HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Zitat von Martinus
Ja, ich verstehe. Die Schuld für eigenes Elend bei anderen zu suchen, halte ich auch niemals für sinnvoll. Wir mussen uns den eigenen Spiegel vorhalten, uns selbst betrachten in kritischer Haltung. Wir sind darin total meinungsgleich. Bloß, hier geht es um die Lehre des Karma aus hinduistischer Sichtweise, das ist etwas anderes. Denn in dieser Religion wird gesagt, die Taten, die ich heute in meinem Leben verrichte, haben eine Auswirkung auf spätere Inkarnationen.
Es werden kaum alle Menschen in der Dritten Welt oder den aufstrebenden Industrienationen ihr Elend durch ein früheres Leben selbst verschuldet haben. Das ist auch nur eine Methode, um die Menschen klein zu halten und in ihrem Elend zu belassen. Nach dem Motto: Ertrage dein selbstverschuldetes Elend in Demut. Im nächsten Leben wird sich schon alles zum Besseren wenden, wenn du nur nicht aufbegehrst.
Der Weg führt letztlich bei allen religiös-institutionellen (also von Menschenhand gemachten, auf Übereinkunft beruhenden) Ausrichtungen in die gleiche Richtung, in ein kollektives Stillhalten. Egal wie liberal oder offen sie sich geben.
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[i]Poka![/i]
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 24.03.2011 13:06von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von Dhammapada
Wer andre Wesen quält, die auch nach Wohlsein streben, so wie er selbst, der hat kein Glück im nächsten Leben.
Wer andre Wesen schont, die auch nach Wohlsein streben, so wie er selbst, der findet Glück im nächsten Leben.
Zitat von ascolto
Die Selbstverantwortung entnehmen wir beiden Karmalehren (Hindu/Buddhist) aufgrund des ethischen Verhaltens, also der Selbstverantwortung im denken, der Sprache und dem handeln
wobei die Ethik des Yoga und des Buddhismus sehr verwandt, ähnlich sind. Ich muss noch mal studieren, ob das mit dem Fatalismus der Karmalehre eine Verballhornung der modernen Esoterikszene ist. Die plappern ja auch viel rum. Es ist ja logisch, auch der ärmste Mensch der Welt kann gutes tun, wie er will.
Zitat von ascolto
kein Menschenleben ist an ein System der Nichtwandlung gebunden.
Gerade auch deswegen ist das Kastensystem zu kritisieren!
Zitat von LX.C
Es werden kaum alle Menschen in der Dritten Welt oder den aufstrebenden Industrienationen ihr Elend durch ein früheres Leben selbst verschuldet haben. Das ist auch nur eine Methode, um die Menschen klein zu halten und in ihrem Elend zu belassen.
Die Frage, ob Menschen in der Dritten Welt oder ihr Leid selbst verschuldet haben lässt sich kaum klären, so einen metaphysischen Überblick haben wir nicht. Klein gehalten doch vielleicht eher durch das Kastensystem?
Ich weiß nicht, wie Hindus mit ihren Karmavorstellungen ihr praktisches Leben leben. Der Buddhismus ist jedenfalls keine Glaubensreligion, dort alles in Selbstverantwortung liegt. Ethisches Handeln wird groß geschrieben, egal ob man Wiedergeburt/Karma für real hält oder nicht, und das Elend, das Leid, durch die buddhistische Praxis aufgelöst werden soll, in dem man nicht mehr an die schon oft erwähnten Geistesgifte (Hass, Gier, Verblendung) anhaftet.
Das folgende Kapitel im Buch heißt
Zeiterfahrung und Tod im Buddhismus
und das beginnt so:
Zitat
Der Buddha selbst hat Fragen nach einem "Jenseits" des Todes als irrelevant für den Heilsweg zurückgewiesen.
Vielleicht würde der Buddha heute sagen, was redet ihr von Schuld und Elend in eurem Leben. Ich weise euch den Achtfachen Pfad.
Auf die Frage nach dem Leben nach dem Tode antwortete Buddha
Zitat von Michael von Brück
mit dem Gleichnis eines Menschen, der von einem vergifteten Pfeil verletzt ist und diesen unverzüglich herausziehen müsse, ohne erst nach dem Woher und Warum bzw. dem Urheber der Verletzung zu fragen.
