HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Beim Basteln an der D. Page fällt mir zunehmend auf, was tendenziell bereits in der Luft lag. Inzwischen findet sich aber kaum etwas Gegenteiliges.
Dostojewski wird als Mensch in all seinen Lebensstationen gemieden. Ab seiner Zeit im Internat läßt sich das lückenlos mit Zitaten belegen. Ich war und bin auch auf der Suche nach positiven Statements. Die existieren ausnahmslos zu seinem Werk. Nicht nur, dass er die Menschen konsequent meidet. Es besteht auch kein Interesse an ihm. Im besten Fall an ihm als Schriftsteller. Es gibt nur eher skeptische Aussagen von Zeitgenossen. Er war wohl ein ausgemachter Unsympath. Um so erstaunlicher, dass ein Mensch, der faktisch nie mit Menschen tatsächlich zusammenlebte und jeglichen Kontakt mit ihnen mied, der große Zampano menschlichen Denkens wird oder sein soll. Was soll er aus dem Leben anderer Menschen aufgenommen haben. Die sind für ihn dann wohl doch eher Projektionsfläche gewesen.
So schreibt er nach 4 Jahren Gulag an seinen Bruder:
„Sie sind brutale, zornige, verbitterte Menschen. Ihr Hass auf den Adel ist grenzenlos; sie betrachten uns alle, die wir dazugehören, mit feindseliger Abweisung. (. . .) Unser einziger Schild war unsere Indifferenz und unsere moralische Überlegenheit, die sie gezwungen waren anzuerkennen und zu respektieren.“
Unmißverständlicher ist Distinguiertheit nicht zu formulieren.
Das würde einerseits erklären weshalb es ein so überdimensionales Bestreben seiner Frau und seiner Tochter gab, ihn in ein gutes Licht zu rücken. In mir schiebt sich inzwischen ein anderes Dostojewski Bild zusammen. Gäbe es vorteilhafte Äußerungen anderer über Dostojewski oder positiv strahlende Begebenheiten, seine Frau hätte sich es sich keinesfalls nehmen lassen. dies zu Papier zu bringen. Ebenso tritt für mich immer deutlicher zutage, dass die Beschreibungen, die Tagebücher seiner Frau und ihr Briefwechsel mit Dostojewski ein Schmoren im eigenen Saft beschreiben. Die Familie als Enklave Dostojewskis Willen.
So würde dies auch die viel beachtete und interpretierte Begebenheit in ein neues Licht rücken, als ihn ein Bauer des Gutes seines Vaters vor einem vermeintlichen Wolf beschützt habe. Er konstruiert sich retroperspektiv Mythen, die seine völlig abstrakten Bezüge zum gemeinen Volk in empathisches Erleben verwandeln sollen.
Dostojewski bewegte sich nicht selten in den Niederungen Petersburgs. Damit dichtet man ihm Volksnähe an. Er bewegt sich dort meines Erachtens ausnahmslos als Voyeur.
Er ist ein introvertierter Egomane und Narziss.
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Ich laufe mich gerade warm. Ihr seid gewarnt.
Wollt ich doch noch mal sicher gehen ob ich auch Egomane meine, wenn ich es schreibe und schau zur Absicherung nach. Das Ergebnis ist frappierend:
„Egomanie tritt als eines von mehreren Symptomen einer Manie im Rahmen einer bipolaren Störung (manisch-depressive Krankheit) in Erscheinung und wird dabei von Megalomanie begleitet.“
Megalomanie nachgeschaut:
„Die betroffene Person hält sich für eine wichtige politische oder religiöse Persönlichkeit . . Ähnlich ist z. B. der sogenannte Sendungswahn („ich muss die Menschheit erlösen“).
Als Sonderformen gelten u.a.: politischer Wahn, religiöser Wahn (mit Heilsauftrag), Heilswahn ,Weltverbesserungs- bzw. Welterneuerungswahn“
In der zweiten Lebenshälfte ist ihm das nicht wirklich abzusprechen
Die Bipolare affektive Störung:
Sie zeigt sich bei den Betroffenen durch episodische, willentlich nicht kontrollierbare und extreme Auslenkungen des Antriebs, der Aktivität und der Stimmung, die weit außerhalb des Normalniveaus in Richtung Depression oder Manie schwanken.
