HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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RE: Charles Dickens
in Die schöne Welt der Bücher 15.02.2011 00:06von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Ja das Wesentliche zuerst, der Dickens danach. Liest sich dann auch viel geruhsamer, ohne den Druck im Kreuz.
Art & Vibration
RE: Charles Dickens
in Die schöne Welt der Bücher 15.02.2011 02:58von Martinus • 3.195 Beiträge
Die Eifersuchtsszene zwischen Agnes und Uriah Heep fand ich sehr schön, dh. diese Eifersucht spielte sich nur im Inneren Davids ab, was die Szene insbesondere interessant machte. Trotzdem muss er jetzt erstmal Dora kennenlernen. Warum so ein Umweg?. Ich dachte, er bändelt voll mit der Agnes an. Dickens war auch Rechtsanwaltsgehilfe. Ich wundere mich bei meiner Langsamleserei, dass ich im Lesetempo in etwa mitkomme.
„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
RE: Charles Dickens
in Die schöne Welt der Bücher 16.02.2011 19:47von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Und S t e e r f o r t h ? Hat denn keiner von euch etwas zu Steerforth anzumerken?
Möchte man da als enthusiastischer, tief in der Materie versunkener Leser nicht Hände ringend aufschreien: Steerforth, o Steerforth, wärst du doch in der Vergangenheit, in dieser Copperfield-Kindheit verblieben, ewig ein Held, ein Mensch, der sich des kleinen Jungen annahm. Warum nur musstest du auftauchen und dich als das zeigen, was du eigentlich bist?
Oder anders gesagt:
Fand ich mal wieder herrlich von Dickens, die Wiederbegegnung zwischen Copperfield und Steerforth und der Umschwung seines Charakters, wo er schon damals den Lehrer hinausekelte (kein Respekt vor der Armut), aber sich gegen den kleinen David mehr als großzügig verhielt, wenn er ihn auch ab und an, man nahm es ihm nicht allzu krumm, übers Ohr haute. Und nun ist alles Spiel. Schon als er vorschlägt, Copperfield "Daisy" zu nennen, merkte ich auf: Aha! - da wird noch etwas kommen. Und wenige Seiten später deutet Copperfield mit schwerem Herzen an: (Kap.21)
Zitat von Dickens
Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass alles das nichts als ein glanzvolles Spiel sei, nichts als flüchtiges Vergnügen und gedankenlose Lust, ein Übergewicht an den Tag zu legen in bloßer leichtsinniger Sucht etwas zu gewinnen, was ihm wertlos schien und in der nächsten Minute weggeworfen werden sollte, - wenn mir jemand an diesem Abend so etwas gesagt haben würde, ich weiß nicht, in welcher Weise ich meiner Entrüstung Luft gemacht hätte.
Tja, er ist wohl doch nur ein oberflächlicher, zu reicher Junge, der über die Dekadenz und Gleichgültigkeit trotz seiner Liebenswürdigkeit nicht hinausfindet. Er achtet weder Copperfield noch Emly, die er wohl gerne für sich beanspruchen würde, die ihn auf jeden Fall aus ganzer Seele zu lieben scheint, wobei der arme Ham auf der Strecke bleiben wird. Immerhin weint sie, als Ham ihr bei Marta aushilft: Ich muss mehr fühlen, welches Glück es ist, die Frau eines braven Mannes zu werden und ein friedvolles Leben zu führen. - und spricht davon, wie schlecht sie ist. Ein sicheres Zeichen für den Umschwung ihrer Gefühle.
Steerforth kauft ein Boot und David wittert darin eine trügerische Großzügigkeit. Ich bin mir sicher, dass Steerforth auch die Fischer nicht achtet, auch wenn er betont, wie herrlich sie leben. Er hält Emly für zu gut für Ham und bezeugt auch ansonsten keinerlei Interesse am wirklichen Leben dieser Menschen, die mit seiner Welt nichts zu tun haben.
