HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Zitat von TaxineZitat von Jatman1
Suslowa war sicherlich nicht einfach. Vielleicht war die Scheidungsverzögerung die Revanche für die Heirat nicht ihrer wegen, sondern Dostojewskis wegen. Das wäre dann eine Demütigung für sie im Doppelpack gewesen. Man weiß es nicht. Ich mag die Suslowa. Und hätte D.s zweite Frau nicht die Briefe von ihr abgefangen bzw. vernichtet, gäbe es einen phantastischen Briefwechsel bis zu D`s Tod. Glaube ich.
Hast du für diesen Hintergrund einen Buchtipp für mich?
Mensch, das macht Spaß mit dir zu diskutieren. Danke, auch dafür, dass du dich angemeldet hast.
Der Spaß ist auch auf meiner Seite!
Zu dem Hintergrund "Suslowas Revanche" habe ich keinen Buchtipp. Ist mir gerade so in den Sinn gekommen. Ihr Tagebucch wirst du kennen? Suslowa, Polina Dostojewskis ewige Freundin Ullstein Verlag
Das Abfangen von 2 Briefen beschreibt D´s zweite Frau in ihren Erinnerungen. Und dass sie alle Briefe derer sie habhaft werden konnte vernichtet hat, findet man in mehreren Quellen. Auch den Briefverkehr mit seiner ersten Frau hat sie komplett vernichtet. Schade.
www.dostojewski.eu
Zitat von Jatman1
Das Abfangen von 2 Briefen beschreibt D´s zweite Frau in ihren Erinnerungen. Und dass sie alle Briefe derer sie habhaft werden konnte vernichtet hat, findet man in mehreren Quellen. Auch den Briefverkehr mit seiner ersten Frau hat sie komplett vernichtet. Schade.
Ja, sie war schon gewöhnungsbedürftig. Aber Dostojewskij neigte immer zu solchen Frauen. Auch nach Sibirien. Ob aus reiner Gutmütigkeit? Ich weiß es nicht. Seinen Sold an Gott zu erfüllen?
Seine "Tippse" zu heiraten, wirkte auf mich auch wie ein "Du bist da, also warum nicht".
Nein, die Tagebücher von der Susslowa kannte ich noch nicht. Danke für den Tipp.
Art & Vibration
Nun endlich beendet: Tschechow. In der Schlucht. Späte Erzählungen (1896-1903)
Am Schluss die Novelle "Mein Leben", die ich vor Jahren schon mal gelangweilt beiseite gelegt hatte. Und heute so begeistert war, dass mir zum Ende fast die Tränen kamen. Alles hat eben seine Zeit.
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[i]Poka![/i]
Zitat von Taxine
Aber Dostojewskij neigte immer zu solchen Frauen. Auch nach Sibirien. Ob aus reiner Gutmütigkeit? Ich weiß es nicht. Seinen Sold an Gott zu erfüllen?
Seine "Tippse" zu heiraten, wirkte auf mich auch wie ein "Du bist da, also warum nicht".
Zitat von Taxine
Dostojewskij neigte immer zu solchen Frauen. Auch nach Sibirien. Ob aus reiner Gutmütigkeit? Ich weiß es nicht.
Hier gibt ein Wort das andere. Wunderbar.
Auch in Sachen Frauen ist bei ihm kein "Fahrplan" auszumachen. Die Frau nach Sibirien Maria Dimitrijewna Issajewna, war wohl trotz ihres unsäglichen Charakters die gebildeste dort in der Pampa von Semiplatinsk.
Dostojewskis erste Ehehfrau Maria Issajewna
Dostojewski hat genommen, was er in dem Moment bekommen konnte. Faktisch hat er sie tatsächlich auch nicht bekommen, sondern sie übergab sich selbst lediglich als Restposten ohne Alternative. (Sorry für meinen zynischen Stil, mag ich aber. Außerdem ein guter Gegenpart zu deiner Prosa :-)
Bei seinem Lebenshintergrund in Verbindung mit der gegenwärtigen Situation erscheint mir Dostojewskis Verhalten durchaus nachvollziehbar: Er wollte Liebe, Geborgenheit und Weib; am besten noch Intellektualität. Er kam schließlich aus der Hölle und befand sich noch zu Teilen in ihr. Er musste nehmen was da war. In dem Fall wollte er gutmütig zu sich sein; was, wie gesagt an diesem Punkt auch in Ordnung geht.
Zitat von Taxine
Seine "Tippse" zu heiraten, wirkte auf mich auch wie ein "Du bist da, also warum nicht".
