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Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 16.04.2022 00:50von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
"Die deutsche Berichterstattung zur Ukraine-Krise entspricht in keiner Weise journalistischen Standards. Der deutsche Journalismus ist weder unabhängig noch versucht er sich im Aufbau einer umfassenden Sicht. Auch das Bemühen um Neutralität sucht man in den großen deutschen Medien aktuell vergebens. Der deutsche Journalismus ist sozusagen "eingebettet" in das Kriegsgeschehen und medialer Teil der kriegerischen Handlungen des Westens. Der deutsche Journalismus ist in seiner Breite wieder in der Propaganda angekommen. (...)
Ein sicherlich nur vorläufiger Tiefpunkt war die Berichterstattung über die Kleinstadt Butscha unweit von Kiew. Die Stadt war von russischen Truppen besetzt. Im Rahmen von Friedensverhandlungen wurde ein Rückzug russischer Truppen aus dem Raum Kiew vereinbart. Tage nach dem Abzug der russischen Soldaten klagte die ukrainische Seite Russland angeblich grausamster Kriegsverbrechen an und versuchte das mit Bildern von Leichen zu belegen, für deren Tod die Ukraine russische Soldaten verantwortlich machte.
Die von der Ukraine in den medialen Raum gestellte Erzählung wird von der Tagesschau weitgehend ungeprüft und ohne kritische Fragen übernommen und mittels der Aktivierung rassistischer Klischees über Russen festgeklopft. Russische Soldaten hätten barbarische Verbrechen an der Zivilbevölkerung begangen, lautet das Narrativ, das seitdem verbreitet wird. Um diese Behauptungen aufrechtzuerhalten, muss jeder Hinweis auf Unstimmigkeiten in der Geschichte von Butscha unterdrückt oder mindestens relativiert werden. Auch der allein schon durch die journalistische Sorgfaltspflicht gebotene Hinweis auf das Fehlen einer tatsächlichen und vor allem unabhängigen Untersuchung unterlässt die Tagesschau. Dabei ist das der eigentliche Skandal von Butscha: Es gibt gar keinen Willen zur Aufklärung, dagegen aber den unbedingten Willen zur Instrumentalisierung der Bilder im Informationskrieg gegen Russland."
(Gert Ewen Ungar)
Ungar hat das hervorragend ins Wort gefasst. Hierbei handelt es sich keineswegs um einen Mangel an Sorgfalt oder um eine ungeprüfte Berichterstattung. Genau, wie in der Pandemie, und auch schon etliche Male davor, folgen die Medien dem Kanon, der ihnen vorgegeben ist. Ukrainische Verbrechen werden verschwiegen oder, wenn nicht möglich, relativiert, ebenso wie die sich offen zu Hitler und zum Nationalsozialismus bekennenden Asow-Brigaden weiter verharmlost werden. Schlagzeilen bilden sich mit allem, was Russland zum Verbrecher macht, während tatsächliche Fakten unterdrückt werden, besonders wenn die Verbrechen auf Seiten der Ukraine stattfinden (das wiederum kennt man aus anderen Kriegen, in denen von vornherein eine eindeutige Pro-Haltung eingenommen wurde, die unwiderruflich war und jeden, der wagte, etwas dagegen zu sagen, den Kopf kostete. Und ehrlich, wer spätestens aus dem Vorgehen der Pandemie nichts über die Medientaktiken gelernt hat, dem ist nicht zu helfen.)
Im Vergleich: über Butscha ist bis heute nichts bekannt, und verschwommene Satellitenbilder und eine Aufklärung alleine durch die ukrainische voreingenommene Staatsanwaltschaft werden gar nicht hinterfragt. Das Massaker steht und wird als Fakt verkauft.
Dagegen wirklich bekannt, durch öffentliche und unabhängige Quellen, ist die Taktik der Ukraine (deren Präsident und Minister weiter ihre Forderungen stellen, als wären Länder wie Deutschland der Ukraine auch nur irgendetwas schuldig - da wird mit Geldern jongliert, die der Steuerzahler kaum noch aufbringen kann, während so manche Einreise kriechender Politiker abgelehnt wird) und seit Jahren bekannt ist auch die Lynchjustiz der Asows.
Aktuell gilt in Sachen Ukraine: Menschen werden in Städten festgehalten, als lebendiges Schutzschild benutzt, russische Kriegsgefangene werden getötet und Zivilisten ohne Prüfung, wer sie sind, über den Haufen geschossen. Geheime (von den USA finanzierte) Bio-Labore wurden aufgedeckt und es gibt Video-Beweise über Folterstätten. Selbst die massenhafte Verteilung von Waffen an Zivilisten (die dadurch übrigens keine mehr sind, sondern mit der Waffe in der Hand zu Kriegsteilnehmern werden) ist eine verbrecherische Tat. Unterdrückt werden Zeugnisse des humanitären Einsatzes seitens der Russen und Bilder und Videos, in denen die Russen von den dort verbliebenen Ukrainern als Befreier unter Tränen der Erleichterung begrüßt werden (zahlreiche Videos sind dazu auf YouTube, Twitter und co zu finden). Die eindeutige Haltung vieler europäischer Länder wird keinesfalls weltweit geteilt und bröckelt nun auch mit der Wahl in Frankreich.
Wer heute die Ukrainekrise wirklich verstehen möchte, muss sich auf die Kubakrise besinnen. Ohne den Blick auf die Geschichte ist allgemein nichts zu begreifen.