Das Lese-Tempo ist hervorragend, denn ich habe mehrere Tage überhaupt nicht in das Buch blicken können.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
Hm, du legst viel Kalkül in Steerforths Handeln? Ich glaube nicht, dass er absichtlich böswillig ist. Er betreibt mehr eine dekadente Nachlässigkeit. Ihm kommen aus der Situation heraus Geistesblitze wie der Kauf des Bootes. Immerhin verschafft er Mr. Peggotty und Ham damit auch Arbeit und einen Zuverdienst? (Oder bin ich da so blauäugig wie Copperfield ) Mr. Peggottys und Hams Charakter weiß er schon zu schätzen. Aber alles bei ihm immer nur für den Augenblick. Aus den Augen aus dem Sinn. Er lebt gerne auf großem Fuß, aber er behält bisher seine gutherzige Seite, immerhin begleitet er den volltrunkenen Copperfield nach Hause. Ihm liegt schon was an Copperfield, das denke ich ganz sicher. Dieser wird nach Agnes Warnung dann doch misstrauisch. Und gewiss wird dieses Misstrauen noch seine Begründung finden. Aber mehr in der Hinsicht, dass Steerforth ihn unbeabsichtigt, einfach weil es in seinem Lebemann-Charakter, in seiner Lebensphilosophie liegt, in den dekadenten Abgrund ziehen könnte oder ihn unbedacht vor den Kopf stoßen wird.
Meinst du wirklich, er kommt mit Emily zusammen? Die Scheu, die Emily an den Tag legte lag meiner Meinung nach eher an Copperfield, weil er am selben Tag auftauchte, als sie sich mit Ham verlobt hatte. Gewiss, Steerforth hat sich in die Emily kurzerhand verschossen, zeigt ja die Benennung des Bootes, aber Anzeichen von Seiten Emilys habe ich nicht rauslesen können. Wenn, dann wäre sie für ihn nur eine schnelle Beute, seinem Lebensstil entsprechend, in London kam sie ja auch nicht mehr zur Sprache zwischen den beiden. Wenn Steerforth noch die Chance bekommt, sie zu "erlegen", dann wird er die Freundschaft zu Copperfield billigend aufs Spiel setzen. Und Ham wird ihm dann kurzerhand, ganz klar, sowieso egal sein.
Aber was war denn nun mit der Martha?
Zitat von Taxine
Fand ich mal wieder herrlich von Dickens, die Wiederbegegnung zwischen Copperfield und Steerforth
Finde überhaupt herrlich, dass er alle ständig überall in seinen Dunstkreisen, in die er eintaucht, wieder trifft. Total absurd
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[i]Poka![/i]
Nennt er Copperfield bei euch wirklich "Daisy"? Bei mir nennt er ihn ---> Blümchen
Zitat von Taxine
aber sich gegen den kleinen David mehr als großzügig verhielt, wenn er ihn auch ab und an, man nahm es ihm nicht allzu krumm, übers Ohr haute.
Mehr als großzügig ist vielleicht etwas übertrieben. Ich denke, Copperfield projizierte schon damals mehr in Steerforth, als in seinem Verhalten steckte. Steerforth machte einfach das Beste aus der Situation. Er nahm Copperfield gleich das Geld ab und bestimmte was dafür gekauft werden sollte und eine aktiv schützende Position sah man ihn auch nicht einnehmen. Aber auch keine mobbende, was man ihm zugute halten kann. (Vermutlich aber auch nur, weil Copperfield sich gleich mit allem einverstanden zeigte.)
Copperfield profitierte bestenfalls von dem Respekt, den Steerforth an der Schule genoss. Und Steerforth von der naiven Treue Copperfields, die ja bis ins Jugendalter anhält, wie wir sehen. So nach dem Motto, wenn er schon mal da ist und mir nicht verachtenswert erscheint, nutze ich eben das Potential dieses kleinen Knirpses. Copperfield war eben ein Junge, dem jegliche Liebe entzogen wurde, der Halt suchte. Wie sehr er auch bei Steerforth Angst vor "Liebesentzug" hatte, zeigt beispielsweise wie sehr er beim Geschichtenerzählen unter Druck stand.
