HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
|
Hallo,
Michael von Brück hat den Lehrstuhl für Religionswissenschaft an der Ludwig Maximilian Universität in München inne, ist evangelischer Theologe und durch seine Studien in Indien und Japan tritt er seit 1985 auch als Yoga – und Zenlehrer hervor. Er schrieb Standardwerke über das Verhältnis des Buddhismus zum Christentum, trat mit dem hervorragenden akademischen Werk einer „Einführung in den Buddhismus“ hervor. Durch seinen Lebensweg ist er geradezu dazu prädestiniert ein Buch über „Ewiges Leben oder Wiedergeburt?“ zu schreiben. So heißt das Buch, welches 2007 erschien und hier vorgestellt werden soll. Der Untertitel lautet: „Sterben, Tod und Jenseitshoffnung in europäischen und asiatischen Kulturen.“ Gerade diese kulturübergreifende Betrachtung des Themas bringt mir eine Hoffnung zum Glühen, ein besonders lehrreiches interessantes Werk vor mir zu haben, ich deswegen nicht knausere, euch an meinem Leseerlebnis teilzuhaben, dieses Teilhaben so ausschauen wird, dass ich das Buch Kapitelweise vorstellen werde, das wichtigste zusammenfasse, eure Einwürfe, Kritik, Meinungen, Anregungen, wenn die denn kommen, schon während des Lesens auf mich fliegen, auf diese Weise eine fruchtbare Möglichkeit einer Diskussion angeboten wird. Ich freue mich genauso über stille Mitleser, die sich einfach nur ein wenig informieren wollen, und sich selbst im stillen Kämmerlein ihre Gedanken dazu ausbreiten wollen.
Zu Beginn ein Zitat aus dem Vorwort, der jeden Versuch einer Mission in seinen Keimen erstickt:
Zitat von Michael von Brück
„Die Religionswissenschaft fragt nicht danach, ob es ein Leben nach dem Tode „gibt“ oder nicht – das ist Sache des Glaubens und der religiösen Anschauung – sondern die erläutert, wie bestimmte Vorstellungen über den Tod und ein mögliches Jenseits des Todes zustande kommen, wie sie einander ergänzen und widersprechen, und vor allem, was sie bewirken, welche Funktionen sie im psychischen Leben des Einzelnen und im sozialen Leben von Gesellschaften erfüllen.“
Das erstmal zur Einstimmung.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
EINLEITUNG
Der Tod ist ein biologisches und ein kulturelles Phänomen. Wir können den körperlichen Zerfall des Menschen aus biologischer und medizinischer Sicht beschreiben, doch der Tod für den einzelnen Menschen hinterfragt auch den Sinn des Lebens. Die Art und Weise, wie wir mit dem Tod umgehen, ist einerseits abhängig vom religiösen Umfeld, aber es gibt auch über Jahrhunderte hinweg Wandlungen innerhalb eines Kulturkreises. Das christliche Mittelalter lebte im naher Erwartung an das jüngste Gericht und der Gefahr ewiger Verdammnis in der Hölle, und hier möchte ich ergänzen, aus diesem Geist der unbeugsame Missionseifer von Christen entstanden ist, die so viele wie möglich noch Bekehren wollten, damit sie nicht in der Hölle verdammen. Im Zeitalter der Aufklärung, so nun von Brück weiter, eine unsterbliche Seele nicht abgesprochen wurde, sie sei wichtig wegen der Begründung von Moral (Immanuel Kant), aber die Schuldfrage mit ihren Konsequenzen durch ein Jenseitsgericht nicht mehr verfolgt worden ist. In der Moderne verlor der Tod „seine metaphysische Verhaftung“, einer unsterblichen Seele wird widersprochen. Trotzdem ist der Tod in der Moderne dem Menschen gegenwärtig. Wenn jemand verfrüht an einer Krankheit stirbt, wird der Medizin ein Versagen angelastet, bei Massenmord und Krieg werden moralische Fragen aufgeworfen, aber die Folgen des Karma oder jenseitigen Konsequenzen, wird aber meistens nicht bedacht. Europa scheint sich, so habe ich den Eindruck, zu einer entchristlichen Welt zu entwickeln. Es wird zwar aus politischer Sicht wert gelegt, dass unsere Kultur durch christlichen/jüdischen Geist geprägt ist, sodass ein Papst im Bundestag sprechen darf, aber der spirituelle Geist des Christentums scheint Europa entflogen zu sein.
Der Tod wird aus Scham und Unsicherheit verschwiegen oder wird zur Sensation gemacht, z.B. durch Plastinatgruselaustellungen durch Gunther von Hagens. Doch gibt es, und das ist erfreulich, Fortschritte in der Medizinethik: Palliativmedizin, Hospizbewegung u.a. Michael von Brück erwähnt das Buch des ungarischen Autors Péter Nádas, in dem er über eigene Nahtoderfahrungen schreibt. Das Buch heißt „Der eigene Tod“, das Thema von Nahtoderfahrungen heutzutage wissenschaftlich erforscht wird.
