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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst


#1

Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 07.05.2009 23:10
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Sind wir unsere Gedanken? Und wenn der Verstand das ist, was alles in uns chaotisch macht, was lenkt uns dann wirklich? Dahinter? Was macht uns aus, selbst wenn wir im Hier und Jetzt sind, die Vergangenheit ruhen lassen, die Zukunft nicht weiter betrachten? Was haben wir dann gefunden? Uns selbst?
Das Denken verschachtelt, verkompliziert, der Gedanke kann konfus erscheinen, wie er auch Erklärung sein kann. Doch diese Erklärung ist nichts Eindeutiges, man kann aber auch nicht sagen, dass sie den Moment nicht versöhnt.

Was bleibt übrig, nimmt man alle Gesichter vom Selbst?
Ein Häufchen Elend?
Verpuffte Luft?
Materie?
Energie... ? DIE SEELE?



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 07.05.2009 23:10 | nach oben springen

#2

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 08.05.2009 18:50
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Gut. Nehmen wir die einzelnen Punkte auseinander. Eine Antwort gibt es sowieso nicht. Das, was ich begreife, was ich bin, ist all das, was als Gedanke in mir kreist. Das ist zumindest das, was ich empfinden kann. Natürlich gibt es auch einen äußeren Anblick für all die anderen, die nicht Ich sind, aber die lasse ich einmal beiseite, ich kann ja nur von innen nach außen sprechen. Alles, was mich innerlich ausmacht, ist das, was ich denke. Aber, es ist eben vom Verstand diktiert.

Was liegt hinter dem Verstand, das nicht Nichts ist? Was vielleicht sogar nichts Metaphysisches ist? Die Seele ist metaphysisch. Unbewiesen, wie fast alles. Das Selbst, das immer einzigartig ist, ebenso. Und doch empfindet man es in erster Linie auf diese Weise, dass dieses Ich nur wie man selbst sein kann, dass kein anderer diesem Ich gleichen könnte.
Bin ich nun meine Gedanken? Das, was sich dort nach und nach als mein Ich zusammensetzt? Es heißt ja auch, der Verstand ist all das, was wir begreifen können, und dahinter liegt etwas Alles Umfassendes, aus dem wir erst dann greifen können, wenn wir diesen begrenzten Verstand über den Haufen werfen. Aber, bis dahin ist es ein weiter Weg, denn da gibt es erst einmal sehr viele Dinge zu betrachten.

Was unterscheidet Verstand und Geist? Geist, Hirn, Impuls?
Was davon lässt sich tatsächlich zerlegen? Das Fleisch? Das Hirn? Und dieses teilt sich auch noch in Groß- und Kleinhirn, wobei wir vom letzteren höchstens 10 Prozent nutzen. Das Ich ist also 10 Prozent? (Wird es mit Erkenntnissen größer?)
Alleine, dass das Gehirn viel mehr Fläche hat, als tatsächlich genutzt wird, zeigt, dass es noch offene Räume gibt. Das Unbewusste, das Unterbewusstsein, das Unbekannte, dass erst einmal ein "Alles-Umfassendes" dahinter gar nicht notwendig ist, auch wenn es gleichzeitig in und überall sein könnte.
Und dann die Dualität, dieser ständige innere Kampf, dieses Hin und Her, dieses Links gegen Rechts, Oben gegen Unten, dieser Befehl gegen Gehorsam, diese Stärke gegen Schwäche, dieser Verstand gegen das Bauchgefühl. Wir widerlegen uns selbst ständig selbst. Springen durch Spiegelwände, hinter denen erneut ein anderes Ich liegt, bis in die Unendlichkeit. Die Welt wirkt jeden Tag anders oder gleich auf uns.
Was macht da erst ein Schizophrener? Sein Ich hat sich zerteilt, ohne, dass er es kontrollieren kann, oder dass er ein für alle Mal in ein Ich zurückfindet. Flucht in verschiedene Persönlichkeiten, um sich nicht erinnern zu müssen? Ein Schutzmechanismus, ein Gang zu weit hinein?
Trennt man den Hirnbalken durch, besitzt der Mensch dann zwei voneinander unabhängige Geister?
Wenn das Gehirn die Möglichkeit hat, etwas auf der einen Seite zu diktieren, wie es jeder Mensch gleich verstehen würde, mit der anderen, unbewussten Seite aber die Interpretation zu liefern, die jeder Mensch subjektiv empfindet, dass ein gehörter Satz dann von jedem Menschen anders gedeutet wird, was sagt das nun wieder über das Ich aus? Ist es dann das Unbewusste, was uns eigentlich ausmacht? Wären wir ohne das Unbewusste in uns alle gleich? Oder ist es gerade das Unbewusste in uns, das uns gleich macht?

