HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Zitat LX.C
Ich meinte vielmehr, dass man sich von diesem unangenehmen Erzähler, der ja aus eigener Erfahrung und Beobachtung schöpft, ertappt fühlt, wenn man seine Philosophie aufgreift und das eigene Ich dabei reflektiert.
Das erging mir beim Großinquisitor so; nur eben ohne Beschämung. Ich bin völlig der Meinung des Großinquisitors. Ich könnte ihm stehend Applaus schenken. Dass das nicht herrschender political corectness entspricht und teilweise menschenverachtend ist, geht mir am Arsch vorbei. Ich finde den Großinquisitor als das Ei des Columbus. Dabei soll man ihn verabscheuen - deswegen bekommt er ja auch keine Entgegnung Jesus`. Das Innere eines Menschen ist halt nie politisch korrekt, auch wenn alle/ viele immer so tun. Und die Bennennung GENAU DIESER "schwarzen Löcher" macht für mich eine Menge von Dostojewski aus. Ich bin halt spätestens nach Erreichung der 3. Sinnstufe aus seinem Anliegen ausgestiegen und werde dadurch ihn nicht umfänglich in seinem Sinne rezipiert haben. Zugespitzt formuliert: ich habe Dostojewski nicht verstanden. Und das kann auch gut sein.
Dostojewskis Stärke ist, dass sich der Leser ertappt fühlt. Das ist seine Kunst. Denn dieser Zustand versetzt den Leser in DEN Aggregatzustand Dostojewskis: zweifelnd.
Und welche seiner Figuren das Ertapptsein auslöst, ist Dostojewski vermutlich gleich, Hauptsache der Zustand tritt ein, denn alle Figuren tragen sich zwangsläufig mit den Absichten ihres Autors.
Ich hoffe, dass ich jetzt näher an Deinem Ansinne dran war.
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Zitat von Jatman1
Dostojewskis Stärke ist, dass sich der Leser ertappt fühlt. Das ist seine Kunst. Denn dieser Zustand versetzt den Leser in DEN Aggregatzustand Dostojewskis: zweifelnd.
Das hast Du sehr gut gesagt, ja. Das trifft zumindest meinen momentanen Eindruck. Und ich denke, dass Dostojewski diese Zweifel durch den unangenehmen Erzähler bewusst noch einmal verstärken will.
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[i]Poka![/i]
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LX.C, da du gerade beim Lesen des Traumes eines lächerlichen Menschen bist, hier noch eines der unglaublichsten künstlerischen Umsetzungen, dieses Textes. Hat ein Alexander Petrov gemacht. Die Technik ist Sand auf Glas. Atmosphärischer geht`s nimmer. Ist zwar in russischer Sprache, aber das spielt absolut keine Rolle. Hatte ich glaube schon mal reingestellt - passt jetzt aber ZU gut.
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 16.08.2011 00:19von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ja, das ist wirklich ein wunderschöner Animationsfilm! Und wie gut er den Schmerz trifft, den der Protagonist durchmacht, während er das "Paradies" mit seinen Zweifeln zerstört... auch verstärkt durch die wackligen Übergänge der Kunst-Bilder...
Zitat von LX.CZitat von Jatman1
Dostojewskis Stärke ist, dass sich der Leser ertappt fühlt. Das ist seine Kunst. Denn dieser Zustand versetzt den Leser in DEN Aggregatzustand Dostojewskis: zweifelnd.
Das hast Du sehr gut gesagt, ja. Das trifft zumindest meinen momentanen Eindruck. Und ich denke, dass Dostojewski diese Zweifel durch den unangenehmen Erzähler bewusst noch einmal verstärken will.
Wenn ich z. B. Dostojewski und Tolstoi vergleiche, dann fällt mir immer wieder auf, dass man eigentlich nicht so sehr Schriftsteller braucht, die Heilige sind und einem erzählen, wie man zu sein, nach welchen Werten man zu leben und zu handeln hat, sondern Schriftsteller, die menschlich und auch allzu menschlich sind, die einen auf sich selbst zurückwerfen, die Fragen stellen, Zweifel sähen, das Denken ankurbeln, keine fertigen Gesetzestafeln präsentieren. Die einem ganz offen ins Gesicht blicken und fragen: Na, wie sieht es bei dir aus? Wie würdest du in einer solchen Situation reagieren?
Handlung ist bei Dostojewski nicht im schöngeistigen Sinne vorhanden. Das stimmt schon. Dennoch ist sie vorhanden, wenn sie auch nur dazu dient, um den Gedanken zu vertiefen oder voranzutreiben oder die dualen Perspektiven gegenüber zu stellen und agieren zu lassen.
Aber du hast dir natürlich auch eine der schwierigsten Erzählungen ausgesucht, LX.C, eine fast rein philosophische Abhandlung. Der Urschrei aus dem Kellerloch, der aus der Weltflucht heraus jene in Frage stellt.
Wer Handlung möchte, der kann z. B. mit "Raskolnikow" beginnen, ein, in meinen Augen, hervorragender Einstieg.
Gerade die tiefen Gedanken, die sich durch die gemäßigte Handlung der dostojewski'schen Welt hindurch nach und nach übereinander türmen, sind das, was mich anspricht, warum ich den Schriftsteller wohl immer wieder lesen kann.
Zum Großinquisitor:
Zitat von Jatman
Dabei soll man ihn verabscheuen - deswegen bekommt er ja auch keine Entgegnung Jesus`.
