HirngespinsteAustausch zwischen Literatur und Kunst |
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RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 10.04.2012 20:37von Patmöser • 1.121 Beiträge
aus Fernen, aus Reichen
was dann nach jener Stunde
sein wird, wenn dies geschah,
weiß niemand, keine Kunde
kam je von da,
von den erstickten Schlünden,
von dem gebrochnen Licht,
wird es sich neu entzünden,
ich meine nicht.
doch sehe ich ein Zeichen:
über das Schattenland
aus Fernen, aus Reichen
eine große, schöne Hand,
die wird mich nicht berühren,
das läßt der Raum nicht zu:
doch werde ich sie spüren
und das bist du.
und du wirst niedergleiten
am Strand, am Meer,
aus Fernen, aus Weiten:
»- erlöst auch er«;
ich kannte deine Blicke
und in des tiefsten Schoß
sammelst du unsere Glücke,
den Traum, das Loos.
ein Tag ist zu Ende,
die Reifen fortgebracht,
dann spielen noch zwei Hände
das Lied der Nacht,
vom Zimmer, wo die Tasten
den dunklen Laut verwehn,
sieht man das Meer und die Masten
hoch nach Norden gehn.
wenn die Nacht wird weichen,
wenn der Tag begann,
trägst du Zeichen,
die niemand deuten kann,
geheime Male
von fernen Stunden krank
und leerst die Schale,
aus der ich vor dir trank.
Gottfried Benn (1927)

RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 27.04.2012 14:27von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Wer einem alles so in den Bergen begegnet. Völlig verfressene Viecher:
Und sobald der festgestellt hat, dass ich ihm nichts tue, hat er sich aus der Erstarrung gelöst und das andere Viech ratzekahl verputzt und hinuntergeschlungen. Muss ja einen mächtigen Appetit gehabt haben.

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RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 27.04.2012 19:37von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Der war schon hinüber... und glaub' ja nicht, dass das Viech den Kleinen losgelassen hätte. (Vielleicht war es ein totes Junges???) Auch hätte ich kaum erwartet, dass er ihn so herunterwürgt...

Art & Vibration

RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 27.04.2012 20:28von Roquairol • 1.072 Beiträge

RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 27.04.2012 20:32von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Ja... der Stärkere hat eben das Sagen (und ich als Fotograf war es nicht, ich war dann eher so etwas wie der trunken beeindruckte Zuschauer, damit lediglich eine Nebenfigur, die sich herauszuhalten hat )... Aber eine herrliche Farbe hat er gehabt, das muss man schon sagen. Der verdaut bestimmt heute noch.

Art & Vibration

RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 27.04.2012 20:40von Roquairol • 1.072 Beiträge

RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 27.04.2012 20:51von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Ah... sieh' mal an. Vielen Dank für die Information.
Die war bestimmt an die 15 cm lang - ohne Schwanz.

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RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 09.05.2012 16:46von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Zitat von LX.CZitat von Taxine
Der war schon hinüber... und glaub' ja nicht, dass das Viech den Kleinen losgelassen hätte. (Vielleicht war es ein totes Junges???)
Vielleicht war er ja nur erstarrt oder ohnmächtig
Ja, möglicherweise. Die Natur ist schön und grausam.

Art & Vibration


RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 14.05.2012 12:34von Roquairol • 1.072 Beiträge
Habe heute im "Spiegel" gelesen, dass Marcel Reich-Ranicki jetzt in der FASZ den Leserbriefonkel gibt, so eine Mischung aus Literaturberatung und Publikumsbeschimpfung - und dass er in dieser Funktion auf die Frage nach der Unverständlichkeit Gottfried Benns geantwortet habe, "man müsse dessen Gedichte mit Verstand lesen".
Das kann ich nicht unwidersprochen stehen lassen, denn das Gegenteil ist richtig: Man muss Benn mit Empathie und Emotion lesen, aber gerade nicht mit Verstand. Wenn man die entlegenen Fremdwörter, die er manchmal in seiner Lyrik verwendet, im Lexikon nachschlägt, bringt das überhaupt nichts. Statt dessen sollte man sich allein auf den Klang dieser Wörter einlassen und auf die Assoziationen, die dieser Klang in einem erzeugt - auch wenn sie auf der rein rationalen Ebene höchst abwegig erscheinen mögen. So muss man Benns Gedichte lesen.
Das musste ich nur mal loswerden. Weitermachen!
Homepage: http://www.noctivagus.net/mendler
Facebook: http://www.facebook.com/people/Klaus-Mendler/1414151458

RE: Gedanken vom Tag - allgemein Nr. 3
in Gedanken vom Tag 14.05.2012 22:25von Taxine • Admin | 6.701 Beiträge
Zitat von KrümelZitat von Roquairol
Man muss Benn mit Empathie und Emotion lesen, aber gerade nicht mit Verstand.
So verhält es sich doch grundsätzlich mit Lyrik, das schreibt man aus dem Bauch...
Woooaaasss? Mehr... viel mehr...
Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), - es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muss man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muss die Tiere kennen, man muss fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. Man muss zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, - an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken musste, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen -), an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen, - und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das denken darf. Man muss Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreißenden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen. Aber auch bei Sterbenden muss man gewesen sein, muss bei Toten gesessen haben in der Stube bei dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen. Und es genügt auch noch nicht, dass man Erinnerungen hat. Man muss sie vergessen können, wenn es viele sind, und man muss die große Geduld haben, zu warten, dass sie wiederkommen. Denn die Erinnerungen selbst sind es noch nicht. Erst wenn sie Blut werden in uns, Blick und Gebärde, namenlos und nicht mehr zu unterscheiden von uns selbst, erst dann kann es geschehen, dass in einer sehr seltenen Stunde das erste Wort eines Verses aufsteht in ihrer Mitte und aus ihnen ausgeht.
(Rainer Maria Rilke "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", Insel Verlag, S. 19/20)

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