Zitat von ascolto
Eigenverantwortung in der westlichen Welt, der Traum von der Selbstbestimmung, ist ein Marketinggag der freien Marktwirtschaftler. Kein Menschenwesen ist selbstbestimmt, ergo, aus dem Selbstzweck seines eigenen Weges aus dem seiner sozialen Situation befreit.
Mit diesen Parolen, du kannst alles erreichen, was du denkst, du musst nur an dich glauben...damit habe ich in meinem Leben nie etwas anfangen können. Ich bin nie über mich selbst herausgewachsen, was auch eine Illusion wäre.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 28.03.2011 17:58von Martinus • 3.195 Beiträge
Weiter geht's in kleinen Schritten
Zitat von Michael von Brück
Zeit entsteht durch die gegenseitige Wechselwirkung der zwölf Glieder des Entstehens in gegenseitiger Abhängigkeit, deren grundlegende die Unwissenheit ist, was Leid verursacht. Leid (dukha) entsteht, wenn der Mensch seinem Bedürfnis nach...Anhaften an Beständigem nachgibt und sich dem Strom von Werden und Vergehen nachgibt.
12 Glieder des abhängigen Entstehens
Denn der Buddhismus lehrt, die Wirklichkeit ist nicht etwas feststehend Substantielles. Die Zeit ist genauso wenig von Substanz. Nach der späteren Mahayana-Schule ( bes.Madhyamika-Schule Nagarjunas, 3. Jh. n. Chr.) ist die jede mögliche Theorie der Zeit keine Beschreibung der Wirklichkeit, sondern eine Projektion des ICH. Das Avatamsaka-Sutra lehrt das gegenseitige Durchdringen aller Phänömene. Auch die Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) bedingen einander gegenseitig. Zeit ist keine Abfolge aufeinander folgender Ereignisse
Zitat von Michael von Brück
sondern der gegenwärtige Augenblick vollkommener Wachheit, in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenfallen.
(darum Leben im HIER UND JETZT)
Eine Trennung wie in manchen theistischen Systemen, in denen Welt und Gott getrennt wird, gibt es im Buddhismus nicht.
Wenn man im Wasser den gespiegelten Mond anblickt, nur die Spiegelung wahrnimmt, so hält man diese gespiegelte Welt für wahr (die raum-zeitliche Existenzform). Sich darauf zu fixieren bringt nichts ein, eine Spiegelung im Wasser kann man auch nicht greifen. Die absolute Wirklichkeit ist leer (shunya) in Bezug auf Substanz.
Leerheit (shunyata) fasst von Brück wie folgt zusammen:
Zitat
„als die gegenseitige Durchdringung aller Zeitmomente (kshana), wie sie im Entstehen in gegenseitiger Abhängigkeit (pratityasamutpada) angeschaut wird, sowie
als Jenseitigkeit gegenüber jeder möglichen begrifflichen Bestimmung.“
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 28.03.2011 19:53von Roquairol • 1.072 Beiträge
Zitat
Denn der Buddhismus lehrt, die Wirklichkeit ist nicht etwas feststehend Substantielles. Die Zeit ist genauso wenig von Substanz. Nach der späteren Mahayana-Schule ( bes.Madhyamika-Schule Nagarjunas, 3. Jh. n. Chr.) ist die jede mögliche Theorie der Zeit keine Beschreibung der Wirklichkeit, sondern eine Projektion des ICH. Das Avatamsaka-Sutra lehrt das gegenseitige Durchdringen aller Phänömene. Auch die Zeiten (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) bedingen einander gegenseitig. Zeit ist keine Abfolge aufeinander folgender Ereignisse
"Es gibt die Zeit, wenn der Wille da ist, aber die Worte nicht da sind.
Es gibt die Zeit, wenn die Worte da sind, aber der Wille nicht da ist.
Es gibt die Zeit, wenn beide da sind, der Wille und die Worte.
Und es gibt die Zeit, wenn der Wille und die Worte nicht da sind."
(Meister Kishô)
Dieses Thema ist wahrlich ein Fass ohne Boden, es wird ausführlich im 11. Kapitel von Dogens Shobogenzo behandelt, in dem Heideggers "Sein und Zeit" praktisch in jeder Hinsicht vorweg genommen wird - im Jahr 1240! Ganze Bibliotheken können darüber geschrieben und gelesen werden - wie gesagt: Fass ohne Boden, deshalb höre ich lieber auf ...
