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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst


#46

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 21.08.2008 13:22
von ascolto • 1.289 Beiträge
Rückgebückt geblückt,

Wenn es hereinbricht, einschwappt in den muffig feuchten Speicher, hinein ins Gedränge an buntem Farbgewirr, in verstaubte Eckchen um Krims und Krams. Sich abgewandte vergilbte Profile, die im sinnenden Nachbetrachten sich entweihen in Gesichterchen,Fratzen und gräulich Masken von Persöhnchen mit denen man im Lebensreigen doch nur kurz die Nacht durchtanzt. Wenn flüchtige Orte und belanglose Zeiten von Namen besetzt,entwichen folgend, dem der Trieb in den Halspuls dieser Körperhaut gierte um Verlangen zu saugen und Lust zu röcheln und dann in der Morgenröte im schluchzend Leidenslied "ade" anzustimmen. Diese Nähe zu Amoreinlust sich dichtend im Glauben an gemeinsamer nicht endender Freude. Wenn dieser bunte Kessel sein Süppchen brodelt im Schaum, aus starrem Greisenfleisch und jungem weichen Gedankengemüse, diese Erinnerungen die luftige Gemütshütte beziehen, dann sind es melancholische süße Herbstfrüchte, schwer geerntet, diese bitterfreudigen Gedächtnistränen.
zuletzt bearbeitet 21.08.2008 15:27 | nach oben springen

#47

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 21.08.2008 22:22
von Lennie • 829 Beiträge
So. Zur Abwechslung mal ein Gedicht hier in meinen Laden. Mir ist grad so. So gedichtich - kommt nicht oft vor. Gedichte machen sich immer gut. Weil, wenn sich hinten was reimen tut, das ist besonders schwierig zu schreiben. Doch, doch. Für mich jedenfalls. Also. Biddeschön:

Libelle klein,
fliegst hier herein,
findst nicht mehr raus
aus diesem Haus

Das ist schon dumm.
Mit viel Gebrumm
knallst du ans Fenster
Und siehst Gespenster

Bei so viel Schmerz:
da klopft dein Herz
du bist – ganz ungelogen
vorhin einfach falsch abgebogen.

Jetzt hol tief Luft
geniess den Duft
von Rosen und von wilden Feigen
Denn die will ich dir gerne zeigen

Libelle klein
ich fang dich ein
und trag dich raus
aus diesem Haus

zuletzt bearbeitet 21.08.2008 22:23 | nach oben springen

#48

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 02.09.2008 23:12
von Lennie • 829 Beiträge
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#49

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 03.09.2008 09:56
von larifant • 270 Beiträge
Zitat von Lennie
Very cute - ist es nicht?


Es ist eine Gnade des Alters, dass man (aufgrund mangelnder Kenntnis der Chiffren und Bezüge der Jugendkultur) bei derartiger Werbung nicht mehr mitbekommt, wofür überhaupt geworben wird.

Gruß,
L.
zuletzt bearbeitet 03.09.2008 09:57 | nach oben springen

#50

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 08.10.2008 19:58
von Lennie • 829 Beiträge

Heute habe ich meine letzten "Allround"-Kreationen der Saison verkauft. An eine britische Journalistin. Sie ist hier, weil Omar Sharif grade einen Film in der Gegend dreht und sie hat ihn interviewt. Auch früher schon mal. Hat sie mir alles erzählt. Ich wusste gar nicht, dass Omar Sharif überhaupt noch Filme macht. Seit Doctor Shivago sieht man ihn doch nur noch vereinzelt in den Pferdewetten-Reklamen im Fernsehn.
Als die Journalistin rausgefunden hatte, dass Frau Künstlerin persönlich dabei war, ihre Objekte einzutüten, wurde es etwas peinlich. Sie sprang kamerabewaffnet um mich herum, knipste, was das Zeug hielt und jubelte, an ihre mitgebrachte Freundin gerichtet, los: "My God! The artist herself! How lucky I am!" Natürlich glotzte sofort alles in unsere Richtung - etwas diskreter wäre auch nicht falsch gewesen. Dann wollte sie noch ein Autogramm - da stutzte ich und frug mich dezent, ob Madame mich möglicherweise vergackeiern wollte???? Aber nee, sie wollte wirklich eins. Und so gab ich das erste Autogramm meines Lebens.
Als die beiden Damen paketbeladen und finanziell maximal erleichtert wieder draussen waren, frug ich mich still für mich alleine, ob das wohl wirklich so toll ist, berühmt zu sein. Autogramme geben will ich nicht. Und fotografiert werden will ich auch nicht. Über den Rest könnte man dann ja nochmal reden...