In dem Teil „Privater und sozialer Tod“ bezieht sich Michael von Brück auf zwei Gedichte Rilkes. Nur schade, der Leser erfährt nicht, um welche Gedichte es sich handelt. So schreibt Rilke in einem Gedicht von „einem einsamen Dahinsiechen in den Hinterzimmern der Großstädte“. Eine unwürdiges anonymes Sterben wie in sterilen Krankenzimmern an Schläuchen und Apparaten gekettet Menschen sterben, auf der anderen Seite Menschen fasziniert von Mumienaustellungen ist. Michael von Brück von einer perversen oder je nach Betrachtungsweise einer neuzeitlichen Form des Totenkultes spricht, aber auch davon, dass zur Passionszeit die Kirchenmusik boomt mit Matthäuspassion und Johannespassion. Die Karwoche ist wohl ohne diese Musik nicht zu überstehen. Das zeigt doch, dass religiöse Sehnsüchte in unserer gegenwärtigen Gesellschaft durchaus noch vorhanden sind, auch wenn Deutschlands bekanntester Atheistennachwuchs Michael Schmidt-Salomon von Religionen überhaupt nicht begeistert ist, siehe link.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 13.03.2011 18:29von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Martinus
Wenn jemand verfrüht an einer Krankheit stirbt, wird der Medizin ein Versagen angelastet, bei Massenmord und Krieg werden moralische Fragen aufgeworfen, aber die Folgen des Karma oder jenseitigen Konsequenzen, wird aber meistens nicht bedacht.
Ja, alles wird nur noch auf das rational-weltliche Denken reduziert. Ähnliches hat Sogyal Rinpoche in seinem Buch vom Leben und Sterben auch hinterfragt. Er spricht u. a. auch davon, dass es wichtig wäre, den Toten mindestens drei Tage ruhen zu lassen, damit der "Übergang" richtig vollzogen wird, was in der westlichen Welt heutzutage nicht mehr möglich ist, da alles einem routinierten Mechanismus unterliegt. Jemand stirbt, der Arzt oder Leichenwagen wird gerufen, der Tote sofort abtransportiert, gelagert und schließlich beerdigt oder verbrannt.
Früher galt das Wachen am Bett des Toten als eine Pflicht und Verabschiedung der Angehörigen. In vielen Ländern gab es hier ein feststehendes Ritual. All das ist heute, in der Zeit von Fließband-Handlungen und Gewohnheitsabläufen, auch eine Störung der Totenwache. Sogyal Rinpoche spricht z. B. von der Schwierigkeit des Toten selbst, loszulassen und sich dem Tod zu überlassen, ist ihm diese Ruhe nicht vergönnt.
Nahtod-Erfahrungen finde ich, ob sie nun eher das Sterben, als den Tod selbst betreffen, trotzdem interessant zu lesen, gerade weil sich die Berichte auch ähneln. Ist das Ur-Bewusstsein eines Jung vielleicht tatsächlich in uns, dass so viele, die dem Tod so nahe kommen, ähnliche Erfahrungen machen?
Werter Martinus, ich stimme bald auch intensiver in die Überlegungen mit ein. Das Buch von Michael von Brück ist zu mir unterwegs.
Art & Vibration
Hallo Taxine
Zitat von Taxine
Er spricht u. a. auch davon, dass es wichtig wäre, den Toten mindestens drei Tage ruhen zu lassen, damit der "Übergang" richtig vollzogen wird, was in der westlichen Welt heutzutage nicht mehr möglich ist, da alles einem routinierten Mechanismus unterliegt.
In Deutschland darf man einen Toten glaube ich 24 Stunden lang noch zu Hause haben. Aber selbst soviel Zeit nehmen sich die meisten Menschen nicht. In meinem Seniorenheim, wo ich arbeite, soll ein Leichnahm innerhaln von 12 Stunden abgeholt werden. Meistens geht das aber viel schneller. Die Tibeter lassen die Toten noch zehn Tage ruhen.
Das finde ich große Klasse, dass Sui mitlesen.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
DER MYTHOS
Anhand vom Mythos wird versucht einen Blick auf die Menschliche Erfahrung der Zeitlichkeit zu gewinnen. Es stellt sich nicht nur die Frage der Zeit an sich, sondern woher kommt die Zeit. Die Frage nach dem Ursprung der Zeit. Unser Bewusstsein agiert in der Zeit, sagt von Brück, es richtet sich aber auch nach einem Horizont aus, der jenseits der Zeit liegt, diesen Bereich Menschen als Transzendenz bezeichnen, oder als eine metaphysische Dimension. Ich habe die vage Vermutung, Zeit wird durch unser eigenes Bewusstsein geschaffen, in der mystischen Erfahrung von Transzendenz, gleichzeitig mit dem Überschreiten des eigenen Egos auch die Zeitlichkeit überschritten werden kann.
Michael von Brück wirft in diesem Kapitel zuerst einen Blick auf den Europäisch- christlichen Raum. Im Mythos wird der Zusammenhang der Zeiterfahrung mit zeitübergreifender Sinn, wie Zufall und Ordnung, Unüberschaubarkeit und Orientierung repräsentiert.
Jetzt aber erst einmal ein Gedicht aus Rainer Maria Rilkes Stundenbuch, welches im Buch zitiert wird:
Wer seines Lebens viele Widersinne
Wer seines Lebens viele Widersinne
versöhnt und dankbar in ein Sinnbild fasst,
der drängt
die Lärmenden aus dem Palast,
wird anders festlich, und du bist der Gast,
den er an sanften Abenden empfängt.
Du bist der Zweite seiner Einsamkeit,
die ruhige Mitte seinen Monologen;
und jeder Kreis, um dich gezogen,
spannt ihm den Zirkel aus der Zeit.
Der Mensch im chaotischen Betrieb des Lebens, Ängsten, Leid, und Stress, eben dem Widersinn des Lebens ausgesetzt, fasst dankbar ein versöhnendes Sinnbild, vielleicht Gott, in seinen Geist und erfährt seinen inneren ruhenden Wesenskern, hier als Metapher gesetzt, durch einen sanften Abend. So kommt der Mensch zu seiner ruhigen Mitte. Die Angst vor dem Tod entflieht und wir wachsen aus dem Kontinium von Zeit und Raum heraus.