Man erinnere sich:
Der Pro-Amerika Diktator Batista floh 1959 aus Kuba und Castro, der als Anführer der Revolution gegen ihn gekämpft hat, nahm seinen Platz ein. Im April 1961 landeten, durch den amerikanischen Geheimdienst vorbereitet, Invasionstruppen in der Schweinebucht, die aus Exilkubanern bestanden. Das US-Militär beteiligte sich an der Invasion mit der Bombardierung kubanischer Flugplätze. Statt der erhofften Unterstützung durch einen Volksaufstand trafen die Invasoren auf Widerstand und gerieten größtenteils in Gefangenschaft. Nach der Niederlage wurden seitens der USA allerdings weitere paramilitärische Aktionen gegen Kuba und Anschläge auf Castro vorbereitet, mit dem Ziel, im Land ein Chaos zu verursachen, um einen Vorwand für eine direkte Intervention zu haben. Castro musste sich zwischen den beiden Blöcken des Kalten Krieges entscheiden und, obwohl eigentlich zu diesem Zeitpunkt noch ein Liberaler, blieb ihm unter diesen Bedingungen nur die Sowjetunion.
Ähnlich wie heute, bestand während der Kubakrise 1962 permanent die Gefahr eines Dritten Weltkrieges. In Übereinkunft mit der kubanischen Regierung hatte die Sowjetunion Atomwaffen und Soldaten auf Kuba stationiert. Mit Bezug auf das Monroe-Doktrin und der von Amerika nicht geduldeten Interventionen fremder Mächte an den eigenen Grenzen forderten die USA, die Raketen wieder zu entfernen. Statt eines vom Militär empfohlenen Präventivschlags entschied sich Präsident Kennedy für das Verhängen einer Seeblockade über Kuba, um weitere Transporte von Waffen und Ausrüstung zu verhindern. Chruschtschow reagierte diplomatisch, lenkte ein und zog die Raketen wieder ab. Von den USA erhielt Kuba eine Sicherheitsgarantie, und mit diesem Kompromiss war die Krise offiziell beendet (Kuba wird bis heute sanktioniert).
Die umgekehrte und aktuelle Situation ist folgende: Putin reagierte acht Jahre lang nicht, als das Asow-Regiment seinen Handlungsspielraum erweiterte und die pro-russischen Menschen in der Ukraine terrorisierte und ermordete, entsprechend ist die Entnazifizierung wohl eher ein Vorwand (obwohl es wahrlich nur auf einer Seite tatsächliche Nazis gibt, und bestimmt nicht unter den Russen). Aber er reagierte prompt (und ähnlich wie Amerika damals), als es hieß, die von den USA gestützte Ukraine würde möglicherweise in die NATO aufgenommen werden, wobei ebenfalls die Drohung laut wurde, Atomwaffen in der Ukraine zu stationieren, während Selenskij gleichzeitig das Minsker Abkommen brach. Und wie die USA reagierte Russland auf die Gefahr an den eigenen Grenzen.
Geplant war wohl seitens Amerika, einen neuen Kalten Krieg zu entfachen, der sich, wie damals, über Jahre zieht, während Putin Nägeln mit Köpfen machte und den Amis zuvorkam bzw. deren langfristig gedachte Pläne boykottierte (darum auch die so extreme Hysterie und Hetze im Westen, mit der tauglichen Waffe der Medien, die versuchen, alles Russische zu verteufeln). Bereitet ist gleichzeitig der Weg der USA zum Kampf gegen Russland, ohne als direkter Gegner aufzutreten. Die NATO hat alle zulässigen Grenzen überschritten, indem sie ein Sprungbrett in die Ukraine geschaffen hat, um Russland anzugreifen. Sie drohen mit Sanktionen, schicken Waffen in die Ukraine und fordert von hörigen Staaten dasselbe.
Europa geht es dabei jedoch an den Kragen und es muss sich langsam entscheiden, ob die eigenen wirtschaftlichen Interessen und der soziale Zusammenhalt wichtiger sind als die amerikanische Hörigkeit, denn es ist ein gefährliches Spiel um die eigene Existenz. Bisher hat Putin das Gas noch nicht abgestellt, während der Markt längst darauf reagiert und die Preise in die Höhe schießen.
Und warum schaltet Putin das Gas nicht ab? Weil er weiß, dass Europa seine Befehle von den USA erhält, sich nun aber im Konflikt befindet, da solche Sanktionen Europa den Kopf kosten. Amerika verlangt ganz klar, dass kein Gas mehr aus Russland bezogen werden soll (und bietet großzügig das eigene überteuerte Flüssigerdöl an), aber Europa ist vom russischen Gas abhängig. So sind die momentanen Drohungen nur symbolisch und darum auch so widersprüchlich. Währenddessen importiert Amerika hinterrücks russisches Öl und kauft das Gas von Indien, welches wiederum in Massen Gas aus Russland kauft, damit Amerika es dann für den 6-fachen Preis irgendwann an Europa verkauft, obwohl es genau das gleiche wie zuvor wäre, nur über eine weite und teure Strecke transportiert.
Art & Vibration
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 16.04.2022 09:46von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #16
[i]
Wer heute die Ukrainekrise wirklich verstehen möchte,.
Recht und Unrecht, Gute und Böse, Helden und Schurken, das alles löst sich auf in den undurchdringlichen Nebeln einer völlig irrationalen Welt aus Kadavergehrosam, Unwissenheit, pseudodemokratischer Heuchelei, einem schon orgiastischen Schlagzeilenfetischismus und geistiger Dumpfheit.
Du kennst meine Einstellung gegenüber dieser dekadenten Kleptokratie (die ich mehr und mehr als eine Art von Semifaschismus begreife), allerdings hätte sich der kleine Zar den Einmarsch, oder Überfall auf die Ukraine ersparen sollen. Und das ist der Punkt, von dem aus ich alles betrachte, egal was da vorher, und vor-vorher auch gewesen sein mag, auch wenn der Herr Selensky noch so ein finsterer Schurke war oder immer noch ist., mein Stammesidol kann dieser Mann nicht werden, ich sehe mich da eher als Ikonoklast.