Ich bin der Meinung, dass es auch genauso gewesen ist. Wenn er in der Anfangszeit seiner Beziehung an andre Briefe schreibt, beschreibt er sie immer in ihrer Entwicklung und Annäherung an notwendige Reife. Ich fand es überheblich. Die beiden haben nicht zusammengepasst und eben doch. Es war kein Ehepaar auf Augenhöhe. Das wiederum war Dostojewskis vermeintlicher ursprünglicher genereller Wunsch. Er konnte aber das, was er sich wünschte gar nicht "gebrauchen". Es hat sich bei Suslowa gezeigt und bei einigen anderen zarten Versuchen. So gab es auch einen bei Anna Korwin Krukowskaja.
Krukowskaja
Auch sie eine fortschrittliche und ausgesprochen hoch intelligente Frau. Die hat es in aller Kürze erkannt und auf den Punkt gebracht: Sie hat gleich nach Dostojewskis Antrag zu ihrer Schwester gesagt: „Er braucht eine ganz andere Frau als mich. Seine Frau muss sich ihm völlig widmen, ihm ihr ganzes Leben geben, nur an ihn denken. das kann ich nicht, ich will selbst leben!“
Und seine zweite Frau entspricht in jedem Buchstaben dieser Anforderung - dann im Zusammenleben mit Dostojewski.
Dostojewskis zweite Frau
Zuvor wie sie ebenfalls ganz klar selbstständig zielstrebig unabhängig und selbstbewußt. Sie hat sich um ihren kranken Vater gekümmert und trotzdem etwas für ihre Bildung getan. Stenographie war zu ihrer Zeit ein Novum, von der Ausübung durch Frauen ganz zu schweigen. Wäre sie Dostojewski nicht so früh begegnet, hätte sie vielleicht auch eine Unabhängigkeit erreichen können, wie Krukowskaja oder Suslowa. Wer weiß.
Paulina Suslowa
Bezüglich Frauen, bin ich auch noch nicht so richtig schlau geworden. Interessiert haben ihn starke Frauen mit emanzipatorischer Ausrichtung - die waren ja erwiesener Maßen nichts für ihn. Proklamiert hat er aber immer die Frau, die sich ihrern Aufgaben zu widmen hat und nicht eigenständig in Erscheinung zu treten hat, es sei mit eigner Verantwortung und Vorprescherei in Sachen Aufopferung für Dinge, die er gutheißt. Wie erwähnt, bin mir da im unklaren: Aussagen wie folgende stellen jedoch keine Ausreißer bei ihm dar:
„Die Wissenschaft kommt ganz gut ohne euch aus“, dozierte er vor seinen Bewunderinnen „nicht aber die Familie, die Kinder, die Küche . . . Frauen haben nur eine Berufung: Hausfrau und Mutter zu sein.. Eine andere Berufung gibt es für sie nicht; die Frau hat keine, kann gar keine gesellschaftliche Funktion übernehmen. All das sind Dummheiten, Hirngespinste, lehre Worte . . .“
oder
"Der ganze Irrtum der Frauenfrage liegt darin, dass man Unteilbares teilt, dass man Mann und Frau getrennt betrachtet, wo sie doch die Ganzheit eines Organismus sind. Die Kirche macht diese Trennung nicht.“
Für den Fall, der Umfang OffTopic ist oder die Bilder zuviel des Guten. Lasst es mich wissen. Ich weiß leider auch nicht wie man die Bilder zu Bilchen machen kann. So sind sie ein wenig erschlagend. sorry.
www.dostojewski.eu
Nach langen Jahren wieder, Thomas Mann: Lotte in Weimar.
Also, naja, also anbetend auf den Knien gelesen habe ich das Büchlein nun nicht.
Und:
Die Geschichte von Ulenspiegel und Lamme Goedzak und ihren heldenmäßigen, fröhlichen und glorreichen Abenteuern im Lande Flandern und anderwärts. Von De Coster.
Herrlicher Schinken, obwohl, nein, ein Schinken ist dieses Buch wohl weniger. Viel mystisches darinnen, feine Geschichten neben noch feineren Geschichten. Ein lesenswertes Buch.
Lesend „Work in progress“ dann und immer mal so nebenher:
Karl Kraus: Aphorismen und Schriften.
Der lebt immer!
Zitat von Patmöser
Karl Kraus: Aphorismen und Schriften.