Zitat von Michael von Brück
In der Ekstase z.B. wird die Einheit der Gegensätze als Einheit in der Vielfalt konkret erfahren, und dies betrifft auch die Differenzierung in Vergangenes und Zukünftiges, die in der Ekstase als Gleichzeitigkeit des Jetzt erscheint, wie es bei den Mystikern heißt.
Aufgrund dessen, dass es verschiedene Bewusstseinszustände gibt, Wachzustand, Traum Tiefschlaf, Ekstase, sagt William James (1842-1910), es sei zumindest problematisch den normalen Wachzustand des Menschen als Maß aller Dinge zu erheben.
Nun ein Blick auf Mythen:
Kronos, der Gott der Zeit, verschlingt seine Kinder (abgesehen von Zeus) und speit sie wieder auf. Er frisst ihre Lebenszeit, und gibt ihnen das Leben wieder zurück.
Orpheus kann seine verstorbene Eurydike mit Hilfe seiner schönen Musik aus dem Totenreich zurückholen. Aber, indem sich Orpheus umdreht und Eurydike erblickt, hat er das Vertrauen auf die natürliche Ordnung, die seine Musik symbolisiert, verloren, und Eurydike muss zurück in die Häuser des Hades.
Dionysos verkörpert das Mysterium von Tod und Todesüberwindung. Dionysos ist ein Halbgott, seine Mutter, die sterbliche Semele, der Vater ist der unsterbliche Zeus. Durch diese Figuration wird das Thema von Zeitlichkeit und Unsterblichkeit thematisiert. Semele die sich betrogen fühlte, weil Zeus sie Menschengestalt verführte, wollte auf eifersüchtigen Rat der Hera, in das wahre Antlitz des Gottes schauen, sie deswegen im göttlichen Lichtblitz verbrannte und Zeus den Embryo Dionysos in seinen Schenkel einnähte, um ihn austragen zu können.
Von Brück über Dionysos:
„Er ist ein All-Gott, der den Zusammenfall der Gegensätze darstellt und doch gleichzeitig Vernichtung herbeiführen kann. Rausch und Ekstase, das Zerstören der Ordnung von Raum und Zeit, sind sein Heilswerk – wer ihn verehrt, erlebt Befreiung von der Vergänglichkeit, eine Entgrenzung des Ich und seiner Zeitempfindung, die Aufhebung der Grenzen zwischen Mensch und Natur, ein erleben universalen Einsseins, das in der heiligen Kommunion des Opfertieres gipfelt, das die Mänaden auf dem Höhepunkt der Ekstase blutig verzehren. Das Opfertier aber ist Gott selbst...“
Das erinnert an die Heilige Kommunion der Katholiken, bzw. Abendmahl, wo der Leib und das Blut Christi verzehrt wird. Wahrlich, die Kirche ist heidnisch.
Um Dionysos entsteht eine frühgriechische Theologie, in der Pentheus, der Gegenspieler dionysischer Mysterien, „die Welt entsühnt, die aus der Einheit gefallen ist und Mensch und Natur getrennt hat.“ und mit Dionysos „ein Durchgang durch den Tod zu einer Auferstehung mit Dionysos, dem neuen Menschen, dem Gott-Menschen“ zelebriert wird (vgl. „Die Bakchen“ des Euripides).
Demeter verkörpert den Rhythmus der Natur des Werdens und Vergehens. Göttin der Fruchtbarkeit, des Getreides , der Saat. Hades entführt ihre Tochter Persephone, Demeter daraufhin aus Trauer kein Korn wachsen lässt. Zeus verlangt, Hades müsse für zwei Drittel des Jahres Persephone freigeben. Dieser Mythos begründet den Lauf der Jahreszeiten und die Kulturerfindung des Ackerbaus. Es kann nur in gewissen Zeitzyklen, wenn Hades Persephone freigibt, geerntet und gesät werden, zu anderer Zeit, wenn Persephone beim Hades weilt, ist die Erde unfruchtbar. Leben und Tod. Im bekannten Psalm 104 wird Gottes Schöpfung gepriesen, darin Gott Leben schenken aber auch Leben nehmen kann.
„nimmst du weg ihren Odem
so vergehen sie
und werden wieder Staub.
Du sendest aus deinen Odem
so werden sie geschaffen,..“ (Psalm 104, 29,30)
Es ist immer ein Werden und Vergehen. Der Tod als Voraussetzung für neues Leben.
Im Psalm 90 wird festgestellt, dass Gottes Zeit eine andere Zeit ist, als die des Menschen. Von Brück spricht von einem anderen Zeitmaß. Ich vermute aber hier eine Zeitlosigkeit, denn der HERR ist „von Ewigkeit zu Ewigkeit“, das bedeutet für mich, er ist zeitlos. Ewigkeit ist so gewaltig, dass wir sie mit unserem Verstand niemals erfassen können. Im Psalm 90 heißt es auch, Tausend Jahre seien für Gott das, was für den Menschen ein Tag ist. Ich vermute, dass Tausend eben eine so große Zahl ist, dass sie hier für eine Zeitlosigkeit steht.
Schließlich gelangen wir zum Christentum. Paulus sagt der Tod sei ein Sold der Sünde(Röm.6,23), aber wer an Jesus glaubt, wird des ewigen Lebens teilhaftig. Aber wie sieht das ewige Leben aus? Zur Zeit von Jesu, so von Brück, habe sich bei den Juden eine „Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten etabliert“ und Christus habe eine neue Weltzeit eingeleitet. Die christliche Taufe „wird von Paulus als Mit-Sterben mit Christus interpretiert, wobei der alte Mensch (Adam) ertränkt und ein neuer, eben Christus, in jedem Menschen geboren wird" (Röm.6), wobei der Leib der Auferstehung ein anderer ist, als der somatische Körper. Da musste ich erst Michael von Brück lesen, um auf solch eine Stelle aufmerksam gemacht zu werden.
„Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“ (1. Korinther, 15,44 und man lese auch ff).
Die Auferstehung im Christentum wirft für mich einige Fragen auf. Es wird immer gesagt, und wir können es nachlesen, Jesus sei auferstanden. Ja gut. Aber bei den Evangelisten ist der somatische Körper auferstanden, denn Jesu Grab war leer und Zeitzeugen wie Maria Magdalena und einige Jünger sollen Jesu dann ja noch gesehen haben, bevor er in den Himmel gefahren ist. Ein geistlichen, oder himmlischen Körper können wir doch mit unseren physischen Augen nicht wahrnehmen. Allerdings ist Jesu plötzlich in einem geschlossenen Raum erschienen, in dem sich Jünger befanden (ein pysischer Leibt durch eine Wand geht nicht). Ok. Wunder über Wunder. Diese Sache können wir nicht klären, sie sei nur angesprochen.
Zwei Phänomene haben die frühchristliche Entwicklung geprägt:
1) Die Endzeiterwartung und die Wiederkehr Christi bestehe unmittelbar bevor.
2) Erwartung einer 1000 jährigen Zwischenzeit vor dem jenseitigen Gericht, in der die Gottesherrschaft eingerichtet wird.
Ich stoppe mal bei Seite 51 und warte geduldig, bis Taxine mich im Lesen eingeholt hat.
Das Kapitel ist noch nicht beendet.
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 15.03.2011 19:51von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Werter Martinus, lies ruhig schon weiter und halte auch deine Gedanken fest. Das Buch ist leider noch nicht bei mir eingetroffen, aber ich kann ja dann auch rückwirkend dazu Stellung nehmen. Auf jeden Fall bin ich schon sehr neugierig, weil von Brück auch literarische Vergleiche einbringt.
Das Buch von Péter Nádas würde mich natürlich auch interessieren. Er hat wohl einen Herzinfarkt erlitten und war drei Minuten in der Schwebe. Manchmal doch erstaunlich, wie lange drei Minuten werden können, als würde in solchen Situationen die Zeit anders vergehen.
Liebe Grüße
tAxine
Art & Vibration
Zitat von Taxine
Auf jeden Fall bin ich schon sehr neugierig, weil von Brück auch literarische Vergleiche einbringt.
In Bezug auf Raum und Zeit bezieht er sich auch kurz auf Novalis. Die nächsten Tage mache ich etwas weiter, aber nicht allzu flott, da ich das Vergnügen habe, Nachtdienst zu machen. Als nächstes kommt ein Kapitel zur "Entwicklung der europäischen Zeit". Das sind interesssante Seitenwege, auch für mich sehr schön, weil ich Russells "Philosophie des Abendlandes" lese.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Im Folgenden wirft von Brück ein Blick auf die Entwicklungsgeschichte der Zeit in der europäischen Philosophie, interessant auch der Blick auf den Mythos des Fortschritts. Das sind kurze Zusammenraffungen philosophischer und gesellschaftlicher Entwicklungen, diese Thematik an sich schon Bücher füllen kann. Am Anfang steht die Kontroverse zwischen Heraklit und Parmenides, Heraklit sagt, alles ist ein Prozess des Werdens und Vergehens, währenddessen Parmenides für die Unveränderlichbarkeit des Seins plädierte, Platon einen Kompromiss einging, das Universum in eine zeitlichen und überzeitlichen Bereich aufteilte (Timaios). Aber ich frage mich, wie soll den ein überzeitlicher Teil aussehen, ich meine innerhalb des Universums. Das ist nicht haltbar, denn wir wissen doch, der Kosmos befindet sich noch in der Phase des Werdens (Ausdehnung) und irgendwann vergeht er aber. Ich hege mehr Sympathie für Heraklit.
Jean Piaget u.a. Forscher haben aufgezeigt, „Zeiterfahrung ist abhängig von der Umwelt des Erfahrenden, sowie vom Zustand seines wahrnehmenden Bewusstseins..“ Herder vertrat die Ansicht, jedes Ding habe seine eigene Zeit, d.h. Es müsse unzählbare Zeiten geben. In den letzten dreihundet Jahren, so von Brück, sei die Geschichte verzeitlicht worden und erscheint uns heute anders als im europäischen Mittelalter. Den Grund sieht er in der Beschleunigung der Lebensprozesse, die in unserer Wahrnehmung als Fortschritt angesehen wird, andererseits auch eine Art Dekadenz ist, weil viele Menschen heute durch das Arbeitsleben und Stress in eine abgehetzte Mentalität gerutscht sind, die sich darin ausdrückt, „Ich habe keine Zeit“, „es ist höchste Eisenbahn“ usw. Es ist zu hinterfragen, ob hierin nicht eine bedauerndswerte Entwicklung über uins gekommen ist, dass wir Opfer von Zeitabläufen geworden sind. Aus einem zeitlosen Augenblick herauszuleben, wie Michael von Brück in dem abschließenden Teil mystischer Zeiterfahrung betrachtet, scheint uns bitterlich verlorengegangen zu sein, darum so mancher getriebende Westling sich dazu entscheidet, auf einem Kissen mystische Versenkungsmethoden zu üben (Ich halte es für sehr bedauerlich, dass in christlichen Kirchen nicht christlichje Meditation und Kontemplation gelehrt wird. Das wäre vielleicht ein Segen). Die aktuelle Ausgabe von „Der Spiegel“, „Wissen“, Nr. 1, 2011 behandelt „Das überforderte Ich – Stress, Burnout, Depression.“ Das ist der Preis, den viele Menschen heute zahlen müssen.