Homepage: http://www.noctivagus.net/mendler
Facebook: http://www.facebook.com/people/Klaus-Mendler/1414151458
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 29.03.2011 17:22von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von Roquairol
Dieses Thema ist wahrlich ein Fass ohne Boden, es wird ausführlich im 11. Kapitel von Dogens Shobogenzo behandelt, in dem Heideggers "Sein und Zeit" praktisch in jeder Hinsicht vorweg genommen wird - im Jahr 1240! Ganze Bibliotheken können darüber geschrieben und gelesen werden - wie gesagt: Fass ohne Boden, deshalb höre ich lieber auf ...
Ein Thema, dass mir in den Nägeln brennt...
(zu Nagarjuna gibt es Bernhard Weber-Brosamer: Die Philosophie der Leere)
Dann schreibt auch Michael von Brück über Meister Dogen. Dogen kritisiert die indisch evolutionistische Auffassung, dass sich die Buddhanatur im Menschen erste allmählich (durchs sitzen) entfaltet. Nein, sie ist immer da.
Zitat von Michael von Brück
Der spirituelle Weg ist nichts anderes als ein Gewahrwerden des tatsächlich Gegebenen, nicht ein Wachsen.
von Brück fast schön zu sammen, was Meister Dogen im Shobogenzo niedergeschrieben hat. Die Zeit ist nikon, das absolute Jetzt. Gegenwart, Zukunft, Vergangenheit werden im Erleuchtungsgeist (bodhicitta) in einer absoluten Bewusstheit erfasst. Wesentlicher Auzsdruck der Buddha-Natur ist Gleichzeitigkeit (Dogens nikon entspricht dem "Nun" in der deutschen Mystik). Ein Mensch hat nicht Buddha-Natur, er ist Buddha-Natur. Das drückt sich sehr schon, in einer Zenerfahrung aus, die man bei Phillip Kapleau ("Die drei Pfleiler des Zen") findet:
"...es war immer bei mir, und doch habe ich fünf Jahre gebraucht, um es zu sehen"
Die Frage nach dem Tod spielt im Zen keine Rolle. Der Weg vom Zustand des zeitlich begrenzten Ich-Gefühls in den Zustand des transpersonalen Bewusstseinszustandes ist der Weg zur Befreiung, zur Todlosigkeit.
Vertrauen muss man haben.
Blüten welken - verblühen -
Jede auf ihre Art
(Haiku-Dichter Issa, 1763-1827)
In Folgendem werden "Vorstellungen von der Seele und dem Tod in China" vorgestellt, dabei auf vorbuddhistische Zeit zurückgegriffen ist. In China gabe es diverse Vortsellungen, der Tod als Fortsetzung des irdischen Lebens (ähnlich wie im alten Ägypten. Solche Glaubensvorstellungen mit Begräbnisritualen u.ä. begleitet wurden (Konfuzius natürlich eher Agnostiker u.a.m.). Worauf ich hinaus will, als der Buddhismus im 2. Jahrhundert n. Chr. nach China kam, vermischte er sich mit der dortigen Volksreligion(einen ähnlichen Vorgang gab es in Tibet). Wer gierig gestorben, erntet eine Marter. In himmlischen Paradiesen kann man ungestört meditieren, dem Dharma (de Lehre) folgen. Hier, also in China, sich aber auch Vorstellungen gab, im höchsten Paradise gebe es keine Frauen, da sie ablenken und Begierde enfachen. Auch Shantideva (um 700 n.Chr.) soll gemundet haben, mögen doch alle Frauen als Männer wiedergeboren werden. Solche Aussagen natürlich von Buddhismuskritikern ausgeschlachtet werden können, ohne zu begreifen, wonach Buddhisten wirklich streben.
Betrachten wir das Kapitel über buddhistisch motivierte Selbsttötung.
Selbsttötung hat es im frühen Buddhismus gegeben, sehr oft in China, auch noch in Vietnam im 20. Jahrhundert, wo sich buddhistische Mönche verbrannt haben, weil sie in einem buddhismusfeindlichen Staat lebten (vgl. Hans-Peter Hasenfratz, Der Tod in der Welt der Religionen) Nachahmungen nicht zu empfehlen.
