stellen. Da finde ich einfach mehr ...
Art & Vibration
Zitat von LX.C im Beitrag #10Zitat von LX.C im Beitrag #5
Ich habe Ole Bienkopp von Strittmatter begonnen. Lustig locker geschrieben, genau das was ich grad brauche
Ich dachte, das wäre ein harter Knochen. Aber das Buch bringt richtig Lesespaß. Hat den Bienkopp schon jemand gelesen?
Ja. Strittmatter halte ich für einen großen "Liebenden" und in seinem innersten blieb er wohl immer ein (Real)Romantiker. Obwohl seine Verzweiflungen, an dieser Welt, dann wieder ganz andere sind. Seinen "Laden" halte ich für ein großartiges Epos, unbedingt lesens und bewahrenswert, ein Meer von Geschichten...
(An Th. Mann Meerfahrt angelehnt.)
"Werde ich jetzt gebannt, verbrannt, gevierteilt, erhongen, umgeschossen, gepisakiert und masakriert?"
Weder noch
Von Strittmatter habe ich mal den Wundertäter 1-3 gelesen. Das fand ich ohne Mängel einfach nur spannend und interessant zu lesen. Lange her, aber ich kann mich auch an keine Dostojewskischen Längen oder massiv missionarische Füllung erinnern. Politisch war das Buch schon (Was eigentlich nicht). Es war aber dezent untergemischt.
Einen wesentlichen Hintergrund bildete nätürlich das (Er)Leben im Osten. Ich bin mir nicht im Klaren, wie es ohne dieses Wissen /Erfahrung rüberkommt. Könnte mir vorstellen, dass einem gut die Hälfte an Anspielungen entgeht. Da ich kein Zweimal-Leser bin, werde ich es jedoch nie erfahren.
Die Lyrik Eva Strittmatters gefällt mir übrigens auch ganz gut.
"Strittmacher steht jetzt auf meiner Wunschliste, ich denke, das ist auch etwas für mich."
Was weiß ich - aber ich glaube, da liegst Du richtig.
www.dostojewski.eu