Zitat von Michael von Brück
Der Tod darf nicht sein..., denn er verletzt den Machtbarkeits-Wahn des modernen Menschen,...Wissenschaft und Technik gelten als einzig gültige Deutungsmuster von Wirklichkeit, von denen aller „Fortschritt“ erwartet wird.
Diese Einsicht halte ich für bedenklich. Was für einen Fortschritt bringen denn Atomkraftwerke? Den Tod, der ja eigentlich doch nicht sein sollte, und dann wird im Gegensatz dazu viel Geld für Verjüngungskosmetik ausgegeben, denn altwerden ist nicht modern. Das ist nichts anderes als shizophren und stellt meines Erachtens eine tragische Fehlentwicklung dar.
ABER,
wie war das denn früher?
Die europäische Entwicklung wurde geprägt von apokalyptischen Denken und Utopie. Juden erwarteten die Vollendung der Geschichte durch Gott am Ende der Zeit, auch Christen lebten in einer Endzeiterwartung, sie glaubten, diese Endzeit sei durch Christus schon angebrochen, Endzeit also unmittelbar bevorstehe. Diese Zukunftserwartungen zu den Utopien gehören, die sich Menschen erdacht haben. Es gibt räumliche Utopien wie Atlantis, oder ein Land, in dem Milch und Honig fließt, zeitliche Utopien, wie die eines Goldenen Zeitalters und Bewusstseinsutopien, die aus dem Munde israelischer Propheten, Buddha, Jesus, New-Age-Bewegung kommt.
Renaissance
Der Mensch als schöpferisches Individuum (z.B: Erfindungen, Naturwissenschaft) tritt „“als Subjekt des Handelns an die Stelle von Gott.“ Der Mensch als selbstbewusstes Wesen . „Meine Heimat ist die Welt überhaupt“, sagt Dante. Der Mensch war aber noch in einem religiösen Kosmos eingebunden.. Alles war von Gott geordnet (z.B. Keplers Gesetze der Planetenbahnen). Das Weltbild war damals noch der der christlich-kirchlichen Metaphysik verpflichtet.
Aufklärung
Die Aufklärung entklerikalisiert das Weltbild, was zählt, ist die Vernunft des Menschen und es entstehen neue Geschichtstheorien wie die von Hegel, in der , wie von Brück sagt,
Zitat
Geist, Recht und Wirtschaft verschmolzen werden zu einer „innerweltlichen Heilsgeschichte“, die im Staat Preußen Erfüllung finden soll.
Das neunzehnte Jahrhundert
Darwins Evolutionstheorie: Fortschritt ist zweckmäßige Anpassung, eine kausale Kombination von Zufall und Auswahl. Der Tod auch zweckmäßig wird, weil zweckmäßige Anpassung sich nach Erhaltung und Vermehrung der Arten definiert. Natürlich gab es vorher noch den romantisch verklärten Tod.
Neugierig werde ich, wenn Michael von Brück über Baudelaire schreibt, dass in seiner Poesie das Vergehen jedes Augenblicks bewusst wird. Da kein Gedicht als Beispiel genannt wird, muss man also in den Fleurs du Mal herumsuchen, oder kennt jemand aus dem Stehgreif ein passendes Gedicht?
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Im Zweiten Teil des ersten Hauptteils „Der Mythos“ wird ein Blick in den „ Hinduistisch-buddhistischen Raum“ geworfen.
Was den Hinduismus betrifft, sind neben den Upanishaden, der Bhagavad Gita u.a. auch die einfachen Rituale der Menschen auf den Dörfern zu berücksichtigen. Gerade die Totenrituale bilden einen starken Kontrast zur All-Einheitslehre von Brahman-Atman. Was sich hier im Volksglauben eingenistet hat, finden wir auch in vielen anderen Kulturen Afrikas, Ozeaniens, Lateinamerikas u.a., diese Vorstellung auch uns nicht fremd vorkommen mag, entstanden letztendlich aus solchen Vorstellungen diverse Horrorgeschichten und Vampirmythten. Der Tote geht in die Welt der Ahnen ein und führt eine Art Schattenexistenz. Zu den Lebenden gehören die Toten dazu. Wenn die Toten in Unfrieden sterben, noch eine Schuld abzutragen ist u.ä. Kehren die Toten zurück und können Unheil bringen, deswegen die Toten rituell befriedet werden müssen. In den frühesten indischen Texten der vedischen Samhitas findet man noch keine Karma-Lehre, auch keinen Wiedergeburtsgedanken. Das Schicksal des Toten wird mit rituellem Opfer in Verbindung gebracht, durch das Feuer (agni) das Schicksal in übermenschliche Sphären gelangt.
Auch in Indien gab es einen Gott der Zeit: Muhakala, der im tantrisch buddhistischen kalacakra-System fortwirkt. Im Brahmavaivartapurana betet der Dichter zu Gott:
„Von allen Maßen bist Du die Zeit. Du bist der Herr der Zeit, der Ursprung der Zeit. Du bist jenseits von Zeit und wohnst doch in der Zeit.“ (das trifft, meine ich, auch auf den Gott des AT's zu).
Die Welt als Traum Vishnus
Was für ein wunderbar farbiger Mythos.