Bei all den unterschiedlichen motivierten Gründen der Selbsttötungen, die in der älteren Geschichte vorgekommen sind, über die von Brück sehr sorgsam referiert, stellt der Autor auch richtig klar:
Zitat von Michael von Brück
Einerseits ist der Körper das Medium der Begierde, die zwar im Bewusstsein ensteht, sich aber des Körpers bedienen muss, um wirksam zu werden. So finden wir im frühen Buddhismus Meditationen und Anweisungen zu Visualisationen für die Mönche, die Ekel vor dem Körper, besonders dem weiblichen, hervorbringen sollen...um alle Begierden abzutöten. Andererseits ist die Geburt im menschlichen Körper unendlich kostbar, denn nur in dieser Gestalt kann die Ursache des Leidens im Lebenskreislauf erkannt, der Dharma praktiziert und die aus Unwissenheit geborene Gier überwunden werden, d.h. der zeitlich bedingte Körper ist Voraussetzung für die geistige Praxis, die aus der zeitlichen Bedingtheit herausführen soll. Der Körper ist also das MIttel zu einem höheren Zweck.
Und damit ist der erste Buchteil "Der Mythos" beendet.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Zitat von Martinus
Dogen kritisiert die indisch evolutionistische Auffassung, dass sich die Buddhanatur im Menschen erste allmählich (durchs sitzen) entfaltet. Nein, sie ist immer da.
Eben.
Zitat von ascolto
Diese Buddhanatur, die immer allgegenwärtig anwesend, tritt allerdings nur langatmig in die Geistesaktiva und Handlungsaktiva ein durch das praktizierte Herzyoga
Kann auch Zack Bums gehen. Allerdings haut's einen manchmal aus der Spur, also mich. Im Moment bin ich grad mal wieder gut drin, in der Spur, in der Vertrauensspur, in der Herzspur, jaja.
Grüßle
nicht-ich
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 30.03.2011 08:01von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von LX.C
"Affengeister", du bist mir n feiner Buddhist.
Affengeist ist sowas wie ein Insiderbegriff, der hätte erklärt werden sollen/müssen...
"Affengeister" - bezieht sich auf einen alten Zenspruch des chin. Meisters Linji Yixuan (jap. Rinzai) aus dem neunten Jahrhundert n.Chr, der sagte, Das Denken (der Geist) ist wie ein wilder Affe, d.h. der Geist springt wie ein Affe von Baum zu Baum und kommt nicht zur Ruhe. Wir essen und denken an unseren künftigen Urlaub, wir fahren Auto und denken dabei an etwas völig anderes. Meditation ist eine Übung, um diesen Geist in einer Konzentration zur Ruhe kommen zu lassen. Nur wenn der Geist zur Ruhe kommt und nicht herumspringt wie ein wilder Affe, nur dann können wir bewusst im HIER und JETZT leben.
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 30.03.2011 13:40von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Martinus
Selbsttötung hat es im frühen Buddhismus gegeben, sehr oft in China, auch noch in Vietnam im 20. Jahrhundert, wo sich buddhistische Mönche verbrannt haben, weil sie in einem buddhismusfeindlichen Staat lebten (vgl. Hans-Peter Hasenfratz, Der Tod in der Welt der Religionen) Nachahmungen nicht zu empfehlen.
An den Selbsttötungen erkennt man auch, wie schwierig das Begreifen buddhistischer Richtungen überhaupt ist, selbst wenn man damit lange und ausführlich konfrontiert wird, da eben der Geist nur das erkennen kann, was ihm möglich ist. Für mich sind die Selbsttötungen der Mönche eine Art halbes Verständnis. Sie glauben, das der Tod ihnen Erlösung verschafft, warum also erst das Leben im Leid durchmachen. Der Buddhismus lehrt aber, dass das Leben der (ich sage es im allgemeinen Verständnis) Nächstenliebe und dem Mitgefühl dient, der Hilfe für andere und der eigenen Reife.
Was mir an Michael von Brücks Buch sehr gut gefällt, ist die alles umgreifende Betrachtung der verschiedenen Auffassungen des Todes und der Beerdigungsrituale. So wusste ich gar nicht, dass die Ägypter die Sargwände mit magischen Sprüchen für den Jenseitsgebrauch beschrifteten, nicht den Lebenden zur Erinnerung, sondern als Anleitung für die Reise über die Grenzen des Lebens hinaus.
