HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Zitat von Taxine
Wahnsinn. Márai ist schon so lange tot, und immernoch kommt ein Buch nach dem anderen auf den Markt.
Ich: Nikolai Gawrilowitsch Tschernyschewski "Was tun?"
Den Roman schrieb Tschernyschewski 1863 innerhalb von vier Monaten in der Peter-Pauls-Festung nieder, nachdem er als "Seele der revolutionären Bewegung" zur Gefahr für das Zarentum geworden ist, und nur durch ein Versehen gelangte das Manuskript nach draußen und konnte gedruckt werden. Ist dann wohl das "Alpha und Omega der russischen Jugend" geworden, "der Leitstern einer ganzen Generation".
Und immernoch Rosanow.
Ist ja hochinteressant. It mir ein Rätsel weshalb ich auf NGT noch nicht gestoßen bin. Ich verbringe schon ein wenig Zeit mit Dostojewski und seiner Zeit. Der Name ist bisher nirgends aufgetaucht. Da frag`ich mich jetzt: Wieso?!
Hast Du Taxine vielleicht einen Erklärungsansatz dafür?
Achja, Ich lese derzeit eine Biographie von Rio Reiser, Die Briefe zwischen Goethe und Schiller und Dostojewskis Tagebuch eines Schriftstellers. Da kann man nicht durcheinandergeraten.
www.dostojewski.eu
Zitat von Martinus
Ich beginne mit den Nobelbüchern:
Mario Vargas Llosa: "Tante Julia und der Kunstschreiber"
.
Habe ich voriges Jahrtausend mal gelesen ;-) Nachdem ich anfangs irritiert war, dass die Storys im Nichts enden, spekulierte ich dann auf den sich klassisch schließenden Kries zum Ende . . . soll ich weiter schreiben?
Gäb es nicht soviele Bücher - das würde ich nochmals lesen. Etwas ähnliches habe ich nicht wieder in die Finger bekommen.
www.dostojewski.eu
Zitat von LX.C
"Alles, was Literatur war, ist von mir abgefallen. Es gibt keine Bücher mehr, die geschrieben werden müßten, Gott sei Dank."
Miller - Im Wendekreis des Krebses
Betreibe damit weiterhin Restevertilgung.
War mir zu krus. Wenn ich etwas nicht verstehe, will ich wenigstens Freude dran haben (siehe O`Brien) Auch die stellte sich bei mir nicht ein. Auf der Hälfte habe ich das Buch bis heute geschlossen und habe keine Momente in den ich meinte es nochmal zu versuchen.
www.dostojewski.eu
Zitat von Jatman1
Ist ja hochinteressant. It mir ein Rätsel weshalb ich auf NGT noch nicht gestoßen bin. Ich verbringe schon ein wenig Zeit mit Dostojewski und seiner Zeit. Der Name ist bisher nirgends aufgetaucht. Da frag`ich mich jetzt: Wieso?!
Hast Du Taxine vielleicht einen Erklärungsansatz dafür?
Achja, Ich lese derzeit eine Biographie von Rio Reiser, Die Briefe zwischen Goethe und Schiller und Dostojewskis Tagebuch eines Schriftstellers. Da kann man nicht durcheinandergeraten.
Hallo Jatman1. Da freue ich mich aber über einen weiteren Lese-Begeisterten. Und einen Dostojewskij-Fan.
Tschernyschewski ist den Russen vielleicht eher ein Begriff, weil er die damalige Jugend geprägt hat. Mir begegnete der Schriftsteller in Rosanows Schrift „Dostojewskijs Legende vom Großinquisitor“. Dort verwendet er bestimmte Figuren und ihre literarischen Charaktere, die sich später als Charakterbezeichnung mit ihren Namen eingebürgert haben. Wie z. B. Oblomow für die Trägheit und den Müßiggang. Tschernyschewskis Figuren sind auch dabei.
Was mir an dem Buch nun wieder sehr stark auffällt, ist die Idealisierung. Ich kann mir vorstellen, dass das Buch ein Vorreiter der kommunistischen Idee war. Zum Beispiel eröffnet die Protagonistin eine Näherei mit mehreren Angestellten, die beschließen, das Geld untereinander gleich zu verteilen, auch wenn jemand schwächer ist oder kränklich, während sie, als Besitzerin, auf jeden Gewinn verzichtet.
