HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
|
Gelesen und für mehr als gut befunden: Safranski und seine "Schiller"-Biografie. Der Mann hat es einfach drauf, Biografien zu schreiben, ich kenne keine schlechte von ihm und er schafft es, selbst träge Situationen spannend zu beschreiben. Zumindest bringt er einem die Schriftsteller/Philosophen unglaublich nahe und macht sie in einer Art und Weise wieder lebendig.
Schiller - der Mann der Freiheit. Wie sehr habe ich ihn ins Herz geschlossen und wie wenig eigentlich doch von ihm gekannt.
Zitat von Schiller
„Ich habe einen unendlichen Respekt vor diesem großen drängenden Menschenozean, aber es ist mir auch wohl in meiner Haselnussschale.“
Und nun natürlich auch die Goethe-Biografie und über die Freundschaft von beiden. Alles von Safranski. Selbstredend.
Aktuelles Buch: Tiziano Terzani "Das Ende ist mein Anfang". Sehr sehr seeeeehr lohnenswert. Ein wunderbarer Mensch war das. Hier erzählt er seinem Sohn, bevor er dann an Krebs gestorben ist, noch einmal seine Lebensgeschichte, über die Arbeit als Journalist, über die Erfahrungen im Krieg usw. Einfach großartig.
Art & Vibration
Ich las ja auch neulich eine Schiller-Biographie. So richtig ins Herz schließen konnte ich ihn nicht. Vielleicht hätte ich die von Safranski lesen sollen.
Bei dem (über die Freundschaft G&S ) hatte ich das gleiche Gefühl wie Du: "bringt er einem die Schriftsteller/Philosophen unglaublich nahe und macht sie in einer Art und Weise wieder lebendig."
Weiterhin: Safranski ist ja Philosoph durch und durch, aber er lässt es nicht raushängen, sondern lässt auch schlichtere Gemüter wie mich, begreifen. Feine Sache.
Nunja und in Sachen Krebs habe ich erst ein Buch gelesen: Schlingensief "So schön wie hier kanns im Himmel garnicht sein!" Wer den Scheiß am Hals hat, hat natürlich den Draht zum Tiefsitzenden.
Das Buch war nicht schlecht. Seltsam und begeisternd. So wie Schlingensief und sein Werk auch - ambivalent. Aber eigentlich mag ich ihn. Wenn man das so sagen darf. Er war vermutlich ein aktionistischer Verdränger. Ich war nach seinem Tod mal in einer Werkaschau über ihn und sein Werk. SÄÄÄHR düstere Angelegenheit, wie ich ihn garnicht kannte.
www.dostojewski.eu
O ja. Schlingensiefs Aufzeichnungen habe ich direkt nach seinem Tod gelesen oder sogar schon kurz davor? Die haben mich tief bewegt. Sein Kampf, sein Versuch, begreifen zu wollen ... und dass er sogar Wagner-Musik damit in Verbindung brachte.
Nein. Terzanis Buch ist weniger Krankheitsverarbeitung als vielmehr das Geschenk der Lebensweisheit an seinen Sohn und somit an seine Leser. Die Krebserkrankung behandelt er in einem anderen Buch. Das hat den Titel "Noch eine Runde auf dem Karussell", das ich mir übrigens auch bestellt habe. Da bricht er, als er die Diagnose hört, zu einer Reise in den Himalaya auf, um sich selbst zu finden. Und er findet sich.
Das Buch "Das Ende ist mein Anfang" ist ein tiefsinniges Gespräch mit dem Sohn. Im Grunde weiß man vieles natürlich auch selbst oder findet eine Art Bestätigung in den Gedanken. Aber es ist irgendwie auch schön, wieder erinnert zu werden. Zum Beispiel, was er über die Jugend sagt, die so orientierungslos ist. Er meint, man müsse sich die Arbeit erfinden. Und irgendwo hat er Recht. Die meisten werden mittels Erfolgsdruck und falschen Antrieben in eine ihnen selbst entgegengerichtete Arbeitswelt gestoßen. Terzani hat z. B. einem Klassenkameraden seines Sohnes empfohlen, der Jura studieren wollte, er solle lieber Arabisch studieren, das würde nicht jeder können. Der ist dann Diplomat geworden.