Ob nun das falsch Interpretierte oder überhaupt die Auffassung von der Welt, wir sind immer von dem geleitet, wie wir die Welt betrachten. Im Kapitel "Schöpfung" gefiel mir dieses Zitat:
Zitat von Michael von Brück
Die Welt ist nicht reale Transformation des Einen, sondern Transfiguration des Einen in unserer Erkenntnis.
Darin ist sehr schön verdeutlicht, dass nicht allein das Eine die Welt schafft, und diese dann so erscheint, wie sie sich aus dem Absoluten gestaltet, sondern dass jeder Mensch in seinem "Ich" und Sein auf diese Welt blickt und zwar erkennen kann, dass sie sich aus dem Einen entfaltet, jedoch immer nur in der Form, wie er sie wahrnimmt oder versteht, wahrzunehmen. Das verdeutlicht sowohl die Illusion der Welt (falsches Streben) als auch die Illusion des Sehens (die Auffassung von der Welt, wie sie sein könnte – hier Wille und Vorstellung). Damit gibt es dann sowohl die feststehenden Muster einer Welt, jedoch empfindet sie derjenige als fest, indem er sie interpretiert.
Weiterhin ist dieses Zitat sehr schön (S. 98):
Zitat von Michael von Brück
Mit dem Tod verändern sich die Materie und auch der Geist, aber die einmal eingeprägten Strukturen bleiben als Potential erhalten, das weiterwirkt. Darum schafft sich dieses Potential eine neue Gestalt, ein neues Leben, einen neuen Körper, einen neuen Geist, der in formativer Kontinuität mit dem alten steht.
Darüber kann man lange reflektieren. Wenn alles Ursache und Wirkung ist als eine Zeitschleife (die auch als Kreis empfunden werden kann, wobei der Tod inbegriffen ist), kann sich dieses Gesetz allen Lebens natürlich auch über die nur uns erscheinenden Grenzen z. B. des Todes erstrecken. Hier endet nichts, sondern beginnt etwas neues, jedoch wirkt karman weiter und erschafft sich die Strukturen erneut, vergleichbar mit einem Leben, das sich durch Handlung, Denken und Begegnungen ein mächtiges Gedächtnis (Bewusstsein) erschafft (plus die Erinnerungen), das dann endet, den Körper verlässt (als die Hülle), das Gedächtnis aber als Energie weiter existiert und aus diesen Gedankenmustern erneut ein neues Sein erschafft, das sich dann als neuer Mensch gestaltet, jedoch immer noch geformt ist aus alten Mustern und Strukturen.
Im Grunde könnte man ganz vereinfacht sagen, dass dieser Mensch der alte ist, nur mit anderem Charakter, Aussehen, in anderer Umgebung, anderen Eltern, hineingeboren in ein anderes Leben usw. Dieses Sein bildet nun aus den alten Strukturen seine neuen, bis wieder dieses Leben endet und geht erneut als dieses erweiterte Gedächtnis auf, als eine weiter getragene Energie, aus der nun wiederum sich die Schichten bilden, die bereits waren.
Nur durch diese Energie des Gedächtnisses ist die Erschaffung eines neuen Seins überhaupt möglich. Aus dem Nichtmateriellen formt sich all das, was war, wie eine bildlich gesehene Wolke, die allmählich flüssig, dann fest wird und schließlich wieder die Form zu bilden versucht, die einst diese Wolke erzeugte.
Von Brück klärt nachher auch genauer auf, dass das karman im Hinduismus ein quantifizierbarer „Energie-Vorrat“ ist, der allmählich aufgebraucht wird, sowohl für die himmlischen Welten (wenn man gut gehandelt hat) als auch die verschiedenen Höllen samt ihrer „Bestrafungen“ und neuen Chancen, neu zu handeln. Hier muss man die Strafe nicht als eigentliche Bestrafung betrachten, sondern als Spiegelung des eigenen Charakters und Handelns (Ursache und Wirkung).