Der Aufbau des Romans ist interessant, beginnt er immerhin mit einem Selbstmord, der nur vorgetäuscht ist, die Geschichte ist dann hin und wieder leicht … noja… schwülstig und illusorisch. Scheint mir auch ein Angriff auf die damaligen familiären Umstände von Pflichtheirat und anderem zu sein. Zwei Männer, eine Frau, und ihre Beziehung zueinander. Ich bin noch nicht ganz durch, aber es könnte der Vorreiter einer Art "Kommune" sein. Das Teilen der Liebe im Miteinander, ohne Anklage. Werde es gerne noch zusammenfassen, sobald ich es beendet habe.
Zu Dostojewskij gibt es ganz wunderbare Neben-Schriften (die du vielleicht schon kennst?) von z. B. Berdjajew „Dostojewskij“, Rosanow und Gide. Das einzige Buch, das ich von ihm noch nicht gelesen habe, ist "Der Jüngling".
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
Zitat von Taxine
Hallo Jatman1. Da freue ich mich aber über einen weiteren Lese-Begeisterten. Und einen Dostojewskij-Fan.
Tschernyschewski ist den Russen vielleicht eher ein Begriff, weil er die damalige Jugend geprägt hat. Mir begegnete der Schriftsteller in Rosanows Schrift „Dostojewskijs Legende vom Großinquisitor“. Dort verwendet er bestimmte Figuren und ihre literarischen Charaktere, die sich später als Charakterbezeichnung mit ihren Namen eingebürgert haben. Wie z. B. Oblomow für die Trägheit und den Müßiggang.
Was mir an dem Buch nun wieder se. . . . .
Liebe Grüße
Taxine
Hallo Taxine.
Ich freue mich ebenso, jemand zu treffen, der Dostojewski liest und ihn nicht nur benutzt. Deine Beiträge waren es, die mich hier anmelden ließen.
Übrigens zu den "Nebenwerken" zu Dostojewski. Da findest Du hier ein Wenig - mit lapidarem Kommentar von mir: http://dostojewski.npage.de/d_&_quelle_63832438.html
Von Rosanov habe ich noch nichts gelesen - was aber spannend wär, da er mit Dostojewskis Ex-Muse Polina Suslowa verheiratet war. Berdjajew kam gestern mit der Post ;-) Ich habe schon alles gelesen. Der Jüngling: etwas diffus langatmig. Nicht mein Favorit. Ich freue mich von Dir zu lesen.
NGT ist auf jeden Fall bei mir fällig.
www.dostojewski.eu
Dostojewskij habe ich sowohl durch seine Literatur als auch als Menschen sehr ins Herz geschlossen. In deiner Liste finden sich auch die Erinnerungen seiner Frau und die Tagebücher. Ich las zuerst die Erinnerungen und dann die ausführlichen Tagebücher. Jeder behauptet, das Leben Dostojewskijs wäre nicht so interessant wie seine Bücher, ich dagegen finde in ihm so viel wirkliche Liebe zum Menschen und Leidenschaft für das Leben und die Welt, die sich in seinen Romanen, wo er nach dieser Grenze im Menschen sucht, die zwischen Gut und Böse schwankt, forscht, lediglich als Notwendigkeit bestätigt. Ich mag ihn auch in seinen Briefen, in seinen Schwächen, Eifersuchtsszenen. Kann man es Wärme nennen, was aus seinen Zeilen strömt? Eigentlich vordergründig eine düstere Landschaft, die sich aber mit all den menschlichen Schicksalen und Schwächen hervortut, um über all das zu staunen. In jeder Zeile ist so viel Zuwendung und Zuneigung zum Menschen, zu den Kindern, als eine begierige Seelenerforschung der Abgründe, dass es mir manchmal richtig die Sprache verschlägt.
Zitat von Jatman1
Von Rosanov habe ich noch nichts gelesen - was aber spannend wär, da er mit Dostojewskis Ex-Muse Polina Suslowa verheiratet war.
Ja, er berichtet darüber in "Solitaria". Das sind Aphorismen. Die Frau hat ihn fast ebenso enttäuscht wie Dostojewskij, wenn auch auf anderer Ebene. Durch sie entdeckte er erst Dostojewskij und lernte ihn dann durch seine Schriften lieben.
Art & Vibration
Ich habe gelesen, dass er sie geheiratet habe um dem Phänomen Dostojewski im Rahmen seiner Forschungen näher zu kommen. Da werde ich Zukunft wohl besser auf Quellen achten müssen ;-)
Ich sehe eigentlich eher, dass die Suslowa von dem Zwiespalt zwischen Dostojewskis Werk und seinem Wesen enttäuscht war. Ich finde seine Leben in allen Facetten faszinierend. Seine Bücher zur Hälfte gut. Der Mensch Dostojewski ist mir in seinem Wesen nicht wahrlich ans Herz gewachsen.