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#51

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 13.11.2008 22:43
von Lennie • 829 Beiträge

Gestern nachmittag mit JP in die Polyklinik, ihn dort abliefern für die Operation. Junge, war er nervös. Total fahrig und gestresst. Aber wer wäre das nicht – ich hätte nicht mit ihm tauschen wollen. Bei der Annahme musste man eine Wartenummer ziehen, wie beim Arbeitsamt. Oder auf der Präfektur. Und dann machte es nach einer Weile laut « Bing! » und auf der roten Anzeigetafel stand » Nr. 570 Schalter 4 ». Oder sowas in der Art. Irgendwie überschauderte es mich dabei fröstelnd kalt. Fast schon eiswürfelmässig. In einer so teuren Polyklinik hätte ich etwas mehr Menschlichkeit beim Empfang erwartet. Dass man zumindest noch einen Namen hat, beispielsweise. Statt nur auf Nummer 570 reduziert zu werden. Aber einmal drin in der Mühle... Zum Glück habe ich die Klappe gehalten und fröstelte nur inwendig alleine vor mich hin. JP war darauf konzentriert, den Schalter 4 zu finden und dort all seine Einweisungspapiere vorzublättern, in der Hoffnung, dass nichts fehlte.
Fehlte natürlich doch was. Fehlt immer was. In diesem Fall der Kautionsscheck für den gesamten Klinikaufenthalt beispielsweise. Den muss man im voraus abliefern und sich hinterher die Summen kleckerweise von der staatlichen, der privaten, der Zusatz-Versicherung, so man eine hat, erstatten lassen. Sofern selbige was erstatten. Zum Glück haben sie ihn trotzdem akzeptiert. Der Scheck muss aber – BITTE! - umgehend nachgereicht werden. Strenger Blick seitens Schalter 4.
Erster Stock, Zimmer 142. JP's Bettnachbar ist bequeme 85, hat unten noch Zähne und die ganze Familie zu Besuch. Aus dem Fernseher kräht irgend eine Soap-Opera, der niemand Beachtung schenkt.
JP macht ein klägliches Gesicht. Ich tätschele beruhigend seinen Arm. Nur Mut. Eine Woche hat der Arzt gesagt. In einer Woche bist du hier wieder raus. Hoffen wir das Beste.

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#52

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 14.11.2008 17:51
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Ja, die kalte Atmosphäre, steril und kostenpflichtig der nackten Angst gegenübergestellt,
alleine die Vorstellung, dass man sich sowieso nervlich mit so einem Ereignis auseinandersetzten muss, und dann trifft man auch noch auf die reine Routine.

Wartemarken - lässt sofort das Bild wachwerden, wie sie zusammengefercht auf harten Stühlen sitzen, der eine mit Schußwunde, der nächste mit offenem Bauch, einer liegt bereits ohnmächtig am Boden, überall Gestöhne und Schmerzgeschrei, und die Schwester harkt auf ihrer Liste die versicherten Kranken ab, die anderen dürfen gerne abkratzen...

Uff...
Ja, hoffen wir das Beste.



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 14.11.2008 17:51 | nach oben springen

#53

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 14.11.2008 17:57
von Martinus • 3.195 Beiträge
Zitat von Taxine
Wartemarken - lässt sofort das Bild wachwerden, wie sie zusammengefercht auf harten Stühlen sitzen,


Wie auf dem Arbeitsamt - oder wie man seit einigen Jahren sagt (weil es sich schöner anhört) AGENTUR für Arbeit.



„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 14.11.2008 18:05 | nach oben springen

#54

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 14.11.2008 18:02
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Ja, klingt schnittiger, Agentuuuuur - so, als ob das graue Gesicht mit quietschendem Schritt über Linoleum einfach weggegedacht und durch pfiffiges Design (der neue Arbeitslose - vitaler, hoffnungsvoller, optimistischer) ersetzt wurde. Der Inhalt bleibt allerdings gleich, nehme ich an. Der Beamte trinkt nur verständnisvoller seinen Kaffee...