Wenn aber alles karman ausgeglichen ist, so heißt es weiter, endet auch der Vergeltungskreislauf und der Kreislauf der Geburten ist aufgehoben. Der freie Zustand tritt ein, als Seligkeit (ananda) beschrieben, als die Identität mit dem Ursprung oder dem Absoluten. So soll es Menschen geben, die ein letztes Mal in ihrer Hülle existieren, jedoch schon „lebendig Befreite“ sind (jivanmukta). Ich glaube, das gibt es im Buddhismus auch, dass bestimmte Menschen bereits erleuchtet sind, wenn auch im Buddhismus jederzeit Zugang zu der Erleuchtung möglich ist, während der Hinduismus einem vorgeschriebenen Muster folgt (ihr habt ja schon so schön darüber diskutiert - Kastensystem). Sie leben noch in Körpern, existieren aber in absolut friedvoller Geistesfreiheit (shanti), völliger Seligkeit, Freude, Begierdelosigkeit und Leidfreiheit.
Die Vorstellung dieses Kreislaufes von Werden und Vergehen als ein Verbrauch bestimmten karman könnte ebenfalls erklären, warum sich die Menschen in ihren Erkenntnissen so voneinander unterscheiden, während weder die einen noch die anderen einander begreifen (gänzlich, versteht sich). Selbst die, die zu begreifen glauben, verstehen nicht, warum es die anderen nicht tun, und die, die andere Erkenntnisse gewinnen, können sich nicht in diese einfache Erklärung "Was ist der Tod? - Was ist das Danach?" hineinempfinden.
Hier ist der ZEN Buddhismus in seiner Vorstellung, dass jede Sekunde etwas stirbt (man betrachte hier alleine die Zellen) konsequenter. Der Blick über den Tod hinaus, ist unnötig, da man endgültig den Tod begreift und auch nur dann, wenn man selbst stirbt. So ist jede Interpretation von vorne herein hinfällig.
Trotzdem, so muss ich sagen, kommt man nicht davon ab, sich darüber Gedanken zu machen, denn irgendwo muss man sich klar machen, woran man selbst glauben möchte, um mit dem Verlust umzugehen, auch die Konfrontation auf die eigene Sterblichkeit usw. Mir wurde stark bewusst, dass die Vorstellung, was nach dem Tod kommen könnte, besonders für die Lebenden wichtig ist, um ihnen Trost zu spenden. Wer zum Beispiel alleine an den weltichen Gedanken: der Tote lebt einzig in unseren Erinnerungen weiter... glaubt, oder wie Hemingway es formulierte: "Niemand, der geliebt wird, ist wahrhaft tot", der findet (nach meiner Auffassung) viel weniger Trost, als jemand, der daran glaubt, dass der Tod nicht das Ende ist, dass er auch Erlösung oder Wechsel ist oder dass überhaupt ein Danach existiert.
Die Auseinandersetzung mit dem Tod betrifft irgendwann jeden Menschen, und wer sich ihr stellt, wird sicherlich besser über Verluste hinwegkommen. Gerade die Vielfalt, das Wissen, dass jeder Mensch damit irgendwann konfrontiert wird, der gleiche Kummer, die gleichen Tränen fließen, gibt auch Kraft, ein Nebeneinander an Gefühlen, in dem man sich auf eigenartige Weise aufgehoben fühlt.
Liebe Grüße und vielen Dank für die schönen Gedanken in diesem Ordner,
tAxine
Art & Vibration
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 30.03.2011 14:03von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von Taxine
So wusste ich gar nicht, dass die Ägypter die Sargwände mit magischen Sprüchen für den Jenseitsgebrauch beschrifteten, nicht den Lebenden zur Erinnerung, sondern als Anleitung für die Reise über die Grenzen des Lebens hinaus.
Darüber könnten wir einen speziellen Thread aufmachen. Die alten Ägypter hatten bis in den letzten Winkel hin eine ausgearbeitete Theologie. Das kann man sehr schön nachlesen bei Siegfried Morenz: Ägyptische Religion u.a.; allg. zu Ägypten: Eberhard Otto: Ägypten - der Weg des Pharaonenreiches. (die Bücher sind warscheinlich vergriffen, aber daraus habe ich gelernt). An den Sargwänden, an den Wänden der Grabkammer, Totentexte eingewickelt in Mumienbinden. Der Tod in Ägypten sollte eine Fortsetzung des irdischen Lebens sein. So hat unsere Reiseleiterin in einem Grab in Gizeh sechs Biersorten von einer Grabwand abgelesen. Es gab auch so etwas wie ein Jenseitsgericht, eine ewige Hölle, mit solchen Vorstellungen man im europäischen Mittelalter den Leuten Ängst gemacht hat. In der Kammer der Cheopspyramide sind noch keine Pyramidentexte an den Wänden. Das kam erst etwas später ab König Unas, 5. Dynastie. An der Decke der Cheopsgrabkammer befindet sich ein Loch, welches durch die Pyramide hochgeht bis zum freien Himmel. Man vermutet, durch dieses Loch entwich die Seele zum Himmel. Die Sternlichter sind Seelen. In Paraonengräbern von Luxor hat man Sterne an Grabkammerdecken gemalt. Es gab auch ein sog. Mundöffnungsritual, bei dem dann die Seele dem Toten entweicht (KA).