Ich sehe D.s Leben in jedem Fall mindestens so interessant wie seine Bücher, zumal sich seine Bücher zu nicht unwesentlichen Teilen aus seinem Leben speisen. Deswegen muss jedoch die Sympathie nicht für beides gleich sein. Die Briefe zu seiner Dienerin, wie ich sein zweite Frau gern nenne, sind sehr liebevoll. Wenn aber die anderen Briefe liest, ist es über weite Strecken eine Trauerspiel. Die Ursache benennt eine Bekannte von ihm, Frau Stakenschneider:
„Viele die sich ihm angstvoll nähern, sehen nicht, wie viel Kleinbürgerliches an ihm ist; nichts Triviales, nein, trivial ist er nie, und er hat nichts Triviales an sich, aber er ist ein K l e i n b ü r g e r. Ja, ein Kleinbürger! Kein Aristokrat, kein Seminarist, kein Kaufmann, kein zufälliger Mensch in der Art eines Künstlers oder Gelehrten, sondern ein Kleinbürger. Und dieser Kleinbürger ist der tiefste Denker und ein genialer Schriftsteller.“
Wärme ist es teilweise, die aus seinen Zeilen sprechen kann - aber ein wenig klamme Wärme.
Kannst du zu Romanow eine konkrete Literaturangabe geben? Sollte ich auch lesen.
www.dostojewski.eu
Ja, stimmt. Er verehrte Dostojewskij schon vor seiner Heirat. Ich muss noch einmal genau nachsehen.
Im Vorwort zu "Solitaria" von Rosanow heißt es:
Zitat von Heinrich A. Stammler
Er war aber auch mit ganz anderen Dingen beschäftigt als mit gewissenhafter Erfüllung seiner Amtspflichten: 1886 hatte er Apollinaria Ssuslowa geheiratet, Dostojewskijs einstige Geliebte und "femme fatale", die unter mancherlei Verkleidungen und Decknamen in den Romanen und Novellen von Rosanows angebetetem Meister ihrer Rolle als faszinierender Unheilstifterin nachgeht. So wie Rosanow empfand, musste er gerade in der ehelichen Verbindung mit dieser wahrhaft satanischen Kurtisane eine Art von hierodulenhaftem Rapport mit Dostojewskij über dessen Tod hinaus erblicken. Selbstverständlich ist ihm aus dieser Heirat nichts Gutes erwachsen: die Ssuslowa peinigte ihn nicht nur vor der unvermeidlichen Trennung bis aufs Blut, sie suchte ihm auch danach die bürgerliche Existenz dadurch zu ruinieren, dass sie in die von ihm gewünschte Scheidung nicht einwilligte.
Sagen wir es mal so: Dostojewskij ist ein sehr schwieriger und an sich selbst zweifelnder Mensch gewesen, aber er war kein Kleinbürger. Nein. Nein.
Art & Vibration
Zitat von Jatman1
Wenn aber die anderen Briefe liest, ist es über weite Strecken eine Trauerspiel.
Ich kenne sowohl die einen Briefe als auch die anderen. Man muss hier immer den Hintergrund seiner Not sehen (klar, auch selbst verschuldet), seiner Ängstlichkeiten. Trauerspiel, ja, für uns, als Abseitsstehende. Aber wenn du mit bestimmten Umständen kämpfst, dann verlierst du auch schon einmal dein Gesicht, um zu betteln...
Art & Vibration
Suslowa war sicherlich nicht einfach. Vielleicht war die Scheidungsverzögerung die Revanche für die Heirat nicht ihrer wegen, sondern Dostojewskis wegen. Das wäre dann eine Demütigung für sie im Doppelpack gewesen. Man weiß es nicht. Ich mag die Suslowa. Und hätte D.s zweite Frau nicht die Briefe von ihr abgefangen bzw. vernichtet, gäbe es einen phantastischen Briefwechsel bis zu D`s Tod. Glaube ich.
Dostojewski hat an allem gezweifelt, aber nicht an sich, wenn er Oberwasser hatte. Turgenjew und Nekrassow haben nicht völlig ohne Grund ein Spottlied über ihn in Umlauf gebracht.
