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Hirngespinste

Austausch zwischen Literatur und Kunst


#121

RE: Literaturnobelpreis 2011

in An der Literatur orientierte Gedanken 12.10.2012 13:46
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Man könnte auch fast sagen: würde jemand wirklich etwas für die Menschheit tun, würde er gegen all die (in letzter Zeit zumindest) handeln, die diesen Preis ergattert haben.




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#122

RE: Literaturnobelpreis 2011

in An der Literatur orientierte Gedanken 13.10.2012 12:56
von Martinus • 3.195 Beiträge

zum Friedensnobel ist mir noch was eingefallen:

Friedensnobelpreis 2012

rettungsschirm zu weihrauchschirm

fragt nicht, ob hohl ist unsre birn

finanzspritzen für das vakuum

macht nichts, fragt nicht warum

stolzer preis

von wegen europaverschleiß

jede sache hat seinen preis.




„Wäre die Erde eine Bank, dann hättet Ihr sie bestimmt schon gerettet!" (Greenpeace)
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#123

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 13.10.2019 10:44
von LX.C • 2.821 Beiträge

Da war doch was, dachte ich, als ich den Namen Olga Tokarczuk hörte. Und tatsächlich: 2014 aufgrund Taxines Empfehlung "Taghaus Nachthaus" gelesen. Soweit ich mich erinnere war mir das Buch wenngleich sehr gut geschrieben etwas verworren. Surrealistisch? Nun wäre das eine gute Gelegenheit, sich einen neuen Eindruck zu verschaffen. Herzlichen Glückwunsch nach Polen!

Und dann noch Peter Handke. Den hatte ich jetzt auch nicht mehr auf dem Schirm :)


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#124

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 19.10.2019 18:32
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Zitat von LX.C im Beitrag #123
Da war doch was, dachte ich, als ich den Namen Olga Tokarczuk hörte. Und tatsächlich: 2014 aufgrund Taxines Empfehlung "Taghaus Nachthaus" gelesen. Soweit ich mich erinnere war mir das Buch wenngleich sehr gut geschrieben etwas verworren. Surrealistisch? Nun wäre das eine gute Gelegenheit, sich einen neuen Eindruck zu verschaffen. Herzlichen Glückwunsch nach Polen!

Ja, eine großartige Entscheidung. War auch begeistert. Hatte das Gleiche in "Gedanken vom Tag" bejubelt, da ich gar nicht mehr wusste, dass wir diesen Ordner haben. Mir gefallen alle ihre Werke, wobei "Taghaus Nachthaus" noch das "unsurrealste" und narrativ konventionellste ist (für mich auch das beste). Der restliche Schrieb ist chaotischer und experimenteller, was mich ja immer anspricht.
Ein neues Werk der Schriftstellerin gibt es seit Oktober diesen Jahres. "Die Jakobsbücher" mit knapp 1.200 Seiten Lesestoff. Das kenne ich noch nicht, werde es mir aber besorgen. MIr gefielen "Unrast", "Ur oder andere Zeiten", "Die letzte Geschichte" und die Erzählungen. Etwas solider ist "Gesang der Fledermäuse".




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#125

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 20.10.2019 17:13
von LX.C • 2.821 Beiträge

Zitat von Taxine im Beitrag #124
Der restliche Schrieb ist chaotischer und experimenteller, was mich ja immer anspricht.
Ein neues Werk der Schriftstellerin gibt es seit Oktober diesen Jahres. "Die Jakobsbücher" mit knapp 1.200 Seiten Lesestoff. Das kenne ich noch nicht, werde es mir aber besorgen. MIr gefielen "Unrast", "Ur oder andere Zeiten", "Die letzte Geschichte" und die Erzählungen. Etwas solider ist "Gesang der Fledermäuse".


Danke dass Du da noch mal einhakst, dann spare ich es mir vielleicht doch und freu mich einfach so für die polnische Autorin. Zu Handke gibts angestoßen durch Saša Stanišić indes ja schon wieder reichlich Diskussionsstoff. Wobei ich dessen Position absolut nachvollziehen kann. Und mit Handtkes literarischem Werk konnte ich eh noch nie etwas anfangen.


