HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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Wie genau muss denn nun ein Regal aussehen?
Muss Ordnung herrschen, die Anordnung von Buchstaben oder gar das völlige Chaos?
Gestapelt übereinander, untereinander, in aller Schräge?
Wirres Durcheinander, gerade nach dem "Eben erst Gelesenen"?
Oder vielmehr in Sorgfalt und Liebe gepflegt?
Stellt man sich den Schriftsteller in all seiner Unbekanntheit vor, dann erhebt sich ein Bild:
Ärmliches Zimmmer, altes Parkett, an den Enden aufgerollt. Gluckernde Heizung. In der hinteren Ecke ein Bett - ungemacht (versteht sich). An der Wand ein Schreibstisch, beladen mit Büchern.
Dann das Regal, meist zwischen zwei winzigen Fenstern, in gebogenen Brettern, darauf die Wucht der Literatur.
Hm... nur eine Möglichkeit.
RE: Die Regalfrage
in Gespräche über Kunst und die Welt 15.08.2007 18:37von kein Name angegeben • ( Gast )
Klee sagte mal:
Ingres soll die Ruhe geordnet haben, ich möchte ... die Bewegung ordnen.
Lieber Le Moulin, dein Regal wird ein herrlicher Anblick sein...
Ja, das kenne ich. So ein Regal kann da ganz schön einschnappen, wenn man mal wagt, Hand anzulegen, oder das eine oder andere Buch nicht an richtiger Stelle einzufügen.
Man soll ja schon erlebt haben, dass so manches einfach in sich zusammengebrochen ist oder sich in einer sehr seltsamen Art und Weise in den Raum gedehnt hat, dass die Bücher nur so in die Lüfte stoben oder den Platz wechselten, so dass man nix, aber auch gar nix wiederfinden konnte.
Nein... nein. Damit ist wahrlich nicht zu spaßen. Da gilt es zu flüstern.
Also mein Bücherregal ist ein Gewohnheitsregal.
Ein falsches Buch am falschen Ort und ich höre von Ihm:
"Moulin, tu mir das nicht an. Ich habe zwei richtige Kriege erlebt und als 'Dessert' noch einen kalten."
Und so füge ich mich der guten Seele, deren willensstarke, ungebrochene Aufgabe es ist, die Kunst in sich zu tragen.
Fast schon beschämt
Ferro
mir darf gratuliert werden, ich sortiere und ordne alles übersichtlich, muss aber dazu sagen, dass bei mir nicht viele Bücher herumstehen. Ich lese viele davon sowieso nur einmal und bringe sie dann auf den Flohmarkt oder in Antiquariate. Ich muss den Überblick behalten, das kostet keine Zeit, wenn man etwas braucht.
Es grüßt
Jo
RE: Die Regalfrage
in Gespräche über Kunst und die Welt 15.08.2007 18:40von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Lieber Le Moulin, bei Canetti gab es einen Mann, der trug seine ganze Bibliothek in seinem Kopf mit sich herum.
Nun, die Idee kam mir, als ich gestern einen Blick durch meinen "Raum" warf. Als ich damals meine Regale einräumte, ordnete ich ganz simpel nach Sach- und Philosophiebücher und Romane von A - Z. Nur kamen dann im Laufe der Zeit immer mehr dazu.
Im Moment sieht es bei mir ähnlich aus, wie bei Ferro. Das Regal bis zu Decke mit übereinander und wirr gestapelten Büchern, auf dem Sofa die, in denen ich gerade blättere. Auf dem Boden angelehnt das eine oder andere Kunstbuch. Es heißt wohl nicht umsonst: Man ist umgeben von Büchern. Das einzige Regal, in dem ich noch einen leichten Überblick gewinne, ist das philosophische...
Und, ich muss sagen, dieses Chaos ist mir immer wieder eine Freude im Anblick.
Da kann man sich natürlich auch die andere Variante vorstellen.
Hohe Decken, riesige Räume, ein Kamin, eine breite Couch, auf dem Boden der fuselige Eisbärenkopfteppich, und an den Wänden entlang die Regale, hier Bücher penetrant geordnet nach allen möglichen Mustern und Jahrhunderten und hinter Glas.