Vishnu umspannt das All, er schläft auf der Weltenschlange Shesha im unermesslichen Weltenozean, die Zeit schaffend, in dem er rhythmisch atmet. Es sei zu bemerken das im Yoga, Stichwort Pranaenergie, und im Buddhismus großen Wert auf bewusstes Atmen gelegt wird. Im Mythos heißt es, der Nabel hebt und senkt sich, aus dem Nabel eine Lotosblüte erwächst, darin der Schöpfergott Brahma sitzt. Daraus ergibt sich, dass die Menschen damals schon der hohen Stellenwert richtiger Bauchatmung bekannt war. Bewusstes Atmen klärt den Geist, lässt den Praktizierenden den gegenwärtigen Moment erleben. Indem Vishnu schläft, entsteigen seinen Ohren zwei schreckliche Dämonen, die Brahma bedrohen. Die Lotosblüte gilt im indischen Raum als Wechselspiel der Gegensätze. Brahma bittet Devi, der Mutter des Universums, um Hilfe. Devi ist die Kraft, aus der das Nichts, Tag, Nacht, Leben und Tod geformt sind. Sie lässt Vishnu schlafen und wachen, weckt ihn, damit er gegen die Dämonen kampfen kann. Ein Wechselspiel zwischen schlafen und erwachen.
Zitat von Michael von Brück
All das ist das Spiel der Devi, sie ist Vishnus Schlaf und Vishnus Erwachen, die Morgenröte und die Abenddämmerung, die Kraft der Schöpfung und die Macht der zerstörung, der Rhythmus des Tanzes und die Ruhe der Vollendung.
(Quelle)
Shivas kosmischer Tanz
Shiva bündelt kosmische Energien und zerstört das Geschaffene wieder. Seine schöpferische Kraft aktiviert er durch Meditation. Wenn Shiva tanzt, dann tanzt er „den kosmischen Tanz der Schöpfung und der Zerstörung, er erzeugt Ordnung, bezwingt das Chaos, sein Tanz ist der Rhythmus zeitlicher Bewegung. Er ist die Spannung der Gegensätze, ein Mythos des Sterbens und Werdens, das nie zum Stillstand kommt.
(Quelle)
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 23.03.2011 11:53von Martinus • 3.195 Beiträge
Dazwischengefunkt mochte ich noch einmal auf das Kapitel zur „Entwicklung der europäischen Philosophie der Zeit“ zurückkommen, wo ich erwähnt habe, es sei ein wenig zusammengerafft. Über das neunzehnte Jahrhundert zumindest hätte ich mir doch mehr gewünscht: Über den Tod n der romantischen Literatur, über den Heldentod und Erlösungstod bei Richard Wagner, hätte von Brück sicher mehr einfallen können, als nur eine Erwähnung am Rande. Wenn schon schon so viele Erwähnungen am Rande gemacht werden, hätte ich zumindest eine Quellenangabe, z.B. zu Baudelaire, wo er über die Hast der Zeit schreibt, oder auch eine Quellenangabe zu Novalis' Auffassung von Raum und Zeit. Dieses lockere Darüberhinweggehen ist mir doch ein Dorn im Auge, auch wenn ich inzwischen gemerkt habe, dass es sich um ein Einführungsbuch für Laien handelt, und dass es kein akademisches Buch ist. Es fehlt Register, Literaturhinweise werden nur in einer Auswahl angeführt. Keine Frage, das Buch hat viel wertvolle Information, aber auf einige Schwachpunkte muss hingewiesen werden. Was von Brück über Vishnu und Shiva schreibt, gehört ohne Zweifel auch zu den Perlen, immerhin, wissen wir doch nun, auch im indischen Raum gab es wunderbare Mythologie des Werdens und Vergehens, dabei wir Heraklit im Auge haben.
Doch schreiten wir nun in die indische Philosophie der Zeit, des Todes, der Wiedergeburt, dabei wir darauf hingewiesen werden, das im frühen Samkhya-System (das älteste philosophische System Indiens) es noch kein ausgearbeitetes Zeitkonzept gegeben hat. Im späteren Samkhya-Yoga gibt es Zeit nur als eine aufeinanderfolge von Ereignissen. Und nun rächt sich die knappe Darstellung des Buches wieder. Es heißt, im Yoga ist der Moment die kleinste Einheit der Zeit, bloß in welchem Yoga das erstmals auftritt, darüber wir in Unkenntnis gelassen werden. Die Zeit gilt jedenfalls als eine Kette von ununterbrochenen Momenten, „deren unablässiger Fluss dem Bewusstsein als Zeit erscheint.“
Im Yoga-Sutra 4,12 des Patanjali wird zu verdeutlichen Versucht, dass Vergangenheit und Zukunft ihrem Wesen nach gegenwärtig seien, schreibt von Brück (dazu sei ergänzend bemerkt, Patanjali lebte in nachvedischer Zeit, entweder im zweiten Jahrhundert vor Chr. oder im 4.5: nachchristlichen Jahrhundert. So unbestimmt wissen wir das).
Und nun, man merkt, Michael von Brück kostet das wunderbar, er erzählt vom mystischer Meditationserfahrung. Das sei ein Zitat wert
Zitat von Michael von Brück
Vergangenheit,Gegenwart und Zukunft sind nur Modifikationen des zu Grunde liegenden Substrats und das wahre Wesen des Menschen besteht in einer trans-temporalen unzerstörbaren Wirklichkeit, die in der Meditation nach einen Loslösung vom Fluss der zeitlichen Modifikation erfahren wird, wobei die durchaus real existierenden Dinge von einem meditativen Bewusstsein in ihrer Ganzheit und Vollkommenheit erfasst werden.
In der frühen Literatur des Vedanta haben sich zwei widersprechende philosophische Systeme entwickelt.
1.) ein nicht dualistisches System, in dem der menschliche Wesenskern des Brahman identisch ist, und die Vielheit der Welt als eine Illusion gedeutet wird.
2.) ein dualistisches System, in dem sich Mensch und Gott gegenüberstehen, durch eine göttliche Gnade nach dem Tod in eine ewige Existenz bei Gott eingehen kann.