Man kann gespannt sein, ob es zwischen den beiden noch zum Showdown kommt.
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[i]Poka![/i]
RE: Charles Dickens
in Die schöne Welt der Bücher 17.02.2011 13:18von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von LX.C
(Oder bin ich da so blauäugig wie Copperfield )
Ja, das überhaupt ist das Faszinierende an diesem Dickens-Roman, dass man nie genau weiß, ob man sich von Copperfields Naivität beeinflussen lässt oder die Person, die man zu deuten versucht, tatsächlich so liebenswert ist, wie sie der Ich-Erzähler beschreibt. Denn die Personen haben gerade bei "David Copperfield" ihre Doppelgesichter, treten immer wieder auf, zeigen ihre Persönlichkeit stärker oder schwächer und gleichzeitig auch das, was immer vorhanden war, so dass man sich als Leser hier nur gegen die Stirn klatschen kann: Ach, sieh an. Das war also doch offensichtlich!
Dickens hat die zu grelle Überbeleuchtung aufgegeben, verwirrt und führt den Leser auch gerne in eine andere Richtung, lässt sich Zeit, deutet an, beschreibt und lässt seine Figuren wieder für eine Weile verschwinden, damit sie dann um so deutlicher wiederkehren können. Sogar Traddles oder, da guckte ich, eine Miss Murdstone treten wieder auf. Die Wiederbegegnungen sind klasse und das neue Umfeld, in dem die Begegnungen stattfinden, lässt immer mehr Deutungsrahmen zu, da dazwischen einiges geschehen ist. Das ermöglicht uns, als Leser, diese Vieldeutigkeit.
Meine Interpretation der Szenen dann also wie folgt:
Marta ist schwanger, so habe ich das auch aufgefasst, muss nun aus ihrem Umfeld verschwinden, damit die Menschen, die sie kennen, nichts von dem Geheimnis erfahren. Und jetzt kommt's: Vielleicht ist sie sogar von Steerforth geschwängert??? - Denn, als Copperfield und Steerforth Richtung Familie Peggotty gehen, wundert sich Steerforth über den Schatten Marta, der Ham und Emly folgt, und ist darüber recht ungehalten. (Wäre zumindest eine (zugegeben sehr vage) Möglichkeit.)
Ich denke, Emly, die schon immer von dem großen Unbekannten, von dem Copperfield schwärmt, fasziniert ist, hat sich unsterblich in ihn verliebt, als er ihr begegnet. Er selbst liebt sie oberflächlich, wie es seinem Charakter entspricht. Sie ist hin und her gerissen zwischen dem liebevollen Ham und dem eher für sie gefährlichen Steerforth, der durchaus sein Interesse bekundet, aber von dem ich annehme, dass es ihm eher um Eroberung geht. Ob sie tatsächlich zusammen kommen, das wird sich zeigen. Ich glaube eher nicht, denn Emly wird auf der Strecke bleiben, sollte sie sich für Steerforth entscheiden und gegen den lieben Ham. Sie wird den letzteren verlieren, der erstere wird sie sitzen lassen. (Deutungen über Deutungen. )
Steerforth, als der Held einer Copperfield'schen Vergangenheit, war mir zumindest trotz allem sehr sympathisch. Er nennt David Daisy (mag an der Übersetzung liegen), da Daisy von Gänseblümchen - für die Naivität, Arglosigkeit, Freundlichkeit - abgeleitet ist. Das hat also nichts zu sagen, jedoch war meine Überlegung, dass wenn man einen Menschen mag, ihn nicht unbedingt verweiblicht oder gar verkindlicht (gerade wo er doch wissen müsste, wie belastend für Copperfield die eigene Jugend ist, wo er immer der Jüngste war und sich gegen die Älteren durchsetzen musste (... oder man blicke auf seine ständigen Unzulänglichkeitsgefühle sogar einem Diener Steerforths gegenüber, der ihn noch extremer als Kind behandelt, zumindest in der Auffassung Davids).). Steerforths Blick auf Copperfield erscheint mir nicht von gleichberechtigt freundschaftlichen Gefühlen geprägt zu sein, sondern als ein Blick herab auf das einstige Kind.