Lesen an sich geht ja eher weniger. Genau wie du sagst: für nebenbei. So wie eine Tüte Chips beim Fernsehn. Man weiß was drin ist und man kann immer wieder reingreifen ohne sich von der Hauptsache ablenken zu lassen. Und es schmeckt verlässlich gut. Nicht die längste Praline der Welt, aber beim Lesen eines der besten Zwischendurchs.
www.dostojewski.eu
Zitat von Jatman1
Für den Fall, der Umfang OffTopic ist oder die Bilder zuviel des Guten. Lasst es mich wissen. Ich weiß leider auch nicht wie man die Bilder zu Bilchen machen kann. So sind sie ein wenig erschlagend. sorry
Nee... ganz im Gegenteil. Vielen Dank dafür. Können wir auch im Dostojewskij-Ordner noch um einiges erweitern, wenn du willst.
Als Anna Grigorjewna in ihren Erinnerungen von dieser privaten Sphäre berichtet, in die sie beide immer gerieten, wenn er seine Sachen diktierte, und wie er dann auf einmal schüchtern und wütend über sich selbst wird, als er versucht, ihr seine Gefühle zu gestehen - da musste ich irgendwie kurz denken: Das ist gruselig.
Dostojewskij ist nun sicherlich kein Verführungskünstler (irgendwie wirkt er auf mich sogar recht a-sexuell ), und Anna G. hat genau diesen Mann gebraucht, wenn sie auch mit ihm zu kämpfen hatte. Ich stelle sie mir auch ein bisschen herrisch vor. Ihre "Erinnerungen" und die Tagebücher weisen ja schon verschobene Bilder von ihrem Leben mit Dostojewskij auf. Der Urtext der Tagebücher zeigte ja auch, dass sie bei der Übertragung aus dem stenograpischen Original bereits Änderungen vorgenommen hat. Sie wollte Dostojewskij für die Nachwelt retuschieren, zum Glück zeigen seine Briefe und Romane ganz genau, was für ein Mensch er war.
Art & Vibration
Zitat von LX.C
@Patmöser
Welche Gesamtausgabe von Tschechow war das noch mal, von der du so begeistert bist?
Das war eine Werkausgabe vom Verlag - Rütten & Loening. Ich persönlich empfinde diese Werkausgabe, wenn man das dann so sagen darf, als "haptisch" angenehmer, als die Werkausgabe vom Diogenes Verlag (Peter Urban schuf hier allerdings ein genial zeitloses Werk/Übersetzung), obwohl, "schlecht" ist diese nun keineswegs. Abraten würde ich von der Werkausgabe des Artemis & Winkler Verlages. Da sind, so weit ich das sehe, nicht die Werke in dem Umfang enthalten, wie in den vorhergenannten Werkausgaben, aber dafür ist diese Ausgabe sehr, sehr "euronisch".
Ist schon oft nicht so einfach, mit den "Werkausgaben". Siehe hier Hölderlin! Die dreibändige Werkausgabe vom Hanser - Verlag ist hier unschlagbar, auch was die Kommentare, die Anhänge betrifft. Der Teil dann noch noch unbedingt zu nennen, in dem Zeitgenossen von Hölderlin zu Worte kommen, dazu dann noch die Briefe und alles in feinstem Zwirn und natürlich Dünndruck und alles mit Kommentaren, Kommentaren, Kommentaren! Dagegen "an" kommt nur noch die Ausgabe vom Frankfurter Klassikerverlag, aber die lassen sich ihre Ausgaben in "purem Golde" aufwiegen.
Ach so, wie konnte ich das nur vergessen, die Hölderlin Werkausgabe von Hellingrath ist natürlich Kult, absoluter Kult.
(Und so kommt man dann von Tschechow zu Hölderlin! Aber das ist vielleicht ganz gut - so.)
Das Zelt - Margaret Atwood
Feine kurze Prosa. Ein Genuss. Kannte ich zuvor nicht. Darin versinken - eine öde Floskel. Ich stelle gerade fest, das ich so am lesen war, dass mir jetzt die Überschriften teilweise unbekannt vorkamen.
"Ich arbeite an meiner Lebensgeschichte. Ich meine damit nicht, dass ich sie zusammensetze; nein. Ich nehm sie auseinander. Es kommt vor allem auf die Schnitte an." Eine Seite weiter schließt der Text zusammenfassend:
"Ich wurde geboren.
Ich wurde.
Ich."
In Sachen Fotos: "Ich leide unter meiner Vielfältigkeit."
www.dostojewski.eu