Prana
liegt allen sichtbaren Prozessen zugrunde. Eine Lebensenergie, die im Yoga durch Atemübung und Atemkontrolle aufgenommen werden soll. Die Atmung zeigt sehr deutlich den Rhythmus des Lebens, so glaubt man, dass besonders in der Atmung sich die Lebensenergie des Prana zeigt. Prana gilt als brahman selbst und als dessen Manifestationen in allen Lebensenergien. In dieser Anschauung steckt eine Theorie der Einheit zwischen Geist und Materie.
Schöpfung
Shankara (um 800 n. Chr.) gilt als bedeutender Vertreter des indischen Nicht-Dualismus (Advaita-Vedanta). Einerseits ist brahman „völlig gestaltlos und ohne jede Bestimmungen und erscheint zugleich als Absolutes mit Bestimmungen und Eigenschaften. Schöpfung, Erhaltung und Auflösung der Welt wird brahman zugeschrieben.
Brahman erscheint in die kosmischen Formen:
1) Isvahara ist der Schöpfer der Welt
2) Hiranyagarbha ist der erste Keim aus dem sich alles entfaltet. Alles ist in ihm schon enthalten.
3) Viraj ist die grobstoffliche Form der Dinge.
Wir haben hier so eine Art Pantheismus. Die diese drei Aspekte von brahman, also brahman selbst erscheint durch maya, welches das schöpferische Prinzip ist, „durch das Eins als Vieles erscheint.“
Karma(n)
Karman ist die Gesetzmäßigkeit von Ursache und Wirkung. Die Ursache liegt vor der Wirkung und die Wirkung ist an die Ursache rückgekoppelt.
Zitat von Michael von Brück
Die Gegenwart ist Folge des vergangenen und Zukunft ist nichts anderes als Explikation des gegenwärtigen karman.
Die Zeitbewegung ist kreisförmig. So ist der Tod einer körperlichen und geistigen Form einerseits das Ende, aber auch der Anfang einer weiteren neuen Form. So lauft das Prinzip der Reinkarnation ab. Irgendwann ist das karman aufgebraucht und der Mensch ist befreit (moksha). Diese Befreiung ist als Seligkeit (ananda) beschrieben worden
Was ich mir noch gewünscht hätte, ist, ob der hinduistische Karma-Lehre wirklich einfach nur fatalistisch ist. Wenn ich heute z.B. ein armseliges blödes Leben habe, dann habe ich mir das also alles selbst zuzuschreiben, weil ich in früheren Inkarnation irgendwelche Dummheiten gemacht habe. Michael von Brück erzählt auch von anderen Grundenergien (guna), die Einfluss auf unser Schicksal haben. Bei Unfällen, Krankheiten, frühzeitiger Tod spielt das Schicksal eine ebenso große Rolle wie karman.
Damit haben wir unseren kleinen philosophischen Einblick in den Hinduismus beendet, den ich hier nur in aller Kürze zu raffen bemüht war.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Zitat von Martinus
Wenn ich heute z.B. ein armseliges blödes Leben habe, dann habe ich mir das also alles selbst zuzuschreiben, weil ich in früheren Inkarnation irgendwelche Dummheiten gemacht habe.
Wohl eher, weil du dein "armseliges blödes" Leben nicht änderst, wenn du's so armselig blöd findest.
--------------
[i]Poka![/i]
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 23.03.2011 22:13von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von LX.CZitat von Martinus
Wenn ich heute z.B. ein armseliges blödes Leben habe, dann habe ich mir das also alles selbst zuzuschreiben, weil ich in früheren Inkarnation irgendwelche Dummheiten gemacht habe.
Wohl eher, weil du dein "armseliges blödes" Leben nicht änderst, wenn du's so armselig blöd findest.
werter LX.C,
ein Scherz, nüch?
obwohl meine Frage natürlich ernst gemeint war und ist. Vielleicht antwortet Herr von Brück die Frage auch selber noch, denn so ziemlich hinten gibt es ein Kapitel "Kritik des indischen Reinkarnationsprinzips".
Danke für deinen Scherz.
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
So sehr zum Scherzen war mir dabei gar nicht. Man sollte die Fehler zunächst immer bei sich selbst suchen. Selbstreflexion und Selbstkritik ist die Voraussetzung für Veränderung und Verbesserung. Ich kann Menschen nicht leiden, die Ursachen und Rechtfertigungen immer woanders suchen oder immerzu andere für ihr Scheitern verantwortlich machen wollen. Jeder, insbesondere in der westlichen Welt, hat sein Leben selbst in der Hand und muss nicht in "Armseligkeit" und "Blödinnigkeit" verharren. Man hat alle Möglichkeiten. Und sei es in letzter Konsequenz, alle Zelte abzubrechen, Wohnung, Versicherungen, Krankenkasse, einfach alles, und in die weite Welt hinauszuziehen, um sein Leben zu ändern. Alles eine Frage der Einsicht und des Willens. Aber gut, das ist meine persönliche Ansicht. Weiter machen…
--------------
[i]Poka![/i]
RE: Michael von Brück
in Sachen gibt's - Sachbuch 24.03.2011 09:00von Martinus • 3.195 Beiträge
Ja, ich verstehe. Die Schuld für eigenes Elend bei anderen zu suchen, halte ich auch niemals für sinnvoll. Wir mussen uns den eigenen Spiegel vorhalten, uns selbst betrachten in kritischer Haltung. Wir sind darin total meinungsgleich. Bloß, hier geht es um die Lehre des Karma aus hinduistischer Sichtweise, das ist etwas anderes. Denn in dieser Religion wird gesagt, die Taten, die ich heute in meinem Leben verrichte, haben eine Auswirkung auf spätere Inkarnationen. Wenn jemand ein Verbrechen ausübt, hat es schlimme Folgen im nächsten Leben, d.h. genau dieses meine ich mit Fatalismus: Wenn jemand elendig dran ist, ist das eine Folge von ungünstiger Ansammlung von Karma. Das meine ich mit Fatalismus. Doch wie kommt man aus dem Dilemma wieder raus? Ein Verwandter war beruflich in Indien, und hat gesehen, wie jemand an einer Wssserpfütze auf der Straße sich die Zähne putzte. Die wirklich armen Menschen in Indien kommen aus eigenen Kräften nicht aus ihrer Armut wieder heraus. Die Sozialisation, der Ort, wo sie aufgewachsen sind, hat das Schicksal dieser Menschen geprägt, dass sie nur in Armut harren können. Es geht nicht um uns im Westen, es geht um Indien, dort der Hinduismus verbreitet ist. Diese Perspektivlosigkeit mag den fatalistischen Geist in der indischen Karmalehre gefördert haben. Man sieht, Religion ist kulturbedingt. Wenn jemand in eine höhere Kaste hineingeboren ist, mehr Glück hat, ist das nach hinduistischer Auffassung eine FOlge von günstigem Karma.