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zuletzt bearbeitet 20.10.2019 17:20 | nach oben springen

#126

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 20.10.2019 18:24
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Zitat von LX.C
Danke dass Du da noch mal einhakst, dann spare ich es mir vielleicht doch und freu mich einfach so für die polnische Autorin.


Ja, das denke auch, die Olga wird dir wahrscheinlich etwas zu "experimentell" sein.

Zitat von LX.C
Zu Handke gibts angestoßen durch Saša Stanišić indes ja schon wieder reichlich Diskussionsstoff. Wobei ich dessen Position absolut nachvollziehen kann. Und mit Handtkes literarischem Werk konnte ich eh noch nie etwas anfangen.


Verbrechen zu verharmlosen, nur weil man sich das Recht herausnimmt, im literarischen Elfenbeinturm zu sitzen, um alles, was man sagt, mit dem Recht der Poesie zu verteidigen, ist und bleibt fragwürdig. Hätte er das Kriegsthema literarisch ignoriert, wäre seine Stellung sicherlich in Ordnung gewesen. Literatur muss nicht zwingend Politik sein oder sich politisch äußern. Sie kann auf der reinen ästhetischen Basis ihren Ausdruck finden oder sich nur um Stil und Ausdruck drehen. Aber Handke hat nicht nichts gesagt oder das Thema außen vor gelassen. Er hat darüber geschrieben und Partei ergriffen, entsprechend ist seine Elfenbeinturm-Ausrede unsinnig und daher auch die Aufregung von Stanišić gerechtfertigt, der aus einer anderen Perspektive zu berichten weiß, und zwar aus der wirklichen, gefrässigen...

Als ich die Literatur-Nobelpreis-Nominierung gehört habe, ging mir durch den Kopf, dass wohl durch den Skandal letztes Jahr und aufgrund der Preisträger die Entscheidung diesmal nicht politisch motiviert war. Das fand ich wiederum gut, da viele Preisträger oftmals auch mit politischem Hintergrund ausgewählt wurden, dagegen Handke und Tokarczuk einen sehr einzigartigen Stil bieten, der mich persönlich anspricht. Anscheinend kann jedoch Literatur nie für sich stehen. Immer gibt es Angriffspunkte.
Das Werk von Handke hat in meinen Augen durchaus seine Glanzstellen. Auch seine Gedichte, die dann in "HImmel über Berlin" eine tolle Stimmung erzeugten, aber es bleibt ein reines Schreib-Intellekt-Gemetzel in Worten, keine Wärme, keine Dauer. Nach jedem Handke-Buch weiß ich wenige Wochen danach nicht mehr, worum es ging. Das ist der Effekt solcher zurechtpolierter Sätze. Sie klingen im Moment des Lesens, hinterlassen aber wenig Spuren.




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#127

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 24.10.2019 12:49
von LX.C • 2.821 Beiträge

Dem wollte ich erst gar nichts hinzufügen, weil das Statement, vielleicht bis auf die Enordnung Handkes Reiseberichte als Literatur, ganz meiner Meinung entspricht. Aber ohne nun den Umstand der "Leugnung" oder "Infragestellung" relativieren zu wollen, soll es Handke in seinen Reiseberichten, eigentlich ganz in Deinem Sinne, um Medienkritik und Kritik einseitiger Schuldzuweisungen durch die Kriegsberichterstattung gegangen sein, wie man im Vorwort von Thomas Deichmanns (Hrsg.) "Noch einmal für Jugoslawien: Peter Handke" lesen kann. Und genau von diesen Medien soll Handke dafür angeblich abgescholten und irgendwie auch medientypisch bis aufs Letzte diskreditiert worden sein, indem der Umstand der "Infragestellung" und "Serbiennähe" Handkes herausgelöst worden seien, ohne das Gesamtwerk richtig einzuordnen.
Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, die Reiseberichte, insbesondere "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien" mal zu lesen? Inzwischen gibt es das auch als Zusammenfassung aller drei Teile inkl. der "sommerlichen" Relativierung Handkes. Dazu auch die erwähnte Zusammenfassung der feuilletonistischen Auseinandersetzung. Als literarisch und historisch gleichermaßen interessierter Mensch habe ich jetzt irgendwie Lust bekommen, mich damit mal genauer auseinander zu setzen und werde das demnächst tun. Wobei ich vorwegnehmen will, dass jegliche Genozid-Leugnung für mich vollkommen unakzeptabel ist, aber ich will dann doch Handkes Position im Gesamtzusammenhang gelesen haben.
Vielleicht hast Du Interesse Dich zu beteiligen? Vielleicht kommen wir ja zu einem interessanten Austausch. Oder finden Deine, unsere Meinung bestätigt.