Art & Vibration
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#55

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 24.11.2008 22:35
von Lennie • 829 Beiträge
Da hab ich nun schon einige Jahre lang so eine Schüssel auf dem Dach. Nicht absichtlich. Die war schon. Sozusagen mit dabei, als ich das Haus gekauft habe, damals. Und neulich gab's im Supermarkt Sonderangebote für Decoder. Ich bin ja eigentlich nicht so der TV-Experte, schramme eher an ziemlich allen wichtigen Vorkommnissen auf diesem Gebiet gekonnt vorbei. Aber das Sonderangebot war wirklich sonder und da hab ich mir halt so ein Teil installiert und - nach vielen tausend Jahren mal wieder - deutsches Fernsehn angeschaut. Grade eben.
Krimi. Auf'm ZDF. Mutter hatte gesagt, da spielt Matthias Brandt mit, Willys Sohn. Und das sei ein guter Schauspieler.
Erkannt hab ich ihn jedenfalls sofort - sieht seinen Eltern ja auch ziemlich ähnlich. Aber der Rest von dem Film! Ich fühlte mich gleich um weitere tausend Jahre nach hinten katapultiert. Irgendwie war das alles noch so wie damals. Als es nur "Derrick" gab und "Der Alte". Nur dass inzwischen paar Aussenaufnahmen mit dazu gekommen sind. Ansonsten: vieldeutige Andeutungen und vor allem: bedeutungsschwanger. Sehr. Vor allem die Blicke. Und die halben Sätze. Und haufenweise Schauspieler, die hier bei uns alle schon im Vorruhestand wären, da offensichtlich über 50 - das fand ich allerdings eher nett - da dürfen sie offenbar noch.
War bisschen mühsam, aber ich habe bis zum Ende durchgehalten. Fazit: etwas zäh und wirklich sehr bedeutungsschwanger und schicksalsträchtig. Und vor allem: zeitlos. Das Ganze hätte ebensogut vor 20 oder 30 Jahren produziert worden sein können - den Unterschied hätte man nicht bemerkt. Ein sehr gediegener Krimi war das.
zuletzt bearbeitet 24.11.2008 22:40 | nach oben springen

#56

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 24.11.2008 23:35
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Mit ASTRA nich?
Hab ich auch schon überlegt. Besser gesagt, wurde mir da so empfohlen. Ich meine, griechisches Fernsehen ist schon ... naja, man hat Glück, wenn mal ein Film läuft. Die singen viel.
Da kam mal einer an und sagte: Hör mal… (Ach nee, das war ein anderes Lied). Er sagte zu mir - Ahnungslosen: Schüssel. Irgendetwas mit 80 cm Umfang, und weil das Dach doch sowieso direkt über meiner Birne ist. "Hilfe!" dachte ich und auch "Irgendwie verführerisch. Arte. Vermisst man ja so ein bisschen. Kultüüür." Aber, was für ein Akt. Dann müsste ich vom Balkon hinaufbrüllen, wann das Ding richtig ausgerichtet ist. Und oben muss jemand dann das alles in die richtige Richtung lenken. Alleine die Vorstellung ist irgendwie ... Andererseits, ich meine, die Griechen in der Strasse, vielleicht überhaupt, sind ja nun auch nicht gerade leise. Morgens um vier Uhr die Müllmänner. Knirschend und metallisch klirrend. Irgendwelche obszönen Rufe, die ich zum Glück nicht verstehe. Danach der Schrotthändler, dann der Obstverkäufer (jetzt nicht mehr, ist wohl zu kalt), da würde mein Schrei aufs Dach hinauf vielleicht gar nicht auffallen. Hm... mal schauen.

Beim deutschen Krimi kann ich leider gar nicht mitreden. Ob verändert oder gleich. Hab, glaube ich, noch nie einen gesehen.

Liebe Grüße an die Französin im Tauchen deutscher Blautiefen
Taxine



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 24.11.2008 23:36 | nach oben springen

#57

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 25.11.2008 18:58
von Lennie • 829 Beiträge

Astra - ja, ich glaube. Die Feineinstellung hab allerdings nicht ich vorgenommen. Ich hab abends bloss auf den Knopp gedrückt *gg*.