Und du sagst richtig, dass Steerforth Copperfield, als er betrunken war, nach Hause begleitet hat, allerdings hat er auch dafür gesorgt, dass der betrunkene David erst mit ihnen ins Theater geht (oder besser gesagt, so in ihrer Mitte mitstürzt), um sich vor aller Augen zu blamieren (besonders dann eben vor Agnes). Ihre Bedenken halte ich durchaus für richtig. Der Vormieter Copperfields starb durch zu viel Rauchen und Trinken, womit wohl ausgedrückt werden soll, dass er ein unverbesserlicher Lebemann war, der keinen Wert auf ein anständiges Leben legte, sich lieber amüsierte. Ausgerechnet Copperfield wird durch Steerforth und seine Freunde verführt, gleiche Charakterzüge anzunehmen (wenn auch verfälschte, aber was weiß eine Öffentlichkeit), für die er sich hinterher schämt. Allerdings hat Steerforth sich vorher geweigert, mit den Freunden zu ihm zu kommen, bis Copperfield so lange gebettelt hat, dass er sich umstimmen ließ. Das spricht für seinen Charakter.
Gefallen hat mir auch diese olle Mrs. Crupp, seine Hausverwalterin, die ihn vorne und hinten ausnimmt, ihn beklaut oder ihm Sachen aufdrängt, die eigentlich ihre Aufgabe sind, die er dann extra bezahlen muss (der sich genügsam an seinen Getränken tuende Kellner z. B., dessen Schatten so herrlich an der Wand erscheint, immer mit einer Flasche am Mund). Hier erkennt der doch immer noch häufig naive Copperfield ganz genau, dass er ihr nicht vertrauen kann. Sie ist eine dieser typischen Menschen, die Situationen für sich ausnutzen, wenn sie sich ergeben, gehört zu den Leuten, die sich durch kleine Gaunereien durch das Leben schlagen, als ein Charakter, der auch in "Oliver Twist" bereits auftauchte.
In der Wiederbegegnung mit Uriah Heep beschreibt Dickens ihn nun explizit als kriecherisch und widerlich. Er wird Copperfield wohl mit seinem Wissen über ihn noch erpressen, um an Agnes heranzukommen. In dieser Angelegenheit muss sich Copperfield noch beweisen, seinen Mut zeigen, für Agnes einzustehen, trotz der Gefahr, dass Uriah ihn in der Hand hat. Das wird noch spannend.
Liebe Grüße
Taxine
Art & Vibration
RE: Charles Dickens
in Die schöne Welt der Bücher 17.02.2011 13:47von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von Martinus
Die Eifersuchtsszene zwischen Agnes und Uriah Heep fand ich sehr schön, dh. diese Eifersucht spielte sich nur im Inneren Davids ab, was die Szene insbesondere interessant machte. Trotzdem muss er jetzt erstmal Dora kennenlernen. Warum so ein Umweg?
Ich denke, Agnes ist für Copperfield eher wie eine Schwester, die er über alles liebt - als Vertraute, für die er nur das Beste will -, Dora aber trägt die Charakterzüge einer einstigen Jugendliebe von Dickens (Maria Beadnell), die ihn, weil er arm war, sitzen ließ und später dick und unansehnlich wurde. Dickens war siebzehn Jahre alt, als er sie kennenlernte, so alt wie David selbst.
