HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Weiterhin alles rund um Rousseau. Und die Schrecken des Archipel GULAG.
Zitat
[Archipel GULAG] versteht sich als Kennzeichnung des stalinistischen Justiz- und Lagerwesens als über die ganze Sowjetunion verteilte, abgeschlossene „Inseln“ der Unterdrückung und Entmenschlichung. (Wikipedia)
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[i]Poka![/i]
Zitat von Martinus
Alan Watts: Vom Geist des Zen
Oj, toll, viel Spaß damit. Eines meiner Lieblingsbücher.
Ich: Flann O'Brien - In schwimmen zwei Vögel
Geht ja schon mal gut los:
Zitat
Alle in diesem Buch vorgestellten Figuren, die 1. Person Singular eingeschlossen, sind gänzlich fiktiv und stehen in keiner Beziehung zu wem auch immer, lebendig oder tot.
Also der Zusatz mit der 1. Person Singular, also der kommt bei mir ins nächste Buch vorne mit rein. Glaubste aber.
Zitat von ZypresserichZitat von Martinus
Alan Watts: Vom Geist des ZenOj, toll, viel Spaß damit. Eines meiner Lieblingsbücher.
Ist wirklich schön, was in dem kleinen Büchlein alles drinsteckt. Das muss ich mehrmals lesen.
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Zitat von Martinus
Ist wirklich schön, was in dem kleinen Büchlein alles drinsteckt. Das muss ich mehrmals lesen.
Ja, zum Mehrmalslesen ist das Buch sicher geeignet. Auch so als kleiner Helfer in den Irrungen und Wirrungen des Alltags. Ist eins von denen, die ich hin und wieder mal aufschlage und einzelne Passagen nachlese. Und dann: Watts schreibt (meist) so herrlich fröhlich.
Heute, aber spätestens morgen, werde ich von Balzac "Verlorene Illusionen" beenden. Balzac wurde mir von Martinus wärmstens empfohlen, und wirklich er kann nun die Stelle von den Bronte Geschwistern einnehmen, die ich so gerne vor dem Schlafengehen gelesen habe, richtig schön zum Schmökern
Und seit ein paar Tagen versuche ich mich an Nabokovs "Ada oder Das Verlangen". Ab dem 4. Kapitel kann man das Buch lesen.
Bis dann
Krümel
Balzac... oh ja. Der packt einen immer so schön und zerrt einen in eine ganz andere Zeit. Habe auch irgendwo seine Briefe an die Fremde.
Habe wenig gelesen. Ernst Jünger "Besuch auf Godenholm" und nun etwas Gérard de Nerval "Sylvia".
Art & Vibration
Ja. Nach drei Bänden GULAG kommt einem Trivialität wie ein groteskes Verbrechen vor.
Dieser gewaltige Menschenverschleiß, der auch noch nach Stalins Tod weiterging, hat mir ganz schön die Augenlider über die Stirn gezogen. Ich werde wohl kaum wieder moderne russische Literatur lesen können, OHNE Solschenizyn im Hinterkopf.
Erschreckend auch, wie sämtliches Geistes- und Kulturgut konsequent ausgemerzt oder verstaatlicht wurde, und dass die Presse entweder verschwieg oder log und dazwischen massenhaft unnützer Dampf verquollen wurde.
Irgendwie bekommt man auch einen ganz neuen Blick auf Gorki und co.
Solschenizyn beantwortet auch die Unsinnigkeit einer Frage, die mit "Warum?" und "Wozu?" anfängt. - Wozu all das aufschreiben oder lesen und sich vor Augen führen? Warum von allen Seiten betrachten? Ja, genau darum. Weil es Aufschluss über die Geschichte und die Zukunft und die ganze Menschheit gibt.
Zitat von Solschenizyn
Das Wort eines Schriftstellers, das nicht von Tat spricht und nicht Tat bewirkt, wozu ist es gut? Es ist nicht mehr als nächtliches Hundegebell im Dorf.
(Solschenizyn - Archipel Gulag - Schlussband/Nach Stalin)
Sehr zu empfehlen zu diesem Thema ist auch Nadeschda Mandelstam "Das Jahrhundert der Wölfe".
Baldige Literatur dazu:
Mandelstam - Das Rauschen der Zeit
Tschechow - Die Insel Sachalin
Kusmina - Anna Achmatowa
Art & Vibration
Zitat von Taxine
Irgendwie bekommt man auch einen ganz neuen Blick auf Gorki.
Ja, wirklich wahr, seine Haltung erschreckt schon sehr.
Zitat von Taxine
Weil es Aufschluss über die Geschichte und die Zukunft und die ganze Menschheit gibt.
Und dazu noch so großartig formuliert, warum Aufklärung so verdammt wichtig ist.
"Indem wir über die Laster schweigen und es nur tiefer in die Körper treiben, damit kein Zipfelchen herausragt, säen wir es, und morgen geht es tausendfach auf. Nicht einfach darum geht es, daß wir das nichtige Alter der Henker behüten, indem wir sie nicht strafen, nicht einmal tadeln – wir berauben damit die neuen Generationen jeder Grundlage der Gerechtigkeit. Darum sind sie so 'gleichgültig' geraten, nicht der 'Erziehungsschwächen' wegen. Die Jungen merken sich’s, daß Niedertracht auf Erden niemals bestraft wird, indes immer zu Wohlstand führt. Und wie unbehaglich, wie unheimlich wird es sein, in einem solchen Land zu leben!"