Du hast noch nie einen deutschen Krimi gesehn, Taxine???? Ist ja nicht zu fassen! Was dir da alles bisher entgangen ist!!!!
"Derrick" ist hier gradezu Kult! Auf irgend einem Sender gibt's davon garantiert jeden Tag eine abgestaubte ausgemottete Folge. Die schicksalsschweren und umgehende Aktion einleitenden Worte "Harry - den Wagen!" lösen nach wie vor Stürme der Begeisterung aus und die ganze Nation rollt vor Lachen auf dem Boden. Derrick, der einzige Flic der Welt, der sich bei Aufnahme einer Verfolgungsjagd im Auto zunächst ordnungsgemäss anschnallt - soviel Zeit muss sein!

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#58

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 26.11.2008 19:14
von larifant • 270 Beiträge

Zitat von Lennie
Dass jeder, der etwas schreibt, was nicht nur für ihn selbst gedacht ist, damit eine persönliche "Moral" verbindet, die er weiterreichen möchte, versteht sich meiner Auffassung nach von selbst.


Was ist mit Schriftstellern, die keine noch so persönliche Moral weiterreichen möchten, sondern in erster Linie ästhetische Vorstellungen verwirklichen wollen?

Gibt es die nicht? Darf es die nicht geben? Müssen die wegen Formalismus totgeschwiegen werden?

Gruß,
L.

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#59

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 26.11.2008 21:42
von Lennie • 829 Beiträge

Hallo, Lari!
Ich weiss nicht, ob es Schreiber gibt, bei denen vor allem ästhetische Vorstellungen bei der Arbeit im Vordergrund stehen. Ein Beispiel wäre da hilfreich. Ich kann mir solche Texte schlecht vorstellen, der Ausdruck "Ästhetik" ist für mich eher mit Bildern als mit Worten verbunden. Aber vielleicht kenne ich das auch bloss nicht. Es gibt sehr vieles, was ich nicht kenne.
Man sollte auch definieren, um welche Art Text es sich handelt - nicht alles kann mit allem verglichen werden. Prosa und Lyrik sind was anderes als weltanschauliche oder politische Grundsatzschriften oder technische Gebrauchsanweisungen. Denke ich mir.
"Moral" meinte ich nicht abwertend im bigott-moralisierenden Sinn, sondern eher in dem einer persönlichen Überzeugung. Die auch ein Ästhet haben kann - oder?
Geben darf es alles und totgeschwiegen sollte - wegen Formalismus - gar nichts werden müssen.
Den Rest muss eh jeder selbst entscheiden. (Solange es originell, spannend oder interessant ist, lese ich weiter. Wenn's langweilig wird, klappe ich das Buch zu und mach was anderes... )

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#60

RE: Lennies Gedankenschnipsel

in Lennies Gedankenschnipsel 27.11.2008 17:41
von larifant • 270 Beiträge

Zitat von Lennie

der Ausdruck "Ästhetik" ist für mich eher mit Bildern als mit Worten verbunden.


Sprache wäre demnach nur ein Transportmittel für Inhalte.
Dann müssten Gedichte, die dir gefallen, immer beschreibenden Charakter haben.
Ist das so?

Meine persönliche Vorstellung von literarischer Qualität ist, dass das Besondere bei der Reduktion auf den bloßen Inhalt verloren geht.

Zitat von Lennie

Es gibt sehr vieles, was ich nicht kenne.


Hmmm.
Ich hoffe, das soll nicht heißen:
"Alles was nicht superberühmt ist, liegt unterhalb meiner Wahrnehmungsschwelle, weil für mich das Beste, also das Allerberühmteste, gerade gut genug ist."
(ich will dir nichts unterstellen, zumal ich dich ohnehin nicht kenne. Aber so eine Einstellung ist nicht ganz unverbreitet.)

Nehmen wir dennoch als superberühmtes Beispiel (wenn auch ohne Nobelpreis) Kafka, der des Ästhetizismus sicherlich unverdächtig ist.
Da kennst du sicher den einen oder anderen Text.
Aber auch einen, in dem eine persönliche Moral weitergereicht werden soll?

Gruß,
L.


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