Im Grunde sind es also Geschichten und Geschichten. Ein schönes Leben und es ist leicht zu glauben, wenn Terzani sagt, er hätte alles gelebt und sei bereit für den Tod. Das war er.
Schön fand ich auch das Zitat:
„Wer schon weiß, was er sucht, wird nie finden, was er nicht sucht …“
Diese häufige Selbsteinschränkung in der Festlegung der eigenen Vorstellung vom Leben und der Wünsche, die man hat ... Manchmal ist es auch ratsam, sich einfach treiben zu lassen.
Bei Safranski mag ich übrigens auch die Verknüpfung von Leben und Werk der Persönlichkeiten, die er beschreibt. Und, wie du sagst, er kann die Philosophie auch durch Vergleiche sehr verständlich machen, ohne dabei "philosophisch aufdringlich" zu werden oder das Wissen herauszukehren. Es fließt bei ihm einfach völlig natürlich zwischen Lebenslauf und Lebenswerk. Das ist das, was mir gefällt.
Art & Vibration
Ich glaube, dass ich Deine Empfindungen beim Lesen zu guten Teilen nachvollziehen kann (ganz schon anmaßend, wa?! ;-)
„Wer schon weiß, was er sucht, wird nie finden, was er nicht sucht …“
Denn dieses Zitat gefällt mir außerordentlich! Und es ist so eins, wie Du beschreibst. Man weiß es eigentlich. Wenn man ehrlich würde man es aber nur schlecht so auf den Punkt bringen können, denn die Kunst ist ja: klare Aussage auf das wesentliche in Schlichtheit und wenn es passt, noch in Schönheit zu fassen.
Hat Herbert Feuerstein auch mehrmals so in seiner Bio durchblicken lassen. Er nannte das orientierungslose Abhängen in seiner Jugend auch "Gammelei studieren" und sieht es aus heutiger Sich auch als einen richtigen Schritt an, der eben keine Zeitverschwendung gewesen sei.
www.dostojewski.eu
Ja, Terzani kann ich auch empfehlen. Außer dem "Ende"-Buch habe ich "Fliegen ohne Flügel" von ihm gelesen. Anlass für dieses Buch war die Warnung eines malaysischen Wahrsagers, Terzani dürfe im Jahr 1994 auf keinen Fall ein Flugzeug besteigen. Für einen Auslandskorrespondenten ist so ein Rat natürlich äußerst problematisch, und obwohl Terzani nur halb bis gar nicht daran geglaubt hat, hat er sich daran gehalten und ist ein Jahr lang ohne zu Fliegen durch Asien gereist. Darüber hat er dieses Buch geschrieben, in dem es aber weniger um ihn geht als um seine Beobachtungen unterwegs.
Meine aktuelle Lektüre: Der dritte Band von Neal Stephensons Barock-Trilogie: The System of the World. Während ich die ersten beiden Bände antiquarisch für wenige Euronen bekam, war dieser (als Taschenbuch) nicht für unter 36 EUR zu bekommen. Wahrscheinlich machen die das mit Absicht ... Jetzt lese ich das Buch auf englisch, weil es das schon für 15 EUR gab.
Homepage: http://www.noctivagus.net/mendler
Facebook: http://www.facebook.com/people/Klaus-Mendler/1414151458
Nach der Lektüre von Terzani wollte ich irgendwie etwas lesen, wo es ab in den Staub, in Wüsten oder andere Länder geht. Im Regal begegnete mir dann auch schon "Rohstoff" von Fauser, das ich jetzt noch einmal lese. Das ist einfach ein tolles Buch. Und witzig in der "Tragik" seiner Erlebnisse.