Aber was auch immer, auf dieses Thema hin im realen Leben angesprochen gebe ich nur noch eine Antwort - Ich bin keiner von euch, denn ich bin nicht einmal einer von uns.
Hätte Tolstoi noch gelebt...
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 16.04.2022 10:26von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Patmöser im Beitrag #17
... allerdings hätte sich der kleine Zar den Einmarsch, oder Überfall auf die Ukraine ersparen sollen.
Ja, das bleibt natürlich Fakt und soll hier auch gar nicht wegdiskutiert werden. Allgemein ist Krieg in der heutigen Zeit, die sich für so fortschrittlich, modern und aufgeklärt hält, ein Unding, reiht sich in die Verbrechen, aus denen wir alle angeblich gelernt haben und ist darum umso mehr Verbrechen. Wenn schon alles ins Digitale und in die absolute Kontrolle verschoben wird, sollen sie ihre Angriffe doch gefälligst im Cyberspace ausüben und ihre Machtansprüche per E-Mail und Chat regeln. Dann würden für die fatalen politischen Entscheidungen wenigstens keine echten Menschen sterben.
Aber solange die meisten Gelder weiter in die Aufrüstung und Waffenherstellung fließen, können wir kaum auf den normalen Menschenverstand hoffen. Denn so etwas wie Frieden gab es wahrscheinlich noch nie wirklich und war immer nur Fiktion bzw. eine kurze Atempause dazwischen, denn echter Frieden würde Arbeit bedeuten, würde erfordern, miteinander und im Sinne der Menschheit zu agieren und nicht ständig auf Vernichtung (im Fall der Fälle) zu setzen.
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RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 16.04.2022 15:26von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #18Zitat von Patmöser im Beitrag #17
... allerdings hätte sich der kleine Zar den Einmarsch, oder Überfall auf die Ukraine ersparen sollen.
Aber solange die meisten Gelder weiter in die Aufrüstung und Waffenherstellung fließen, können wir kaum auf den normalen Menschenverstand hoffen.
Ich glaube nicht, das man in einem Krieg oder zu Zeiten einer Diktatur auf den normalen Menschenverstand hoffen kann, oder sollte.
Im Krieg erwacht die Bestie im Menschen, das war in Korea, Vietnam und Afghanistan so, in Syrien auch und in der Ukraine ist es nicht anders. Wenn es um das nackte Überleben geht, dann ist alles Geschwafel von Humanität und Menschlichkeit doch nur noch ein Hohn auf das, was sich Humanismus und Nächstenliebe schimpft, und das seit Jahrtausenden.
Denn ich selbst würde wohl nicht in einer Schlacht oder im Nahkampf an Verse von Goethe oder Hölderlin denken, sondern wohl eher daran, wie ich es vermeide, das mir mein feindlich Gegenüber die Gurgel durchschneidet.
Ist denn in diesen Zeiten der Gebrauch des normalen Menschenverstandes nicht schon eine höchst verdächtige, wenn nicht schon staatsfeindliche Handlung?
Und dann vielleicht noch Kants - Sapere aude zitieren und verbreiten, oder lehren? Das ist doch schon irgendwie Nazi, und grenzt an Volksverhetzung.
Ich bin fertig mit dem Humanismus und dem hohlen Gedröhn von Menschenliebe, Aufklärung, Solidarität und Demokratie, nicht wegen nachhaltiger nihilistischer Anfälle oder einer Neigung zum Inschallah, sondern einfach mehr aus Selbstschutz und weil ich den ganzen Laden hier als vollkommen irrsinnig empfinde.
(Was mich aber niemals daran hindern wird, zum Beispiel heute in späten Stunden auf dem Zauberberg ein wenig zu Lustwandeln, oder zusammen mit Tschitschikow durch die russische Provinz zu reisen. Das wenigstens bleibt.)
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 16.04.2022 17:52von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Patmöser im Beitrag #19
(Was mich aber niemals daran hindern wird, zum Beispiel heute in späten Stunden auf dem Zauberberg ein wenig zu Lustwandeln, oder zusammen mit Tschitschikow durch die russische Provinz zu reisen. Das wenigstens bleibt.)
Wo du ihn gerade erwähnst, der gute Gogol hat das Buch ja eigentlich als Trilogie geplant, wo ich zuvor noch dachte, er hätte nur den zweiten Teil verbrannt. Er wollte es im Sinne Dantes mit Hölle, Fegefeuer und Paradies aufbauen, und geschafft hat er nur die Hölle, irgendwie bezeichnend für diese Welt.
Und dann kommt so ein Geistlicher und erklärt seine Literatur zum Teufelswerk und wäscht ihm das Gehirn. Und sogar nach seinem Tod haben sie ihn noch drangsaliert, seinen Schädel geklaut und Knochenteile von ihm als Souvenir aus dem Grab geholt (geduldet von Stalin und seiner Bande), und Bulgakow hat dann in „Meister und Margarita“ davon geschrieben, von diesem verlorengegangenen Kopf, der heute vielleicht in irgendeinem Regal von irgendeinem Größenwahnsinnigen steht und alle toten Seelen der Welt enthält.
Krieg ist Wahn. Und so sehr man auch versucht, das alles zu erklären und zu analysieren, lässt sich das nicht leugnen. Für mich sind das überhaupt alles Wahnsinnige. Wir leben in einem System, das von Kriminellen regiert wird, und manchmal frage ich mich, wie die das geschafft haben, sich so tief in die Welt zu fressen, das wir sie als ganz normal empfinden, als hätten sie eine Berechtigung für ihr Handeln.