Was z. B. diktiert mir meine Kunst? Mein Verstand? Mein Herz? Etwas anderes?
Ich sage mir: Ich bin meine Kunst. Ich könnte nicht ohne sie sein. Auch das sagt mir mein Verstand. Vielleicht könnte ich ohne sie sein, denn sie ist ja nur bildlich „Atmung“. Trotzdem würde ich ohne sie nicht mehr das sein, was ich bin. Und wie lange könnte ich den Zustand aushalten, zu sein, ohne künstlerisch tätig zu sein? Sollte ich es schaffen, was theoretisch selbstverständlich möglich ist, zu was für einem Ich gerate ich dann?
Hier wird schon deutlich, dass das Ich wandelbar ist, dass es auf jeden Fall von äußerlichen Einflüssen beeinflusst wird, sich damit ständig verändert. Darunter bleibt ein Rest Ich, das Vorlieben und Neigungen hat, wie z. B. die Sehnsucht nach Kunst. Sie ist gleichzeitig von innen wie auch von außen geprägt, weil Kunst von außen nach innen wirkt, die Sehnsucht aber von innen nach außen entsteht, wo sie erst verinnerlicht wurde.
Und wie ist es mit anderer Kunst, auf die ich treffe? Die mir gefällt oder nicht gefällt? Was von ihr wirkt bis nach innen und verändert dort wiederum mein Ich?
Oder, wenn ich mich in eine Romanfigur hineinempfinde, weil ich gerade ein gutes Buch lese, ist die Romanfigur dann die des Autors, eine fiktive Figur oder ich selbst, weil ich der Figur mein Verständnis von ihr projiziere? Hat sie nicht trotzdem der Autor kreiert? Er beschreibt sie, sagt, was sie tut, wie sie handelt oder denkt, und trotzdem sitze ich davor und muss sie mir über die Worte und Beschreibungen vorstellen. Was tue ich? Ich ziehe einen Vergleich, um mir vorstellen zu können, wie sie sein könnte. Den Vergleich gewinne ich anhand eigener Erfahrungen. Damit wird die fremde Figur ein Teil meiner selbst, erhält nicht meine Züge, aber Züge, die durch mein Verständnis geprägt sind.

Mit jedem neuen Gedanken legen wir ein neues Gesicht des Ichs auf. Jeder Einfluss auf uns, prägt dieses Ich, somit muss es unendlich sein, ein riesiger, sich anpassender Raum in uns, eine bewegliche Masse, in der wir ständig rühren und uns selbst daraus formen.
Dazu aber kommen noch die Masken, die wir für notwendig erachten, die wir, mit dem Älterwerden, erst langsam wieder wegreißen, weil wir merken, dass wir uns darunter nicht mehr wiederfinden, dass es völlig blödsinnig ist, etwas anderes sein zu wollen, nur, weil man unter Menschen ist. Hier zeigt sich deutlicher, wer man eigentlich ist, als, wenn man mit sich allein ist. Hier sieht man, ob man wagt, man selbst zu sein. Aber, das einfach einmal weggelassen.
Man stellt einige Beobachtungen an sich an. Wenn wir aus einem Raum treten (nehmen wir an, unsere Wohnung) dann treffen wir auf die Welt. Dort verwandelt sich dieses Ich, von dem wir denken, dass es ein Selbst ist, und wird zu einem „Sein wie Ich“. Es passt sich in seinen Eigenarten an die Welt an, nimmt damit ihre Form an, wird zu einem Spiegel, der die Welt reflektiert. Was davon bis ins Mark dringt, ist nicht immer eindeutig, noch verschwindet das, was wir vorher in unserem Raum waren, vollständig. Wir sind nicht DER SPIEGEL, sondern hinter dem Spiegel, auf dem die Welt reflektiert.
Einige behaupten dagegen, wir sind ausschließlich dieses „Sein wie Ich“, dieses von der Welt geprägte Ich, ohne je etwas anderes gewesen zu sein oder je sein zu können. Erfahrungen, Erziehungen, in der Welt sein. Dass darunter nichts anderes liegt, als das, was die Welt aus uns gemacht hat. Eine Hülle? Eine Hülle mit ein paar Knochenresten, in die gesteckt wird, was immer der Welt beliebt? Wieso empfinden wir dann überhaupt irgendetwas von innen nach außen? Oder warum besitzt der Körper eine feste, eindeutige Form (mal mehr mal weniger) und das Ich keine oder eine sich ständig durch die Einflüsse wandelbare?