Nein, verabscheuen soll man ihn nicht, denn er zeigt ja nur auf, dass Jesus eine Welt mit zu hohen Idealen prägen wollte, die Menschen überschätzt hat, ihnen das Auserwählte weniger andichtete, während sie in der Masse schwach sind und sich nach Führung sehnen. Er nutzt diesen eigentlichen Zustand (aus) und da die Welt und die Menschen sind, wie sie sind, hat sich seine Aussage ja sogar bestätigt.
Er soll daher nicht Abscheu auslösen, sondern eher zum Nachdenken anregen. So zumindest meine Meinung.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
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Zitat von Taxine
Handlung ist bei Dostojewski nicht im schöngeistigen Sinne vorhanden. Das stimmt schon. Dennoch ist sie vorhanden, wenn sie auch nur dazu dient, um den Gedanken zu vertiefen oder voranzutreiben oder die dualen Perspektiven gegenüber zu stellen und agieren zu lassen.
Ja, das trifft's, mit Blick aufs Kellerloch, exakt. Sie wird nur sehr langsam, sukzessive entwickelt, was dem oben genannten zugute kommt. Eins der Schwierigsten? Mir wurde gesagt, man würde es in Russland in der Schule lesen
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Zitat von Jatman1
LX.C, da du gerade beim Lesen des Traumes eines lächerlichen Menschen bist, hier noch eines der unglaublichsten künstlerischen Umsetzungen, dieses Textes. Hat ein Alexander Petrov gemacht. Die Technik ist Sand auf Glas. Atmosphärischer geht`s nimmer. Ist zwar in russischer Sprache, aber das spielt absolut keine Rolle. Hatte ich glaube schon mal reingestellt - passt jetzt aber ZU gut.
Wunderbar gemacht, ja, vielen Dank für den Tipp
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 16.08.2011 19:41von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von LX.C
Eins der Schwierigsten? Mir wurde gesagt, man würde es in Russland in der Schule lesen
Ja, das ist einfach zu erklären, weil die mit 5 Jahren Tolstois Werke durchnehmen, mit 6 dann den gesamten Nietzsche, schließlich Berdjajew, Solowjew und ähnliche Philosophen, dann mit 8 die Werke Shakespeares und mit 10 alles von Dostojewski. Mit 11 sind die Kinder gelangweilt und denken an Revolution, mit 12 hat sich das aber wieder gelegt...
Art & Vibration
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Dostojewski hat aber seiner Tochter Ljubov bereits mit 6 Jahren Schiller vorgelesen. Ist mir ein Rätsel, dieses Ansinnen. War olle D. völlig weltfremd?
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Zitat von TaxineZitat von LX.C
Eins der Schwierigsten? Mir wurde gesagt, man würde es in Russland in der Schule lesen
Ja, das ist einfach zu erklären, weil die mit 5 Jahren Tolstois Werke durchnehmen, mit 6 dann den gesamten Nietzsche, schließlich Berdjajew, Solowjew und ähnliche Philosophen, dann mit 8 die Werke Shakespeares und mit 10 alles von Dostojewski. Mit 11 sind die Kinder gelangweilt und denken an Revolution, mit 12 hat sich das aber wieder gelegt...
Nein! Ist das wahr? Na dann wird mir einiges klar
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. . . und in der Pubertät gibts Pugatschow und Bakunin
auch für den Kindergarten gibt es vorbereitend Schuld und Sühne als Wimmelbildspiel:
crime-and-punishment-who-framed-raskolnikov
Ich sach nur: Dostoevsky goes trash!
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Ich habe heute begonnen, die Sanfte, nein nicht zu lesen, sondern zu hören. Es bleibt jedoch bei dem Ergebnis, dass es mich unsäglich langweilt. Thematisch ist doch eins fix drei alles klar und durchdringt die Story wie eine Leuchtlaufbandreklame im Reisebüro. Spannungsbögen erkenne ich garnicht. Was macht die Geschichte lesenswert. Die Intention ja sicherlich nicht, denn die ist doch massig plakativ.
Was habe ich übersehen?!
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 06.10.2011 19:17von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Was für ein Video, vielen Dank für Waits meets Dostojewski. Einfallsreich.
"Die Sanfte" - ja, eigentlich hast du nichts übersehen. Ich finde Dostojewskis Erzählungen auch häufig schwach (ausgenommen "Der Spieler"), ich stehe auf seine Riesenwerke...
Art & Vibration
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So beim Hören der Sanften kam es mir des öfteren in den Sinn, dass der Pfandleiher nur Dostojewskis Sprachrohr sei. Dieses subtile Genießen von Unschuld und vermeintlicher Unterlegenheit. Snitkina bot all das, was auch der Pfandleiher wollte. "Einziger" Unterschied Dostojewski schwieg nicht, sondern wetterte rum. Vielleicht hätte die Sanfte eher verhindertes Selbstporträt heißen sollen . . .
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Gerigk – wie immer interessant und unterhaltsam zugleich. Hierin fand ich den Passus, den ich für mich für recht zutreffend halte: „Zudem wird der wahre Dostojewskij-Leser kaum etwas lesen, was über Dostojewskij geschrieben wird.“
Der Mann weiß einfach Bescheid: Ich bin scheinbar kein Dostojewski-Leser, sondern war es lediglich mal.
Apropo Video. Das find ich auch eindrucksvoll:
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