Art & Vibration
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 17.04.2022 09:07von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #20Zitat von Patmöser im Beitrag #19
(Was mich aber niemals daran hindern wird, zum Beispiel heute in späten Stunden auf dem Zauberberg ein wenig zu Lustwandeln, oder zusammen mit Tschitschikow durch die russische Provinz zu reisen. Das wenigstens bleibt.)
Wo du ihn gerade erwähnst, der gute Gogol hat das Buch ja eigentlich als Trilogie geplant, wo ich zuvor noch dachte, er hätte nur den zweiten Teil verbrannt. Er wollte es im Sinne Dantes mit Hölle, Fegefeuer und Paradies aufbauen, und geschafft hat er nur die Hölle, irgendwie bezeichnend für diese Welt.
Ich weiß, ging es dem "späten Tolstoi" nicht ähnlich, der bekam dann auch irgendwann seine religiösen Attitüden und wurde, wer hätte das gedacht, zum einem fanatischen christlichen Eiferer, allerdings wohl so christlich im Sinne des dogmatischen orthodoxen Bonzentums wohl auch wieder nicht, denn sonst hätte man ihn wohl nicht exkommuniziert.
(Tschechow ist mir da mit seiner "natürlich gewachsenen Weltanschauung in der Liebe zum Menschen" bedeutend näher, auch viel näher als der stramme Nationalist Dostojewski, nein ich mag diesen Dostoheftig immer noch nicht, außerdem schrieb er viel zu dicke Bücher angefüllt mit viel zu vielen Geschwätzigkeiten.)
Zitat
Krieg ist Wahn.
Wir alle wissen das und trotzdem ist die Geschichte der Menschheit wohl mehr eine Geschichte der Schlachtfeste und Metzeleien, warum das so ist, das weiß ich nicht zu sagen, das weiß wohl keiner, trotz aller abendländischen Sophisterei und Aufklärung.
Ein gutes Ende kann das nicht nehmen, soll es wohl auch nicht, und wenn dann das Unaussprechliche geschieht, dann soll es wohl so sein, dem Universums ist's wohl einerlei.
Dir ein stressfreies Osterfest und mögen die Luken der Atomraketen-Bunker auf ewig geschlossen bleiben...
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 17.04.2022 13:40von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ich wünsche dir auch schöne Ostern, Patmos. Auf das neue Auswege oder wenigstens kleine Lichtblicke auferstehen mögen.
Tolstoi und sein Jasnaja Poljana waren am Ende so eine Art Pilgerstätte für viele. Sein Problem war weniger die Umkehr zur tiefen Religiosität als das Ringen mit sich selbst, nebst der Verherrlichung des Bauernlebens, das er auch gerne in seiner Einfachheit gelebt hätte, während er ein wohlhabender Gutsbesitzer war und blieb. In diesem Zwiespalt gefangen, wollte er seinen gesamten Besitz verschenken, was seine Frau jedoch anders sah und für sich und ihre Kinder nicht auf alles verzichten wollte. Das führte dann auch zu seiner berühmten Flucht vor der eigenen Familie mit dem bekannten Ende auf der Bahnstation.
Tolstoi war zwar zutiefst religiös, hatte jedoch seine eigene Interpretation von den Evangelien, glaubte, dass die Wahrheit im göttlichen Wort liege und nicht darin, sich vor allem zu verbeugen, was mit Jesus zu tun hatte. Auch lehnte er den Reichtum der Kirchen und Altäre ab. Für ihn war es möglich, Gott von überall zu erreichen, auch in einer zerfallenen Holzhütte. Nach Tolstoi hätte die Lehre Christi ruhig aus fünf Geboten bestehen können, und das haben ihm die satten dicken Priester in ihren vergoldeten Gotteshäusern nicht verzeihen können, der wesentlich religiösere Dostojewski übrigens auch nicht.
In seiner Beichte beschrieb Tolstoi das so:
"Auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage des Lebens habe ich genau dasselbe Gefühl empfunden, welches einen im Walde verirrten Menschen überkommt. Er sieht die Finsternis, aber kein Haus. So irrte auch ich in diesem Walde der menschlichen Erkenntnis (...), und endlich gewann ich die Überzeugung, daß es keinen Ausweg gebe und auch keinen geben könne."
Und weil er in Kirchen und im strengen Glauben nichts fand, suchte Tolstoi nach einer eigenen neuen Religion. Heute würde man das eine spirituelle Sinnsuche nennen, die bei Tolstoi Schulen für Bauernkinder und eine Anhängerschaft aus Tolstojanern hervorgerufen hat. Aber wie bei allen Adepten ist aus dem Ganzen ein Kult geworden. Tolstoi selbst lehnte die Bewegung ab. Gogol wiederum war ein Opfer jener Priester und hat am Ende an das Dämonische geglaubt, das man ihm einreden wollte.
Ich persönlich mag sie wirklich alle und stelle russische Schriftsteller ungern einander gegenüber. Ich habe z. B. auch nie verstanden, wie man Fragen wie "Tolstoi oder Dostojewski?" stellen kann, da der Vergleich ähnlich ist wie der zwischen Äpfel und Birnen. Für mich hat jeder seine eigene Welt, und die eine mag man, die andere weniger. Bei den Russen ist mit den jeweiligen Werken dazu auch immer eine tiefreichende Lebensgeschichte verknüpft, da sie die eigenen Sinnfragen in ihre Romane miteinfließen ließen.