Das sind westliche Betrachtungen. In der östlichen Betrachtung ist das Ich dann auch noch eine Illusion.
Man stelle sich das angebliche Ich vor, das einen Gipfel besteigt und mit der Anstrengung nach und nach sein Selbst ablegt, sich selbst befreit, bis es auf dem Gipfel bei einer überwältigenden Aussicht auf einmal aufhört zu denken, nur noch blickt. Solche Momente kennt man, so etwas gibt es haufenweise in der Literatur beschrieben, so etwas hat selbst ein Hans Castorp kurzzeitig erlebt, als er sich im Schneesturm verirrt. Das erlebte Miller in Epidauros oder ich selbst in einer Bucht mit Aussicht auf den Berg Athos und das Meer, in der nichts existierte, außer das Geräusch des Wassers und mein Blick. Jeder hat so eine Erfahrung gemacht, da bin ich sicher.
Klar erlosch in diesem Augenblick jede Nachdenklichkeit, jede Überlegung. Man sitzt und blickt, aber immerhin blickt man, ist also noch das Selbst. Man erkennt: Alles ist einfach. Es bedarf keiner Überlegung, keiner Erklärung. Es ist einfach.
Nun wäre es günstig, sich diesen „Blick“, diese Fläche im Kopf zu bewahren, selbst dann, wenn man nicht mehr diese Aussicht genießt oder ein ähnliches Empfinden an einer Situation hat. Diese Fläche ist nicht Leere, sondern eher Ekstase, vielleicht ist Leere Ekstase. Alles rausschaffen, was blockiert. Kopfreinigung.
Wie lange wird man reinigen müssen, damit der Kopf leer ist? Insbesondere, wenn er trotz alledem ständig wieder auf die Welt trifft? Und, was bleibt übrig, ist die Illusion des Ichs endlich verschwunden?

Alles lässt sich rauskehren. Die Neigungen, die schlechten oder guten Gewohnheiten, die Zweifel, die Grübeleien, das Besserwissen, der Egoismus. Aber das Selbst? Kann man ständig mit leerem Kopf herumlaufen? Was geschieht, wenn man auf andere Menschen trifft, deren Kopf nicht leer ist, bleibt man unter ihnen dann weiterhin leer und beschränkt sich darauf, statt auf sie einzugehen, ihnen zu vermitteln, wie schön es ist, einen leeren Kopf auf seinen Schultern zu tragen? Leere schafft Verschwinden, schafft die Auflösung der Dualität in uns. Man denkt ja gar nicht mehr darüber nach. Es ist einerlei. Warum über etwas nachdenken, was keinen Gedanken notwendig macht? Und ist man nicht mehr man selbst, was ist man dann? Wiederum nur eine leere Hülle? Verwandelt man sich von einem lächelnden Selbst in das Lächeln selbst?
Klar, jeder Gedanke entstellt. Jede Betrachtung trifft auf etwas Einfaches, bis man anfängt darüber nachzudenken, es kompliziert macht, und vielleicht so lange darüber nachdenkt, bis man wieder auf den einfachen Kern trifft. Welch ein umständlicher Weg, wenn das Einfache von vorneherein nichts anderes war, als der logisch erschlossene einfache Kern. Aber, nur so begreift man ihn. Hat der, der das Einfache sofort erkennt, weil er nicht darüber nachdenkt, das Gleiche begriffen wie der, der sich diese unmittelbare Erfahrung erst einmal erläutert? Sind es nicht zwei völlig verschiedene Betrachtungen und darum auch verschiedene Erkenntnisse von ein und derselben Sache?
Gerade durch den Blick des jeweiligen Menschen wird etwas verändert, was dem Anschein nach für alle gleich sein müsste. Der eine sieht einen Sonnenuntergang und empfindet ihn als wärmend, der andere will das Zischen der Sonne hören, wenn sie ins Meer taucht, der nächste ist von den Farben überwältigt, ein weiterer empfindet gar nichts, weil er jeden Abend damit konfrontiert ist oder, weil er mit anderen Dingen beschäftigt ist. (Hier zeigt sich, dass „der Moment sein“ tatsächlich für die Empfindung notwendig ist.) Wer aber die Dinge, die er sieht, nun nicht hinterfragt, warum sollte man auch ausgerechnet einen Sonnenuntergang hinterfragen, wird bei diesem täglichen Vorgang weniger empfinden als der, der sich mit dieser Erfahrung auseinandersetzt, sie verinnerlicht, in ihr Poesie oder Rausch oder Verhängnis entdeckt – alles Gedankenvorgänge, nicht möglich mit einem leeren Kopf. Gleichzeitig wird jeder, der diesen Sonnenuntergang hinterfragt ein Stück weit von der wahren Betrachtung entfernt. Er baut über das Sehen Gedankenkonstrukte und entfernt sich vom Erlebnis selbst. Der, der nicht hinterfragt, genießt den Moment an sich. (Vergleich: Das direkte Sehen auf die Sonne (man möchte fast sagen: das Erschauen) oder durch ein Objektiv, um es für einen späteren Augenblick festzuhalten, der auf Film gebannt nie die gleiche Wirkung erzielen wird, wie der originale Vorgang. Bestenfalls kann man über das Material Erinnerungen an das Erlebnis (er)schaffen.)