Buddhisten sehen das anders. Karma ist kein Einheitsbrei. Buddhisten sagen, dass wir durch gute Handlungen in unserem Leben unser Karma günstig beeinflussen können. Das ist kein Fatalismus.
Liebe Grüße
mArtinus
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
Werter Martin.us,
betrachtet man das "Schiksal" und den Umstand der Geburt, ergo; wohinein... in welche soziale Bindung und welcher sozialen Situation wird das Wesen gebohren. Ist dies das primäre Fragment der Karmalehre, wohl kaum....?
Die Selbstverantwortung entnehmen wir beiden Karmalehren (Hindu/Buddhist) aufgrund des ethischen Verhaltens, also der Selbstverantwortung im denken, der Sprache und dem handeln.
Die Karmatheorie beinhaltet die beflekten Handlungen die an dem Nurgeist gebunden. Und dieser Kreislauf dynamisiert sich über den Tod in die Wiedergeburt hinein. Demnach ist es keine anhaftende Schuldsuggestion, sondern ein unethisches, dem Egoismus angereichterter Verhaltenprozeß der in die Causalität aus Ursache und Wirkung gebunden.
Somit ist anzunehmen das sich das Karma im Sinne des Schiksals realisiert, die Geburt in die Materie hat sich aus dem gemeng an Ursache aus den beflekten Handlungen in eine Wirkung ergeben. Demnach ergibt sich in beiden Lehren heraus, dass die Geburt an sich schon eigenverantwortlich geschultert, dass Wesen seine Wiedergeburt in seinem ethischen Handeln bestimmt!
Die Unterscheidung zwischen dem Karmaumgang, daher der Selbstbestimmung im Leben ist aber zwischen den beiden Lehren sehr unterschiedlich. Der Hindu ergibt sich den Göttern, einer übergeordneten Substanz, der Buddhist bekennt sich zu keinem Gott, er ergreift die Selbsverantwortung in das Handeln. Dies ist die wahre Unterscheidung.
Der ehrwürdige Buddha Shakjamuni war ein scharfer Kritiker der Kastenstruktur des Hinduismus und somit der NICHT-Selbstbefreiung aus dem Kastenstand. Das Karmagesetz wird in jedem Atemzug neu gestaltet, mit jeder Handlung und Assoziation sowie dem Wort. Es gilt kein Stand ein Leben lang, der Transformationsprozeß ist nicht in eine materielle Struktur verhaftet, kein Menschenleben ist an ein System der Nichtwandlung gebunden.Die Weisheit/Wahrhaftigkeit ist Hier und Jetzt!
Die Kastenstruktur des Hinduismus ist wohl eher ein politisches Instrument um die Ansprüche der sozial Schwächeren an die sozial Stärkeren (Status) zu unterbinden. Es ist wohl ein hirachisches Gebilde das die Machtstruktur nicht in Frage gestellt?
Somit ist die Schuldsugestion sowie die Schuldablehnung nur ein Mittel der Macht, ganz so wie die Anklage und Verteidigung in einem Prozeß der Justizia (Der Prozeß:Kaffka)
Eigenverantwortung in der westlichen Welt, der Traum von der Selbstbestimmung, ist ein Marketinggag der freien Marktwirtschaftler. Kein Menschenwesen ist selbstbestimmt, ergo, aus dem Selbstzweck seines eigenen Weges aus dem seiner sozialen Situation befreit. Das ergibt sich schon an dem Prozeß der Arbeitsteilung. Und wer hier intensiv und nicht oberflächlich reflektiert kommt sehr schnell in die Tiefe der Verbundenheit mit Prozeßen und Abhängigkeiten und dies im Sinne seiner Energie die sich aus seinem Geld(Energie)status ergibt.
Demnach gibt es eine Selbstverantwortung des eigenen ethischen Handelns, nicht aber einen Pfad der Freiheit. Der ist dem Naiven vorbehalten, dem Unreflektierten der die Causalität, dass System des zwischenmenschlichen Handelns nicht durchdringt.
Somit ist die soziale Situation eines Menschen eine schwerliche Verankerung seines Selbsbildes und daher seiner Denkstruktur.
Sie ist abhängig von seiner geistigen Flexibilität, von seinem Interresse an dem öffnen seines Fokusses in die Bewußtheit, die ständige Hinterfragung seiner Glückskonzepte sowie seiner Erkenntnis die er gesammelt.
Demnach seines Bidungstandes, ergo, geistige Konzepte die verglichen und abgewogen werden können.
Herzgruss nach Regensburg,
vom ollen A