Tolstoi hat sich historisch mit Russland und dem Krieg befasst und seine eigenen Zweifel hinterfragt, Dostojewski mit den menschlichen Abgründen. Das kann man mögen oder nicht. Dostojewski als Nationalisten zu bezeichnen, ist auch nur aus heutiger Sicht möglich, in der aus weiter Ferne mit Blick auf die Vergangenheit geurteilt wird, während die damaligen Zeiten andere waren und auch anderes Denken erforderten und hervorbrachten. Ein Mensch, der dem Tod ins Auge geblickt hat und in Sibirien war, Ereignisse also, die sein Werk im Extrem geprägt haben, erreicht mich in der Tiefe seiner Gedanken, so dass ich über die Phasen der Geschwätzigkeit hinwegblicken kann. Die Liebe zum eigenen Land ist tief verwurzelt und gerät erst zum Vorwurf, wenn sie politisch missbraucht wird und ausartet.
Gestern, beim Lesen, bin ich auf ein Gedicht von Anna Achmatowa gestoßen, das wie ein Echo der jetzigen Situation wirkt, besonders in Bezug auf die Russen, von denen viele den Krieg ablehnen, aber mit Putins Entscheidungen in der Medienhetze und Meinungsmache gleichgesetzt werden. Man muss ja bedenken, dass die Russen schon etliche Male den Verrat an ihrer eigenen Kultur in Kauf nehmen mussten, besonders in Zeiten Stalins und der Sowjetunion. Achmatowa schrieb:
"Als unser Volk in Selbstmordtrauer
der deutschen Gäste harrte schon,
und als aus Rußlands Kirchenmauern
Byzantiums Geist war leis entflohn,
als an dem Newa-Fluß, erbleichend,
die stolze Stadt vergaß die Scham,
und, einer trunk’nen Dirne gleichend,
längst nicht mehr wußte, wer sie nahm –
da rief mich eine Stimme zu sich,
sie sprach: »Du sollst getröstet sein.
Verlasse Rußland, taub und sündig,
sag diesem Land für immer nein.
Ich wasch das Blut von deinen Händen,
ich nehme dir die schwarze Scham,
ich werd mit neuen Namen blenden
die Niederlagen und den Gram.«
Doch unbehelligt und gelassen
verschließe ich vor ihr mein Ohr,
um mich nicht länger schmähn zu lassen
im Schmerz von diesem falschen Chor."
(Quelle: Anna Achmatowa, gefunden bei Natascha Wodin "Die gläserne Stadt")
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RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 17.04.2022 20:25von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #22
Tolstoi war zwar zutiefst religiös, hatte jedoch seine eigene Interpretation von den Evangelien, glaubte, dass die Wahrheit im göttlichen Wort liege und nicht darin, sich vor allem zu verbeugen, was mit Jesus zu tun hatte.
Ich weiß nicht, ich weiß nicht..., Tolstois später aber dafür sehr intensiver "Glaubensdrang" hatte etwas von dieser totalitären Unbedingheit der heutigen Evangelikalen und wirkt auf mich oft abschreckend, in seiner starren Unversöhnlichkeit und Rechthaberei. (Hier vor allem in seinem Roman - Auferstehung, teilweise ist das ein unglaublich tendenziöser Kitsch.)
Ich las vor einiger Zeit in seinem "Essay" Worin mein Glaube besteht, und auch hier offenbart sich teilweise die sterile Lebensfeindlichkeit der religiösen Fanatiker.
Aber egal, du kennst ja meine Animositäten gegenüber jeglichen Ausflüssen des religiösen Fanatismus, manchmal werde ich nach einem Gegenentwurf gefragt. Ich habe keinen, ich will nichts ändern. Ich will nur sehen und begreifen, was ist, oder auch nicht ist.
Aber keiner von den Lebenden wird je hinter die verbotene Tür schauen dürfen und so mache ich jetzt den Bartleby - I would prefer not to...
In diesem Sinne und Grüße vom letzten Assiniboine
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 17.04.2022 22:52von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ja, Tolstoi ist schon schwierig, da er im Grunde viele starre Ansichten hatte (als Beispiel nur seine Einstellung zur Rolle der Frau (die musste noch ran und Kinder kriegen, als es aufgrund körperlicher Beschwerden kaum noch möglich war). Und „Auferstehung“ als Spätwerk war schon sehr „privat“ (man spürt den mit sich selbst hadernden Schriftsteller stark durch die Geschichte hindurch, der versucht, sein Ideal ins Wort zu stampfen).
Neben dem Essay, den du nennst, soll auch die Erzählung „Pater Sergius“ diese geistige Krise Tolstois verdeutlichen (habe ich noch nicht gelesen, sollte ich vielleicht einmal tun). Die Zeit seiner „Rebellion gegen die Staatskirche“ war interessanter. Gut fand ich z. B. „Meine Beichte“ oder seine kurze Sachen „Der Tod des Iwan Iljitsch“, „Der Schneesturm“, auch „Familienglück“, denn eigenartigerweise schreibt Tolstoi aus der Sicht der Frau sehr „aufgeklärt“ und überzeugend, wie er es im Leben nie war, während die Raserei in „Kreuzersonate“ dann wieder starke Literatur war.
So gesehen, sind diese Werke alle kitschig, denn wer würde heute schon über hunderte Seiten lang über die Liebe, die Ehe, die Prostitution, die Versuchung, die Gottsuche oder das menschliche Elend schreiben, geschweige das lesen wollen. Alles russische Denken ist allgemein schwer und seufzend, wie tiefe trübe Wasser. Eine angenehme Leichtigkeit mit Geisttiefe haben nur wenige erreicht, und da gehört Tschechow sicherlich dazu, auch Turgenjew oder Lermontow. Ich weiß gar nicht, ob ich heute noch einmal Puschkin oder auch andere Wälzer wie Flauberts „Madame Bovary“ oder Zolas „Nana“ lesen könnte. Und „Krieg und Frieden“ wahrscheinlich auch nicht mehr. „Tristram Shandy“ schon eher oder Potockis Handschrift. Und Melville sogar mehrmals, keine Frage.