Der Mensch neigt dazu, das steht außer Frage, sich die Dinge zu erschließen. Er startet zumindest den Versuch, selbst dann, wenn es nicht notwendig ist. Er findet gerade daran Vergnügen, sich Fragen zu stellen. In vielen Momenten mag es Last sein oder zur Last werden, wenn man sich alles erschließen möchte, wenn man an den kleinsten Dingen sofort die Hinterfragung startet, was es mit ihnen auf sich hat. Dazu kommen die Deutungen, Mutmaßungen und Spekulationen, das Einbeziehen anderer Perspektiven oder das „Was wäre wenn…?“ Das Sehen erscheint dagegen wie eine Lösung, zu der man den Lösungsweg nicht parat hat, was in der Mathematik nicht machbar ist. Und im Leben?
Sich mit dem, was er ist, was er sieht, was die Welt um ihn herum ist, auseinanderzusetzen, führt den Menschen zu einer neuen Schwelle des Begreifens. Wer diese Fragen nicht stellt, umkreist sich selbst, ohne sich je zu erblicken. Ein leerer Kopf ist darum erst dann möglich und genießbar, wenn man die andere Seite der Überlegungen so gut kennt, dass man ihrer überdrüssig geworden ist. Wenn man für sich erkannt hat, dass man an den eigenen Denkprozessen verzweifelt. Aber das Denken muss nicht immer Quälerei sein.
Es geht nicht so sehr um die Erklärungen, die man unbedingt finden muss, sondern um die Freude am Denken, um das Spiel der Gedanken und Lösungsvorschläge.
Grübeln und Zweifeln sind ebenso Absonderungen des Denkens, aber wenn man die Freude daran erkennt, wird man auch in den Momenten begreifen, dass die negative Umkehrung davon sinnlos ist, wie auch die positive, sie macht ja lediglich Freude, muss nicht Notwendigkeit werden noch Sinn ergeben.
Der Verstand ist und bleibt begrenzt, er lässt immer nur so viel Raum zum Denken zu, wie der Mensch, der da denkt, fähig ist, zu erkennen. Alleine, dass sich das Denken der Menschen in vielen Dingen unterscheidet, dass einige mehr, die anderen weniger begreifen, was letztendlich unwichtig ist, dass die Auffassungsgaben unterschiedlich sind, die Reaktionen, die Gefühle, die Sichtweisen, zeigt deutlich, dass diese Begrenzung des Verstandes existiert, bei jedem Menschen eben anders. Das heißt aber noch lange nicht, dass dahinter etwas anderes liegt, etwas All-Umfassendes. Es heißt auch noch nicht, dass wir nicht das sind, was wir denken. Demnach wäre auch das Ich begrenzt. Jede Erfahrung, jede Erkenntnis weitet den eigenen Verstand. Gleichzeitig ist sein „Immer in Betrieb sein“ sehr anstrengend, wenn man nicht lernt, ihn abzustellen, ohne direkt dahinter zu verschwinden.