(Bei Somerset Maugham heißt es über sie: "Es schmeichelte ihr und amüsierte sie, einen Liebhaber zu haben, aber Charles war völlig mittellos, und sie kann nie beabsichtigt haben, ihn zu heiraten. Als die Geschichte nach zwei Jahren auseinanderging und sie nach echt romantischem Brauch einander ihre Geschenke und Briefe zurückgaben, glaubte Charles, das Herz müsse ihm brechen. Sie begegneten einander erst viele Jahe später wieder. Maria Beadnell, seit langem verheiratet, speiste gemeinsam mit dem gefeierten Mr. Dickens und seiner Frau. Maria war dick geworden, durchschnittlich und dumm. Sie diente Dickens als Vorbild für Flora Finching in "Klein Dorrit" und war bereits das Vorbild für die Dora im "David Copperfield" gewesen.")
Hier entbrennt David also vor Liebe zu ihr, wie wir so schön lesen konnten, eifersüchtig selbst auf die älteren Herrschaften, die um sie herum sind. Sie selbst ist tatsächlich leicht dümmlich, spricht über ihren Hund zu ihm. Ich halte diese Liebe aber keineswegs für einen Umweg.
Nochmals liebe Grüße
tAxine
Art & Vibration
Zitat von Taxine
Vielleicht ist sie sogar von Steerforth geschwängert??? - Denn, als Copperfield und Steerforth Richtung Familie Peggotty gehen, wundert sich Steerforth über den Schatten Marta, der Ham und Emly folgt, und ist darüber recht ungehalten. (Wäre zumindest eine (zugegeben sehr vage) Möglichkeit.)
Ich glaub, das hat damit nichts zu tun. Die Szene wird ja aufgelöst. Sie schleicht Ham und Emily hinterher, um nicht aufzufallen und Emily im Hause Peggotty abzufangen, darf gleichzeitig aber nicht von Mr. Peggotty gesehen werden, da dieser den Umgang nicht wünscht. Steerforth und Copperfield treffen ja zufällig auf Emily und Ham, werden Zeuge dieser Verfolgungsszene und erkennen Martha als Martha gar nicht.
Zitat von Taxine
Ich denke, Emly, die schon immer von dem großen Unbekannten, von dem Copperfield schwärmt, fasziniert ist, hat sich unsterblich in ihn verliebt
Unsterblich verliebt. Wie kommst du nur darauf? Ich kann nicht eine Liebesandeutung finden. Hast du eine parat?
Zitat von Taxine
Er nennt David Daisy (mag an der Übersetzung liegen), da Daisy von Gänseblümchen - für die Naivität, Arglosigkeit, Freundlichkeit - abgeleitet ist.
Ach daher das Blümchen. Danke für die Info
Zitat von Taxine
jedoch war meine Überlegung, dass wenn man einen Menschen mag, ihn nicht unbedingt verweiblicht oder gar verkindlicht
Aber verniedlicht. Das machen in meinem Freundeskreis alle untereinander, mich eingeschlossen.
Zitat von Taxine
Und du sagst richtig, dass Steerforth Copperfield, als er betrunken war, nach Hause begleitet hat, allerdings hat er auch dafür gesorgt, dass der betrunkene David erst mit ihnen ins Theater geht (oder besser gesagt, so in ihrer Mitte mitstürzt), um sich vor aller Augen zu blamieren (besonders dann eben vor Agnes).
Na ja, Moment. Steerforth kannte Agnes gar nicht. Der wollte ja einfach nur zu den geilen Bräuten, was klar machen Und nach einer ausschweifenden Party im volltrunkenen Übermut noch mal ein neues Ziel anzusteuern, obwohl es wider jeder Vernunft ist, das kommt vor allem in der Jugend schon mal vor, da sehe ich keine böse Absicht darin. Das ist eher wieder so ein Geistesblitz von Steerforth gewesen, wie mit dem Kauf des Bootes.
Zitat von Taxine
In der Wiederbegegnung mit Uriah Heep beschreibt Dickens ihn nun explizit als kriecherisch und widerlich. Er wird Copperfield wohl mit seinem Wissen über ihn noch erpressen, um an Agnes heranzukommen. In dieser Angelegenheit muss sich Copperfield noch beweisen, seinen Mut zeigen, für Agnes einzustehen, trotz der Gefahr, dass Uriah ihn in der Hand hat.