Die affektiven Störungen:
Der Affekt kann in Richtung Depression gedrückt oder in Richtung Manie gesteigert sein. In diesem Zusammenhang wird der Begriff Affekt im Sinne von Grundstimmung gebraucht. Ihre Veränderung kann akut, chronisch oder episodisch auftreten.
Für die Diagnose werden Antrieb, Spontanität, vegetative Funktionen (Schlafbedürfnis, Appetit, Libido) und soziale Interaktion mitbetrachtet.
Da wären wieder bei D. und den Frauen. Libido – wäre ein Hinweis auf seinen speziellen Eros / seine anmutende A-Sexualität)
Weiter geht die Reise.
Die Manie:
In einer Manie reduziert sich der Schlaf und es kommt zu einer Überanstrengung von Gehirnbereichen, wodurch dann, wenn es nicht zu einer Behandlung kommt, psychotische Symptome ausgelöst werden können.
Wem das zu ausgeprägt ist, für den gibt es auch die Abschwächung:
Die Zyklothymia
eine psychische Störung, die durch eine dauerhafte Instabilität der Stimmung gekennzeichnet ist. Die Übergänge zwischen normalen Stimmungsschwankungen, einem intensivierten seelischen Erleben und behandlungsbedürftiger Störung sind dabei fließend.
Mir scheint, hier steckt ganz viel Dostojewski drin und nicht nur Hirngespinste von Jatman.
Man kann es aber auch kürzer fassen.
Turgenjew über Dostojewski in einem Brief an den Dichter J.P. Polonski
„Ich zweifle keinen Augenblick, daß Dostojewski wahnsinnig ist.“
Sicherlich wäre es jetzt gut erfahren zu können, welches Mischungs- Überschneidungs- oder Abhängigkeitsverhältnis zwischen Epilepsie und den etwaigen psychischen Symptomen besteht. Da kommt sie ins Spiel,
Die Somatopsychologie
Organische Erkrankungen können massive Auswirkungen auf emotionale und kognitive Prozesse ausüben. Körperlichen Krankheiten verursachen direkt oder indirekt psychische Probleme. Körperliche Ursachen könnten bei Dostojewski z.B. Störungen des Gehirns sein.
Bei irgend jemand habe ich gelesen, dass er die sich entwickelnde Epilepsie eher als psychosomatische Störungen einstufen würde. Hätte auch eine Variante sein können. Nach meinen hier spontan geflossenen Hirngespinsten, halte ich das für wenig naheliegend, obwohl bei diesem ganzen Psychogewusel der psychosomatische Aspekt nicht völlig außer acht gelassen werden kann; bestimmend scheint er nicht zu sein.
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Zu den Erinnerungen Der Tochter.
Die Erinnerungen hat sie in französisch geschrieben. Diese Originalversion wurde nicht veröffentlicht, aber schon 1920 die deutsche Fassung. Erst nach dieser Fassung wurde die russische Fassung gefertigt.
Da könnte einiges auf der Strecke geblieben sein.
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 08.11.2010 18:42von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Vielen Dank, Jatman, für die ausführliche Seite mit den Häusern, in denen Dostojewskij gewohnt hat.
Da ist mir auch gleich etwas aufgefallen.
Hier ist also Dostojewskijs Arbeitszimmer, jenes, das auch ich besichtigen konnte. Einmal in der ursprünglichen Version und in der aktuellen, wie man das Zimmer auch jetzt antrifft.
und
(Quelle: Beide Bilder von family-history.ru)
Da frage ich mich doch: welche Madonna als Bild an der Wand über der Couch ist denn nun die richtige?
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 08.11.2010 19:07von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ich glaube, die richtige Version ist sowieso diese hier:
("Sixtinische Madonna" von Raphael)
Dann stimmt wohl der Ausschnitt des unteren Bildes.
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Du schaust Dir ja Bilder an, wie Du Bücher liest: SEHR genau. Hätte ich NIE bemerkt. Eigentlich, müsste die auf dem alten Bild nicht die alte sein, denn sie ist ja vom Original abgemalt worden. Wer malt denn denn erstens so schlecht und noch spiegelverkehrt dazu?! Aber ich werde es rausbekommen. Die Rahmen sind auch nicht identisch.