Solche Sentenzen z. B., als er empfohlen bekommt, wie er schreiben müsste:
"Texte müssen neue Regionen im Bewusstsein erschließen.
Wozu sonst schreiben? Texte sind Trips durch Zeit und Raum."
Er dazu: "Ich hatte nicht mal den Führerschein."
Und diese Szene ist auch herrlich:
Zitat von Fauser
"Sogar die alte Ane war noch da, die mazedonische Putzfrau, die Sklavin des Clans, die den ganzen Tag mit ihrem Scheuerzeug auf den Knien durch die Bruchbude rutschte, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr. Sie stand so niedrig, dass sie die einzige war, die sich ein vollkommen freies Lachen leisten konnte."
Ja, ja. Hat jemand Empfehlungen von Büchern, die mit Reisen, Bewusstsein, Selbstsuche, Veränderungen zu tun haben? Ich glaube, das würde mich im Moment irgendwie zu lesen reizen.
Art & Vibration
Ich greife mal das Stichwort Selbstsuche auf. Passt vielleicht - irgendwie. Timing etwas verschoben ;-)
Habe ich mal mit 19 gelesen und war beeindruckt. Übernehme also keine Garantie ;-) Wird das erste Buch sein, dass ich zweimal lesen werde.
Ein melancholisches aber nicht trauerndes, sondern ein warmes Buch. Profan notiert.
Stichwörter zu Walter Vogt „Altern“
- Tagebuch-Roman
- Schonungslose Selbstbefragung
- Immer Suchender
- Befragt und analysiert Walter Vogt seine Leben
- autobiographisch
Rezension
www.dostojewski.eu
Jetzt ist eine Biographie von Balzac dran: Johannes Willms, Balzac Eine Biographie
Dürfte ja auch nicht langweilig werden.
Habe von Balzac bisher nur das „Gesetzbuch für anständige Menschen“ vor Ewigkeiten gelesen. Das war ganz amüsant, aber über die Dauer etwas eintönig. Ist auch eher etwas für immer ein Geschichtchen zwischendurch oder kurz vorm Einschlafen.
Hat nen korrekten Flow. Vielleicht ein wenig zu sehr hypothetisch in manchen Punkten angelegt. Weiteres Manko: bei Bezügen zum Werk, werden diese immer im französischen Original angeführt. Nicht hilfreich für einen Sprach-Unkundigen. Aber keine wirklichen Hemmnisse.
Erster Eindruck von Balzac: ein seltsamer Gesell.
www.dostojewski.eu
Oblomow - hat mir auch sehr gefallen. Es ist einfach unglaublich, wie der Text unverrückbar auf der Stelle stehen bleibt. Faszinierend. . . . . und auch irgendwie aufreizend. Ich fühlte mich nicht gelangweilt, eher provoziert. Ganz nach dem Motto: Verdammt nochmal! Komm doch mal aus dem Tee! Und es sollte nicht Gontscharow, sondern Oblomow treffen. Ich habe es nicht über mich gebracht, Oblomow bis zur letzten Seite zu begleiten. Bin aber froh, über die Ca.-Hälfte, die ich geschafft habe.
Du wirst sicherlich diszipliniert durchziehen?
www.dostojewski.eu
Nein, nein, ich bin auch noch unsicher, ob ich das bis zum Ende schaffen werde. Das erste Kapitel beginnt ja super witzig, der Dialog mit seinem Diener ist einfach nur großartig, geradezu genial. Aber die Frage ist natürlich, on der Autor, den ich nicht kenne, das auf diese Weise durchhalten kann.
Dostojewski soll ja übrigens große Stücke auf ihn gehalten haben, habe ich gelesen.
--------------
[i]Poka![/i]
Sieh mir den Ego-Link nach, aber da gibt es ein wenig zu Gontscharow und Dostojewski. Und auch zum Oblomow.
Natürlich kommt bei mir Dostojewski wieder schlechter weg. D. ist einfach ein Fatzke. Mit so einem hätte man heutzutage nicht mal Mitleid.
www.dostojewski.eu