Das, was der Mensch z. B. mit Meditation erreichen will, diese Leere im Kopf, dieses „An nichts denken“ lässt sich auch mit dem Verstand bewirken, natürlich ohne die Leere selbst zu erzielen, sondern etwas anderes, das Abschalten der Denkerei, indem man eine Situation der Grübelei sofort selbst hinterfragt, sich selbst dem eigenen Ich gegenüberstellt (man spürt ja, wenn etwas zur Belastung wird) und erkennt, dass diese Grübeleien (Sorgen, Problembewältigungen, Hinterfragungen) erst einmal auf nichts hinausführen, außer, dass man eine Situation immer wieder neu durchspielt, vielleicht noch auf verschiedene Art und Weisen, mit Einbeziehen der eigenen Wirkung, der Gedanken anderer, der Möglichkeit in der Zukunft usw. Sieht man sich selbst bei diesem Vorgang zu und erkennt die Ausweglosigkeit, dann ist der erste Schritt erreicht, man kehrt in das Hier und Jetzt zurück und löst den nachdenklichen Gedanken durch ein schönes Erlebnis (z. B. obiger Sonnenuntergang) ab. Man lenkt die Vorstellung bewusst, bis man nicht mehr abdriftet, nicht mehr in die Grübelei zurückkehrt, was am Anfang der Fall sein wird. Noch besser, man ergibt sich einer Phantasie, einer Idee. Diese Dinge ergeben fast den gleichen Effekt, wie die angestrebte Leere im Kopf, erscheinen mir nur viel angenehmer und machbarer. Hat man die Idee dann entwickelt, ist die Grübelei dahinter verschwunden, die Konzentration auf die Idee ermüdet und der Kopf wird automatisch leer, wird danach nicht in die Grübelei zurückkehren. So etwas lässt sich üben, so etwas bewahrt das Ich, ohne es zur Illusion zu machen, die negative Auswirkungen auf das Leben selbst hat.

Vielen Dinge erscheinen sowieso schwieriger, als sie sind. Vielleicht ist der blockierte Verstand auch nur durch uns selbst blockiert, und das Ich dahinter einfach zu beweglich in seiner eigenen Form.

Weitere Betrachtungen folgen.



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 09.05.2009 01:44 | nach oben springen

#3

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 08.05.2009 21:04
von Martinus • 3.195 Beiträge
werte Taxine,

Zitat von Taxine
Was unterscheidet Verstand und Geist? Geist, Hirn, Impuls?


Warscheinlich unterscheidet sich da gar nichts. Bewusstsein (also die Früchte davon, das Denken, Emotionen, Geist)ensteht aus Materie (=Gehirn). Es ist also nicht so, das da ein Geist ist, und dort eine Seele, nein, unser bewusstes Leben entspringt aus dem Gehirn (das Neurobiologisch zu erklären, dazu muss ich mich am Wochenende aufraffen). Man kann sagen, das "Ich" ist unser bewusstes Selbst, welches wir täglich erfahren, dieses Bewusste Selbst, das Ich-Gefühl, entspringt aus unserem Gehirn. Ohne funktionalem Gehirn ist eine Selbsterfahrung nicht möglich, wir wären quasi "Hirntod", und merken selbst das nicht, das wir Hirntod sind.

Bei einer Schizophrenie funktioniert unser Gehirn eben nicht so, wie es sollte, als erleben wir irgendwelche Symptome. Unser Leben ist abhängig von der funktionsweise unseres Gehirn.

Mag sein, dass mein Gezeyl sehr materialistisch ist, aber einige Neurobiologen behaupten, selbst religiöse Empfindungen entspringen unserem Gehirn, und sie glauben sogar zu wissen, wo gehau im Kopf. Also hätte dann der Mensch Gott selber erfunden. Trotzdem ist Religion etwas sehr menschliches, auch wenn
Gott tot ist

Liebe Grüße
mArtinus



„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
zuletzt bearbeitet 08.05.2009 21:06 | nach oben springen

#4

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 08.05.2009 21:13
von larifant • 270 Beiträge

Zitat von Taxine

Trennt man den Hirnbalken durch, besitzt der Mensch dann zwei voneinander unabhängige Geister?


Es gibt tatsächlich eine etwas abenteuerliche Theorie, die besagt, dass das Bewusstsein als Reorganisation des Gehirns eine kulturelle Errungenschaft wie die Schrift sei (sogar etwas jünger als diese!) und vorher die beiden Hirnhälften unabhängig operiert haben. Eine Verbindung wurde bedarfsweise durch akustische Halluzinationen (Götterstimmen) hergestellt.