Ich sehe das wie du, jeder Fanatismus ist mir zuwider, ob Christ, Moslem, Jude, Hindu, Buddhist (ja, selbst unter denen habe ich es erlebt), Atheist, Esoteriker, Zeugen Jehovas, Neugermanen, Sonnentempler, Aum, Fiat Lux, Gaja-Anhänger, Veganer, Tierschützer, Klimawandelkämpfer und was es alles gibt. Der Grat zwischen Erkenntnis und Überheblichkeit bzw. Selbstgerechtigkeit (im Sinne, sie hätten alles verstanden und alle anderen nicht) ist schmal. Schade ist bei all dem, dass das natürlich Spirituelle in uns verblasst und ausgemerzt werden soll, während die kalte Brise des Fanatismus weiter gefördert wird.
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RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 18.04.2022 09:57von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #24
Ich weiß gar nicht, ob ich heute noch einmal Puschkin oder auch andere Wälzer wie Flauberts „Madame Bovary“ oder Zolas „Nana“ lesen könnte. Und „Krieg und Frieden“ wahrscheinlich auch nicht mehr. „Tristram Shandy“ schon eher oder Potockis Handschrift. Und Melville sogar mehrmals, keine Frage.
Man sollte nur das wieder einmal lesen, wohin uns die magische Hand führt, bei den mystisch gestimmten Wanderungen durch unsere mehr oder weniger große Bibliothek, sozusagen.
Vor einigen Tagen habe ich wieder einmal und einmal wieder in den Hundert Jahren Einsamkeit geschwelgt, auch In der Insel des zweiten Gesichts, und man ist immer wieder erstaunt, wie "frisch" sich das immer noch liest.
(ich gestehe, auch mit dem Zauberberg ging es mir so.)
Längere Zeit habe ich mich endlich einmal intensiv mit den "Modernen" befasst, viel geblieben ist davon nicht, wirklich begeistert hat mich da nur Olga Tokarczuk, eine höchst eigenwillige Dame, die fesselnd und bildhaft schreiben kann.
(Zur Zeit lese ich von ihr gerade - Der liebevolle Erzähler, also die Vorlesung zur Verleihung des Nobelpreises, mir gefällt auch das, wie fast alles von ihr.)
Der Große Rest? Und dann noch in Deutschland? Schweigen wir lieber, aber halt, da fällt mir noch der - zurück in sein Haus gestopfte Jäger von Botho Strauß ein, bemerkenswert, der Mann, und wohl von dieser verkommenen Vorzeige-Demokratur nicht wohl gelitten, wie viele andere auch.
Ein Literat sein, das heißt heute wohl im geistigen und moralischen Stillgestanden verharren und das nicht nur vor des Kaisers neuen Kleidern, ansonsten wird man wohl von den literarischen Erkennungsdienstlern verfemt und zum Paria abgestempelt.
So, und nun genug mit dem Ketzerbriefen für heute, ich schreibe hier gerade aus dem Reichshauptslum und machte drei dicke große Kreuze, wenn ich am Abend endlich wieder zu Hause bin.
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 18.04.2022 19:56von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Patmöser
Längere Zeit habe ich mich endlich einmal intensiv mit den "Modernen" befasst, viel geblieben ist davon nicht, wirklich begeistert hat mich da nur Olga Tokarczuk, eine höchst eigenwillige Dame, die fesselnd und bildhaft schreiben kann.
(Zur Zeit lese ich von ihr gerade - Der liebevolle Erzähler, also die Vorlesung zur Verleihung des Nobelpreises, mir gefällt auch das, wie fast alles von ihr.)
Oh ja, Olga Tokarczuk nimmt in meinem Regal auch eine ganze vordere Reihe ein. Das einzige Buch, das ich weniger mochte, war das mit den Fledermäusen. Ähnlich gut hat mir z. B. Libuse Monikova gefallen, aber die ist komplizierter.
Der Sprung aus bewährter Literatur hinaus in die Moderne bleibt immer gewagt und mit Enttäuschungen verbunden. Es ist ja so, dass Lesen trotzdem Zeit beansprucht, die uns davonrennt (und dann ist da noch das Außen, das einem permanent in den Kopf drängt), und dann möchte man eben, wenn man sich die Zeit schon nimmt, dass sich eine Minute ewig ausdehnt und dass man sich in den Sphären der Literatur überhaupt frei genug fühlen kann, um diese Minute als Ewigkeit zu empfinden. Und wie viele moderne Romane schaffen das schon, wenn es nur noch darum geht, zeitaktuell zu sein oder Gedanken auf ein bestimmtes und verkäufliches Maß zu reduzieren? Wir sind nun einmal das Heute und können mit dem Heute im Buch wenig anfangen. Überwältigt wird man ja eigentlich nur von solchen Büchern, die Hochachtung hervorrufen durch:
- Alter (zwar ohne Podest, aber dennoch …)
- tiefe Bewunderung (einige Schriftsteller haben z. B. ein Werk geschrieben, das auch dann weiterwirkt, wenn andere Bücher etwas schwächer sind)
- überraschende Effekte oder das Unerwartete (von mir aus auch Experimentelles, wenn es im Gesamtbild stimmig ist (was ich mittlerweile nicht mehr mag, ist der Versuch, einfach modern zu sein, ohne einen Lesefluss oder tieferen Zusammenhang zu bieten))
- Stil (Schreiben können und Bilder im Wort erschaffen ist und bleibt eine Kunst)
- Poesie/Philosophie (damit kriegen sie mich immer)
- ein Erzähltes, das nichts widerkäut (die Welt ist weit, aber ich auch… entsprechend: eine eigene Stimme genügt manchmal schon)
- Wahrheit (heutzutage sowieso eher selten wenn gar nicht vorhanden)
- Wellen (egal wie, ob Sog, Eintauchen oder als leichte Geistesvibration, die sich ausbreitet)
- usw.