Wenn ich jetzt auch so genau hinsehe - viel Mühe hat man sich beim Kopieren nicht gegegeben.
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Beitrag geschrieben und nicht abgeschickt - nicht rechtzeitig. Wenn das untere das richtige sein sollte, wär es aber komisch, wenn auf dem Foto eine falsche hingehängt worden wäre. Mit Logik ist da nix zu machen
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 08.11.2010 19:38von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Allerdings. Müsste also wohl im oberen Foto zumindest doch das Bild sein, das Dostojewskij hängen hatte, vielleicht handelt es sich nur nicht um die Raphael'sche Madonna.
Also gibt es mehrere Möglichkeiten:
1) Anna G. konnte eine nicht korrekte Kopie der "Sixtinischen Madonna" nicht vom Original unterscheiden und hat es in ihren Aufzeichnungen einfach so angegeben,(diese Möglichkeit ist allerdings unglaubhaft, da sie sich in der Kunst recht gut auskannte und in Dresden wohl häufiger die Gemälde angesehen hat, als Dostojewskij, der sich vier oder fünf Lieblingsbilder ausgesucht hat und diese dann immer betrachten ging, ungeachtet aller anderen Kunst)
2) Das Bild über dem Schreibtisch, wo heute Dostojewskij im Rahmen zu sehen ist, enthält (kaum erkennbar) den Kopf der eigentlichen Sixtinischen Madonna und war in Anna G.'s Aufzeichnungen als jenes Geschenk von der Gräfin Sofia Tolstoja gemeint.
Ich finde, das Zimmer ist schon sehr gut kopiert. Der Schreibtisch, das Sofa und einzelne Gegenstände. Die Leuchter waren früher echte Kerzen, und die Kabel auf dem Boden nehmen der Idylle leicht etwas an Stimmung. Ansonsten, doch. Man läuft da auch durch die Wohnung und fühlt sich irgendwie düster staubig umzingelt. Kurz: herrliche Atmosphäre.
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In Sachen Madonna. Jappadappdu!!! Ich habe die Lösung!
Dostojewski stand garnicht auf die sixtinische Madonna, sondern auf die Madonna della Sedia.
und die sieht so aus:
Quelle: http://picasaweb.google.com/revswain/RaphaelLoSanzio
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Wäre auch zu einfach gewesen. Die Googlesuche zeigt das Bild mal als "madonna della sedia" und mal als "Madonna della Seggiola" oder aber "Madonna della Seggiola (Sedia)" Und die Sixtinische MAdonna findet man auch als "madonna della sedia".
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Laut D.s Frau war es die sixtinische Madonna. Die Kopie hat er von der Gräfin Sofia Tolstoi zu seinem Geburtstag im Jahr 1879 erhalten.
(laut Kjeetsa)
In Florenz hängt Raffaels "madonna della sedia" (Madonna im Sessel) Von dem Teil war er wohl während seiner Zeit in Mailand ebenso außergewöhnlich angetan und auf der Rückreise aus Mailand hat er sich in Bologna noch Raffaels "Heilige Cäcilie" begeistert angeschaut.
Bereits 1845 äußert sich D. in einem Brief an seinen Bruder Michail, begeistert über Raffaels Stil.
Links über der Couch. rechts über dem Tisch.
(Quelle: Beide Bilder von family-history.ru)
Die Echte gespiegelt und entfremdet. Die über der Couch ist also keinesfalls die im Sessel.
Mann kann eventuell davon ausgehen, dass beide "Originale" verschwunden sind und man der Einfachheit halber eine schlichte "doppelt falsche" Kopie über die Couch gehängt hat.
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RE: Dostojewski
in Die schöne Welt der Bücher 08.11.2010 21:04von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Allerdings ist das linke Bild über der Couch aus dem alten Foto noch nicht entschlüsselt. Es muss von einem Maler stammen, der viel mit Tuch und Stoff gearbeitet hat.
Das rechte Bild über dem Schreibtisch könnte natürlich auch Anna G. darstellen. (Vielleicht hat sie es ihm aufgenötigt. )
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Das rechte Bild über dem Schreibtisch könnte natürlich auch Anna G. darstellen. (Vielleicht hat sie es ihm aufgenötigt. )
Wenn das über der Couch die Kopie ist, ist es eine durchaus bescheidene.
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