Hört sich etwas weit her geholt an und entspricht vermutlich auch nicht den Tatsachen.

Aber das entsprechende Buch ist verständlich, begrifflich weitgehend sauber und trotz des obskuren Themas keineswegs reißerisch oder monomanisch geschrieben (allerdings keine schöne Literatur, also kein "Buch-Tipp"!).
Allein die Darlegung dessen, was der Autor in diesem Kontext als "Bewußtsein" versteht und was nicht, geht über fünfzig Seiten.

Schade, dass ich heute keine Zeit mehr habe und ab morgen für ein paar Tage von der Welt abgeschnitten sein werde.
Danach komme ich vermutlich auf die "bikamerale Psyche" zurück.

Gruß,
L.

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#5

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 08.05.2009 23:18
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Zitat von Martinus

Mag sein, dass mein Gezeyl sehr materialistisch ist...


Hallo Martinus, ich finde es gerade interessant, dieses Thema von allen nur möglichen Blickwinkeln zu beleuchten, nur weiter im Text...

Dein Beispiel mit der nicht vorhandenen Trennung zwischen Seele und Geist ist gut, ich werde darauf auch noch einmal eingehen, wenn ich etwas mehr Zeit habe.

Hallo larifant,

ja, du meinst bestimmt Jaynes. Interessant ist es unbedingt, dass sich das Bewusstsein erst gebildet haben könnte, dann kann man auch davon ausgehen, dass es sich immer weiter verändert, desto weiter wir uns als Menschen mit unserer Zeit entwickeln.
Wir erklären uns „das Ich“ heute dadurch, weil wir denken, wir würden es tatsächlich spüren, und darüber hinaus gehen wir ganz natürlich auch davon aus, dass wir es selbst steuern, dass es höchstens von äußeren Einflüssen manipuliert, durch die Welt gelenkt oder verändert werden kann, usw. Vielleicht aber ist es eine Steuerung nach Innen, um der äußeren Komplexität der Welt etwas entgegenzusetzen? (Eine Art innerer Halt?) Desto mehr wir als Individuen voneinander getrennt sind (werden), je mehr alles auf das egoistische Selbst hinausläuft (ohne jetzt den negativen Aspekt daran näher zu beleuchten), desto mehr spüren wir auch das Ich in uns. Die Trennung von der Welt bewirkt eine Neuorientierung des Bewusstseins. Das erklärt auch, dass z. B. ein Gottglaube (ein äußerer Zustand) nach innen gelenkt werden kann: "Gott ist in uns" oder in der kirilloff'schen Variante" Ich bin Gott, weil ich über Leben und Tod entscheide, damit über mich selbst".
Betrachten wir uns aber die Menschen der Antike oder noch ein Stück weiter davor, wo ein ganz anderer Zusammenhalt existierte, eine Art Gruppendenken, in dem "das Ich" keinen Sinn ergab, weil keiner eine Entscheidung aus sich selbst traf, sondern über diese gemeinsam beratschlagt wurde, dann ist die Vorstellung gar nicht einmal so abwegig.
Überhaupt lassen sich viele Dinge ohne Bewusstsein machen. Wenn man schreibt, erfasst man sich ja dabei auch nicht bewusst, höchstens das, was man schreibt, aber nicht denjenigen, der über die Zeilen gebeugt ist. Also kann es durchaus sein, dass die Menschen früher nicht bewusst handelten.

Mal ganz kurz zusammengefasst: Bei Jaynes These gab es keine Vorstellung vom „Ich“ und kein Bewusstsein, sondern einen eher schizophrenen Geist, wobei eine Seite befahl, die andere ausführte. In Krisenzeiten, wenn eine Situation eine Entscheidung erforderte, "halluzinierte" der ausführende Geist die Stimme der Götter, die ihm sagte, was zu tun sei.
Das moderne Bewusstsein entstand, als die Situation durch Umbrüche und Gesellschaftsentwicklung so komplex wurde, dass die bikamerale Psyche nicht mehr ausreichte. Reste von dieser will Jaynes in der Hypnose und Trancezuständen erkennen, ebenso erklärt er sich damit den Glauben und die Religion selbst. (Hier lässt sich vielleicht auch nachvollziehen, warum es den "unbedingten" Glauben überhaupt noch in der heutigen Zeit gibt, dass für mich Gott unmöglich ist, während es für einen anderen unmöglich ist, dass er nicht existiert, nur, weil das Bewusstsein davon sich unterscheidet...)