Quelle: Solschenizyn, Alexander: Der Archipel Gulag, Fischer, Frankfurt/M. 2008, S. 93
(oder für die Mehrbändigen: Erster Teil, Die blauen Litzen).
Was mich auch sehr überrascht hat, ist die Ironie oder Sarkasmus, Galgenhumor? oder was da zwischendurch immer so "unterhaltsam" aufscheint.
Wie lange hast du daran gelesen?
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[i]Poka![/i]
Wie lange??? Keine Ahnung. Ein paar Tage.
Freut mich übrigens sehr, dass du es auch liest.
Sind in deiner gekürzten (v. A. autorisierten) Fassung (wobei ich ja finde, dass kein einziger Satz in allen drei Bänden überflüssig oder zu viel war, obwohl Solschenizyn sich am Ende des dritten Bandes tatsächlich für die Ausführlichkeit und den damit vielleicht verlorenen literarischen Wert entschuldigt - was natürlich völliger Blödsinn ist) eigentlich auch Fotografien oder wurden die weggelassen?
Das, was du als "unterhaltsam" bezeichnest, ich weiß natürlich genau, was du meinst, ist wahrscheinlich der Rundumblick, Einblick, Weitblick, die einzelnen Geschichten, die bittere Ironie und das Autobiographische, das Solschenizyn miteinander verbindet und zu diesem Titanenwerk zusammengefügt hat.
An manchen Stellen (ich glaube, zweiter Band), wo berichtet wird, aus welchen absurden Gründen die Leute verhaftet wurden - z. B. wurde einem Mann vorgeworfen, er wäre mit Absicht und nur darum ein starker Trinker geworden, um dem Staat zu schaden -, da musste ich manchmal erschrocken auflachen. Das ist wirklich Galgenhumor und daneben traurige Wirklichkeit. Wie Solschenizyn all das in Szene setzt, ist ebenso Galgenhumor, finde ich auch, den auch nur er sich leisten kann, weil er all das selbst erlebt hat. (Hin und wieder erscheint er allerdings durchaus als Randfigur, denn gewissen Menschen im Lager ging es ja noch wesentlich schlechter, ganz zu schweigen von all denen, die starben.)
Interessant war z. B. für mich, dass 1937 gar nicht einmal die Haupt-Verhaftungszeit war, sondern darüber lediglich am meisten geschrieben wurde. Ich kannte zuvor nur Berichte von eben jenem Jahr. Wundert mich dann auch nicht, dass Solschenizyn darüber regelrecht in Rage gerät. Seine Vergleiche mit den Haftbedingungen zur Zarenzeit sind auch sehr aufschlussreich. Oder sein Frust über Berichte von Dostojewskijs Sibirien (Totenhaus).
Zitat von Taxine
Solschenizyn beantwortet auch die Unsinnigkeit einer Frage, die mit "Warum?" und "Wozu?" anfängt.
Eine weitere WOZU-Stelle:
Zitat von Solschenizyn
(…) Wenn schwarze Kopfläuse verdutzt über das Gesicht deines Pritschennachbarn zu kriechen beginnen, ist es das sichere Zeichen des Todes.
Pfui, wie naturalistisch! Wozu noch davon erzählen?
Und überhaupt, halten uns heute jene vor, die selber nicht gelitten, die selber gemordet, oder ihre Hände in Unschuld gewaschen, oder Lämmermienen aufgesetzt hatten, überhaupt, sagen sie – wozu sich daran erinnern? Wozu in alten Wunden rühren? (In IHREN Wunden!)
Lew Tolstoi hat bereits darauf geantwortet: „Was soll das heißen: wozu? Wenn ich eine schlimme Krankheit hinter mir habe und davon geheilt und gereinigt worden bin, werde ich mich stets mit Freude daran erinnern und nur dann nicht zurückdenken wollen, wenn die Krankheit noch in mir sitzt und schlimmer wird und ich mich selbst betrügen möchte. So wir uns des Alten erinnern und ihm gerade ins Antlitz blicken, wird sich uns auch unsere heutige Gewalttätigkeit offenbaren.“
(Solschenizyn – Archipel Gulag – Folgeband/Der Alltag der Archipel-Lager)
Und natürlich der WOZU-Stempel auf den Geist schlechthin:
Zitat von Solschenizyn
Wir vergessen alles. Wir merken uns nicht das Gewesene, nicht die Geschichte, sondern nur das gradlinige Muster, das man unserem Gedächtnis durch stetes Hämmern einzustanzen verstand.
(Solschenizyn – Archipel Gulag/Das Gesetz in den Kinderschuhen)
Art & Vibration
Hallo Krümel,
aus den Reaktionen zu Sebalds "Austerlitz", fürchte ich, dass wir die einzigen sind, die mal etwas von Sebald gelesen haben. Etwas sprunghaft kann man die zweite Erzählung schon bezeichnen, weil die Lebensgeschichte eines Lehrers ebe nicht chronologisch erzählt wird. Besonders die erste kürzere Erzählung glänzt in porosaischer Meisterschaft. Hier springt Sebald nicht, sondern hier ist das Lesen ein eizigartiger Fluss. (Alles weitere im Sebald-Thread ).
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)