War übrigens ein fröhliches Volk, die Ägypter. Viel Ägyptologie findet man bekanntermaßen bei Thomas Mann, die Josephsromane.
mArtinus hieroglyphos
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 30.03.2011 19:42von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von TaxineZitat von Martinus
Selbsttötung hat es im frühen Buddhismus gegeben, sehr oft in China, auch noch in Vietnam im 20. Jahrhundert, wo sich buddhistische Mönche verbrannt haben, weil sie in einem buddhismusfeindlichen Staat lebten (vgl. Hans-Peter Hasenfratz, Der Tod in der Welt der Religionen) Nachahmungen nicht zu empfehlen.
An den Selbsttötungen erkennt man auch, wie schwierig das Begreifen buddhistischer Richtungen überhaupt ist, selbst wenn man damit lange und ausführlich konfrontiert wird, da eben der Geist nur das erkennen kann, was ihm möglich ist. Für mich sind die Selbsttötungen der Mönche eine Art halbes Verständnis. Sie glauben, das der Tod ihnen Erlösung verschafft, warum also erst das Leben im Leid durchmachen. Der Buddhismus lehrt aber, dass das Leben der (ich sage es im allgemeinen Verständnis) Nächstenliebe und dem Mitgefühl dient, der Hilfe für andere und der eigenen Reife.
Es ist ja ganz einfach. Egal welche buddhistische Richtung, es gilt zu üben Keine Lebewesen töten oder verletzen. Daraus folgt, sich selbst auch nicht töten oder verletzen. Mit recht stehen wir heute auch dem christlichen Märtyrertod sehr kritisch und ablehnend gegenüber.
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 30.03.2011 20:21von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Martinus
Viel Ägyptologie findet man bekanntermaßen bei Thomas Mann, die Josephsromane.
Tja, immer wieder dachte ich, ich könnte mich um diese drei Bände (Fischerausgabe 1990 - im ersten Band sind zwei Romane zusammengefasst) herumdrücken. Scheinbar dann doch nicht.
Zitat von Martinus
Es ist ja ganz einfach. Egal welche buddhistische Richtung, es gilt zu üben Keine Lebewesen töten oder verletzen. Daraus folgt, sich selbst auch nicht töten oder verletzen.
Bei Michael von Brück heißt es auch:
Zitat von von Brück
Für die Buddhisten ist das ganze Leben nichts anderes als Übung und Vorbereitung auf den alles entscheidenden Augenblick des Sterbens. In den verschiedenen buddhistischen Traditionen (Tibet, Zen, usw.) wird diese Übung unterschiedlich gestaltet, aber es geht immer darum, bewusst und gelassen, in Einheit aller Seelenkräfte, den Tod zu erleben.
Das nun wurde dann eben auch häufig falsch ausgelegt, was einmal dahin führte, vor dem Leben als Leid flüchten zu wollen, lieber das nächste in Angriff zu nehmen, oder auch reine Neugierde war, diesen "Durchgang" endlich kennenzulernen.
So kann ich mir durchaus vorstellen, dass einige Mönche vielleicht auch ihre eigene "Erleuchtung" überschätzt haben und ihre Aufgabe erfüllt glaubten, damit dem Tod zuvor kommen wollten, da sie noch Herr ihrer Sinne waren, während der geistige Verlust schwerer wiegt und den Tod und das Folgende erschwert.
Art & Vibration
Werte tAxine, werter Martin.us,
Zitat
Das nun wurde dann eben auch häufig falsch ausgelegt, was einmal dahin führte, vor dem Leben als Leid flüchten zu wollen, lieber das nächste in Angriff zu nehmen, oder auch reine Neugierde war, diesen "Durchgang" endlich kennenzulernen.