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#128

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 24.10.2019 18:10
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Ja, die Gefahr des einseitigen Blicks besteht immer. Gleichzeitig ist es wichtig, sich mit dem so stark kritisierten Werk in eigener Sache auseinanderzusetzen. Habe allerdings gesehen, dass das Buch kaum zu bekommen ist oder unsinnig teuer? Ich würde da ganz gerne einmal hineinlesen.
Von der Diskussion angeregt und auch aufgrund deiner Empfehlung lese ich erst einmal "Herkunft" von Stanišić. Wenn ich Handkes Buch bekomme, können wir uns gerne austauschen. Auch wenn nur du es liest, würde mich deine Sicht interessieren. War ja auch schon bei Povovic schön dargestellt, dieses Fatale der Gegner im Krieg. Die Gegenseite ist immer der Feind, dabei haben alle gelitten, geblutet und gekeucht. Krieg ist ein widerliches Verbrechen an der Menschheit, besonders in zivilisierten und modernen Zeiten.
Momentan lese ich gerade in Handkes Aufzeichnungen "Das Gewicht der Welt". Darin wird sein Talent, einen Satz bildhaft genial auf den Punkt zu bringen, sehr sichtbar. Aber charakterlich bleibt er mir eher unsympathisch.




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#129

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 25.10.2019 07:42
von Zypresserich (gelöscht)
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Wen's übrigens interessieren sollte und wer sich tiefer in das - teilweise - Stammtisch-Gemetzele um Handkes Verpreisung begeben will: der Oberstammtisch ist ... tata ... natürlich Twitter. Streckenweise grauenhaftestes Gepöbele, zwischendrin allerdings durch Quellen Belegtes, fachlich Fundiertes, und, angestoßen durch Diskussionen von Literatur Richtung politischer Geschehnisse: bis hin zu Links zu Kriegsverbrecherurteilen (mal ganz einfach ausgedrückt). Siebt man den Schrott, der dort überwiegend gepostet wird, aus, kann man sogar hie und da noch was lernen.

https://twitter.com/search?q=%23Handke&s...ch_click&f=live

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#130

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 25.10.2019 11:33
von LX.C • 2.821 Beiträge

Ja, Is heftig, dass das Erstling in den dreistelligen Bereich geht. Man findet eigenartiger Weise auch kaum gebrauchte Bücher davon.
Aber alle drei dazugehörigen Werke findet man wie gesagt zusammengefasst auch zu einem normalen Neupreis:

Handke: Abschied des Träumers / Winterliche Reise / Sommerlicher Nachtrag


(Der Amazon Link ist aus der Not geboren, gibt es auch in anderen Buchhandlungen.)


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zuletzt bearbeitet 25.10.2019 11:45 | nach oben springen

#131

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 25.10.2019 11:51
von LX.C • 2.821 Beiträge

Zitat von Zypresserich im Beitrag #129
Wen's übrigens interessieren sollte und wer sich tiefer in das - teilweise - Stammtisch-Gemetzele um Handkes Verpreisung begeben will: der Oberstammtisch ist ... tata ... natürlich Twitter. Streckenweise grauenhaftestes Gepöbele, zwischendrin allerdings durch Quellen Belegtes, fachlich Fundiertes, und, angestoßen durch Diskussionen von Literatur Richtung politischer Geschehnisse: bis hin zu Links zu Kriegsverbrecherurteilen (mal ganz einfach ausgedrückt). Siebt man den Schrott, der dort überwiegend gepostet wird, aus, kann man sogar hie und da noch was lernen.

https://twitter.com/search?q=%23Handke&s...ch_click&f=live


Habe darüber gelesen: https://www.deutschlandfunkkultur.de/deb...ticle_id=461604
Tue mir soziale Netzwerke im Einzelnen aber nicht an.