Wenn sich Verse nicht durch das Blut übertragen lassen, taugen sie nichts in ihrer Schönheit und sind nur kalte Materie. Und selbst wenn es noch solche Schreiberlinge gibt, die tatsächlich etwas zu sagen haben, urteilt in erster Linie der Verlag, ob es tauglich ist und „ins Programm passt“, entsprechend ob es politisch vermarktet werden kann und Zaster einbringt. Wer da alles zum Schweigen gebracht wird, trotz des Buchüberflusses an so viel Unnützem, möchte man sich lieber nicht ausmalen. Und wer kann noch auf ein spätes Öffnen geheimer Schubladen hoffen? Oder ganzer Truhen wie bei Pessoa?
Es hapert ja nicht nur am Schreibenden selbst, sondern auch am Leser, in einer Welt, in der Bücher durch Technik ersetzt werden, während die Auffassungsgabe von Generation zu Generation allmählich verwässert bzw. sich auf etwas anders ausrichtet. Und manchmal denke ich, das alles währt sowieso nicht mehr lange, also nicht mehr so, wie wir es kennen und gewohnt sind.
...
(P. S. Ich würde übrigens in Sachen Thomas Mann sogar so weit gehen, dass "Der Zauberberg" sein einziges, sein wahres Werk ist.)
Art & Vibration
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 19.04.2022 08:30von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #26
Und manchmal denke ich, das alles währt sowieso nicht mehr lange, also nicht mehr so, wie wir es kennen und gewohnt sind.
Ich war gegenüber den Zivilisationsapokalyptikern und Hobby-Propheten immer misstrauisch, aber wie sich das alles jetzt so gestaltet, da geht diese Welt noch schneller den Bach runter, als ich es selbst für wahr haben wollte.
Dazu passt vielleicht ein Ausschnitt aus Olga Toarczuks Buch "Der liebevolle Erzähler":
Die Welt liegt im Sterben, doch nicht einmal das bemerken wir. Wir bemerken nicht, dass sie allmählich zu einem Sammelsurium von Dingen und Ereignissen wird, zu einem leblosen Raum, in dem wir einsam und verloren herumstolpern, hin- und hergeworfen von Entscheidungen, die nicht wir selbst treffen, Sklaven eines unverständlichen Fatums, verfolgt von dem Gefühl, Spielball der Geschichte oder des Zufalls zu sein.
Unsere Spiritualität schwindet, oder sie wird oberflächlich und rituell. Oder aber wir werden zu Gefolgsleuten simpler Kräfte – physischer, gesellschaftlicher oder ökonomischer –, die uns lenken, als wären wir Zombies. Und in einer solchen Welt sind wir das tatsächlich: Zombies.
Sind wir nun wirklich Zombies? So ein bisschen wohl schon und ich schließe mich selbst da nicht aus, denn ich glaube in dieser Welt gibt es keine Unschuldigen mehr.
Ich weiß nun wirklich nicht zu sagen, ob der Menschen während der Evolution irgend wann die falsche Ausfahrt genommen hat, oder im Gegensatz dazu der liebe Gott einen gewaltigen Aussetzer hatte, als er den Menschen erschuf, aber man spürt das förmlich, wie das alles hier dem Ende entgegen geht, so oder so.
Aber vielleicht was diese Welt niemals etwas anderes als eine Filiale der Hölle, machen wir es also wie das Orchester auf der Titanic..., andere Lösungen habe ich nicht anzubieten.
Ich beende das dann mit Arno Schmidt:
Wenn ich mal tot bin und mir kommt einer mit Auferstehung oder so, dem hau ich eine rein
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 19.04.2022 20:13von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Hahaha, Schmidt ist großartig. In so’ne Welt will man ja auch nicht zurückkehren, geschweige denn, überhaupt irgendwelche Spuren hinterlassen, und irgendwo höher steigen, das wäre ja aus heutiger Sicht schon irgendwie vermessen. Sagt dann noch irgendwer etwas Gewaltiges, kann es gut passieren, dass schon nach wenigen Jahren eine dekadente Meute daherkommt und all das so kleinredet, bis es keinen Sinn mehr ergibt.
In Sachen Apokalypse – jawohl, Misstrauen pur. Ich dachte immer, man muss solche Typen meiden, die einen Weltuntergang in Kauf nehmen, nur weil sie ihn vorausgesagt haben. Aber in letzter Zeit ist so viel Mist geschehen und so vieles wurde, obwohl dem Anschein nach unverrückbar, zur Seite geschoben, zertrümmert oder ins Gegenteil verkehrt, das sich dieser gefährliche Pessimismus mehr und mehr aufbläht.