So kann ich mir durchaus vorstellen, dass einige Mönche vielleicht auch ihre eigene "Erleuchtung" überschätzt haben und ihre Aufgabe erfüllt glaubten, damit dem Tod zuvor kommen wollten, da sie noch Herr ihrer Sinne waren, während der geistige Verlust schwerer wiegt und den Tod und das Folgende erschwert.
Nun wird es kompliziert.
Selbstverständlich ist der Freitod (Im Sinne Ammerys) auch aus der buddhistischen Lehre ein Frevel und aus der Dharma nicht zu rechtfertigen. Demnach ist ein Selbsttötung eine Vernichtung des kostbaren Menschenlebens und dies ist ob an sich selbig oder als Tötung an ein Gegenüber die gleichwertige ethische Verfehlung und hieraus folgt aus der karmischen Ursache und Wirkung eine potenzierte Anhäufung von negativen Energien die als Befleckung den Geist weitreichend verdunkelt.
Das Fragment das sich hieraus erschließt ist ob sich die Mönche sich dessen bewußt sind und das würde ich ersteinmal bejahen. Eine der ersten Belehrungen und Einführungen in die Kontemplation ist die Lehre vom Rad des Lebens und daher auch eine langfristige Kontemplation über das kostbare Menschenleben. Dies schließt aus meiner Ansicht ein das hier die Bewußtheit über die Annahme der Lehre so gefestigt (Nur als Mensch kann der Dharmapfad praktiziert), dass ein Mönch der aus sich freiwillig ein Gelübde verspricht, sich dessen Umstand eindeutig geklart.
Ein Mönch weiß also das es keine Agumentationskette für die Selbstötung gibt, außer und jetzt wirkt die Lehre des Tantra (Energietransformation).....
Wenn die leidbehafteten Umstände so präkär sind und durch eine Selbstötung eine Transformation des Leids sich auswirkt. Das heißt, kann durch eine Selbstötung Leid beendet und durch den Energieimpuls der Selbsttötung eine Bewußtheit erwachen die die vorhandenen leidbehafteten Umstände langatmig beendet dann ist die negativ Energie der Selbsttötung transformiert!
D.H. eine Selbstötung darf nur zum Wohle der Wesen (Mettasutra) bedacht und ausgeführt werden. Denn hierin kann auch positives Karma gesammelt werden, doch obacht, dies muss durch alle Impulse aus Ursache und Wirkung bedacht sein. Und dies ist die schwierige Frage die sich ein Mönch und dessen Lehrer beantwortet.
Auszuschließen ist demnach eine Verzweiflung des an sich verwirrten Zustands, ein egoistisches Motiv und demnach ein "Versuch (Naschen) an der Powabefreiung (Nirwana), dass aus dieser Motivation sowiso nicht eintreten kann da das Nirwana niemals aus egoistischen Handlungen erwacht.
Tatsache ist, dass wir nicht wissen aus welcher Motivation sich eine Mönchselbstötung vollzieht, demnach und weil zB. mir die Verflechtung der Umstände und Wirkungen in der sozialen Komponente verschlossen, kann ich nicht beurteilen ob hier ein Frevel oder eine buddhistische Überlegung sich vollzieht.
Zudem ist es auch eindeutig dass ein Buddhist, ein Praktizierender noch lange kein Buddha ist, er strebt und übt das Erwachen ist aber noch verblendet. Deshalb ist es äußerst klischeebehaftet zu vermuten das ein Praktizierender des Buddhismus keine unethischen Handlungen vollzieht. Er bemüht sich diese zu vermeiden doch in seiner Natur, des befleckten Karma, sind keine Frevel auszuschließen.
Meine Hypothese: Ich denke diese Selbsttötungen werden unternommen und vollzogen um die Empörung gegen die Qual des politischen Handelns am Volke zu bündeln und in die Öffentlichkeit, sowohl in der Bevölkerung als auch in die Weltöffentlichkeit zu kommunizieren und daheraus die leidbehafteten Umstände zu beenden.
Ausschließen möchte ich die Nirwanatheorie da diese buddhistisch absurd.
Vielleicht sind es aber auch nur aus der Empörung unbeherrschte Handlungen und deshalb aus der buddh. Lehre ein unethisches Handeln.
Herzgruß an die Denkstirner,
vom ollen A