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#132

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 25.10.2019 19:08
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Wenn ich diesen Twitter-Mist-Senf lese, könnte ich schon wieder ausrasten. Dieses "Ich gebe meinen Senf dazu, damit ich aktuell irgendetwas sage... in einem gezwitscherten Satz" geht mir so auf die Nerven, als ob dieses Thema so einfach wäre. Und was dort alles für ein Unsinn herangeholt wird. Diese "Beweise", wie arrogant Handke ist. Absurd!!! Schon könnte ich mir selbst widersprechen und Stanišić' Aktion als Medien-Mache bezeichnen. Wieso überhaupt nimmt er sich heraus, über seinen Preis hinaus auf den anderen hinüber zu urteilen. Warum spricht er nicht über sein eigenes Buch und lässt die Entscheidung erst einmal außen vor? Hier ist eben wieder diese Schwierigkeit der Kriegssituation sichtbar (der Feindesblick), aber seine Kritik ließe sich auch anders demonstrieren. Diese Welle an Empörung wirkt sehr "gewollt".

Dennoch gibt es immer mehrere Seiten und unzählige Verbrechen und Kriegsmorde. Und so ganz stimmt die Medien-Darstellung sowieso nicht. Es gibt z. B. diese Aufnahmen von der Journalistin Penny Marshall, in denen medienwirksam Bosnier hinter Stacheldraht gefilmt wurden, während der Bereich in Wirklichkeit zum Schutz diente und nicht als Lager, wie es dargestellt werden sollte und was sich dann, fotografiert von unabhängigen Medien, als wahr erwies. Dort ist so viel passiert, was wir nicht nachvollziehen können, Massaker über Massaker, Rache auf Rache. Dahinter steht vielleicht das Konzept, dass das große Jugoslawien zerstört werden sollte, und das ist gelungen. Der Krieg war eine Sache, die Hetze eine andere. Inwieweit die Gräuel-Nachrichten tatsächlich stimmen, bleibt immer zu hinterfragen (ohne den Genozid im Vordergrund). Für Handke z. B. war das Massaker in Kravica ähnlich schlimm, worauf die Rache der Serben erfolgte. Lediglich die Zahl der Toten unterscheidet sich erheblich, wodurch das eine ein anerkannter Genozid, das andere ein relativierter ist. Aber da müsste man sich doch genauer mit befassen. Was ich nicht mag, ist die Aussage Handkes, dass man sich dem Thema nur über die Fiktion nähern kann. Einerseits ist hier mehr Freiraum für eine bestimmte "Meinung" gegeben, andererseits können Quellen und Fakten einfach weggelassen werden. So einfach ist das eben nicht. Dagegen teile ich seine Ansicht, dass der Journalismus nicht mehr objektiv urteilt.

Und das nun wieder ist doch wohl keine Frage (noch einmal zurück zu Twitter). Natürlich hat Handke den Literatur-Nobelpreis verdient. Seine Partei für Serbien hat damit nichts zu tun. Oder vielleicht wäre es ratsam, genau diese einmal präziser zu überprüfen. Wenn es darum geht, dem Medien-Brei Parole zu bieten, sind wir alle gefragt. Twitter, YouTube, Facebook und alle anderen Social Media Plattformen ... diese teilweise so banalen Meinungen ... das zeigt nur, wie oberflächlich die Menschen mit dem Thema umgehen und dass es sie im Grunde gar nicht wirklich interessiert, dass sie einfach irgendetwas hinknallen, ohne zu recherchieren. Und das kotzt mich immer wieder an, in allen Bereichen. Diese Zur-Schau-Stellung an Meinung, die einfach nur übernommen ist.