Hier ist ein kleiner Einblick dazu.

Ich würde mich freuen, mehr darüber zu erfahren.


Liebe Grüße
Taxine



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 08.05.2009 23:59 | nach oben springen

#6

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 13.05.2009 16:49
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge
Weiter in der Gedankenspielerei:

Das Ich – es ist sogar fähig, sich in seine Erinnerungen zu spalten oder eine Ahnung davon zu gewinnen, was es in einer Zukunft sein wird. Das Ich wechselt seine Gestalt selbst dann, wenn es stillsteht, auf nichts trifft. Auf einmal altert man gewaltig oder kehrt zurück in eine Kindheit. Man ist nicht mehr dieses Kind, blickt nicht mehr durch dieselben Augen, die damals die Welt entdeckten, schon gar nicht mit der gleichen Empfindung, aber das, worauf die Augen getroffen sind, das sieht man genauso, wie vor vielen Jahren, durch das Innen nach Außen, nicht etwa objektiv aus einer Vogelperspektive. Die Perspektive in der Vorstellung selbst ist natürlich schwierig. Meistens verzerren sich die Bilder oder sind nur noch Andeutungen, kurze Momentaufnahmen. Ein Riss, der sich auftut und durch den man ganz kurz ein anderes Ich wahrnimmt. Man kann zum Beispiel durchaus sehen, wer man war, nur im Sinne der Rückbetrachtung. Immernoch subjektiv, aber seiner eigenen Handlung bewusster. Dadurch verformt sich das Ich erneut, verändert auch sein jetziges Sein.
Aber, wenn man in sich nicht mehr das Kind ist, das da blickt, die Erinnerung aber aus dieser Zeit stammt, wer ist man dann, während man blickt? Das jetzige Ich, das in eine andere Zeit starrt? Oder blickt man gar nicht mehr selbst?
Und in der Vorstellung und Phantasie? Dort kann man sich beliebig verjüngen oder altern, je nachdem, wonach es einem beliebt. Kann sogar andere Rollen spielen, andere Gesichter unter dem Gesicht selbst tragen. Kann völlig anders handeln und sein. Zu einer Ausgeburt des Ichs werden.
Das ist, als ob man in seinem eigenen Körper reist.

Und ein Blinder? Nimmt sein Ich dadurch, dass er nichts anderes sieht, als das, was er in sich spürt, vielleicht mehr Raum ein? (Oder dringt durch die Kunst zu Hören dann genügend Welt in ihn ein, so dass das Gleichgewicht wieder besteht?) Oder jemand, der nicht hören kann, ist er eher abgelenkt von sich selbst, weil er mehr sehen muss? (Oder ist es für ihn sogar einfacher, auf die innere Stimme zu lauschen?) Und wir dazwischen? Sind wir manchmal von diesem Ich dermaßen abgelenkt, dass wir es nicht mehr spüren?
Kann man sich selbst vergessen? Sein, ohne zu wissen, was das Ich ist?

Oder, man denkt sich: Ich bin nicht der da im Spiegel. Der sieht völlig anders aus, als der, den ich in mir spüre, der ich bin. Der Spruch ist ja nicht völlig von der Hand zu weisen, der besagt: Man ist so alt, wie man sich fühlt.

Die Fläche Ich, auf der all das projiziert wird, was sein könnte, was sein soll, was man denkt, sein zu müssen, muss ab und an ordentlich gereinigt werden, um Platz zu schaffen für den, der man sein will oder noch besser: der man einfach ist. Vielleicht stimmt dann das Ich, das man fühlt auch mit dem Ich, das man sieht, überein.



Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 13.05.2009 16:52 | nach oben springen

#7

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 01:32
von ascolto • 1.289 Beiträge

Ohaha...erscht jetzscht bekömm uich diese Gezeyl uin die Uinhalierung, darf diese Fragmentchens bewundern und muich dabei klaren oder uim Zweifel gerücket midd kleben...Nun Werteste, leider buin uich dafür zur diesem Eulendanz doch uim Fleyschsalad ein wenüch zu unkonzentriert und schlaff....doch ganz nah würd uich senfen!

Also buis demnächst hür uim Boulettenverzehr, Wurstfassen midd nem Pülzsken oder zum Sencha midd Misosüppchen und Sashimi?????