Auch ein herrlicher Anblick, nur sind diese Bücher meistens, wenn man näher heran tritt, verstaubt und ungelesen. Die Menschen übrigens auch.
Doch, das Sortieren wäre durchaus mal ganz sinnvoll.
Nun weiter im Takt!
Art & Vibration
Die Form des Regals ist ja nicht vorgegeben. Manche fließen durch den Lebensraum wie das, was die Bücher in sich tragen.
So wird man dadurch vielleicht eher zu einem Teil dessen, was die Literarischen Werke ausdrücken.
Fehlende Lücken in Philosophie - Regalen kann man mit einer 2 Kg Packung Glückskekse aus dem Asia - Shop kompensieren um dann bei Bedarf die nötigen Lücken freizufressen mit dem Ergebnis neuer Erkenntnisse und etwas Gewichtszunahme.
Der wahre Weise, so könnte man annehmen, dem reicht ein Buch und ein Koffer, um zu existieren.
Hat er Fragen und benötigt die Kraft neuer Erkenntnisse, schlägt er das Buch (na gut, es muss vielleicht doch schon ein dickeres sein oder wenigstens von sehr tiefem Inhalt) an einer bestimmten Stelle auf, lässt mit geschlossenen Augen den Finger kreisen und tippt auf einen Satz, den er danach so oft durchdenkt, bis er einen neuen Sinn, einen neuen Klang darin erblickt.
Der Koffer ebenso, um völlig unabhängig zu sein, aufbrechen, wann immer es einen treibt, ohne dieses ständige Klammern an Besitztümer.
Sich selbst konsequent suchen und finden, das ist der Mut, den wenige Menschen für sich beanspruchen. Sie klammern sich an ihren kleinen oder großen Besitz, definieren sich über ihre Häuser, ihre Autos, ihre Glitzersteine um die dicken, wulstigen Finger. Sie alle kennen den Ruhepunkt nicht, die Gelassenheit. Denn, woher die Sicherheit nehmen, wenn nicht aus dem Inneren heraus, sich dessen zu jeder Zeit, in jeder Krise, in jedem Glücksmoment bewusst? An alles Außen geklammert, als hätte man immer den festen Griff. Ein Mensch, der nicht bereit ist, auf all das zu verzichten, wenn er doch so unglücklich ist, weil er die Bequemlichkeit sucht, den fetten Arsch auf seine gehorteten Klunker und Mauersteine senkt, und sich wundert, dass sie eindringen, anal, wie auch der ganze sabbernde Posten, auf dem er sein Elend gebaut, seine Dekadenz gestapelt hat. Bezirzt nur durch Arschkriecher, die ihm sagen, was er hören will, beruhigt nur durch die neidischen Blicke anderer, als wäre dies Bestätigung genug für das eigene Dasein, als könne nur das Zufriedenheit bewirken.
Sicher gibt es immer Zwischenräume, immer Menschen, die unterschiedlich eine Art Zufriedenheit anstreben. Denn wenigstens das Streben danach ist wertvoll.
Aber der, der nur ein Buch und einen Koffer besitzt, der mag diese Ahnung von Freiheit tatsächlich empfinden.
Das Klammern ist eine Tugend der westlichen Welt.
Im Taoismus entfällt das. Dort wird der Augenblick gelebt. Ein Buch lese und lebe ich im Jetzt, daher muß es nach dem Lesen nicht verwahrt werden.
So habe ich nun nur noch ein Regal, denn ganz ohne geht es mir nicht.
Nun, so sieht es aus, und obwohl ich das weiß und sicher alles mögliche einfach hinter mich lassen könnte, wären mir die Bücher, in denen ich nicht nur einmal lese, sicherlich ein große Verlust und würden ein Bedauern auslösen. Wohl auch Jahre später noch.
Aber, ich denke, ich könnte mich von bestimmten trennen, und bestimmte zurückbehalten. Wohl liest man dann auch viel intensiver.
Wohl hast Du recht!
Genaugenommen würde man einen Renoir, nachdem man ihn betrachtet hat wohl an die Wand hängen und nicht zum Altpapier begleiten.
Auch ein Buch trägt die Seele der Kunst, an der man hängt.