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#133

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 26.10.2019 06:12
von Zypresserich (gelöscht)
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Zitat von Taxine im Beitrag #132
Schon könnte ich mir selbst widersprechen und Stanišić' Aktion als Medien-Mache bezeichnen. Wieso überhaupt nimmt er sich heraus, über seinen Preis hinaus auf den anderen hinüber zu urteilen. Warum spricht er nicht über sein eigenes Buch und lässt die Entscheidung erst einmal außen vor?
Ja, war mE nicht so geschickt und weise. Seine Kritik hätte er schlauer bringen können, und nicht in der Dankesrede zu seinem eigenen Preis. Aber mehr sage ich dazu auch nicht mehr, weil ich zu dem ganzen Trallala eh selbst nix sagen wollte (hier im kleinen Kreis ok, aber sonst nicht). Ich frage mich nur immer wieder so für mich in meiner ideellen Naivität, wie es eigentlich auf der Welt Frieden sollte geben können, wenn sich die Menschen schon derart in Social Media kloppen. Und grad in diesen besagten Twitter-Threads geht's ja bis in die ekligsten verbal vorgetragenen Ekelhaftigkeiten rein. Bei Handke selbst bin ich mir nicht sicher, ob er eigentlich wirklich so dünnhäutig ist, dass ihm beim geringsten Erbsenpieken der Deckel vom Kessel fliegt, oder ob das nicht Methode ist. - Ende dazu.

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#134

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 26.10.2019 11:09
von LX.C • 2.821 Beiträge

Ich denke Methode. Er hat sich dazu wohl im Sommerlichen Nachtrag geäußert und damit wird für ihn alles gesagt sein.

Zitat von Taxine im Beitrag #132
Schon könnte ich mir selbst widersprechen und Stanišić\' Aktion als Medien-Mache bezeichnen. Wieso überhaupt nimmt er sich heraus, über seinen Preis hinaus auf den anderen hinüber zu urteilen. Warum spricht er nicht über sein eigenes Buch und lässt die Entscheidung erst einmal außen vor? Hier ist eben wieder diese Schwierigkeit der Kriegssituation sichtbar (der Feindesblick), aber seine Kritik ließe sich auch anders demonstrieren. Diese Welle an Empörung wirkt sehr "gewollt".

So weit würde ich nicht gehen. Auch ein Preisträger des Deutsche Buchpreises darf politisch werden, ohne dass man dabei gleich mediales Eigeninteresse hineininterpretieren muss. Der thematisierte Massenmord fand in Stanišićs ehemaliger unmittelbarer Heimat statt und betraf u.a. Menschen aus seiner Heimatstadt, die der Religion seiner Mutter angehörten. Ein hoch emotionalisierendes Thema also für Stanišić, dessen Rede durchaus Sinn machte, wenn man sich in seine Situation hineindenkt. Von daher würde ich jetzt nicht gerade Stanišić für das unsachliche Gezwitschere anderer verantwortlich machen. Wir können ja auch auf normale Weise darüber diskutieren. Und ich denke, die Diskussion wäre auch ohne Stanišić erneut entstanden, vielleicht nicht mit so einer Wucht, aber doch unvermeidlich.


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zuletzt bearbeitet 26.10.2019 11:26 | nach oben springen

#135

RE: Literaturnobelpreis 2018/2019

in An der Literatur orientierte Gedanken 26.10.2019 16:54
von Taxine • Admin | 6.678 Beiträge

Zitat von Zypresserich im Beitrag #133
Bei Handke selbst bin ich mir nicht sicher, ob er eigentlich wirklich so dünnhäutig ist, dass ihm beim geringsten Erbsenpieken der Deckel vom Kessel fliegt, oder ob das nicht Methode ist.