Wenn der Kleinbürger nicht gelten soll dann vielleicht dies:
"In Leonid Grossmans Abhandlung über "Dostojewskij, den Künstler" (1959) wird die Kluft zwischen dem großen Künstler Dostojewskij und dem inakzeptablen Denker Dostojewski] nicht aufgelöst. Es heißt ausdrücklich, als "großer Künstler" habe Dostojewskij die "richtige Wiedergabe der objektiven Welt" angestrebt, doch als Denker seien ihm die Grundlagen einer realistischen Weltsicht fremd geblieben."
oder dies
"Dostojewski", schrieb Hamsun 1903, "starb als Fanatiker, als Wahnsinniger, als Genie. Er war ebenso zerrissen und aus allen Verhältnissen wie die Menschen seiner Dichtung...“
www.dostojewski.eu
Zitat von Jatman1
"Dostojewski", schrieb Hamsun 1903, "starb als Fanatiker, als Wahnsinniger, als Genie. Er war ebenso zerrissen und aus allen Verhältnissen wie die Menschen seiner Dichtung...“
Ja, aber genau das hat doch sein Wesen ausgemacht und die Möglichkeit, über diese Grenzen der Vorstellung hinausblicken zu können. Natürlich war er zerrissen. Kein vernünftig - angepasster Mensch könnte so schreiben, könnte sich hineinfinden. Wir werden in seinen Romanen immer auch seine eigenen Hinterfragungen finden. Wenig davon ist wirkliche Fiktion. Aber genau das spricht mich an. Die rastlosen "Aufzeichnungen aus dem Kellerloch", "Der Doppelgänger" - ein wahnsinnig genial gelungener Blick...
Art & Vibration
Zitat von TaxineZitat von Jatman1
Wenn aber die anderen Briefe liest, ist es über weite Strecken eine Trauerspiel.
Ja, ich kenne sowohl die einen Briefe als auch die anderen. Man muss hier immer den Hintergrund seiner Not sehen (klar, auch selbst verschuldet), seiner Ängstlichkeiten. Trauerspiel, ja, für uns, als Abseitsstehende. Aber wenn du mit bestimmten Umständen kämpfst, dann verlierst du auch schon einmal dein Gesicht, um zu betteln...
Es soll auch kein Vorwurf gegen D. sein. Geht völlig in Ordnung mit seiner Bettelei In ihrer Ausprägung ja auch schon wieder genial) Nur eben sollten die profanen Seiten nicht ausgeblendet werden, denn dieser herbe Widerspruch zwischen Kleinbürger und Infragstellendem macht für mich den Reiz aus.
www.dostojewski.eu
Zitat von Jatman1
Turgenjew und Nekrassow haben nicht völlig ohne Grund ein Spottlied über ihn in Umlauf gebracht.
Dostojewskij hat nur Höhe gehabt nach seinem "Arme Leute"-Roman, der hoch gelobt wurde. Danach hat man ihn wie eine heiße (zu heiße) Kartoffel fallengelassen und verachtet.
Turgenjew ist ein genialer Stil-Wort-Meister, ein wunderbarer Schreiber, aber als Mensch, nun ja, hätte er sich diese Vorwürfe gegen Dostojewskij, der ihn um Geld anging, nicht leisten können. Lies seine Briefe.
Art & Vibration
Zitat von Jatman1
Suslowa war sicherlich nicht einfach. Vielleicht war die Scheidungsverzögerung die Revanche für die Heirat nicht ihrer wegen, sondern Dostojewskis wegen. Das wäre dann eine Demütigung für sie im Doppelpack gewesen. Man weiß es nicht. Ich mag die Suslowa. Und hätte D.s zweite Frau nicht die Briefe von ihr abgefangen bzw. vernichtet, gäbe es einen phantastischen Briefwechsel bis zu D`s Tod. Glaube ich.
Hast du für diesen Hintergrund einen Buchtipp für mich?
Mensch, das macht Spaß mit dir zu diskutieren. Danke, ... auch dafür, dass du dich angemeldet hast.
Art & Vibration
Zitat von TaxineZitat von Jatman1
Turgenjew und Nekrassow haben nicht völlig ohne Grund ein Spottlied über ihn in Umlauf gebracht.
Dostojewskij hat nur Höhe gehabt nach seinem "Arme Leute"-Roman, der hoch gelobt wurde. Danach hat man ihn wie eine heiße (zu heiße) Kartoffel fallengelassen und verachtet.
Turgenjew ist ein genialer Stil-Wort-Meister, ein wunderbarer Schreiber, aber als Mensch, nun ja, hätte er sich diese Vorwürfe gegen Dostojewskij, der ihn um Geld anging, nicht leisten können. Lies seine Briefe.
In Sachen Turgenjew bin ich einfach nur Deiner Meinung: ein eloquenter Schnösel.
Seine Bücher: Habe nur Väter und Söhne gelesen. Ist nicht mein Ding. So geschniegelt geschrieben wie T. vermutlich selbst.
www.dostojewski.eu