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob nun der Mensch tatsächlich diesen Zerstörungstrieb in sich trägt, denn im Sinne der Erschaffung, des Feinklangs der Funktionen aller Bauteile und der geistigen Möglichkeiten ist diese Version „Mensch“ schon irgendwie gelungen und könnte in den richtigen Händen wohlgestimmt wie ein erhabenes Instrument sein. Dieser Geist ist ja noch nicht einmal richtig angezapft oder aus Gründen der Vorsicht auf ein Minimum reduziert und blockiert. Schlimmer ist wohl das, wohinein wir geworfen werden, in diese Masse, der flimmernd eingebläut wird, dass Surrogate schon irgendwie ausreichen, die auch noch mit Blut und Wasser verteidigt werden. So etwas lässt den göttlichen Funken schnell verlöschen. Und wenn wir unser wahres Ich ganz verlieren, dann sind wir bloße Illusionsjäger oder lediglich Gefäße ohne Inhalt. Und mit denen kann man machen, was man will, z. B. Impfpräparate und Massenvernichtungswaffen darin lagern.
Art & Vibration
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 21.04.2022 17:14von Patmöser • 1.121 Beiträge
Zitat von Taxine im Beitrag #28
Und wenn wir unser wahres Ich ganz verlieren, dann sind wir bloße Illusionsjäger oder lediglich Gefäße ohne Inhalt.
Sind wir nicht unser Leben lang irgendwie Illusionsjäger und hätscheln unsere Dämonen?
Hierzu fällt mir dann immer ein Gedicht von Mascha Kaleko ein, das für mich immer wieder verblüffend ist, in seinen einfachen und doch so treffenden Aussagen:
Wo sich berühren Raum und Zeit...
Wo sich berühren Raum und Zeit,
Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit,
Ein Pünktchen im Vorüberschweben -
Das ist der Stern, auf dem wir leben.
Wo kam das her, wohin wird es wohl gehn?
Was hier verlischt, wo mag das auferstehn?
- Ein Mann, ein Fels, ein Käfer, eine Lilie
Sind Kinder einer einzigen Familie.
Das All ist eins. Was «gestern» heißt und «morgen»,
Ist nur das Heute, unserm Blick verborgen.
Ein Korn im Stundenglase der Äonen
Ist diese Gegenwart, die wir bewohnen.
Dein Weltbild, Zwerg, wie du auch sinnst,
Bleibt ein Phantom, ein Hirngespinst.
Dein Ich - das Glas, darin sich Schatten spiegeln,
Das «Ding an sich» - ein Buch mit sieben Siegeln.
... Wo sich berühren Raum und Zeit,
Am Kreuzpunkt der Unendlichkeit -
Wie Windeswehen in gemalten Bäumen
Umrauscht uns diese Welt, die wir nur träumen.
Und eine Gesellschaft, die "Ihren" Gott mit Gendersternchen oder einem + Zeichen "drapiert"; die hat sich nun doch wirklich selbst zum Untergang verurteilt.
Vielleicht ist diese Religion auch an den geschlossenen Strukturen der uralten und doch ewig jungen Mythen gescheitert, gegen die zu kämpfen die Kirchen niemals müde wurden, denn ihren eigenen spirituellen Kern hat diese Religion doch schon lange verloren, vielleicht verbrannte dieser auf den Scheiterhaufen mit, wer weiß das schon zu sagen.
Dein Weltbild, Zwerg, wie du auch sinnst,
Bleibt ein Phantom, ein Hirngespinst.
....
RE: Krieg, Zensur und Sanktionen – wer gewinnt am Ende?
in An der Gesellschaft/dem Alltag orientierte Gedanken 25.04.2022 21:42von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Schwarze Höhle aus Gebäuden,
über hundert verschiedene Schornsteine.
Ich seh‘ erleuchtete Fenster, aber keine Menschen …
(Ginsberg, Notizbücher)
Illusionen nachzujagen ist tragisch, wenn man sich dessen nicht bewusst ist. Genauso verzwickt ist die Situation, wenn man sich dessen bewusst ist. Das kann bis zur geistigen Lähmung führen oder dazu, dass man alles als sinnlos empfindet, in welche Richtung man sich auch dreht, denn auch jenes Streben nach Erleuchtung mag innerhalb der eigenen Kontemplation gelingen, zerschellt jedoch sofort auf dem Boden der Tatsachen, wenn’s zurück in den Alltag geht (oder der Körper zeitweise über den Geist siegt). Hat man diese Grenze allerdings einmal überschritten, in der Erkenntnis, dass all das um einen herum nur ein schimmernder Blödsinn ist, kann man nicht mehr zurück.
Und dennoch … Auf mich wirkt die Sehnsucht „Nirwana“ immer wie eine andere Version des Traums vom Paradies. Daher ist mir dieses losgelöste Selbst um das Selbst, dieses Alles und Nichts, das existiert und nicht existiert oder irgendwo über und um und in allem ist zwar eine liebgewonnene Ahnung, das Ich und Ego halte ich jedoch weiterhin für nicht überwindbar. Wer strebt schon nach einer Verschmelzung ins Über-Bewusste, wenn der Weg ins Innere ein Labyrinth bleibt, für dessen Erkundung wir wahrscheinlich (nur) ein Leben lang Zeit haben und das letztendlich die Aufgabe bleibt? Und vielleicht sind wir diesen Weg auch schon unendlich oft gegangen und erinnern uns nur nicht, mit den kleinen Schritten an Erkenntnissen, die in diesem Seelen-Fluss-Leben übergreifend weiterwirken. Unsere lodernden Hirngespinste sind vielleicht alles, was wir haben. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, die Menschen leben zwar gleichzeitig, aber auf verschiedenen Ebenen. (Und das scheint eine Seelen-Dimensionssache zu sein.) Die einen vergöttern die Illusion, die anderen illusionieren das Göttliche. Und dazwischen tanzt die Absurdität über dem Wasserglas.
Wenn sie wenigstens ihre TVs abstellen würden …
Art & Vibration
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