Wenn ich Handkes Gedanken lese und über sein Schreiben, das oftmals ja sehr authentisch autobiografisch zu sein scheint, urteilen würde, dann denke ich auch, dass es Methode ist. Er spielt sich selbst als Schriftsteller. Andererseits kann ich nachvollziehen, dass Reporter einem schon ordentlich auf den Keks gehen können, die ihm nicht gratulieren, sondern direkt auf die Kritik ansprechen.

Zitat von LX.C
Auch ein Preisträger des Deutsche Buchpreises darf politisch werden, ohne dass man dabei gleich mediales Eigeninteresse hineininterpretieren muss. Der thematisierte Massenmord fand in Stanišićs ehemaliger unmittelbarer Heimat statt und betraf u.a. Menschen aus seiner Heimatstadt, die der Religion seiner Mutter angehörten. Ein hoch emotionalisierendes Thema also für Stanišić,


Das stimmt sicherlich. Überhaupt ist der Buchpreis in diesem Fall sowieso rein politisch motiviert, da ich jetzt das Buch "Herkunft" kenne und den Inhalt für mich besser sortieren kann. Stanišić ist emotional involviert, aber auch nicht im direkten Kontakt, sondern aus Berichten seiner Bekannten und den eigenen Eindrücken, die er auf Reisen danach gewonnen hat. Er selbst war ja noch sehr jung (sagt es auch selbst) und beschäftigt sich vielmehr mit der Situation des Flüchtlings (politisch korrekt "Migranten") in Deutschland, weniger mit der Problematik im ehemaligen Jugoslawien selbst (daher auch die Preisvergabe, ist das Thema immerhin sehr brisant und aktuell im Moment und wird es im allgemeinen und europaweiten Chaos auch noch länger bleiben).
Gefahr droht bei Literatur dieser Art immer, zu emotional zu reagieren (auch aus Gründen der Sympathie) und den Blick für wirkliche Ereignisse darüber zu verlieren. "Herkunft" ist natürlich ein sehr persönliches Buch, das gleichzeitig zeigt, wie problematisch die Situation ist, wodurch es Allgemeingültigkeit gewinnt. Er sagt selbst so schön:

"Ich habe das Betrügerische der Erinnerung satt und das Betrügerische der Fiktion allmählich auch..."
(ZItat aus dem Buch)

Emotional verschwimmt alles und wird ein Für und Wider, dazu auch eine lästige Angelegenheit, die Bitterkeit und Nostalgie beinhaltet. Typisch dabei der Frust, dass seine Eltern Jobs annehmen mussten, die ihrem Ausbildungsgrad nicht entsprachen. Das machen im Grunde alle Einwanderer durch, wenn sie die Sprache nicht beherrschen, und kann nun einmal auch nicht anders funktionieren, wenn für den Beruf die Kommunikation notwendig ist. Die Schuld daran kann nicht in Deutschland oder bei den Behörden gesucht werden. Ein Land, das Flüchtlinge aufnimmt, trägt nicht die Verantwortung für den dort geschehenen Krieg, obwohl Stanišić sehr schöne bildliche Beschreibungen findet, darunter die Frau mit den geballten Fäusten, der die Hände gebunden sind.
Die Verzweiflung ist eine Sache, die Forderung eine andere. Es ist schwierig, eine gerechte Lösung für alle zu finden, das wissen wir aus jüngster Vergangenheit und aufgrund der gegenwärtigen Ereignisse selbst nur zu gut.
Das Buch ist gut geschrieben, erreicht den Leser ganz (besonders mich, da ich zur gleichen Zeit in der selben Gegend aufgewachsen bin, wenn auch mit anderem Hintergrund und nur als ungewollt in den "Westen" geworfenes Kind). Stanišić schafft den Sprung zwischen emotionalen Ereignissen, familiären Situationen, Humor und Alltag, und der Aufforderung zum Nachdenken. Das gefällt mir.
(P. S. Als er von dem Kind spricht, musste ich dann doch grinsen. Das ist doch eindeutig von Handke inspiriert!!! Das nur nebenbei. Stanišić hätte wohl auch kaum annehmen können, das Handke den Nobelpreis bekommt. Jetzt gibt es eben genügend Diskussionsstoff.)




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