Er erpresst ihn ja schon, aber anders als du meinst. Er hat ja nichts, das er gegen Copperfield selbst verwenden kann. Aber das Wissen um den Charakter Copperfields und die Zuneigung Copperfields zu Agnes und deren Vater sind wertvoll für Uriah.
Denn gegen den Vater hat er belastende Beweise in der Hand.
Damit erpresst er beide, Agnes und Copperfield. Wenn diese nicht spuren, soll es dem Vater von Agnes an den Kragen gehen. Das heißt, wenn Copperfield ihn bei Agnes schlecht machen will und wenn Agnes ihm irgendwann nicht zur Verfügung stehen will. Wirkt ja bereits. Copperfield hält vorerst still, selbst vor Agnes. Ja, da wird er sich noch beweisen müssen.
Im Moment sehe ich zwei Alternativen für Steeforth. Entweder er wird Copperfield und Agnes helfen Uriah fertig zu machen. Und dann vielleicht sogar eine wirklich feste Liebe mit Agnes eingehen. Oder Steeforth wird durch irgendwelche Ungeschicke alles verspielen und ganz unten landen. Nachdem sich Copperfield von ihm losgesagt hat, weil er dessen Hang zum Abgründigen erkannt hat.
Gute Nacht
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[i]Poka![/i]
RE: Charles Dickens
in Die schöne Welt der Bücher 18.02.2011 00:26von Taxine • Admin | 6.696 Beiträge
Zitat von LX.C
Er erpresst ihn ja schon, aber anders als du meinst.
Hm... vielleicht doch ein leichter Anflug an Schubladendenken?*
Zitat von LX.C
Unsterblich verliebt. Wie kommst du nur darauf? Ich kann nicht eine Liebesandeutung finden. Hast du eine parat?
Ich deute ihre Reaktionen auf Steerforth, auch dass sie zunächst freudig überrascht von Hams Antrag ist, ihn annimmt, dann aber, beim Auftauchen Streetforths und Copperfields, auf einmal Bedenken hat. Wenn Steerforth in der Nähe ist, hält sie nicht mehr seine Hand oder rückt von Ham weg. Die Hinterfragungen bei dem "Problem Marta", die sie an sich selbst stellt, die Unsicherheit gegenüber Steerforth, der sie für zu gut für Ham hält, ihr Interesse zuvor (seit sie von Steerforth gehört hat und sich immer schämt, wenn Peggotty seinen Namen erwähnt) wirkten auf mich wie eine Liebesandeutung.
Zitat von LX.C
Na ja, Moment. Steerforth kannte Agnes gar nicht.
Wenn Steerforth Copperfield, obwohl er dessen Trunkenheit erkennt, nötigt, mit ihnen ins Theater zu gehen (was hat Agnes mit dieser Handlung zu tun???), dann steckt dahinter eine leicht bösartige Absicht. Dass Agnes dann aufkreuzte, hat mit dem Akt selbst nichts zu tun, nur Copperfield war es gerade wegen ihr peinlich, da sie als sein guter Engel auftritt, während die anderen ihn weiter zum "Laster" verführen. Ich empfand dieses Hinausstoßen nach den Streitigkeiten am Tisch durchaus als negativen Einfluss.
Zitat von LX.C
... Aber verniedlicht.
Davy - wie er ihn hin und wieder nennt, ist eine Verniedlichung. Daisy oder Blümchen oder Gänseblümchen - geht, meiner Ansicht nach, darüber hinaus.
Ist schon witzig, wie sehr die Ansichten doch übereinstimmen und wie sehr sie an Deutung wieder auseinander driften. Das erhält die Spannung aufrecht.
Liebe Grüße
Taxine
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* = Was du sagst, ist schon klar, steht ja so im Text. Ich habe nur eine Variante der Weiterdeutung zusammengesponnen, denn ich kann mir vorstellen, dass Uriah Copperfield auch noch in anderer Hinsicht erpresst. Diese Annahme kann durchaus aus der Luft gegriffen sein, macht aber darum nicht weniger Freude.
Art & Vibration