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#8

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 12:37
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Sehen's, und ich dacht' mir, dass uir Schrieb aus der Bar wunderbar zu diesem Thema passt. Herrlich, wie sich mal wieder die Gedanken überkreuzen.
Nehmen's mich ruhig auseinander... Das alles hier ist ja erst die Einleitung.

Heute abend dann mehr... Werter Ascolto. Ich freu' mich schon.

lich
Taxine




Art & Vibration
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#9

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 22:50
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Zitat von Ascolto
Würde es ein Ichkern geben, es in der intensivsten Kontemplation zu finden, dann währe es ein steifes Festes? Dann würde eine Anpassung oder eine Meinungsveränderung nicht stattfinden können!


Nicht unbedingt. Ein Kern des Ichs könnte durchaus flexibel sein, er wäre nur Kern, wenn er als Gleiches in allen wohnt und noch unausgereift ist, er könnte durchaus mit der Erfahrung wachsen oder sich ausdehnen. Auf ihn zu treffen, ist vielleicht nicht der Weg, sondern ihn in sich zu begreifen, um ihn dann, warum auch nicht, zu verwerfen. Das Ich ist ein Konstrukt, keine Frage. Es wäre auch durchaus möglich, völlig ohne dieses Ich zu existieren. Dann bliebe aber das Selbst?

Ich musste ja erst einmal verstehen, dass das Ich das Ego ist, das Selbst im Buddhismus etwas, das allen gleich innewohnt. Was bedeutet das? Das Mensch-Sein in seiner Grundform? In seiner ewigen Grundform?

Die Illusion, die das Ich als Wahrheit zu verstehen glaubt, bleibt auch eine Illusion, insofern man die Erfahrung vieler Menschen anerkennt und als... sagen wir... Axiom in den Raum stellt. Es bleibt eine von Menschen festgelegte Ansicht, die in anderer Dimension oder anderem Raum schon keinerlei Bedeutung mehr haben kann.
Da wäre die individuelle Ansicht vielleicht prägender, vielleicht sogar wirklicher, aber der Mensch überhaupt glaubt nicht an sich selbst, (hat es verlernt oder ist schon von Geburt an daraufhin erzogen worden, das was ist, einfach anzuerkennen) wenn er sich nicht durch viele Meinungen bestätigt fühlt. Auch hier liegt Illusion und eine Art Verwischen des natürlichen Instinkts.




Art & Vibration
zuletzt bearbeitet 29.06.2009 23:12 | nach oben springen

#10

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 23:08
von Zypresserich (gelöscht)
avatar

Zitat von Taxine
Ich musste ja erst einmal verstehen, dass das Ich das Ego ist, das Selbst im Buddhismus etwas, das allen gleich innewohnt.
Ich finde, das bleibt einem selbst überlassen, ob und wie man diese Begriffe für sich definiert. Sicherlich kann man zwischen Ich und Selbst unterscheiden (und natürlich Ego), was ja in Zweigen der Psychoanalyse lange Mode war. (Krishnamurti z. B. nix Unterscheidung zw. Ich und Selbst); und ob und wie man anschließend bewertet (einer meiner Ex-Chefs fand explizit den Ego-Gedanken sich-bezüglich toll und stand dazu. Wir hatten lustige Gespräche ...)

Gruß
senso ergo sum im Neuronenballett, am liebsten harmonisch.

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#11

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 23:09
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Und dann sehe ich das Ich wieder in so einem Quadrat, wie es sich um sich selbst gedreht darin windet und nicht hinausfindet...




Art & Vibration
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#12

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 23:13
von Zypresserich (gelöscht)
avatar

Zitat von Taxine
Und dann sehe ich das Ich wieder in so einem Quadrat, wie es sich um sich selbst gedreht darin windet und nicht hinausfindet...
Geometrie hat's Dir angetan, wa?

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#13

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 23:14
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Alles ist Form.




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#14

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 23:15
von Zypresserich (gelöscht)
avatar

Zitat von Taxine
Alles ist Form.
Form ist nicht alles. Ich werd albern. Ich klink mich lieba aus, höhö ...

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#15

RE: Was ist das Ich?

in An der Philosophie orientierte Gedanken 29.06.2009 23:22
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Alles ist Form, sofern man die Möglichkeit einbezieht, dass sie jederzeit ihre Form ändern kann, diese Form...




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